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Rassismus: Über 1400 protestieren gegen FAZ-Text von Bernd Stegemann
Rassistische Grenzüberschreitung
12. April 2021. Eine Erwiderung von Mehmet Ateşçi, Angela Richter, Thomas Schmidt, Laura Sundermann und Sabrina Zwach auf einen Artikel des Dramaturgen Bernd Stegemann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (9.4.2021) hat in kurzer Zeit über 1400 Unterstützer*innen gefunden, darunter Sonja Anders, Udo Samel, Amélie Niermeyer, Klaus Zehelein, Maren Kroymann, Joy Kristin Kalu und Maryam Zaree. "Wir möchten mit dieser Erwiderung Partei ergreifen für Ron Iyamu", heißt es in dem Text unter anderem.
In seinem FAZ-Artikel hatte Bernd Stegemann auf die Rassismusvorwürfe des Schauspielers Ron Iyamu in Bezug auf das Düsseldorfer Schauspielhaus reagiert, und sowohl das Theater in Schutz genommen, als auch Armin Petras, einen der von Iyamu im Kontext seiner Erlebnisse nicht namentlich genannten, aber durch die Schilderungen identifizierbaren Regisseure. Die von Iyamus geschilderten Vorfälle versuchte Stegemann zu entschärfen, in dem er sie als "verstörende Erfahrungen" in entgrenzten Probensituationen rekonstuierte, denen Iyamu nicht mit der nötigen Professionalität begegnet sei. Ohne Entgrenzung im "Schutzraum Probe" aber entstehe Theater, das so langweilig wie die Wirklichkeit sei, so Stegemann.
Darüber hinaus attestierte Stegemann dem 1993 geborenen Schauspieler nach Ansicht eines, von Iyamus Schauspielschule hergestellten Bewerbungsvideos, ein unsicherer junger Mann zu sein, "der im schauspielerischen Ausdruck blockiert ist". Statt sich den Mühen der Herstellung künstlerischen Ausdrucks zu unterziehen, habe er sich während seiner Düsseldorfer Zeit offenbar immer öfter "in den Selbstschutz der empörten Kränkung" begeben.
Das Schreiben der 1400 widerspricht Stegemanns Verständnis der Probensituation: "Dort, wo Darsteller:innen frei sein können, wo sie keine Angst haben (...) entstehen die genialen künstlerischen Innovationen, die wir uns wünschen und mit denen das Theater sich weiter entwickeln kann. Darin können durchaus Momente der Entgrenzung enthalten sein. Aber diese müssen auf Verabredungen beruhen." Eine Probensituation habe ihre Grenze in dem Moment erreicht, in dem ein Regisseur einen Schwarzen Mann "Sklave" rufte. Das sei "eine rassistische Grenzüberschreitung, mit der aus Freiräumen Räume der verbalen Gewalt werden." "Wir sind die Erben einer Geschichte, und dieser Geschichte müssen sich die weißen Menschen unter uns stellen ... Und wenn Sie leugnen, dass es an unseren Theatern Rassismus gibt, dann verschließen Sie ihre Augen und Ohren," wird Stegemann direkt adressiert.
In seinem Text hatte er die Vorwürfe in das soziologische "Phänomen des 'Concept Creep'" eingeordnet. "Damit ist gemeint, dass Begriffe in der alltäglichen Verwendung immer weiter ausgedehnt werden können. Beim Vorwurf des Rassismus passiert diese Überdehnung zurzeit im Eiltempo." Inzwischen könne jedes Verhalten der weißen Mehrheitsgesellschaft als rassistisch gelten, wenn ein Mitglied einer Opfergruppe sich davon gekränkt fühle, so Stegemann.
(sle)
Das Schreiben ist hier als pdf downloadbar.
