Im Neubaugebiet

21. Dezember 2020. In Berlin soll eine Straße nach dem Dramatiker Heiner Müller benannt werden. Wie der Tagesspiegel berichtet, fiel die Wahl auf eine Straße im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst. Die Entscheidung erfolgt 25 Jahre nach Müllers Tod.

Heiner Müller gilt als einer der wichtigsten auf Deutsch schreibenden Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er gehörte zu den prägenden Intellektuellen der ehemaligen DDR. Nach der Wende wurde er Co-Intendant des Berliner Ensembles und Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er verstarb am 30. Dezember 1995 im Alter von 66 Jahren.

(Tagesspiegel / miwo)

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Kommentare  
Heiner-Müller-Straße: neu?
Das ist sehr zu begrüßen. Handelt es sich um eine neue Straße, die bisher keinen Namen hat? Oder muss ein anderer Name Heiner-Müller- weichen? Wenn ja, welcher?

(Werte D. Rust,
es handelt sich um eine neue Straße, die vorher keinen anderen Namen trug.
MfG, Georg Kasch / Redaktion)
Heiner-Müller-Straße: Ostfriesland
... finde ich gut! In Aurich - Ostfriesland - gibt es schon die Hans-Heiner-Müller-Straße. Da kann Berlin nicht hinten anstehen.
Auch dass Heiner Müller im neuen Wohngebiet „Parkstadt Karlshorst“ geehrt wird, finde ich gut.
Heiner-Müller-Straße: Dank
Danke für die Auskunft, Georg Kasch.
Heiner-Müller-Straße: Schäbig
Eine Straße in Lichtenberg-Karlshorst nach Heiner Müller zu benennen, das ist schäbig. Berlin sollte sich schämen, den nach Brecht wichtigsten Dramatiker deutscher Sprache des 20. Jahrhunderts so abzuservieren. Das ist schlimmer als gar nichts zu tun! Entweder man müsste eine zentral gelegene Straße nach ihm benennen, zum Beispiel die augenblicklich "Am Zirkus" benannte Straße zwischen Brecht-Platz und Reinhardtstraße, oder man müsste Straßen wie den "Hindenburgdamm" oder die "Bismarckstraße" neu nach ihm benennen. Am besten aber wäre es, wenn die Friedrichstraße seinen Namen erhielte: Hommage an seine Demontage des "Großen" in "Leben Gundlings".
Heiner-Müller-Straße: Genau richtig
Lieber Herr Nikolaus Müller-Schöll,
nee, das ist genau richtig mit Karlshorst.
Ich vermute, Heiner Müller hätte das eh alles nicht gewollt. Und wenn, dann eine Straße dort oder in einer der hässlichsten Plattenbau-Siedlungen Berlins oder ein Weg in einer an einem Bahndamm gelegenen Schrebergarten-Kolonie.
Heiner-Müller-Straße: Horváths Menschlichkeit
Für mich und auch andere ist Ödön von Horvath der sozialkritische deutschsprachige "Klassiker" der Moderne. Seine "Menschlichkeit" ist bei
ihm spürbarer als bei Brecht, und Heiner Müller kommt erst an dritter Stelle
meiner Meinung nach.
Heiner-Müller-Straße: unterschreibt
#5: Ja, dies würde ich auch unterschreiben.
Heiner-Müller-Straße: Auch die Toten...
@Thorsten Weckherlin: Ja, stimmt, ich glaube auch, dass Müller auf Ehrungen nur bedingt Wert gelegt hätte und dass er die Benennung einer Einbahnstraße in einem seelenlosen Außenbezirk der Hauptstadt stoisch genommen hätte. Vermutlich hätte Müller gesagt, dass jede*r es verdient hätte, dass nach ihm oder ihr eine Straße benannt wird, oder auch niemand. Letztlich wäre er wohl zum Satz gekommen: Alle oder keiner.
Einerseits.
Aber andererseits geht es hier wie überall, wo Straßen und Plätze benannt, Architekturen errichtet oder eingerissen werden, um die Frage des öffentlichen Eingedenkens. Aber wir sollten hier nicht Heiner Müllers Stellvertreter spielen. Zu seinen bevorzugten Texten gehörten die geschichtsphilosophischen Thesen von Walter Benjamin, aus denen er immer wieder den Satz zitiert hat: "auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört." Als Müller Intendant des BE war, gab es zu einer seiner Inszenierungen ohne weiteren Kommentar die Postkarte mit dem Bild der eingerissenen Werner Seelenbinder-Halle im Prenzlauer Berg. Heute steht an ihrer Stelle das Velodrom. Und nirgendwo in Berlin erinnert mehr eine Straße, ein Gebäude oder sonst etwas an den Widerstandskämpfer. Müller hatte einen sehr guten Blick für so etwas.
Es geht hier nicht um ihn, es geht um uns: Wem erweist diese Stadt, dieses Land, diese Gesellschaft die Ehre der Benennung einer Straße, eines Platzes oder gar eines Monuments. Die Schleifung der Bismarck-Statuen sollte sich fortsetzen in der Umbenennung der Straßen und Denkmäler die in unseren Städten noch immer an Militaristen, Sklavenhalter und Kriegstreiber erinnern. Und wenn man die öffentlichen Orte dann nicht mit Zahlen oder Buchstaben benennt, dann sollte gestritten werden darum, an wen wir uns erinnern wollen - öffentlich und als Ansage, im Dialog mit welchen Toten wir die Bühne unserer Stadtarchitektur bespielen wollen.
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