Hauptsache sichtbar

von Esther Slevogt

23. März 2021. Es gab Zeiten, da war das Theater der Inbegriff von Öffentlichkeit. Man muss gar nicht bis in die Antike mit ihren enormen Amphitheatern zurückschauen, in denen Schauspieler die Konflikte und Kämpfe der Menschen mit den Göttern und anderen Mächten stellvertretend für ein mehrtausendköpfiges Publikum ausgefochten haben. Auch im 19. Jahrhundert stand das Theater prototypisch für die sich neu herausbildende vielstimmige bürgerliche Öffentlichkeit. Die im Entstehen begriffene Klasse des Bürgertums übte das öffentliche Sprechen und Meinen am Sprechen über das Theater ein.

kolumne 2p slevogtDie Theaterkritiker hatten in diesem Prozess die Rolle der Vorsänger im Chor der öffentlichen Stimmen, die ihre eigene Diskursmacht gegen die herrschende (sic!) Meinung der Könige und Fürsten sowie Kirchen etablieren wollten. Sie vermittelten zwischen Kunst und Publikum, prüften Thesen, Ästhetiken und Diskurse als eine Art Vorkoster und -denker einer sich emanzipierenden Klasse. Stolze Zeiten waren das einmal. Und jetzt?

Die Öffentlichkeit für Theater schrumpft und schrumpft. Immer mehr Kulturberichterstattung bricht weg. Von Kritik ganz zu schweigen. Längst produziert sich das Theater seine eigene (Schein)öffentlichkeit. Es gibt kaum noch Publikationen über Theater, seine Künstler*innen und Themen, die nicht von ihnen selbst finanziert worden sind. Da muss man gar nicht bis zu den opulenten Bild-Bänden gehen, die zum Ende von Intendanzen aus Bordmitteln der jeweiligen Theater produziert werden – ja, für wen außer den Beteiligten eigentlich?

PR-Material aus der Dramaturgie

Auch die freie Szene bringt (unter anderem über das Bündnis der Produktionshäuser) Publikationen über die von ihnen produzierten Künstler*innen und Gruppen selbst heraus. Und diese Veröffentlichungen werden dann von Fachmagazinen (ja, auch von nachtkritik.de) besprochen, als wären das Bücher wie alle anderen. Dabei sind sie PR-Material, die an keinem externen Bedarf (etwa eines Publikums) orientiert sind, sondern nur am eigenen Bedürfnis nach Sichtbarkeit. Meist sehen sie – auch was ihre Gestaltung betrifft – wie Presse- oder PR-Material aus und sind von Programmheften und Festivalpublikationen kaum zu unterscheiden. Was jetzt nichts über die Qualität dieser Publikationen aussagen soll, aber über ihre (fragwürdigen) Produktionsbedingungen: Wenn keiner mehr über uns redet, dann tun wir das eben selbst.

Doch sind das nicht eigentlich Placebo- oder gar Betäubungsmaßnahmen, die verhindern, die Gründe der eigenen schwindenden Außenwirkung einmal etwas (selbst)kritisch in den Blick zu nehmen? Das Dramaturgenkauderwelsch beispielsweise, das Ankündigungen von Premieren selbst für einigermaßen Geübte oft zum Rätselraten macht. Hier türmen sich pseudoakademische Diskursmassive zwischen Theatermachern und ihrem Publikum auf, hier ist kaum ein Interesse mehr zu spüren, ein solches jenseits der eigenen Blase überhaupt noch zu erreichen. Barrierefreiheit geht anders, möchte ich mal leise anmerken.

Fortbildung von den Falschen

Jüngst beklagte sich bei einem Kritiklabor für neue Formen zeitgenössischer Theaterkritik in NRW ein Künstler darüber, Theaterkritiker*innen seien heute nur noch selten in der Lage, seinen Abenden zu folgen, ja, sie überhaupt in einer Kritik noch angemessen zu verhandeln. Wenn seine Stücke sich mit postkolonialen Themen auseinandersetzen würden zum Beispiel. Ähm, dachte ich da, ob er wohl je darüber nachgedacht hat, dass sich seine Arbeit als Theatermacher vielleicht auch stärker an einem Vermittlungsgedanken orientieren könnte? Gerade, wenn es sich um Themen handelt, die auf die Gesellschaft einwirken sollen. Wenn's schon die Kritiker*innen nicht mehr verstehen, was soll dann erst das Publikum sagen?