Presseschau: Armin Petras äußert sich zu Rassismus-Vorwürfen (16. April 2021)
Presseschau: Dramaturg Bernd Stegemann zu den Düsseldorfer Rassismusvorwürfen (9. April 2021)
Meldung: Offener Brief von Theatermacher:innen of Colour (31. März 2021)
Presseschau: Schauspieler Ron Ighiwiyisi Iyamu erhebt Rassismus-Vorwürfe gegen Düsseldorfer Schauspielhaus (22. März 2021)
Weiterführende externe Links:
Essay: Auf dem Blog 54 books diskutiert der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen Stegemanns FAZ-Text als Beispiel dafür, wie eine missbrauchsbefördernde Organisationskultur, durch eine "institutionalisierte Kunstideologie stabilisiert" wird: "Diese Ideologie beruht auf der Vorstellung, dass gute Kunst nur aus Leiden entstehen kann." (5. Mai 2021)
Essay: In der ZEIT vom 6. Mai 2021nimmt Bernd Stegemann die Kritik an seinem FAZ-Beitrag als Beispiel für die in der heutigen Debattenkultur vorherrschende "asymmetrische Kommunikation": Diese beantworte missliebige Argumente mit "moralischer Empörung" und "pathetischen Bildern". "Die asymmetrische Kommunikation macht aus Widersprüchen Kämpfe zwischen Feinden. Sie hierarchisiert Aussagen und selektiert Argumente nach ihren Urhebern. Sie führt eine Ungleichheit in den zwanglosen Zwang des besseren Arguments ein, und schließlich lässt sie immer mehr Menschen verstummen." (aktuell ist der Artikel noch nicht online verfügbar)
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2. Selbst wenn es ein "Mob" wäre, würden 1400 Stimmen nicht genügen, um eine veröffentlichte Meinung, so sie denn tatsächlich eine gebildete in jedem Sinne ist, niederzuwalzen.
3. Es hätte auch genügt, wenn die FAZ gleich klügere Stimmen als die Stegemanns veröffentlichte; is aber nich, muss halt prominent sein.
#2: Die 1400 haben sich nicht getroffen, sondern eine komfortable Meinungs-Unterschriftenblase gebildet. Das ist ein Unterschied.
Ich habe nicht unterschrieben - da ich generell zögere bei aktionen und erstmal sicher gehen will. ABER ich finde die Aktion richtig. Die von Ihnen als MOB bezeichnete Unterzeichnerinnen haben unter einem Gesprächsangebot unterzeichnet und eine Gegenstimme erhoben. Ich finde dass das kein MOB ist sondern das was wahrhaftige Demokratie bedeuten sollte, nämlich dass nicht nur eine Person eine Öffentlichkeit erhält mit seiner eigenen Meinung. Lets Discuss würde ich jetzt sagen. Und werde jetzt auch mit unterschreiben da die Liste wieder offen steht.
Herzlichst Mira
Erstmal den Brief lesen und dann austeilen, gell? Der Brief enthält eine Aufforderung zum Dialog, das ist das Gegenteil von Plattwalzen. Fehlt nur noch, dass reflexhaft Sie Cancel Culture rufen, bin gespannt wann der erste damit kommt. Freie Meinungsäusserung gilt für alle!
Allerdings höre ich in meinem Alltag am Theater sehr häufig Aussagen, die ähnlich oder weit "krasser" klingen als das, was Bernd Stegemann schreibt. Natürlich muss man unterscheiden, ob jemand seine Meinung an so prominenter Stelle wie in einem FAZ-Artikel kundtut oder in internen Meetings spricht, aber ich frage mich: Wie vielen von uns kritischen Theaterschaffenden gelingt es denn im alltäglichen Miteinander genau hinzuschauen, Aussagen zu hinterfragen und Position zu beziehen? Sollten wir nicht endlich beginnen, innerhalb unserer Institutionen diese Fragen offen zu diskutieren und die entsprechenden Räume dafür zu schaffen? Gibt es nicht einige Unterzeichner*innen (in leitender Position), die vielleicht besser mal vor der eigenen Haustüre kehren sollten? Sich einer Masse von 1.400 Leuten anzuschließen, ist ja verhältnismäßig einfach (und öffentlichkeitswirksam und imagefördernd). Zu schauen, wo man selbst noch blinde Flecken hat, schon schwieriger.
