Gewöhnliche Grenzüberschreitungen?

27. April 2021. Was ist los an den Theatern?, fragen sich die Beobachter*innen derzeit allmedial. Dort, wo sonst die Kunst im Zentrum steht, wird derzeit vor allem diskutiert. Konflikte brechen auf, deren Bearbeitung seit Jahren dringlich ist. Spätestens seit #MeToo ist’s eine Binse: Gerade an den Theatern, an denen man sich moralisch auf der Seite des Guten, Wahren und Schönen wähnt, hält sich zäh eine sexistische, rassistische und diskriminierende Atmosphäre. Deutlich machen das die aktuelle Debatten um das Schauspielhaus Düsseldorf, das Staatsballett Berlin oder die Volksbühne.

 

Mitten in Konflikt und Veränderung

Ein "schmerzhafter" Prozess habe für ihn begonnen, sagt der Düsseldorfer Intendant Wilfried Schulz, dessen Haus nach einem öffentlichen Outcall von Ron Iyamu mitten in einem Rassismuskonflikt und zugleich schon mitten in einem Veränderungsprozess steckt. Nicht nur Wilfried Schulz denkt derzeit darüber nach, was falsch läuft, welche Fehler gemacht wurden, welche Rolle die Strukturen der Theater und der Gesellschaft dabei spielen – und was zu tun ist.

Dhaus DantonsTod 2 ThomasAurin uTumultuöse Inszenierung: "Dantons Tod" in der Regie von Armin Petras, mit u.a. Ron Iyamu (links, mit Hosenträgern und blauer Hose) © Thomas Aurin

Im Theaterpodcast #35 greifen wir die aktuellen Debatten auf und sprechen mit Guy Dermosessian, dem Diversitätsbeauftragten am Düsseldorfer Schauspielhaus, und mit Florian Fiedler, dem Oberhausener Intendanten, eine Antirassismusklausel in den Verträgen einzuführen.

Was können die Theater lernen aus den Fehlern, die in Düsseldorf gerade diskutiert werden? Wie schafft man einen Dialog und produktive Veränderungsprozesse, trotz teils verhärteter Fronten?

Hinter dem Rampenlicht (3)

In der Theaterpodcast-Rubrik "Hinter dem Rampenlicht. Einblicke in den Maschinenraum Theater" erzählt Chris Göbel (ab Minute 48'), wie er als Ton- und Videotechniker bei PACT Zollverein Essen Drohnen fliegen lässt.

 

Mehr zum Thema:

Debatte nach Rassismusvorwürfen am Düsseldorfer Schauspielhaus – eine Rekonstruktion von Esther Slevogt (nachtkritik, 21. April 2021)

Das Theater steht still und ist doch Mittelpunkt großer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen – Peter Kümmel über die Rassismusvorwürfe gegen das Düsseldorfer Schauspielhaus (21. April 2021, Die Zeit)

Intendant Wilfried Schulz darüber, wie es mit der Aufarbeitung am Düsseldorfer Schauspielhaus weitergeht (19. April 2021, Deutschlandfunk Kultur)

"Es geht nicht um Rücktritt, es geht um Strukturen. Eine Replik auf Bernd Stegemann“ von Mithu Sanyal (19. April 2021, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Bernd Stegemann zu den "Schützengräben der Verletzbarkeit" (9. April 2021, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Warum Florian Fiedlers Intendanz am Theater Oberhausen derzeit als erfolgreich, aber gleichzeitig gescheitert gelten muss (24. November 2020, nachtkritik)

Rechtsanwältin Sonja Laaser zur Antirassismusklausel (21. April 2021, Deutschlandfunk Kultur)

 

 

 In Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur.

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Kommentare  
Theaterpodcast: Bedenkenswert
Wer übrigens so oberflächlich ist, dass er etwa bei den Argumenten eines Bernd Stegemann (sein Artikel war unsäglich, einverstanden) nicht auf die Schlüssigkeit der Argumente achtet, sondern lediglich auf die ewig gleichen drei Aspekte, die da sind: a) Rasse, b) Geschlecht und c) sexuelle Orientierung, der kann die Position, die Fragen, die Überlegungen oder eben die Argumente sich gerne auch bei Menschen abholen, welche sich in Sachen a), b) und c) von dem genannten Dramaturgen unterscheiden; wenn dies auf Twitter sein soll, dann könnte man einmal folgende Accounts regelmäßiger konsultieren:

https://twitter.com/cvaldary
https://twitter.com/Ayishat_Akanbi
https://twitter.com/thomaschattwill
https://twitter.com/coldxman

Geben wir uns alle Mühe, möglichst nicht rassistisch zu sein. Und hoffen wir, dass wir dabei nicht von einem "Heilmittel" aus dem anglo-amerikanischen Raum überrollt werden (...)
Theaterpodcast (35): Thomas Chatterton Williams
Hier erscheint ja auch gleich Thomas Chatterton Williams Buch, welches so ein spannender Beitrag ist für diese Debatte, die in Theaterkreisen so oft viel zu unterkomplex (oder gar nicht) geführt wird:

https://www.sueddeutsche.de/kultur/rassismus-debatte-schwarzsein-ist-eine-fiktion-1.5283075?reduced=true
Theaterpodcast (35): Glaushaus
Ich finde es eigenartig, wenn sich Herr Fiedler zum Thema „gewöhnliche Grenzüberschreitungen“ eines kritischen Kommentars befähigt sieht.
(...)
Eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit dem strukturellen Problem des Intendantenpostens, welcher Machtmissbrauch erst in einem Maße möglich macht, wie es in keinem anderen Bereich unserer Gesellschaft geduldet würde, ist mehr als überfällig.

