Unser Erbe der Konquistadoren

14. November 2021. Thomas Köck schreibt weiter an seinem Herzensthema: die Globalisierung und ihre blutverschmierte Menschheits-Spur. "Eure Paläste sind leer (all we ever wanted)" heißt sein neues Stück, das Jan-Christoph Gockel an den Münchner Kammerspielen zur Uraufführung bringt.

Von Georg Kasch

"Eure Paläste sind leer (all we ever wanted) an den Münchner Kammerspielen © Armin Smailovic

14. November 2021. Da sitzen sie auf ihren Klappsesseln, lehnen sich über die Balkonbrüstung und sehen uns lange schweigend an: acht Zuschauende in zunehmender Erregung. Sie lachen, weinen, jubeln "Ja!", stöhnen "Nein", seufzen, rasten aus, hüpfen auf ihren Sitzen herum. Einmal springt Christian Löber von seinem Sitz auf, weist mit dem Arm pathetisch ins Parkett. Katharina Bach lässt sich gar vor Begeisterung von der Galerie herabbaumeln. Nur Michael Pietschs Kritiker blickt regungslos und leicht genervt.

Eine Messe für die Hybris des Menschen

Das sind ja wir! Julia Kurzweg hat den Zuschauerraum der Münchner Kammerspiele auf die Bühne verlängert, namentlich den geschwungenen Rang und zwei Logen, schön angebröckelt und verrammelt. Eine Ruine ist's wie jene Prunkgemache, die Thomas Köck in seinem neuen Stück "Eure Paläste sind leer (all we ever wanted)" besingt. Einmal mehr wogt Köcks hochmusikalische Sprache in Versen ohne Punkt und Komma als großer Klage- und Abgesang auf die menschliche Hybris. Tourguide ist diesmal der antike Seher Teiresias, Gestalten- und Geschlechterwandler:in mit Jahrtausende alter Lizenz zum Orakeldeuten und Beraten. Elegisch führt er uns durch die Trümmer einstiger Paläste hinein ins Herz der Finsternis: der Gier, dem Expansions- und Selbstzerstörungsdrang der Menschen.

Eure Palaeste 2 ArminSmailovic uDer blinde Seher in den Ruinen der Münchner Kammerspiele (Bühne: Julia Kurzweg) © Armin Smailovic

Eine "missa in cantu", eine (vom Priester) gesungene Messe, nennt Köck sein Stück im Untertitel. Entsprechend musikalisch lässt Jan-Christoph Gockel seine Uraufführung an den Kammerspielen rauschen. Anton Berman und Maria Moling (die sich auch überzeugend als Spieler:innen einmischen) weben am melancholischen Soundtrack, er an Pult und Keyboard, sie am Schlagzeug; manchmal greift Löber zur E-Gitarre und Bach zur Trompete. Dazu kommen Tracks aus dem Autoradio; einmal seufzt und braust Richard Wagners Vorspiel des dritten "Tristan"-Akts und kitzelt die ohnehin schon auf Weltuntergang gestellten Nerven.

Die Musik hält den Abend so zusammen wie der musikalische Sprachrhythmus Köcks Stück. Denn das verknüpft etwas lose Teiresias' Sehen, ohne zu Handeln (was ihn sehr zeitgenössisch wirken lässt, ihn zu unserem Geschwister macht) mit den Konquistadoren im heutigen Brasilien anno 1550 und der Opiat-Krise in den USA heute. Wo Köck große, elegische Bögen baut, Requiem, Mess-Liturgie und Dantes "Göttliche Komödie" nutzt, um die Themen qua Form zu bändigen, will Gockel pralles Theater. Dafür sampelt er etliche Teile neu, verschiebt etwa die einleitende Liebesklage, die das Private und das Politische verknüpft, auf später, wo sie als ein ziemlich lustiger Jammerexkurs von Wohlstandseuropäern im zugequalmten Golf wieder auftaucht.

Spanische Eroberer mit dem Antlitz von Klaus Kinski

Der Golf ist zugleich jenes Boot, das die Konquistadoren nach El Dorado bringen soll, Männer um Lope de Aguirre, der einst im heutigen Brasilien nach Schätzen suchte und Werner Herzog zum Film "Aguirre, der Zorn Gottes" inspirierte, den Köck wiederum als eine Inspirationsquelle nennt. Puppenbauer Michael Pietsch, langjähriger Gockel-Vertrauter, der für den Abend eine ganze spanische Armee modelliert hat, mischt in Aguirres Gesicht sein eigenes mit dem Klaus Kinskis.