Aber auch für dieses Dilemma wurde längst an Abhilfe gedacht und vom Bündnis der Produktionshäuser selbst eine Akademie für Theaterjournalismus ins Leben gerufen. Fortbildung ist an sich immer wichtig und richtig. Aber kann Fortbildung für Theaterjournalismus wirklich von Theatern selber organisiert werden? Ja, wenn's sonst keiner macht, könnte man vielleicht antworten. Aber hilft es in der gegenwärtigen Krise wirklich weiter, wenn Theaterkritiker beim Theater erst Nachhilfe erhalten müssen, das Theater zu verstehen?

Befördert eine so selbstaffirmative Maßnahme nicht eher die weitere Abspaltung der Szene von einer weiter gefassten Öffentlichkeit, als dass sie dem gegensteuert? Weil sie ihre eigene Öffentlichkeit nur noch simuliert, die im Grunde dann irgendwann nur noch aus ihr selbst besteht? So viele Fragen am frühen Morgen. Deshalb gehe ich jetzt erst mal frühstücken. Und ein bisschen weinen.

 

Esther Slevogt ist Chefredakteurin und Mitgründerin von nachtkritik.de. Außerdem ist sie Miterfinderin der Konferenz Theater & Netz. In ihrer Kolumne Aus dem bürgerlichen Heldenleben untersucht sie: Was ist eigentlich mit der bürgerlichen Öffentlichkeit und ihren Repräsentationspraktiken passiert?

 

Zuletzt ging Esther Slevogt einem Streit zwischen Ersan Mondtag und Olga Bach mit der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" nach.

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Kommentare  
Kolumne Slevogt: Theater und Netz
Ich erinnre gerne daran, wie Nachtkritik in den Anfangsjahren Ihres Kongresses "Theater + Netz" immer eigene Fortbildungstage für die ÖA Abteilungen abgehalten hat mit Vorträgen, Workshops etc., um dort Ihr Netzwerk zu stärken. Also ein (neutrales?) Medium bildet Theaterprofis weiter. Wenn ich nicht irre, stets auch organisiert von Ihnen, Frau Slevogt?


- - -
Werter Martin,
die Workshops der Konferenz Theater + Netz, die nachtkritik.de seit 2013 gemeinsam mit der Heinrich Böll Stiftung organisiert, dienten nicht der Stärkung des Netzwerkes, sondern der Fortbildung von Theaterleuten und anderen Interessierten in Sachen digitale Medien. Als Medium, das ausschließlich im Netz agiert, hatten wir hier einige Wissens- und Bewusstseinslücken ausgemacht, die wir diskutieren wollten. In den Workshops ging es u.a. um Rechtsfragen bei der Nutzung Sozialer Medien wie Facebook, um unfallfreie Twitterkommunikation.
Freundliche Grüsse, Esther Slevogt
Kolumne Slevogt: Verflechtungen
Hm, ob Nachtkritik wirklich das geeignete Forum ist, um die Fackel unanhängiger Theaterkritik hochzuhalten? Eine Seite, die nur so strotzt von Bannerwerbungen der Therater (ein Schelm wer denkt, da könnten Abhängigkeiten entstehen), einem Kolumnisten, der ins Lager der Dramaturgie gewechselt ist, hier aber noch munter weiter schreibt, weitere Kolumnisten, die ebenfalls mehr oder weniger etablierte Theatermacher*innen sind, und Koorperationen wi z.B. zum Heidelberger Stückemarkt, wenn mal eben eine theaterfinanziertes pseudojournalistisches Begleitprogramm zum Festival im Nacxhtkritik-Look produziert wird. Manch einer würde meinen, Nachtkritik verkaufe hier seine Marke bzw. seine Unabhängigkeit, aber vielleicht geht es darum längst nicht mehr - ist nicht Nachtkritik schon längst Teil der Echokammer Theater, wird hier nicht (insbesondere in den Kommentarspalten) unverhohlen Theater-Politik betrieben (gegen unliebsame Intendanten oder das Intendanten-Modell schlechthin oder hinsichtlich gewünschter Veränderungen bei der GDBA)? Interessant übrigens zu Beobachten, wie in den Kommentarspalten immer wieder einzelne Wortmeldungen abgekanzelt werden mit dem Hinweis, der/die Verfasser*in sei offenbar kein Theatermensch und könne mithin nicht mitreden. Da schottet sich die Echokammer schon ziemlich aktiv ab. Wenn man in dieser Hinsicht eher einem Branchenblättchen vergleichbar aufgestellt ist, sind Verschränkungen (inhaltliche, finanzielle, personelle) mit der Branche doch wohl unproblematisch. Freilich macht man dann eben eher PR als Journalismus. Aber wie gesagt - wo soll dann die kritische Distanz herkommen?
Kolumne Slevogt: blinder Wille
Ein Text, der wehtut, und womöglich viel Wahrheit enthält.