Die Theaterblase diskutiert fröhlich und regt sich sehr gern auf. Ich beobachte aber voller Besorgnis, dass sich viele scheinbar radikalisieren. Es wird ja hier nicht nur die Meinung von Herrn Stegemann kritisiert, sondern teilweise auch die Tatsache, dass er sie äußern durfte. Und das ist hier ja wieder nur ein Beispiel von vielen. Natürlich muss er mit Gegenwind rechnen, aber dass es einige gibt, die ihm den Mund verbieten wollen, halte ich für sehr bedenklich. Wir brauchen Diskurs, Austausch, Diskussion - aber auch Zuhören, Respekt und Verstehen wollen.
Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und Demokratie müssen hochgehalten werden! Sonst zerstört sich die Theaterblase immer weiter gegenseitig und wird für diejenigen Außenstehenden, für die wir alle eigentlich unsere Job machen, mit der Zeit immer unattraktiver.
Wir müssen reden, aber doch bitte miteinander. Jede*r darf deine Meinung sagen, aber doch bitte respektvoll und im besten Fall sogar noch produktiv.
"Wir bieten Ihnen an, mit Ihnen öffentlich über diese Frage zu diskutieren."
Man bietet Stegemann die Möglichkeit zur Selbstkritik.
"Vielleicht kommen wir gemeinsam dann zu einer Sicht auf die Situation, in der Sie selbst sehen, dass das ewige Argument der Freiheit der Kunst verbraucht ist..."
Er soll Einsicht zeigen und Besserung geloben.
Eine Liste der Schande.
Das mit der Meinungsfreiheit ist so eine Sache: sie spricht eben niemandem das Recht zu, auf seine Meinung keine Gegenrede oder Kritik zu bekommen. Sie beinhaltet ebenfalls nicht das Versprechen dass andere Menschen von der freien Meinungsäußerung nicht verletzt, verärgert oder wütend werden.
Ich empfehle zum Thema diesen Post von Tupoka Ogette: https://m.facebook.com/tupokaogette/photos/a.307639946010360/3824468060994180/?type=3
Die Kritik daran dass (oder in welcher Form, welchem Rahmen) Herr Stegemann seine Meinung äußern darf sehe ich eher der FAZ gegenüber, dem vorgeworfen werden kann alleinstehend eine Meinung zu publizieren anstatt eine ausgewogene Recherche oder einen tatsächlichen Diskurs anzugehen.
@2 das Problem mit der Dialektik ist hier, dass diese „Übung“ auf dem Rücken einer Person passiert, die über ihre Erlebnisse berichtet. Es ist eben keine Dialektik sondern Lebensrealität vieler. Wieso fühlt sich ein in keiner Weise betroffener Mensch berufen seine Meinung dazu in einer überregionalen Zeitung zu veröffentlichen?
Der Text des offenen Briefs an Stegemann ist tatsächlich schon von der Entstehung her fragwürdig. Wer am Vorabend der Publikation online die Textarbeit in dem zeitweise öffentlich zugänglichen Google-Dokument verfolgt hat, konnte live dabei zusehen, mit wie heißer Nadel dieser als Gesprächsangebot getarnte Angriff zusammengestrickt wurde. Kurzzeitig war z.B. von Antisemitismus am Düsseldorfer Schauspielhaus die Rede, dann fiel das wieder weg, dann stand da Sexismus, dann fiel das auch wieder weg, erst standen da die Namen zweier Kronzeuginnen für all das, von denen einer dann wegfiel, und am Ende hieß es nur noch pauschal "toxische Atmosphäre“ am Haus – was alles mögliche sein kann und zugleich den Vorwurf ins Uferlose ausweitet. Wer also um 21h den Aufruf unterschrieb, dessen Name stand um 24h unter einem deutlich veränderten Text. Das ist schon vom Vorgehen her unseriös. Ich verstehe wirklich nicht, dass teilweise sogar Theaterleitungen unter diesen Bedingungen so etwas unterschreiben. Erklärlich sind derartige Vorgänge nur durch die jakobinisch anmutende Eskalation der Antirassismusdebatte, in der Maßstäbe intellektueller Redlichkeit verloren gehen und bei vielen nur noch die Angst regiert, jetzt bloß nicht auf der vermeintlich falschen Seite zu stehen.
