Unbestechlich, unabhängig, eigen

23. Januar 2021. Der Kölner Autor, Dramaturg, Shakespeareforscher und Theaterkritiker André Müller sen. ist im Alter von 95 Jahren in seiner Heimatstadt gestorben. Das berichten diverse Medien, darunter Zeit Online. Müller gehörte seit den 1950er Jahren zu den wenigen West-Kritikern, die sich um eine unabhängige Berichterstattung über Theater in der DDR bemühten. So war er in Ost und West umstritten. Bekannt wurde er insbesondere durch seine Freundschaft mit dem Dramatiker Peter Hacks und daraus hervorgegangenen Publikationen.

1925 in Köln als Willi Fetz und Sohn einer jüdischen Mutter geboren, war er eigentlich gelernter Tischler. Über seine Erfahrungen in der NS-Zeit sprach er nie, aber sie grundierten sein distanziertes Verhältnis zu beiden deutschen Nachkriegsrepubliken. Das macht seine journalistischen Texte aus den Jahrzehnten des Kalten Krieges heute zu wichtigen Dokumenten. Bis zum Ende der DDR hatte der Kölner auch ein Zimmer in Ostberlin, wo er sich regelmäßig aufhielt und ein intimer Kenner der Szene war. Diese Kenntnisse hat er teilweise noch seinem Roman "Anne Willing. Die Wende vor der Wende" zu Grunde gelegt, der 2007 erschien.

Über die Begegnung mit Bertolt Brechts Texten kam André Müller schon in den 1950er Jahren zum Theater und bildete sich autodidaktisch aus. Neben Kritiken schrieb er seit den 1970er Jahren Stücke, Erzählungen, Satiren, Romane, Anekdoten und Kinderbücher. Von 1968 bis 1979 war er Dramaturg bei Hansgünther Heyme am Schauspiel Köln, von 1973 bis 2006 Dozent an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Am 21. Januar ist André Müller in Köln gestorben.

(Zeit Online / sle)

 

 

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Kommentare  
André Müller sen.: Texte und Theater
„Der Vorteil von André Müllers Methode liegt in ihrer Beweiskraft. Er spricht nicht: soundso interpretiere ich den Hamlet, er spricht: das und das steht drin. (...) Es kommt an den Tag, dass Shakespeare selber Ideen hatte und deren der Ausleger vielleicht so sehr nicht bedarf.“
Diese Zeilen von Peter Hacks aus dem Vorwort zu "Shakespeare ohne Geheimnis" haben mich vor vielen Jahren zum Lesen eben jenes Bandes verführt, und dann zum Fan von Andrè Müller gemacht. Und so - nur ein klein wenig polemisch - möchte man die Lektüre so manchem deutlich jüngeren Dramaturgen und Regisseur anempfehlen.
Einfach nur, weil der Gegenstand des Textes und der Vorgang des Lesens desselben so manches Mal ein vergessenes Paar im Theateralltag zu werden verspricht...
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