Sein Meisterwerk aber ist ein kleiner Junge, der regelmäßig durchs Bild schleicht, sich hier ankuschelt, da traurig guckt, dort mit einem Leichentuch die Opfer einer Szene bedeckt. Er ist unsere Zukunft, die wir (und die Generationen) ihm verbaut haben mit unserem Konquistadoren-Verhalten.

Eure Palaeste 3 ArminSmailovic uEwig sind die Zeiten der Eroberer: Michael Pietsch, Nancy Mensah-Offei und Bernardo Arias Porras beim Puppenspiel © Armin Smailovic

Oder mit der Opiat-Krise. Wie die mit allem zusammenhängt, lässt sich im virtuellen Programmbuch der Kammerspiele nachlesen (man muss diesen Schlüssen nicht folgen – die Gleichzeitigkeit von historisch weit entfernten Ereignissen wirkten in Köcks Klimatrilogie und seiner Antigone zwingender). Hier stürzen und fallen die überarbeiteten und entsprechend medikamentös zugedrogten Mitarbeiter:innen eines Schlachthofs, macht sich Bernardo Arias Porras als Attentäter auf, um als verehrte Christusgestalt am Kreuz eines McDonalds-Zeichens zu enden. Kippt man es, wird aus dem M das E für El Dorado.

Der große Bogen von den Konquistadoren zu McDonalds

Beeindruckend sind diese Bilderfluten und Assoziationsgewitter, weil sie in immer neuen konkreten Situationen den Text verorten – oder aber als Kopfkino inszenieren, als Hörspiel vorm ebenfalls ruinös nachgebauten Schmuckvorhang. Zudem schaut man den tollen Spieler:innen gerne dabei zu, wenn sie in prachtvollen spanischen Renaissancegewändern zärtlich die ihnen zugeordneten Puppen umklammern, auch wenn es Monster sind, wenn sie in Rollschuhen und Latexkostümen (die schon aufs Schlachthaus verweisen) als Wiedergänger:innen von Ronald McDonald auf der Bühne kreisen oder mit blutverschmierten Augenbinden alle einmal Teiresias sind.

Eure Palaeste 3 JudithBuss uIn edlen Renaissance-Roben von Kostümbildnerin Janina Brinkmann: Nancy Mensah-Offei mit Puppe © Judith Buss

Herrlich, wie sich etwa Nancy Mensah-Offei in Köcks Sprache verbeißt, wie Katharina Bach die Hexenverbrennungsepisode im Dschungel als grausiges Gedankenspektakel performt, wie Christian Löber und Leoni Schulz als gierige TV-Journalist:innen dem Attentäter auf die Pelle zu rücken versuchen. Und wie sie alle nach der Pause vor dem Vorhang hochnotkomisch eine 60er-Jahre-Talkrunde persiflieren mit Mansplaining und endlosem Gequalme.

"Wir hätten umkehren können"

Das Problem bei all dieser Virtuosität aber ist, dass darüber die Dringlichkeit von Köcks Text etwas verloren geht, manchmal nur angenehm durchrauscht. Was er uns zeigt, ist ja nichts weniger als eine Bankrotterklärung der Menschheit: "wir hätten umkehren können", heißt es einmal. Ein andermal: "ich habe wissend zugesehen". Hier aber glotzen wir ein wenig staunend, ein wenig romantisch in einen luxuriös verzerrten Spiegel. Die untergehenden Theaterpaläste sind ja die unsrigen! Nur der angemessene Horror darüber oder wenigstens die abgrundtiefe Traurigkeit wollen einen nie ergreifen. Mit den Geistern der Vergangenheit ist es hier wie mit den Laken-Gespenstern, die am Ende das Bild bevölkern: Die wollen nur spielen.

Eure Paläste sind leer (all we ever wanted)
von Thomas Köck
Uraufführung
Regie: Jan-Christoph Gockel, Bühne: Julia Kurzweg, Kostüme: Janina Brinkmann, Musik: Anton Berman, Maria Moling, Puppenbau: Michael Pietsch, Dramaturgie: Tobias Schuster, Regieassistenz: Anne Sophie Kapsner, Bühnenbildassistenz: Marlene Pieroth, Kostümassistenz: Melina Poppe.
Mit: Bernardo Arias Porras, Katharina Bach, Christian Löber, Nancy Mensah-Offei, Michael Pietsch, Leoni Schulz.
Premiere am 13. November 2021
Dauer: 3 Stunden 15 Minuten, eine Pause

www.muenchner-kammerspiele.de

Kritikenrundschau

"Man geht mit einem Völlegefühl heraus, als habe man zu viel serviert bekommen, zu viele Kalorien, zu viele Fette", ächzt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (14.11.21, 17:47Uhr). Und trotzdem wünsche man,  das schwer verdauliche Stück gleich nochmal zu genießen, "wegen der Musik (Anton Berman), die wirklich fantastisch ist, und wegen der Puppen mit ihrem so eigenen Zauber, und wegen der sechs großartigen Schauspieler oder besser: Schauspielerpersönlichkeiten". Und nicht zuletzte wegen der "starken, poetischen, bezirzenden, hoch musikalisch zusammenkomponierten" Sprache, die diesen "großen, traurigen Abgesang" genau so trage wie die Livemusik.