Bis auf wenige Ausnahmen sind alle künstlerisch Tätigen, die einen NV-Bühne-Vertrag haben, der Gunst ihrer Intendanz ausgeliefert.
(die Folgen muss sich nur vorstellen, wer noch nie am Theater gearbeitet hat; für alle anderen sind sie bittere Realität)

In diesem Sinne: Glück auf!

(Teile dieses Kommentars wurden gekürzt, weil sie nicht dem Kommentarkodex von nachtkritik.de entsprechen. Nachzulesen ist der Kommentarkodex hier: https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 d. Red)
Theaterpodcast (35): Loury und McWhorter
Gibt es weiter US-amerikanische Intellektuelle, deren Position mit derjenigen eines Bernd Stegemanns identisch sind – sie sind aber PoC? Darf ich Glenn Loury und John McWhorter noch nachreichen?

https://twitter.com/GlennLoury
https://twitter.com/JohnHMcWhorter
Theaterpodcast (35): Intendanz Fiedler
Leider werden Susanne Burkhard und Elena Philipp ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nicht gerecht, wenn sie Florian Fiedlers narrativ, sein Vertag sei nicht verlängert worden, "weil er seiner Zeit voraus war", einfach so übernehmen und reproduzieren. Dass Fiedler öffentlich gegen die eigenen Mitarbeiter*innen seines Hauses zu Felde zog (worüber u.a. der Deutschlandfunk berichtete), dass sein Programm auf wenig Gegenliebe beim Publikum gestoßen ist... (was in den Zahlen öffentlich nachprüfbar ist) und dass es eben auch die Aufgabe eines Intendanten ist, die Botschaft zu vermitteln, statt einfach nur recht zu haben, dürfte auch ein Teil der Wahrheit sein. Im Podcast erscheint der Intendant dagegen einfach nur wie ein unkritisch befragter Kronzeuge, da hätte etwas journalistische Distanz dem Anspruch von nachtkritik.de und dem Deutschlandfunk wirklich gut getan.
Theaterpodcast #35: das ist Oberhausen
Ergänzung zu J.A. Intendanz Fiedler: Zur Information: Oberhausen ist eine ohne vorindustrielle Siedlung durch internationalen Zuzug (von Arbeitern, Ingenieuren, ihren Familien) ab Beginn der Industrialisierung quasi aus dem Nichts explodierte Großstadt. Ein nochmaliger internationaler Zuzug fand zur "Wirtschaftswunderzeit" statt. Fast alle! heute in Oberhausen lebenden Einwohner haben irgendeine Migrationsgeschichte. Dies prägt diese von Anfang an multikulturelle Stadt. Ich will nicht behaupten, dass Oberhausen eine Oase der Glückseligen ist und völlig rassismusfrei. Aber gegenseitige Toleranz hat in dieser Stadt mehr als anderswo Tradition. Es ist geradezu absurd anzunehmen, dass die Stadt Oberhausen einen Intendanten nicht verlängern würde, weil er sich gegen Rassismus einsetzt. Der Vertrag wurde nicht verlängert, weil die Publikumszahlen in den Keller gegangen sind im Vergleich zur vorhergehenden Intendanz. Das knnn sich Oberhausen in seiner heutigen finanziellen Situation (nach dem Ende der Stahl- und Kohleära) einfach nicht leisten. Die Alternative wäre, den Theaterbetrieb demnächst ganz einzustellen.
Theaterpodcast 35: Ist das Oberhausen?
@Chris - ja, Oberhausen ist eine multikulturelle Stadt, sowie die ganze Region. Da ich dort die ersten 25 Jahre meines Lebens verbracht habe, würde ich aber vehement der Aussage wiedersprechen, dass fast alle Oberhausener:innen eine Migrationsgeschichte mitbringen.. Und natürlich ist diese Stadt auch strukturell durch Rassismus geprägt! Ich finde die Aussage, dass man dort aus Tradition mehr Toleranz findet als anderswo nahezu absurd. Natürlich ist der Einsatz gegen Rassismus nicht der Kündigungsgrund gewesen. Aber im Zuge der Rassismus-Debatte relativ zu Beginn der Fiedler-Intendanz hat sich die Lokalpresse doch wirklich sehr auf das Theater eingeschossen, auch nachhaltig. Der Unterschied zwischen dem klassischen Rassismus-Bild und dem strukturellen Problem wurde damals einfach nicht gemeint. Und mit der Klausel war das Haus im Vergleich zu vielen anderen Theater wirklich sehr viel früher dran. Ob immer die richtige Kunst für die Stadt gemacht wurde, sei dahin gestellt.. Natürlich sprechen da auch die Zahlen für sich. Bequem war Fiedler für die Lokalpolitik aber sicherlich nicht! Und das ist auch gut so!
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