Ich bin sozusagen in der Vermittlung tätig, versuche jedes Semester aufs neue junge Studierende für zeitgenössisches Theater zu begeistern. Und jedes Semester bekomme ich die gleiche Rückmeldung: Die Stücke seien zu rätselhaft, man könne den Textteppichen nicht folgen, habe das Gefühl, zu dumm zu sein. Wer die innerbetrieblichen Diskursen nicht kennt, die Diskussionen über Autorschaft und Form, steht schnell mit hochgezogenen Augenbrauen vorm hochgezogenem Burgtor. Und in der inneren Zitadelle der Theater erweist man sich gegenseitig die Ehre.

In der Folge bleiben die Studierenden dem Theater fern und wenden sich verdaulichen Formaten zu. Wer am Theater hängt, den sollte diese Abwanderung zu denken geben.

Ich muss gestehen, dass ich selbst im Theater saß und mich dem Eindruck nicht verwehren konnte, dass ein blinder Wille zu Innovation von allem Besitz ergriffen hatte: Noch mehr Performance, noch weniger Handlung, noch mehr tagesaktuelle Diskurse frisch importiert aus den geisteswissenschaftlichen Instituten – doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Grundlegende fehlt: die Verhandlung der Existentialien des Menschseins.

"Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, eine neue Form zu erschaffen. Neue Formen sind selten. Eine pro Jahrhundert, das ist ein guter Schnitt", schrieb ein kluger Kopf.
Kolumne Slevogt: totale Konvergenz
uiuiui. Das Bündnis der Produktionshäuser simuliert kritische Öffentlichkeit, in dem es Bücher herausgibt, die aussehen wie Journalismus, aber eigentlich selbstbeweihräuchernde PR sind. Finde ich nicht überraschend, da das Publikum aus den immergleichen 500 Freundinnen und Freunden (m/w/d) ja schon länger eine Simulation von interessierter Öffentlichkeit darstellt. Ist jetzt nur konsequenter zu Ende gedacht. Respekt vor dem Bündnis (Kamp, HAU, Zeche, Mouson et al.), das erst die Gattungsbezeichung "Freie Szene" für sich reklamiert hat (natürlich als die Champions League derselben), dann bei K & K (Kahrs und Kruse) schöne Anschubfinanzierung aus Bundesmittel durch die Haushaltshintertür organisierte - um sich jetzt ein schickes eigens Stadttheatersystem der "Zukunft" zu bauen, in dem alles eingemeindet ist. Die Journalist*innen, die Politik, das Publikum - alles, klar, mit der Simulation kritischer Distanz. Dabei ist der Ansatz, daß Theaterkritiker*innen Nachhilfe brauchen ja nicht falsch. Vor dem SZ-Artikel über Dercon wussten die meisten Theaterjournalist*innen nicht, dass es ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Und es war natürlich gemütlicher, den 100dertsten Meinungsartikel zu schreiben - denn meinen kann man viel. Aber was können die Produktionshäuser den Journalist*innen beibringen? Wahrscheinlich dieses: Die schönste Blase ist die totale Konvergenz, unser gemeinsames Streben soll die totale Simulation sein. Das Publikum? Wurscht. Soll zu Didi Hallervorden nach Steglitz gehen. Oder in den F-Palast.
Kolumne Slevogt: Vermittlung
Falls Frau Slevogt sich in ihrem Artikel auf das gleiche NRW Kritiker*innen-Forum bezieht, dem ich auch beigewohnt habe, dann ist ihre Darstellung der Diskussion um eine Arbeit zu postkolonialen Fragen im Theater so verkürzt wiedergegeben, dass sie ein falsches Bild erzeugt. In dem Impuls-Referat und der anschließenden Diskussion (bei der Frau Slevogt gar nicht mehr anwesend war, wenn ich mich recht erinnere) ging es zwar auch um Fragen von Komplexität und Akademisierung, doch das besprochene Beispiel selbst hat eher eine massive Abwehrhaltung bei Kritikern hervorgerufen, denn ein Problem von Vermittlung sichtbar werden lassen. Im Gegenteil schienen die Schreibenden in ihren Kritiken längst alles verstanden zu haben und