In der Münchner Abendzeitung (14.11.21) beschreibt Mathias Hejny die "musikalisch rhythmisierte Sprache, der man, nicht zuletzt des spielerisch aufgelegten Ensembles wegen, auch dann gebannt lauscht, wenn sie sich der Deutung entziehen will. Denn die vielen Orte und Zeiten, die inhaltlichen und stilistischen Ebenen, die Kapitalismuskritik alter Schule, die nach Höherem strebende Lyrik und der lässig hingeworfene Kalauer gleiten widerstandsfrei ineinander." Es sei ein "mächtiger Brocken Theater, der sich in seinem Anspruch der Vollumfänglichkeit auch immer wieder im Wege steht. Aber das Publikum des Premierenabends schien sich in der virtuos zornigen Hilflosigkeit gegenüber der weiterhin vorsätzlich betriebenen Verschiebung der Weltrettung wiederzuerkennen" - langer Beifall.

Teresa Grenzmann schreibt im Münchner Merkur (online 15.11.2021, 13:53 Uhr): Diese Uraufführung verrate die Handschrift von Jan-Christoph Gockel, "die im Zusammenspiel von Puppe und Mensch fast eine Garantie für emotionale Bühnenoffenbarungen" scheine. In den "beseelten Marionetten" finde "Köcks Leidenschaft für die 'Heimsuchungslehre' des britischen Hauntologen Mark Fisher" die "perfekte Leibhaftigkeit". Die Inszenierung antworte mit einer "Fülle von Fantasie, viel Respekt und mit einer Verbeugung vor der Musikalität des Textes".

"Er unternimmt nichts, er übernimmt keine Verantwortung, dieser Theresias, den sich Thomas Köck da in seiner so eigenwilligen poetischen Theatralik in sein Stück hineingeschrieben hat: eine Figur, die angesichts der politischen und ökologischen Weltlage jeder von uns sein könnte", so schreibt Sven Ricklefs im BR24 (15.11.21). Diesem fordernden Text begegneten Regisseur und Ensemble "mit einer immer wieder überbordenden Leichtigkeit." Auch die "beeindruckend wilden und ausdrucksstarken Puppen" würden bei aller Brutalität und "bei allem Rüstungsblech und groteskem Priestergewand" eine unleugbare Komik entstehen lassen. "Und so sind es gerade die eigenständige Phantasie und Spielfreude von Regie und Ensemble, die diesem wuchtigen neuen Werk von Thomas Köck nun zu seinem wohlverdienten großen Erfolg verhelfen."

Sabine Leucht schreibt in der taz (16.11.2021), mit Köck und Gockel hätten sich zwei gefunden: das Ergebnis sei akustisch und optisch "opulent". Das Stück sei ein "Abgesang auf die Welt, wie wir sie kannten", zwischen den Bezügen zu Werner Herzog und Dante gehe es darum, "auf wie viele Weisen wir es schon heute verkackt haben". Deutlicher als seine früheren Stück zeige "Paläste", dass Köck sich "im Zweifel für Sprachklang und -Rhythmus statt für analytische Schärfe" entscheide, wie Gockel "für das Bild". An "Sprachmacht und Bilderpracht" suche der Abend seinesgleichen, doch führe dies auch immer weiter ab vom "Glutkern des Themas". Die Musiker seien gleichwohl toll, die Schauspieler:innen "famos". An "die Nieren oder ans Herz" gehe die Szene wenn Mensah-Offei "einer Armee von Mini-Kolonialisten auf Elefantenjagd ihre beeindruckende Stimme leiht"."Am Ende ist die Bühne von hohläugigen Gespenstern bevölkert. Es sind die Geister der Ausbeutung der Menschen und der Erde, die wir nicht loswerden, solange wir nicht handeln."

Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (18.6.2022) findet dieses Stück bei seinem Gastspiel auf den Berliner Autorentheatertagen "geradezu beleidigend abgehoben. Der Schreiber hat sämtliche Voraussetzungsfesseln seiner Inspiration gekappt und schwebt so dahin, tüftelt an Klang und Rhythmus der Sprache, ruft Mythen und Narrative des literarischen Erbes auf, poetisiert die Abgründe der Menschheit und das bevorstehende Weltende." Und "Jan-Christoph Gockel will da mit seiner Potenz als Regisseur nicht nachstehen." Fazit: "Lauter Cracks zeigen, was sie draufhaben. Aber wo bleibt der Dramaturg? Irgendwie wurde vergessen, mal zu gucken, ob unten etwas ankommt von all dem Reichtum, der sich da verkippt."

 

Kommentare  
Paläste, München: bin gegangen
Der Schlussatz stellt die richtige Frage: Warum soll man dem Spielzwang beiwohnen? Warum die Klage über die Nicht-Bleiben-wollende Liebe mit dem Überleben eines kugelschreibers anschauen/anhören. Wozu die Kammerspiel-Architektur als Ruine ansehen? Ich bin gegangen: No köck anymore! U. D.
Paläste, München: Zuviel des Guten
Wie der blinde Seher Teiresias schauen wir den nicht abbrechenden Gewalt- und Vernichtungstaten zu, haben zum Schrecken des Betrachteten unsere Meinungen und Empfehlungen, doch greifen wir nicht wirksam ein. Die Inszenierung spiegelt auf der Bühne die Zuschauer*innen in Rang und Logen der Kammerspiele und parallelisiert Teiresisas sowohl mit uns Theaterschauer*innen als auch mit Kamerateams, Medienberichterstatter*innen und Kritiker*innenrunden. Berührend ist die Gestalt eines kleinen Jungen (beeindruckend als Marionette gefertigt und gespielt), der konfrontiert mit all den Toten anfangs ein weißes Tuch hinter sich herzieht, später Leiche für Leiche mit dem Totenlaken bedeckt bis schlußendlich fast die ganze Bühne mit einem weißen Totenlaken bedeckt ist. Alles tot! Der Dramatiker Thomas Köck führt mit ihm die Nachgeborenen ein, die mit den Taten und Untaten der vor ihnen Lebenden konfrontiert sind, vom Greul der spanischen-portugisischen Conquista des 16. und 17. Jahrhunderts , die mit Bezug auf Werner Herzogs Film „Aguirre – Der Zorn Gottes“, in Ihrer Gier nach Gold und Unterwerfung dargestellt wird, über die Hexenverbrennungen bis zu den Drogentoten durch Profitmaximierung der amerikanischen Pharmaindustrie oder der Schlachthöfe. Wie Gespenster tauchen diese Toten der Vergangenheit auch in den Toten unserer Gegenwart auf.

Dies erinnert an Walter Benjamins Engel der Geschichte: „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her (…). Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der
Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ In der Inszenierung von Jan-Christoph Gockel ist dieser Engel der kleine Junge, dessen „Augen“ angesichts des „Trümmerhaufens“ unseres „Fortschritts“ „aufgerissen“ sind und dessen „Mund steht offen“.

Der Text von Thomas Köck ist in seiner Länge und Monologlastigkeit für jede Inszenierung eine Herausforderung. Dass die MK den Preisträger der Mühlheimer Theatertage von 2018 und 2019 mit einer Auftragsarbeit betrauen und weiter mit ihm zusammenarbeiten wollen, halte ich für achtenswert. Anders als bei Jan-Christoph Gockels Einstiegsinszenierung an den MK „Eine Jugend in Deutschland“ (vgl. meine begeisterte Kritik in nachtkritik), die gleich eine Vielzahl der Werke von Ernst Troller in einer berührenden Klarheit und expressionistischen Ausdruckskraft aufnimmt, gelingt dies hier nur in Teilen. Manche Differenziertheiten des Textes werden durch Plattheiten und zu viel schrilles Tschakka-Tschakka überdeckt. Andererseits können einige längere Textpassagen von Regie und einigen Schauspiel*innen nicht „gehalten“ werden und kippen über in Akklamation. Auch wenn Köck seine neue Arbeit eine „missa in cantu“ nennt, zu der stilgerecht auch Akklamationen gehören, so nehmen sie der Inszenierung über längere Passagen ihre berührende Kraft. Wieviel Konzentration und Schärfe einerseits, wieviel Unterhaltung und Ablenkung anderseits, braucht heute eine Inszenierung, damit sie gesehen wird und uns Zuschauenden gefällt. Auch mit dieser Frage entlässt diese Inszenierung sein Publikum. Wozu Theater und in welcher Form? Hoffentlich ergeht es dem Theater nicht so wie dem Fernsehprogramm. Vielleicht hat auch die Last einer Uraufführung eines beauftragten neuen dramatischen Textes mit dazu beigetragen, nicht ausreichend zu streichen.
Paläste, München: Wer soll das verdauen?
...tolle Spieler/ innen , originelle Inszenierung , ästhetisch- misikalisch ein Augen/Ohrenschmaus.
Aber ZU VIEL !ZU VIEL! ZU VIEL! ZU VIEL !!! Wer soll das verdauen ? Habt Mitleid !! Ich weiß , die Welt ist ungerecht und vieles ist kaputt . Ja! aber das ist alles ? Kapitalismuskritik ohne sich selbst zu kritisieren ? Wir ALLE machen alles kaputt. Auch der augenrollende ( kitschige) Puppenjunge der mit 18 seinen Führerschein macht und Freitag Abend durch die Innenstadt brettert oder Dauerkunde bei amazon ist ..oder Schauspieler/innen die für jeden und alles Werbung machen- Hauptsache der Rubel rollt..
Was nun tun, mit Eurem Abend ? Na, ich versuche weiterhin ein anderes, ökologisch/ökonomisch nachhaltiges Leben zu leben, wie ich es schon lange mache. Euer Stück ist da keine große Hilfe aber Ihr seid trotzdem toll : )
LG und TOI TOI TOI
Seb
Paläste, München: Strohmann gebasht
Ich kann die Frage des Stücks beantworten, wieso Teiresias/wir nicht aufbegehren. Nämlich weil die Welt doch nicht so unterkomplex, langweilig und trivial ist, wie der Autor sie darstellt.