Mich erfüllt das mit Sorge.
ich verstehe Ihre bedenken zur Genese des Textes, jedoch plädiere ich bei der Darstellung auf Vollständigkeit. Es wurde kommuniziert bis wann der Text verändert wird und damit jedem/jeder Unterzeichner*in die Möglichkeit geboten sich entsprechend zu den Änderungen mit der eigenen Unterschrift zu verhalten. Es ging hier tatsächlich um eine möglichst schnelle Reaktion, dass hat zugeben zu unkonventionellen Parallelität mancher Vorgängen geführt. Aber wie sich richtig Anmerken: Es wurden bestimmte Passagen verändert und gerade Ihr Beispiel beweist, dass dies im positiven Sinne geschehen ist.
https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_zweite_gedanke/archiv/20210311_1900.html
Von den Theatermenschen wünsche ich mir, dass sich der geforderte Widerstand gegen die Verletzung der Menschenwürde in ihren Projekten widersprüchlich, mich bewegend, analytisch genau, mit aller künstlerischen Vehemenz spiegelt. Die Erfindungen mögen pandemisch wirken. Keine Belehrungen bitte. Ich möchte mich in mir teilen können mit den in mir existierenden Antagonismen.
Welche Produktionsformen unterstützen die Stärke der darstellenden Künste? Von wem können wir lernen? Von https://www.ardmediathek.de/video/doku-reportage/homeschooling-2-0-eine-schule-zeigt-wie-es-geht/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xMjkwODU/?
Hilft eine ja/nein Debatte? Gehört das unreine Sowohlalsauch dazu? Die Sehnsucht nach einer solidarischen Gesellschaft ist nicht tot, das offenbart diese Debatte. Super.
Weniger Aggressivität!
hier noch ein interessantes Interview
https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/stegemann-fordert-kuenstlerische-auseinandersetzung-100.html
"Der Rollenname lautet ‚Toussaint Louverture, ein ehemaliger Sklave‘. Diesen Begriff fahrlässig bei aller Umtriebigkeit und Probenaufregung so zu verkürzen und damit in sein Gegenteil umzukehren, ist gerade mein Hauptfehler gewesen..., ein Fehler, der nichts mit angeblich behaupteter Provokation oder Übergriffigkeit zu tun hat, sondern mit Dummheit, Nachlässigkeit, Ignoranz...“ Und weiter: „Im großen Ganzen geht meine Bitte dahin, meine Fehler deutlicher herauszuarbeiten und plastischer zu machen. Gleichzeitig aber auch zu zeigen, dass niemand vor Rassismen gewappnet ist, also jeder a priori ein Rassist ist, dass unsere Arbeit an sich ein Ort für den Kampf gegen Rassismus/Lüge/Machtsysteme ist, aber auch ein Ort des gemeinsamen Lernens sein sollte/sein kann...“
(Anmerkung der Redaktion: die Zitate stammen aus einem Text von Michael Börgerding auf der Webseite des vom ihm geleiteten Theaters Bremen: https://www.theaterbremen.de/de_DE/das-april-editorial-2021#)
(...)
Iih. Igitt. Uff. Da muss ich mich erst einmal sammeln... Mensch kann ja eine Meinung haben, sie vertreten und auch eigenständig fördern. Aber etwas abschaffen wollen, wenn es der eigenen Vorstellung oder der eigenen Agenda nicht entspricht, ist das Paradebeispiel für Totalitarismus, für ein System, das Grundrechte wie Kunstfreiheit mit den Füßen tritt. Gruselig. Und nein, ich sage nicht, dass die Kunstfreiheit im Arbeitszusammenhang alles erlaubt, aber doch bitte, bitte nicht das Spiel mit Realität, Fantasie, Traum Utopie, Dystopie aus diesem Begriff nehmen!! Wie dogmatisch und totalitär sollen denn die Argumente hier noch werden bitte?
Wissen Sie, Herr Prof. Dr. Nix, wenn Sie sich die ersten zwei Sätze Ihres Kommentares gespart hätten, dann hätte ich mich auf Ihre Überlegungen einlassen können... so bleibt der üble Geschmack, dass es eigentlich doch nur um Positionierungen und Name Dropping geht und um den Wunsch, selber auch noch gehört zu werden. Egal ob man etwas Neues zur Debatte beitragen kann oder nicht. Sie haben also Armin Petras für das bürgerliche Theater entdeckt. Und das bewahrt ihn für alle Zeit davor Fehler in seiner Berufsausübung zu machen?
