Ohne Rücksicht auf Verluste

4. Dezember 2020. In einem Offenen Brief an die politisch Verantwortlichen im Osnabrücker Stadtparlament wehrt sich die Vorsitzende des Landesverbands Nord der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Sabine Nolde, gegen die Nichtverlängerung von 37 Künstler*innen am Theater Osnabrück. Die Nichtverlängerungen hatte der designierte Osnabrücker Intendant Ulrich Mokrusch ausgesprochen, der zur Spielzeit 2021/22 sein Amt antreten wird.

Mokrusch Ulrich Foto ManjaHerrmannUlrich Mokrusch
© Manja Herrmann
In ihrem Offenen Brief an den Oberbürgermeister, den Kulturdezernenten und die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat fordert Nolde die Rücknahme der "rabiaten Massenentlassungen".

Nolde argumentiert, dass selbst in "normalen Zeiten mit "funktionierendem Arbeitsmarkt" ein derartiger "Kahlschlag" nicht angebracht sei. Umso weniger "in Zeiten von Covid", da der Spielbetrieb ruhe und die betroffenen Künstler*innen, denen tarifvertraglich zwei "Ansehrollen" zustünden, nicht auftreten könnten. Da alle Mitarbeiterinnen jenseits der 30 nicht verlängert wurden, wittert Nolde "Altersdiskriminierung", der die Politiker entgegentreten sollten.

"Der Verlust des Arbeitsplatzes", schreibt Nolde, "bedeutet zurzeit ein Abschieben in die Arbeitslosigkeit mit der Aussicht auf Hartz IV! Rechtsträgern sowie Theaterleitungen sollte ein Handeln mit Augenmaß selbstverständlich sein und ihre hohe persönliche und moralische Verantwortung widerspiegeln." Für die 37 Entlassenen gehe die Ausweglosigkeit an die "Grenze der psychischen Belastbarkeit", von einem "ganz normalen Intendanzwechsel" könne unter diesen Umständen nicht mehr die Rede sein.

(www.buehnengenossenschaft.de / jnm)

 

Anm. Redaktion: In einer ersten Fassung der Meldung hieß es fälschlicherweise, dass alle nicht verlängerten Mitarbeiterinnen über 30 Jahre alt seien. Wir haben die Stelle korrigiert.


Presseschau

"Nichtverlängerungen bei Intendantenwechseln sind ein ganz normaler und üblicher Vorgang – der allerdings immer mal wieder Empörung auslöst. Das ist auch unter Pandemie-Bedingungen nicht verboten – oder wäre von Gewerkschaften oder Politikern zum Schutz von Künstlern auszuhandeln", schreibt Christine Adam in der Neuen Osnabrücker Zeitung (5.12.2020) und findet es nachvollziehbar, dass ein neuer Intendant "das Leitungsteam seines Vertrauens und seiner künstlerischen Zielrichtung aussucht oder an die neue Bühne mitnimmt". Von den Osnabrücker Kündigungen seien auch Ensemblemitglieder im Rentenalter betroffen, die nicht in die Arbeitslosigkeit geschickt würden. "Die Zahl von 37 relativiert sich also bei genauem Hinschauen." Die Formulierung "Rabiate Massenentlassung" klinge "da ein wenig reißerisch und irreführend".

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