daher umso wuchtiger aburteilen zu dürfen. Gegenstand der Urteile waren indes neben verschiedenen historischen Zugängen zu postkolonialen Fragen auch explizit persönliche Erfahrungen von Rassismus - etwa die sehr konkrete Frage/Suche einer Schwarzen Schauspielerin nach möglichen, für sie spielbaren Rollen oder Figuren auf einer deutschen Theaterbühne. Und der Tatsache, dass sich diese kaum finden lassen. An dieser Stelle entsteht kein Vermittlungsproblem, sondern die Frage nach der Bereitschaft, sich auf solche Erfahrungsperspektiven einzulassen, zuzuhören, in den Dialog einzutreten. Ein Dialog, der im Übrigen ein sehr wichtiger Teil von Vermittlung sein kann - doch dafür auch angenommen und eingegangen werden muss. Ich kenne wenig Theaterleute, die sich mit den hier zitierten Themen und Fragen beschäftigen und kein Interesse daran haben, über diese in vermittelnde Auseinandersetzungen zu kommen. Allerdings stellt sich die Frage, wie vereinfachend die Kunst selbst agieren muss, um für Auseinandersetzungen mit komplexen Wirklichkeiten Zugang und Bereitschaft zum Dialog zu erzeugen. Denn die Wirklichkeiten sind eben komplex oder wie Elfriede Jelinek es einmal treffend formulierte: "Drunter kriegen wir es leider nicht." Das bedeutet keineswegs, dass es nicht darum ginge, auch und gerade deshalb insbesondere an unterschiedlichen Formen der Vermittlung zu arbeiten. Doch diese Arbeit wird nur dann wirklich fruchtbar und produktiv sein angesichts der Menge an gesellschaftlichen Krisen und Verwerfungen, mit denen wir es heute zu tun haben, wenn die Kräfte gebündelt werden und alle an ihren jeweiligen Positionen kritisch und zugleich respektvoll versuchen, den Fragen der Zeit zusammen zu begegnen. Und auch Überforderung und Komplexität als Realitäten (auch ästhetische) zuzulassen. Und diese gemeinsam zugänglich werden zu lassen, aus unterschiedlichen Positionen heraus. Das ist im Übrigen nicht als Absage an Kritik zu verstehen, im Gegenteil. Aber doch eben als kritisches Feedback zu jener Art von Oppositionsbildung im selben Feld, wie der Artikel sie für mein Gefühl erzeugt. Das erscheint mir nicht sehr zielführend und ist selbst von jener Haltung gekennzeichnet, die hier anderen zur Last gelegt wird. In diesem Sinne: Gemeinsam diskutiert und streitet es sich besser als alleine.
Kolumne Slevogt: Köstlich!
Ist das ein schöner Text! Danke - Frau Slevogt.
Wäre gern' beim Frühstücken dabeigewesen. Bei EDEKA gibt's einen tollen Cremant, der nur 8,45 Euro kostet. Und wir hätten noch so viel besprechen können. Alles auch mit einer Portion Humor. Gute alte Zeit. Ein wenig haben wir diese hier noch in Tübingen. Denn wir spielen ja noch Theater (also so wie früher). Jeden Abend wird in der Neckarstadt mehr die Situation als das Stück bejubelt. Interessanter Vorgang. Man kommt zusammen, man sieht und wird gesehen. Und plötzlich sind Jahreshefte und PR-Publikationen so unwichtig geworden. Selbst einen Monatsspielplan (Leporello) haben wir nicht mehr. Internet reicht. Es geht voran!
(Ich kriege immer noch Schwierigkeiten, mir das Lächeln aus dem Gesicht zu wischen ob dieses lustigen und treffenden Textes. Und dann auch noch diese nörgelnden Reaktionen darauf. Köstlich!)
Kolumne Slevogt: Oberschlaumeier-Medium