"Ich kenne Armin Petras seit 1992, länger als der Kollege Börgerding, Khuon oder wer auch immer. Ich darf reklamieren, dass wenn einer, ich ihn für das bürgerliche Theater entdeckt habe."
Entschuldigen Sie bitte. Aber so beginnt kein ernsthafter Beitrag zu dieser Debatte.
Und alle, die unter dem Deckmäntelchen des Rechtschaffenden ihre eigenen Zweifel oder Schwächen oder Neid verstecken, mögen das bitte mit sich selber ausmachen, oder in ihrem direkten Umfeld und es nicht unzulässig als strukturelles Problem ausweiten. Dafür ist letzteres zu wichtig.
Herr Steckel, bitte übernehmen Sie!
... in diesem Fall geht's um den Inhalt. Der ist wichtig und auch sympathisch. "Erst denken, dann schreiben." Tja. Kann auch mal in die Hose gehen. Aber Nix hat da recht!
was ich in dieser Diskussion bisher sehe ist Folgendes:
- Ein Armin Petras, der sich sehr ungut auf der Probe verhalten hat, der rassistisch war und es (anscheinend) noch nicht mal selber gemerkt hat.
- Ein Bernd Stegemann, der von Berlin aus via FAZ ungefragt seine sehr kontroverse persönliche Meinung dazu abgibt.
- Ein Willfried Schulz, der sich irgendwie nicht so richtig zu dem Vorfall an seinem Theater verhalten will (korrigiert mich bitte, falls doch!).
Ich würde mich gerne aussprechen für eine Diskussionskultur in der wir es Menschen, die heftig daneben lagen ermöglichen sich zu bessern und sich öffentlich zu entschuldigen. Bei Petras wäre das meiner Meinung nach der Fall. Er scheint eingesehen zu haben, was er falsch gemacht hat und sich entschuldigt. Auch in einer Form, die einen zumindest hoffen macht, dass er in Zukunft mit mehr Awareness probt.
Es gab vor ein paar Monaten eine Aktion auf Instagram, in der viele Männer ein Schild hochgehalten haben auf dem sie alle Fälle von Sexismus ihrerseits gestanden haben, verbunden mit einer Entschuldigung.
Mir würden auf der Stelle 30 Regisseure einfallen, die sich gerne mal wie Petras für ihren alltäglichen Rassismus, Sexismus und Machtmissbrauch entschuldigen könnten. Und zwar nicht, damit wir hier zufrieden sind, sondern damit sie selbst und die Kollegen die sich das nicht trauen vielleicht etwas dazulernen und anfangen anders und gerechter zu proben. Ich jedenfalls wäre bereit ihnen zu verzeihen, ich möchte gerne dass wir ein Miteinander haben in dem das möglich ist.
Was allerdings Herrn Stegemann betrifft (mein eigentlicher Punkt - hehe), ist ja alleine an den Inhalten seiner Publikationen ersichtlich wie sich hier der anfangs einfach nur sehr konservative Dramaturgie-Dozent mehr und mehr radikalisiert. Und diese Richtung ist nicht besonders links! Etwas das der FSJler in der FAZ-Redaktion mit 20 Minuten googeln rausgefunden hätte - sehr peinlich meiner Meinung nach.
Dass S. sich erdreistet und in einer Debatte um Rassismus-Vorwürfe (dummes Wort - besser: Rassismus) noch nachtritt und dem jungen Spieler unvermögen attestiert ist nicht nur sehr falsch, sondern vor Allem total klein. Und übrigens: selbst wenn hier einige die Meinungsfreiheit beschränkt sehen, müssen sie doch aber faktisch erkennen, dass sich das einfach nicht gehört: jemandem den ich nicht kenne und der halb so alt ist wie ich in einer Zeitung Unvermögen zuzuschreiben. Das ist Stegemanns Meinung da haben sie Recht, aber diese Gemeinheiten sollte man nicht drucken, da ist die Meinungsfreiheit-Debatte leider völlig fehl am Platze.
