Deutschland: Theateröffnungen möglich
Zahlenspiele
4. März 2021. Die deutsche Bundesregierung hat sich mit den Ministerpräsident*innen auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März verständigt, zugleich aber Lockerungen vereinbart. Auch Theater, Konzert- und Opernhäusern könnten bald unter Auflagen wieder Publikum zulassen. Ihre Öffnung ist im dritten Teil eines Fünf-Schritte-Plans vorgesehen.
Frühestens könnten die Bühnen diesem zufolge ab dem 22. März wieder Publikum zulassen, also zwei Wochen nach Beginn des dritten Öffnungsschritts, der Lockerungen für Einzelhandel, Museen und Sport vorsieht. Voraussetzung für eine Öffnung der Theater ist, dass die Siebentagesinzidenz in einem Land oder einer Region zuvor vierzehn Tage lang bei unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen liegt. Erst dann sind Zuschauer*innen zugelassen. Bei einem Wert zwischen 50 und 100 ist zudem das Vorzeigen eines tagesaktuellen Selbsttests Bedingung für den Theaterbesuch. Bei einer Inzidenz von unter 50 ist kein Test erforderlich, bei einem Wert über 100 müssen Theater wieder schließen.
Die Reaktionen
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann ordnet die Beschlüsse wie folgt ein: "Langsam lichtet sich der Nebel! Die Entwicklung des Inzidenzwertes wird in den nächsten Wochen darüber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Kultureinrichtungen öffnen dürfen. Das zeigt einen ersten Weg für Buchhandlungen, Museen, Galerien, Gedenkstätten, Kinos, Theater sowie Konzert- und Opernhäuser aus dem Lockdown. Für andere im Kulturbereich wie die Konzertveranstalter und die Clubs, aber auch den großen Bereich der Amateurmusik wurden noch keine Beschlüsse gefasst. Sie werden auf das nächste Krisentreffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin am 22. März vertröstet. Die fast 12.000 heute gemeldeten Corona-Neuinfektionen zeigen aber auch deutlich, dass die Krise noch längst nicht überwunden ist. Der Kulturbereich wird mit den Öffnungsmöglichkeiten deshalb sehr verantwortlich umgehen."
Christian Holtzhauer, Intendant Schauspiel am Staatstheater Mannheim, äußert sich auf Twitter skeptisch: Die ausschließliche Fokussierung auf Inzidenz sei für alle Kultureinrichtungen mit längeren Planungsvorläufen höchst problematisch. "Wäre schön, wenn auch andere Faktoren (wie Hygienekonzepte) in die Bewertung einfließen könnten."
Begrüßenswert findet die Öffnungsschritte für den Kulturbereich Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten sei "ein wichtiges Hoffnungszeichen für die durch die Pandemie schwer getroffene Kultur", teilte sie am Nachmittag über ihre Pressestelle mit. "Deutschland braucht gerade in diesen Zeiten die Kultur, weil sie Raum für Debatten und Demokratie, Empathie und Energie schafft. Deshalb erwarte ich von den Ländern, dass sie den Stufenplan für die Kultur sehr zügig in die Tat umsetzen."
Als "klare Perspektive" für Theater und Opern heißt auch der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler die Öffnungsentscheide gut. "Die Kreativbranche ist, das belegen Studien, mit am härtesten betroffen von der Pandemie", heißt es in seinem an die Presse versandten Statement. "Die finanziellen Einbrüche sind dramatisch, deshalb setzen wir alles daran, den Kulturschaffenden und den kulturellen Einrichtungen aus der Krise zu helfen."
Regisseur Ersan Mondtag hingegen schließt sich auf Twitter dem Pianisten Igor Levit an, der schreibt: "Niemand, wirklich niemand kann so in eine seriöse Planung gehen. Kein Festival, kaum ein Veranstalter, von Künstlerinnen, Künstlern, Agenturen, Büros, etc ganz zu schweigen. Und das wissen alle, die diese unsere Welt kennen."
Thüringens Theater gaben am Folgetag bekannt, frühestens zum 1. Mai 2021 wieder zu öffnen: "Da Thüringen aktuell die höchsten Corona-Infektionszahlen in ganz Deutschland hat und Lockerungen an diese Zahlen geknüpft werden, wird die Wiederaufnahme des Proben- und Produktionsbetriebs erneut verschoben. Somit verzögert sich auch ein möglicher Beginn des Spielbetriebes, für den einige Wochen Vorlauf erforderlich sind", heißt es in der Pressemitteilung des Theaters Altenburg Gera.
