Bergab, in welche Richtung sonst?

von Reinhard Kriechbaum

Klagenfurt, 1. Oktober 2020. Das slowenische Wort, das bleibt: Srečno. Es heißt eigentlich glücklich und wird umgangssprachlich ungefähr immer dann gebraucht, wenn einem nichts Verbindlicheres einfällt, im Sinne von: Mach's gut. Der Online-Pons nennt als Beispielsatz für Srečno: "Unter einem glücklichen Stern geboren sein."

Theatrale Gedenkveranstaltung

Sind Kärntner Slowenen, sind Kärntner generell unter einem solchen geboren? Darüber kann, muss man nachdenken, denn ein politischer Gedenktag steht an: Hundert Jahre Volksabstimmung, am 10. Oktober. 1920 geschah demokratiepolitisch Bemerkenswertes: Nach dem blutigen Kärntner "Abwehrkampf" (der damalige SHS-Staat der Slowenen, Kroaten und Serben beanspruchte die Region südlich des Wörthersees und weiter südöstlich gelegene Gebiete für sich) durfte die Bevölkerung wählen – und sie entschied sich zu 59,04 Prozent für Österreich. Da in diesem Landstrich rund siebzig Prozent Slowenen lebten, kann man schließen, dass rund die Hälfte von ihnen für den Verbleib in Österreich votierte.

Gelohnt wurde ihnen das nicht, nicht nur in der NS-Zeit wurde der slowenischen Volksgruppe mehr als übel mitgespielt. In den 1970er Jahren entbrannte der Streit um zweisprachige Ortstafeln. Später goss Jörg Haider Öl ins Feuer, und bis heute sind slowenische Minderheitenanliegen für kleinräumige politische Scharmützel gut. Tief sitzen die Traumata – man lese nach in Peter Handkes Familienepos "Immer noch Sturm".

Kaernten 1 600 KH Fessl uIm Themenpark zur (Zeit-)Geschichte: Markus Achatz, Katharina Schmölzer, Alexander Ebeert, Wojo van Brouwer, Katharina Hartmann, Magda Kropiunig © Karlheinz Fessl

Der Beitrag des Stadttheaters Klagenfurt zum Polit-Jubiläum ist alles andere als literarisch: eine grelle Revue mit dem Titel "Servus Srečno Kärntenpark". Wir finden uns in einem History-Disneyland der Zeitgeschichte. Ein Pavillon mit Aufschrift "GrenzlandHeim", ein Rutsche in den Farben der Kärntner Landesflagge gelb-rot-weiß. Es geht bergab, in welche Richtung sonst? Das bestätigen immer wieder jene Wortführer auf der Bühne, die zwar selten in Kärntner Tracht dastehen, deren Seelen und vor allem Gehirne aber ganz fest in braun-filziges Tuch gewickelt scheinen: "A Kärntner, der net braun ist, ist ka echter Kärntner." Der Witz hat schon einen extrem langen Bart, aber für einzelne Lacher ist er immer noch gut.

Alphabetische Anekdoten im Polit-Panoptikum

Bernd Liepold-Mosser, Filmemacher, Theatermann, kurze Zeit Leiter des Peter-Handke-Archivs in Griffen (mit Handke teilt er sich den Geburtsort), hat sich diese Revue ausgedacht. Ein Panoptikum aus Bundesland-Anekdoten und regionalen Ungereimtheiten. Es geht alphabetisch in Stichworten durch Kärnten-Klischees und Kärnten-Wahrheiten. Davon gäbe es deutlich unangenehmere als die, die in der Inszenierung angesprochen werden.

Eine Musiknummer über den Finanzskandal um die Hypo-Alpen-Adria-Bank. Na ja. Im History-Park darf der Jüngling vom Magdalensberg (eine römerzeitliche Statue) nicht fehlen – "ist das der letzte der Buberlpartie?" (Nicht-Österreichern muss man vielleicht erklären: als "Buberlpartie" galten Jörg Haiders sich sehr juvenil gebende politische Mitstreiter). Wie, wenn man unter "U" nicht nur beiläufig Ulrichsberg genannt hätte (ein Treffen ewig Gestriger), sondern auch das Wort Ustascha hätte fallen lassen? Aber das Bleiburg-Treffen kroatischer Kirchenkreise dort, bei dem unverhohlen Ustaše-Abzeichen getragen werden, ist zu peinlich und tagespolitisch brisant. Immerhin: Dass Leopold Wagner, SPÖ-Landeshauptmann in den 1980er Jahren, "stolz auf seine Zeit als Hitlerjunge" war, darf man unterdessen sogar in Kärnten auf der Bühne sagen.

