Eisenach: Protest gegen Ensemble-Umbau
Ungewisse Zukunft
Eisenach, 18. November 2020. Das Theater am Markt, eine Eisenacher Amateurtheatergruppe, solidarisiert sich in einem Offenen Brief mit Mitarbeiter*innen des Landestheaters Eisenach. Dessen Jugendtheater-Sparte soll personell neu aufgestellt werden, der designierte Intendant Jens Neundorff von Enzberg hat die Verträge der zweiköpfigen Leitung, der Schauspieler*innen sowie dreier weiterer Mitarbeiterinnen nicht verlängert.
Der Ausspruch einer sogenannten Nichtverlängerung ist das Standard-Verfahren am Theater, wenn eine Stelle neu besetzt werden soll. Wird bis zu einem Stichtag keine Nichtverlängerung ausgesprochen, verlängert sich der Kontrakte automatisch um eine weitere Spielzeit. Insbesondere zum Start einer neuen Intendanz ist ein weitgehender bis kompletter Austausch des künstlerischen Personals üblich.
Das sei auch den Verfasser*innen des Offenen Briefs (hier in voller Länge) bewusst. "Dennoch stellt sich dringend die Frage, inwiefern es sozial vertretbar und gerechtfertigt ist, in Zeiten einer globalen Pandemie an diesem Prinzip festzuhalten. Der gesamte Kulturbetrieb wurde von den Beschränkungen der letzten Monate hart getroffen und blickt ungewiss in die Zukunft. Es ist für die Künstlerinnen und Künstler in dieser Situation ungleich schwerer, eine neue Anstellung zu finden. Verschärft wird die Situation durch die Brände am Landestheater, die Aufführungen auf der Bühne bis auf Weiteres unmöglich machen. So wird dem Schauspiel-Ensemble zusätzlich die Möglichkeit genommen, wie sonst üblich potentiell interessierte Arbeitgeber zu Vorstellungen einzuladen und von ihrem Spiel auf der Bühne zu überzeugen."
Ensemblemitglieder sollen sich neu bewerben
In einem Bericht der Thüringer Allgemeinen Zeitung beklagt Schauspieler Alexander Beisel, er und seine Kollegen hätten gar keine Chance gehabt, sich dem neuen Chef zu präsentieren. Zu einem ersten Kontakt sei es erst bei den Nichtverlängerungsgesprächen gekommen. Jens Neundorff von Enzberg habe laut der Thüringer Allgemeinen Zeitung über eine Mitarbeiterin mitteilen lassen, alle Schauspieler*innen könnten sich bei einem Vorsprechen Mitte November für die freien Stellen bewerben.
Der Offene Brief richtet sich "an den Stiftungsrat und Vorstand der Kulturstiftung Meiningen-Eisenach sowie die politischen VerantwortungsträgerInnen der Städte Meiningen und Eisenach, der Landkreise Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis sowie des Freistaates Thüringen". An sie appellieren der Vorstand, die Geschäftsführung und das Ensemble des Theater am Markt, "sich der Vorgänge konkret im Hinblick auf die aktuelle Ausnahmesituation bewusst zu werden und deren Vertretbarkeit kritisch zu überdenken. Eine Verlängerung der bestehenden Verträge um eine Spielzeit ist vor diesem Hintergrund doch ein zumutbarer Weg, um zum einen die Existenzsorgen der Betroffenen zu mindern und zum anderen die Zeit nutzen zu können, sich von deren künstlerischem Potential zu überzeugen."
(Thüringer Allgemeine Zeitung / Theater am Markt / miwo)
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Es bleibt abzuwarten, wie der designierte Intendant sein Konzept einer künstlerischen (Neu)Gestaltung am Landestheater umsetzt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Herr Neundorff von Enzberg sich darüber bereits Gedanken gemacht hat. Und es ist auch anzunehmen, dass in so einer Planung sich bereits ein differenziertes Bild von der derzeitigen (künstlerischen)Lage in Eisenach gemacht wurde, sofern das Konzept nicht bereits im Vorhinein einen Erhalt von Team und Ensemble in Eisenach ausschließt.
In Letztgenanntem wäre das Vorgehen, das Beisel kritisiert auch garnicht notwendig. Derartige Umstrukturierungen sind am Theater (vlt leider noch!?) Gang und Gebe und Diese als Aufhänger für die Folgen der Corona-Krise für Sich zu beanspruchen ist schlichtweg arm. Zumal es sich dabei scheinbar nur um ein Ausnutzen der derzeitigen epidemischen Lage handelt, von dessen Folgen übrigens viele Theater betroffen sind, und nicht um Ihre inhaltlichen Belange.
Spartenleiterin Christine Hofer hat sich mit Ihrem Team in den vergangenen Spielzeiten ein opportunes Ensemble herangezüchtet, welches sowohl künstlerisch als auch inhaltlich NICHT relevantes Theater produziert hat, welches den Strukturen eines um den Erhalt buhlenden Theaters, des Prinzip wegens, gerade eben gerecht wurde. (...) Gut, dass nun frischer Wind reinkommt. Hoffentlich mit einem nachhaltigeren Gedanke als dem der Willkür!
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Wir haben den Kommentar nachträglich um einen persönlich herabwürdigenden Satz gekürzt. Das muss in einer sachlich geführten Auseinandersetzung nicht sein
(jnm)
(...)
Hoffentlich geht die Stadt und die Veranwortlichen selbstkritisch mit solch einer Berufung um. Es ist natürlich sehr schwer die Arbeitsbedigungen am Theater für aussenstehende zu erklären und es betrifft relativ wenige Kolleg*innen. Doch auch diese Nicht-Verlängerungen werden der Stadt und/oder dem Theater Geld kosten, da es im Moment eigentlich unvorstellebar ist, dass die eine Neue Anstellung bekommen und somit werden einige hoffentlich Anrecht auf ausgleichzahlungen nach NV Bühne bekommen...
Ach... diese Tabula Rasa Mentalität ist für mich so unverständlich.
Ich als Schauspieler arbeite so oft mit Menschen mit denen ich zunächst wenig künstl. Überschneidungen habe und oftmals werden diese Begegnungen fruchtbar. Als Intendant und auch als Regisseur*in wird dieser Weg viel zu selten gegangen..
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Eine spekulative Wendung wurde aus diesem Kommentar entfernt.
(Red.)
Es stellt sich daher fast die Frage, aus welcher Richtung kommen derartige Diffamierungen.
Dem/der Kommentator*in ist offensichtlich nicht bekannt, dass die erste Spielzeit Frau Hofers- vom künstlerischen Leiter Andris Plucis zu verantworten ist, da ihr Vorgänger sein Engagement aus gesundheitlichen Gründen nicht fortführen konnte.
Ich halte politisches Theater, wie das von Hofer, gerade in dieser Stadt für unverzichtbar. Meine Frau und ich haben dieses Programm sehr geschätzt.
Ich muss deshalb „Theater_ESA_Besucher“ deutlich widersprechen. Als Theaterbesucherin sehe ich, wie schwierig es ist, in Eisenach ein Schauspiel zu etablieren. Das wird umso deutlicher, wenn man die Geschichte des Theaters kennt. An dieser Stelle möchte ich mich bei dem Team um Christine Hofer für die gute Zusammenarbeit bedanken, und bin traurig, dass wir diese nicht weiterführen dürfen.