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Offener Brief von Theatermacher:innen of Colour
Kontinuität und Strukturiertheit
31. März 2021. In einem Offenen Brief richten sich 22 Schwarze Theatermacher:innen und Theatermacher:innen of Colour an die Kulturministerin von Nordrhein-Westfalen (NRW) Isabel Pfeiffer-Poensgen, den Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf Stephan Keller und den Intendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses Wilfried Schulz. Die Zeichner:innen des Briefs gehören den Ensembles des Stücks "Afrokultur" und der Veranstaltung "M(a)y Sister" an, die für Mai als Koproduktionen mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen auf dem Spielplan des Düsseldorfer Schauspielhauses stehen. Unter den Zeichner:innen ist auch die Kommunikationssoziologin Natasha A. Kelly, die den Offenen Brief auf Twitter postete.
"Als unmittelbar von Rassismus Betroffenen scheint es uns paradox, zwei Inszenierungen, die der afrodeutschen Wissenschaftlerin und Poetin May Ayim gewidmet sind (...), in einer staatlichen Institution auf die Bühne zu bringen, der Rassismus und Sexismus vorgeworfen werden", schreiben die 22. Sie beziehen sich damit auf die Vorwürfe, die der Schauspieler Ron Iyamu gegen das Düsseldorfer Schauspielhaus aus seiner eigenen Arbeitserfahrung dort heraus erhebt und unterstützten Iyamus Forderung, "alle rassistischen und sexistischen Vorwürfe am Haus lückenlos und transparent aufzuklären und aufzuarbeiten".
Selbst sähen sie sich außerstande, an einem Arbeitsplatz weiterzuarbeiten, "wo wir durch institutionalisiertes Fehlverhalten und die Verschleierung rassistischer Strukturen retraumatisiert werden". Sie fordern daher eine "vom Schauspielhaus unabhängige, selbstorganisierte Freie Bühne als aktive Möglichkeit uns dem institutionellen Rassismus zu entziehen". Es existierten hierzu bereits Planungen, Konzepte und Berechnungen. "Etwa das Freistellen eines Subventionsvolumens von 600.000-800.000 Euro jährlich für eine mindestens vierjährige Planungssicherheit".
— Natasha A. Kelly (@natashaakelly) March 30, 2021
Außerdem fordern die 22 Unterzeichner*innen des Offenen Briefs, "dass alle Beteiligten von 'Afrokultur' und 'M(a)y Sister' unverzüglich das vertraglich festgeschriebene Honorar in voller Höhe erhalten". Denn die "Kontinuität und Strukturiertheit von Rassismus an deutschen Theatern", wie sie sich im Fall Düsseldorf einmal mehr zeige, bedeute für sie "fachwissenschaftliche und emotionale Mehrarbeit, die weit über das geplante Erarbeiten von Bühnenstücken hinausgeht".
Der Offene Brief wird durch eine gleichlautenden Petition auf change.org flankiert.
(@natashaakelly / sd)
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Richtige und wichtige Forderung. Bis zur Aufklärung gilt die Unschuldsvermutung... oder ist dieser Part des Rechts mittlerweile verloren gegangen??
Bitte lesen Sie den offenen Brief insgesamt, er ist ja hier verlinkt. Es werden darin keine Anschuldigungen erhoben, allerdings wird auf ein Gespräch mit Wilfried Schulz vom 24.3. hingewiesen, in welchem Übereinstimmungen in den Bedenken der Brief-Autor*innen und des Intendanten hinsichtlich eines Festhaltens an der Koproduktion unter dem Dach des Düsseldorfer Schauspielhauses klar wurden. Die Forderung nach einer eigenen Bühne ist stark, wird aber nachvollziehbar begründet.
Einerseits wäre es sicherlich interessant zu sehen, wie ein eigenständiges Theater im (vermeintlich) rassismusfreien Raum arbeiten kann, und welche Diskurse von dort aus in die Gesellschaft getragen werden. Andererseits schmerzt es zu sehen, dass eine solche Eigenständigkeit nur in der Abtrennung von der Gesellschaft zu gehen scheint, die doch eigentlich daran arbeiten müsste, Debatten zu führen und Lernprozesse zu schaffen.
Ungut hingegen ist die Spaltung mit gleichzeitiger Forderung des Honorars. Dieses Muster wird seit einiger Zeit angewendet, auch von einzelnen Afrodeutschen Künstler*innen/Autor*innen gegenüber Veranstalter*innen. Häufig wird dann auch mit dem Rechtsanwalt gedroht, und es ist die Frage, ob es hier ein alternatives Geschäftsmodell sein soll, oder eine berechtigte Forderung. Veranstalter*innen sind meistenteils um Vermittlung bemüht, und diese wiederholte Konfrontation führt nur dazu, AfroDeutsche Künstler*innen nicht mehr einzuladen (...).
Eine zweischneidige, ungute Situation.
Dennoch würde ich mir wünschen, dass Staat oder Stiftungen ein eigenständiges Theater als fördern; ein versuch wäre es sicherlich wert. Idealerweise aber sollte so etwas gar nicht nötig sein, weil Theater als Ort der Vielstimmigkeit funktioniert.
(In diesem Kommentar wurde minimal gekürzt, weil die Erwähnung einzelner Künstler*innen nicht dem Kommentarkodex von nachtkritik.de entspricht. Nachzulesen ist der Kommentarkodex hier: www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 d. Red.)