Kaernten 2 600 KH Fessl uPatrioten im Grenzlandheim: Wojo van Brouwer, Petra Morzé, Kathatrina Schmölzer, Katharina Hartmann, Magda Kropiunig © Karlheinz Fessl

Im Lauf der fünfviertel Stunden wird man das Gefühl nicht los, dass Bernd Liepold-Mosser Wort um Wort auf die Goldwaage gelegt hat, um nur ja niemandem weh zu tun. Er beschäftigt sich ja seit zwei Jahrzehnten mit seiner Heimat, und da sind ihm, wie es scheint, so mancher Sketch vom Villacher Fasching und so manche Sage aus Kabarettprogrammen im Gedächtnis geblieben. Vieles ist für diesen Abend zusammengemanscht, gerade in einer Dosis, von der man annehmen durfte, dass sie niemanden im Zuschauerraum ernsthaft irritieren muss.

In einem Sketch einigt man sich darauf, dass Srečno sowieso das einzige Wort ist, dass man wirklich braucht. Ein bisserl guten Willen zur Verständigung braucht's eben auch auf der anderen Seite (Achtung, boshafte Ironie!). Wie ist das doch im Pons-Online-Wörterbuch? Ein weiterer Referenz-Satz lautet dort: "Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende". Das könnte man zum Polit-Jubiläum gut auf die Kärntner Slowenen zu münzen. Aber auf so was kommt ein in Kärnten gebürtiger Theatermensch, um das Seelenwohl der Mehrheitsbevölkerung bemüht, wohl nicht. So ist dann auch der Beifall – im Wortsinn – ausgefallen: ohne Missfallenslaut, aber auch nicht viel mehr als artig.

 

Servus Srečno Kärntenpark
Theaterprojekt von Bernd Liepold-Mosser
Regie: Bernd Liepold-Mosser, Bühne und Kostüme: Karla Fehlenberg, Musik: Boris Fiala, Video: Philip Kandler, Dramaturgie: Hans Mrak.
Mit: Markus Achatz, Alexander Ebeert, Katarina Hartmann, Magda Kropiunig, Petra Morzé, Katharina Schmölzer, Wojo van Brouwer.
Premiere am 1. Oktober 2020
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause

www.stadttheater-klagenfurt.at

 

Kritikenrundschau

"Mit einem gehörigen Schuss Ironie" unterziehe sich das Stadttheater Klagenfurt der Pflicht, einen theatralischen Beitrag zur Zentenarfeier der Volksabstimmung zu liefern, schreibt Michael Cerha im Standard (3.10.2020). "Es geht um lustig. Alles in Kärnten geht um lustig." Eingerichtet habe es sich die von der lokalen Regiegröße Bernd Liepold-Mosser ersonnene Revue in einem Erlebniscenter, mit Solarium und Schwimmbecken und "vor allem mit Kassa", denn "das Kassieren, auch dasjenige der nachmals fußgefesselten Manager der Hypo Alpe Adria, ist ein Markenzeichen des Landes". Das wirtschaftliche Abwärts des südlichsten Bundeslandes fange Karla Fehlenbergs Ausstattung in einer großen Rutschbahn ein, und Alexander Ebeert habe in der Funktion des Festaktgestalters jede Menge zu tun, bis sich alles in allgemeinem Vergessen auflöse: "Denn da und dort hat da schon der deutschnationalistische Albtraum hervorgelugt, der das vorige Jahrhundert überhaupt und Kärnten so besonders heimgesucht hat."

"Mit Ernsthaftigkeit und Akkuratesse nähert sich der Ausstellungsmacher Liepold-Mosser dem Großthema Kärnten, während sich der Theatermacher Liepold-Mosser mit der dunklen Geschichte des Landes erstaunlich humorvoll und leichtfüßig auseinandersetzt", so Petra Paterno in der Wiener Zeitung (6.10.2020). Das siebenköpfige Ensemble "spektakelt fröhlich vor sich hin" an diesem "überaus unterhaltsamer Abend, der vieles anreißt, dabei die Untiefen des Unbehagens mit der eigenen Geschichte augenzwinkernd umschifft", so die Rezensentin.

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