Ich wusste gar nicht, dass Sie so selbstironisch sind ... nk ist wirklich das Oberschlaumeier-Diskursschleuder-Medium, das nur von der Blase gelesen wird und komplett an dem breiten Publikum vorbeischreibt. Die Kritik vermittelt zwischen Kunst und Publikum? Was ist das denn für eine Selbstwahrnehmung? Das tut Theaterkritik doch schon lange nicht mehr. Ich lese in erster Linie Texte, mit denen eine eigene Profilierung versucht wird, und die mir - als kulturinteressierter Nicht-Theater-Freund einer Theaterschaffenden (die mir diese Kolumne gezeigt hat) - ständig das Gefühl gibt, den "Diskurs" nicht zu checken oder nicht ganz up to date zu sein. Es gibt durchaus eine Öffentlichkeit - v.a. jenseits der marginalisierten Kunstkritik - und die läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda, Berichterstattung (nicht Kritik) in anderen Medien und naja - tatsächlich über die Infokanäle eines Theater- oder Opernhauses selber. Da informier ich mich und entscheide selber. Es gibt einiges zu beweinen, was die Theaterkritik anbelangt - da stimm ich Ihnen durchaus zu und weine gerne mit Ihnen.
Kolumne Slevogt: Theatertreffenblog
Hat nicht auch Nachtkritik von genau solchen institutionellen Förderungen profitiert bzw. waren oder sind nicht Mitglieder der Redaktion für solche Projekte zuständig?? Es sind doch einige Redakteure und Schreiber, die in den vielen Jahren des Theatertreffenblogs bzw. früher der Festivalzeitung der Berliner Festspiele dort tätig waren, sich ausprobieren konnten, Leute kennenlernen durften und durch Nachtkritik-Mentoren gefördert oder gar entdeckt wurden. Also profitiert haben von Fortbildungen für Theaterjournalismus von einer Institution selbst organisiert. Und Herr El Bira hat doch diesen Blog auch jahrelang neben seiner Arbeit für Nachtkritik geleitet oder tut es vielleicht sogar noch? Der Blick hier auf das Ganze scheint mir doch arg schief.
Kolumne Slevogt: kann es unterschreiben
Ein sehr guter Artikel. Hätte jeden Satz unterschreiben können.
Kolumne Slevogt: Inseratenmodell
Lieber Förderer, da gerät Ihnen etwas durcheinander. Wenn Herr El Bira in seiner Nebentätigkeit junge Schreibende coacht parallel zum Theatertreffen, tut er dies nicht im Auftrag von nachtkritik. Und von einer hauseigenen Publikation würde ich beim TT-Blog nicht im klassischen Sinn reden, haben Sie sich da mal umgeschaut über die Jahre? An Kritik, ja geradezu Groll auf das Festival misst sich das Blog mit der schlechten Laune der professionellen Berliner Kritik, übertrifft diese oft. Aber selbst wenn der Ton anders wäre, würde Ihre Analogie nicht zutreffen. Das Problem würde erst dann in der Tragweite erscheinen, wie Sie es beschreiben wollen, wenn sich nk ihre Kritiken direkt von den Theatern bezahlen ließe und womöglich auch noch auf deren Websites veröffentlichen würde. Was Sie als Abhängigkeit sehen, ist das Inseratemodell wie früher bei den Zeitungen. Das muss man immer im Auge behalten. Aber nur oder gerade weil man auch von Inseraten lebt, hieß und heißt das ja in keinster Weise, dass Kritik an den Inserierenden dadurch delegitimiert wäre.
Kolumne Slevogt: Fortbildung durch Institutionen
Lieber Journalist,
einfach nochmal den Artikel lesen, ich glaube Ihnen ist was durcheinander geraten. Ich nahm Bezug auf den Satz "Aber kann Fortbildung für Theaterjournalismus wirklich von Theatern selber organisiert werden?". Das Angebot der Berliner Festspiele wurde, ob als Magazin und später als Blog, immer als Weiterbildungsmöglichkeit für Kulturjournalisten beworben. Herrn El-Biras Beschäftigungsverhältnisse kenne ich nicht. Aber doch hat er das Blog geleitet und auch Herr Pilz hat meiner Erinnerung nach jahrelang dort das Mentorenprogramm betreut. Ist ja alles ok, aber wie gesagt scheint mir die Empörung im Artikel dann doch arg zweifelhaft, wenn gleichzeitig Nachtkritiker selbst dort so maßgeblich fortbilden und auch Nachtkritiker dort fortgebildet wurden und davon profitiert haben!
Kolumne Slevogt: komplexe Realitäten
"Wenn's schon die Kritiker*innen nicht mehr verstehen, was soll dann erst das Publikum sagen?" - das sagt doch eigentlich schon alles.