(Deutsche Bundesregierung / Spiegel / BKM / MWK / Twitter / miwo / eph)
Hinweis der Redaktion: Diese Meldung wird laufend ergänzt, zuletzt am 6. März um 8:50 Uhr.
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wie also kann ich die inzidenzwerte vergleichen, wenn das eine nachbarland 3 mal mehr als deutschland testet, das andere nachbarland 10 mal mehr und ein nachbarland sogar 15mal mehr??? kann das irgendwer beantworten?
gibt es dafür fachkompetente regelungen?
Die Öffnung der Theater hängt aber ja auch noch von anderen Faktoren ab. Wie vermittelt man jemandem, dass er sich privat nur mit fünf Personen treffen darf, dafür aber mit hunderten anderen in einer Theateraufführung sitzen kann? So sehr ich den Unmut über diese Lockerungsperspektive verstehe und persönlich nachvollziehen kann, möchte ich doch - ohne jeden Vorwurf - darum bitten, die so oft bemühte "gesamtgesellschaftliche Herausforderung" nicht aus den Augen zu verlieren. Wir sollten uns m. E. vorrangig darauf konzentrieren, dass Kunst- und Kulturschaffende vom Staat und der Gesellschaft unterstützt werden, um diese Zeiten zu überstehen, anstatt die Regierung ständig für ihre Lösungsvorschläge zu kritisieren, ohne selbst eine praxisnahe Alternative anzubieten.
@Libeski: Ich frage das tatsächlich aus Interesse: Was für eine andere Kenngröße halten sie für geeignet? In der Schweiz wird darüber gestritten, inwiefern die Inzidenz als Bewertungskriterium taugt. Stattdessen wird die Auslastung der Intensivstationen immer häufiger betrachtet. Das klingt für mich persönlich aber nach dem (überspitzt formulierten) Prinzip: Sobald ein Bett frei wird, kann sich ja ein anderer infizieren. Christian Holtzhauer spricht sich für eine Orientierung an den Hygienekonzepten der Häuser aus. Aber auf welcher Grundlage? Wer bewertet und vergleicht diese? Und wer überwacht sie anschließend? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass auch ausgiebige Hygienekonzepte in der Praxis kaum belastbar sind - so hat trotz strenger Auflagen ein Mitarbeiter bei einer Probe gleich mehrere andere infiziert. Nur durch eine schnelle Reaktion darauf konnte anschließend die weitere Ausbreitung unterbunden werden. Aber - frage ich mich - sollten wir nicht agieren, statt bloß zu reagieren?
Der aktuelle Stufenplan der Bund-Länderkonferenz stellt immerhin erstmalig eine WENN-DANN Handlungshilfe für Planungen dar:
Nach aktuellem bundesweitem Inzidenzwert (65) ergibt sich derzeit ein Zeitraum von mindestens vier Wochen bis zu einer möglichen Öffnung von Theatern, aber nur DANN WENN ab heute die Inzidenzzahlen wieder in der durchschnittlichen Geschwindigkeit der letzten 10 Wochen sinken würden (Faktor 1,8 pro Tag).
Formel:
Aktueller Inzidenzwert (65) – Schwellenwert 50 (Stufe 2) / Faktor 1,8 = 8,3 Tage
8,3 Tage + „stabiler Wert“ Öffnungsstufe III ,angenommen mit 7 Tagen + 14 Tage Stabilität bis Stufe IV = 29,3 Tage
29,3 Tage / 7 = 4,2 Wochen
Jetzt heißt es abzuwarten, ab wann die Inzidenzzahlen grundsätzlich wieder sinken. Ab diesem Tag wäre in die obige Formel der tagesaktuelle Inzidenzwert einzutragen = die Anzahl der Wochen, die mindestens bis zur Öffnung vergehen.
Tobias Sosinka, Junges Theater Göttingen
#6 Vielen Dank für die Formel, Tobias Sosinka. Erlauben Sie die Frage aus Interesse: Ist das eine "offizielle" Formel vom Bühnenverein o. ä.? Oder haben Sie sie selbst als Arbeitsgrundlage für Göttingen entwickelt?
am 4. März 2021
Ein „Öffnungsflickenteppich“ für Gastspieltheater
Stellungnahme der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e.V. (INTHEGA) zum Corona-Stufenplan von Bund und Ländern
Mit einem Stufenplan schlagen Bund und Länder als Ergebnis ihrer Sitzung vom 03.03.2021 einen neuen Weg im Kampf gegen die Corona-Pandemie ein. In einem vierten Öffnungsschritt wird dabei die Öffnung von Theatern sowie Konzert- und Opernhäusern unter Bedingungen in Aussicht gestellt: Die Siebentagesinzidenz muss 14 Tage nach dem Inkrafttreten des dritten Öffnungsschritts stabil bei weniger als 50 Neuinfektionen liegen.
