Klage der Unsichtbaren

25. November 2020. Ein Teil des Ensembles des Theaters Vorpommern protestiert in einem Offenen Brief an den designierten Intendanten Ralf Dörnen gegen ausgesprochene Nichtverlängerungen. In dem Schreiben heißt es: "Aufgrund des neuen Lockdowns und einer Situation, in der sich gar nicht einschätzen lässt, wann und ob ein normaler Spielbetrieb überhaupt wiederaufgenommen werden kann, spielen wir keine Vorstellungen – sind also quasi 'nicht sichtbar'; wir können niemanden einladen, wir können nirgends hinfahren, so dass das übliche Netzwerken und Bewerben entfällt." Die Unterzeichner*innen klagen, Dörnen schicke "über 20 Kollegen in die wahrscheinlich sichere Arbeitslosigkeit".

Ralf Dörnen übernimmt die Intendanz im Sommer 2021. Er ist bereits seit 1997 als Ballettdirektor und Chefchoreograph am Theater Vorpommern beschäftigt. Neben der Hälfte des Schauspielensembles sind auch Regieassistent*innen, Theaterpädagog*innen und Sänger*innen von den Nichtverlängerungen betroffen. Es handelt sich um ein Standard-Verfahren, wenn Stellen neu besetzt werden sollen. Wird bis zu einem Stichtag keine Nichtverlängerung ausgesprochen, verlängert sich ein Kontrakt automatisch um eine weitere Spielzeit. Insbesondere zum Start einer neuen Intendanz ist ein umfrangreicher bis kompletter Austausch des künstlerischen Personals üblich.

Auch die Absender des Offenen Bries räumen ein, es handele sich "eigentlich" um einen "normalen Vorgang", allerdings "sind es gerade keine normalen Zeiten". Sie schreiben, Dörnen fehle es an Anstand, Mitgefühl und Weitsicht. Unterzeichnet wurde der Brief (hier in voller Länge) von den Schauspielern Tobias Bode, Hubertus Brandt, Mario Gremlich und Niklas Krajewski sowie dem Regieassistenten Oliver Freund.

In letzter Zeit mehren sich die Proteste gegen personelle Umbauten an Theatern. Ein inhaltlich ähnlicher Offener Brief richtete sich unlängst gegen Nichtverlängerungen in Eisenach, auch am Konzert Theater Bern fürchten Schauspieler*innen, durch einen anstehenden Intenanzwechsel um ihre wirtschaftliche Zukunft gebracht zu werden.

(miwo)

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