Die rote Linie des Stücks ist eine unglaubwürdige Aneinanderreihung von Klischees. Sorry, eine Markwirtschaft ist nicht zwangsläufig Missbrauch im Stile des Kolonialismus. Die Gier und der Hang zum Machtmissbrauch sind im Menschen vorhanden - allerdings ist die Implosion von Mensch und Planet trotzdem nicht ohne weiteres zwangsläufig. Der Opioidkrise liegen viele komplexe Auslöser zugrunde, und die Schuld verteilt sich auf diverse Parteien.

Wie soll man sich persönlich angesprochen fühlen, wenn das Stück doch nur einen unglaubwürdigen Strohmann basht?
Paläste, München: zur Aktualität
Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat die Beschlüsse der Weltklimakonferenz in Glasgow als „Betrug“ verurteilt. „Diese Abschlusserklärung ist ein Betrug“, sagte die 25-Jährige am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur, nachdem sich bei dem Treffen rund 200 Staaten auf einen Klimapakt geeinigt hatten. Sie verrate alle, die schon heute vor „unerträglichen Klimafolgen“ stünden. „Und es ist ein Betrug an allen jungen Menschen auf dieser Welt, die darauf setzen, dass sich Regierungen um ihre Zukunft kümmern.“
Paläste, München: Bequem
So kann man es sich im Klagen warm wie bequem halten - durchschaubares Fingerzeigtheater.
Paläste, München: praller Theaterabend
Trotz E-Gitarre, Klassik und Schlager, mit denen Uraufführungsregisseur Jan-Christoph Gockel den Text von wildem Musik-Stil-Mix begleiten lässt, ist dieser Abgesang auf die westliche Zivilisation ein Abend in Moll.

Hektisch springt der Text vor und zurück, verknüpft die Gier der Goldsucher von Eldorado mit der Profitgier global agierender Franchise-Unternehmen wie McDonald´s, dessen goldgelbes Logo ebenfalls leitmotivisch in den Abend eingebaut wird. So unübersichtlich wie zu Frank Castorfs Volksbühnen-Zeiten geht es bei „Eure Paläste sind leer“ oft zu, wenn Köck, Gockel und das Live-Musik-Duo Anton Berman und Maria Moling Vollgas geben.

Der stärkste Strang des Abends ist um die mythische Figur des Sehers Tireisas erdacht, der lamentierend durch die Ruinenlandschaften zu Füßen des Kammerspiele-Balkons wandert, den Julia Kurzweg nachgebaut hat. Niemand hörte auf seine Warnungen, die Menschen richteten sich selbst zugrunde, so der Tenor dieses Requiems von Köck, das anspielungsreich auch schon in den eingeblendeten Zwischentiteln auf christliche Liturgie und Dantes „Divina Commedia“ verweist.

„Eure Paläste sind leer“ ist ein derart überbordender Text und praller Theater-Abend, dass man beim ersten Sehen wohl gar nicht alle Motive und Verästelungen erfassen kann, mit denen Regisseur und Autor ihr Publikum herausfordern.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2021/12/29/eure-palaste-sind-leer-munchner-kammerspiele-kritik/
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