INTHEGA-Präsidentin Dorothee Starke begrüßt die Inaussichtstellung der Öffnung von Kultureinrichtungen, macht aber deutlich, dass mit den neuesten Entscheidungen den Gastspieltheatern in keiner Weise geholfen ist: "Die von den regionalen Inzidenzzahlen abhängige Dezentralisierung der Entscheidungen stellt das Gastspielsystem vor unlösbare Herausforderungen. Um logistisch und finanziell realisierbar zu sein, werden die Aufführungen der Tourneetheater
an den zahlreichen Gastspielhäusern in sinnvoll aufeinanderfolgenden Etappen geplant. Mit der aktuellen Entscheidung ist von einem „Öffnungsflickenteppich“ auszugehen, der die sorgfältig geplanten Touren zerschlägt und die Wiederaufnahme des Gastspielwesens
nahezu unmöglich macht."
Die INTHEGA (Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e.V.) ist ein Verband mit rund 400 Mitgliedsstädten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihre Mitglieder sind Träger und Ausrichter öffentlicher Kultureinrichtungen in Städten und Gemeinden
ohne eigenes Theaterensemble.
INTHEGA e.V. – Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen
geschaeftsstelle@inthega.de
www.inthega.de
Sind Selbsttests denn mit dem Namen des Vorzeigenden und dem Datum des Testtages versehen?
Wie ist das denn geregelt?
Und zu #11 karfiol: Klar bleiben Fragen! Aber das ist doch "normal" in dieser Zeit! Mich erinnert "karfiol" an Lenin. Dem wird folgender Ausspruch zugeschrieben: „Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich erst eine Bahnsteigkarte!“ - Pragmatisch denken und improvisieren.
Dafür muss es aber mir auch nicht nachweisen, dass alle seine MitarbeiterInnen getestet oder gespritzt sind.
Gegen grundlegend verbesserte Hand-Desinfektionsmöglichkeiten sowie Belüftungsmöglichkeiten und größere Lücken in der Bestuhlung oder geordnetere Wegeführung im Theater habe ich aber auch ohne pandemische Notlagen rein gar nichts.
Und lassen Sie Ihre Zitate und Zuschreibungen diesmal stecken.
Liebe Frau Blumenkohl und D. Rust, lieber Herr Blumenkohl und D. Rust,
ich finde, wir sollten auf den gesunden Menschenverstand setzen. Wer in Tübingen Geschäfte oder Museen besuchen will, die in einem anderen Landkreis wegen hoher Inzidenz geschlossen sind, muss sich einen Tübinger Tagespass besorgen, sprich einen kostenlosen Schnelltest. (In der Stadt gibt es viele Schnelltest-Stationen.) Ich wiederhole: Diese Verfügung der Stadt verpflichtet ausdrücklich die Personen, die aus anderen Landkreisen zu uns nach Tübingen kommen, um sich testen zu lassen, und enthält keine Verpflichtung gegenüber den Ladeninhabern und deren Mitarbeitern, sich den Tagespass zeigen zu lassen. Es wird also nicht kontrolliert (die Bahnsteigkarte bleibt in der Tasche). Die Kontrolle liegt in der Eigenverantwortlichkeit der Menschen. Und dieses gute und praktische Reglement sollte nun auch schnell für die Theater, genauer: für unser Landestheater Tübingen (LTT) gelten. Es geht voran. (Jetzt ist Lenin doch noch dringeblieben – Mist!)
Das heißt, in Tübingen muß eine Bahnsteigkarte gekauft werden, wird aber nicht kontrolliert...... Was sagt Lenin dazu?
Aber mir ging es um etwas ganz anderes.
Wenn bei einer Inzidenzzahl zwischen 50 und 100 der Zutritt nur mit einem Tagesaktuellen Selbsttest (nicht Schnelltest wohlgemerkt) möglich ist, dieser Selbsttest aber weder personalisiert noch mit einem Datum versehen werden kann, dann ist diese Regelung nicht durchführbar oder sinnlos.
Meine Frage war, ob irgendjemand Kenntnis hat, wie Selbsttest validiert werden können.
Sonst kann ich auch den meiner Oma vom November vorzeigen. Wenn ich ihn noch finde....
Das klingt ein wenig nach Agentenfilm.
Vor mir liegt ein 14 Tage alter Test, der sich unverdrossen negativ zeigt. Ein Schläfer womöglich......