Das ist außerdem auch so ein (selbst erlebtes) Busch-Unding, dass "unsicher" automatisch ein Indiktator für schlechtes Spiel sei. Ich habe Jahre gebraucht um zu kapieren, dass ich nicht alles "mit mehr Eiern als ich habe" (so war die didaktische Bezeichnung damals) spielen muss. Schwitzende, schreiende, nicht nach rechts und links guckende Kollegen gibt es doch schon genug an jedem Haus, müssen wir doch nicht noch ständig welche nachliefern. (sorry ich bin etwas abgedriftet, meine entf-taste klemmt)
Sollte nun also Petras eingesehen haben, was er noch zu lernen hat, aber trotzdem weiterarbeiten dürfen; die FAZ (und alle anderen, außer der Anthaios-Verlag) gelernt haben, dass man so einen Text nicht drucken sollte; und wir alle ein weiteres Mal mitbekommen haben, das die Sphären in die Bernd Stegemann abdriftet ungut sind; - ja dann waren diese 1400 Unterschriften doch eigentlich ganz gut oder?
Ach ja: @2: Lieber Janek, da liegst Du sehr falsch, lies bitte mal Stegemanns Twitter.
entschuldigung für die Roman-länge,
C.
Theaterarbeit muss überhöhen, muss Extreme ausprobieren. Ich will als Schauspieler an meine Grenzen gehen können, überfordert werden und aufgefordert werden zur Überforderung, dabei meinen Impulsen folgen ohne nachzudenken: ist das jetzt politisch korrekt, darf ich das jetzt sagen, darf ich das jetzt so spielen. Das macht manchmal auch Angst, überfordert zu sein. Es ist aber auch unsere Professionalität, damit umzugehen und die Überforderung auszuhalten. Ich mache den Beruf seit vierzig Jahren und empfinde das immer noch als ein Privileg. Aber es ist ein Weg, ein Weg voller Reibungen und Widerspruch. Vom Widerspruch aber lebt alle Kunst, von der Reibung. Von der Reibung und den Widersprüchen lebt und entwickelt sich eine Gesellschaft.
Danke, Armin Petras. Ich freue mich auf die nächste spannende Zusammenarbeit.
Ich habe genug an seinen Büchern auszusetzen, da muss ich nicht auch noch FAZ-Artikel von ihm lesen, sowas wird ja in der Zeitung mit naturgemäß weniger Schreib- und Nachdenk-Zeit nicht besser, bloß weil es sich an extern gelieferten Beispielen exemplifiziert.
Zu #39. Bravo Mike, ich hätts nicht besser sagen können.
*Anmerkung der Redaktion
"Ich würde mich gerne aussprechen für eine Diskussionskultur in der wir es Menschen, die heftig daneben lagen ermöglichen sich zu bessern und sich öffentlich zu entschuldigen....
Es gab vor ein paar Monaten eine Aktion auf Instagram, in der viele Männer ein Schild hochgehalten haben auf dem sie alle Fälle von Sexismus ihrerseits gestanden haben, verbunden mit einer Entschuldigung."
Ich empfehle fürs erste und aktuell: Judith Sevinc Basad: Schäm Dich!
Westnend Verlag. Öffentliche Entschuldigungen! Schilder hochhalten (oder besser um den Hals mit gesenktem Kopf?)!! Geständnisse und Selbstkritik. Ansonsten zum Thema zu empfehlen Bücher über stalinistische Schauprozesse, katholische Inquisition...Und vielleicht entstehen Stücke?
Sehr wichtig der Satz zu dem erschreckenden Empörungsfuror des Briefes: "Wo Denken sich kritisch gibt, auf analytische Schärfe aber pfeift, produziert es Ideologie." Ich teile Ihre Besorgnis und bin froh, dass es Ihre Stimme gibt.
https://m.faz.net/aktuell/feuilleton/eine-replik-auf-bernd-stegemann-zum-rassismusvorwurf-17299672.html
https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/theater/bernd-stegemann-li.154437