Woher kommt denn diese Annahme, eine Kritiker*in würde automatisch mehr verstehen als eine Zuschauer*in?
Das ging vielleicht maximal bis zu der Zeit als es nur Inszenierungen bereits veröffentlichter Stücktexte gab, die die Kritiker*innen vorab studieren konnten.
Zum Glück gibt es heute viele viele weitere Versionen von Theater (die nicht nur wie früher die klassischen Bildungsbürger (ohne *) repräsentieren).
Dass Theater und die darstellenden Künste an vielen vielen Stellen zugänglicher auf vielen Ebenen werden sollten, damit bin ich absolut einverstanden. Dass Realitäten aber komplex sind gilt eben auch. Theater ist außerdem Kunst - in der bildenden Kunst gibt es auch Übersetzer*innen und es wird nicht von den Künstler*innen erwartet man könnte alles was sie ausdrücken wollen eins zu eins aus ihrem Werk heraus verstehen - das wäre doch auch langweilig.
Vielfältiges Theater für eine vielgestaltige, komplexe Gesellschaft. Neue Formen für sich verändernde Gemeinschaften - sonst wird das Theater tatsächlich immer weniger relevant. Mehr Relevanz gibt es nur wenn man nach vorne blickt und neues wagt. Ich hoffe dafür ist die Kritikerin offen, aus ihrem Rant scheint dem eher nicht so.
Kolumne Slevogt: Öffentlichkeit schrumpft
Ich würde hier gerne noch einen, oder vielleicht zwei, Anspekte hinzufügen: gebucht wird, bzw "Erfolg" hat die Person, die ihr eigenes Publikum generieren kann. Weil die Öffentlichkeit schrumpft. Das ist zugegeben ein kontroverses Spannungsfeld. Denn natürlich kann man davon sprechen, daß spannende Projekte ihre Aufmerksamkeit finden (siehe jüngst "werther live"), wenngleich immer weniger. Auch sollen geliebte KünstlerInnen zurecht eine Fangemeinde haben und diese langfristig bedienen können. Andererseits ist die Neuentdeckung zunehmend schwieriger, nicht nur weil Jurys/IntendantInnen/Presse sich an ihre Netzwerke halten, sondern auch, weil der (meinetwegen kontrovers geführte) Diskurs und das Nachdenken darüber, was Qualität ist oder sein könnte kaum noch zugelassen wird. Oder vielleicht nicht ausreichend moderiert wird (von wem auch immer: in der Presse, bei der Programmierung etc).
Durch diese Vorgehensweise verfängt man sich allerdings in reaktionären Verhaltensmustern: wenn dasselbe Konzept von einer/m echten AussenseiterIn vorgestellt wird, oder (übernommen? gezähmt?) von einem gefälligen Namen, ist die Entscheidung schnell getroffen. Es findet kein glaubhafter Diskurs statt, kaum soziale Mobilität bei den MacherInnen, kaum Widererkennung beim Publikum. Denn eigentlich werden ja alle Geisteshaltungen im Theater verhandelt.
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