Katalysator der Innovation?

28. Dezember 2021. Welche Texte fanden die meisten Leser:innen in diesem Jahr, in dem die Theater erst viele Monate gar nicht und dann unter erschwerten Hygienebedingungen spielten? Welche Menschen, Stücke und Themen erzeugten die höchsten Wallungswerte? Was bewegte?

Was zeichnet sich ab?

Anzeigetafel eines pandemiebedingt geschlossenen Berliner Kinos im Sommer 2021 © Esther Slevogt

26. Dezember 2021. Der mit Abstand meistgelesene Text des Jahres war der Offene Brief der Schauspielerin Julischka Eichel. "Wir sind nicht gerettet!" rief sie der damaligen Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters zu, und erreichte, dass das Corona-Rettungspaket für Künstler:innen nachgebessert wurde

Bebende Strukturen

Doch die Pandemie erwies sich auch als Katalysator der Innovation. Weil die Kunstform Theater pandemiebedingt ins Netz ausweichen musste, entwickelten sich hier neue und innovative Formate. Beim Online-Festival Zoom in versammelte nachtkritik.de die innovativsten Produktionen und schnürte drumherum ein Workshop- und Debatten-Paket. Die Ankündigung des Programms wurde zu einem der meistgeklicktesten Beiträge des Jahres.

Während die Theater geschlossen waren, rumorte es in den Strukturen. Debatten über Machtmissbrauch und Rassimus beschäftigten die Leser:innenschaft: In Düsseldorf, wo Berichte des jungen Schauspielers Ron Iyamu über seine Rassimuserfahrungen ein Strukturbeben verursachten.

Und in Berlin, wo Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters, das eigentlich alles besser und richtiger machen wollte, in die Kritik geriet. Und so gehörte auch ein Text des Theatermachers Tim Tondorf zu den meistgelesenen Texten der Saison, der tief in den Abgrund der Entsolidarisierung blickte.

 Anteilnahme, Wallungswerte

Unter den zehn meistgelesenen Texten des Jahres waren auch zwei Nachtkritiken: aus Salzburg, wo Lars Eidinger als punktgenaue Besetzung des "Jedermann" und Buhlschaft Verena Altenberger für Wallungswerte sorgten. Die zweite Nachtkritik des Jahres feierte Barrie Koskys Inszenierung der "Dreigroschenoper" am Berliner Ensemble.

Mit großer Anteilnahme werden stets auch Meldungen aufgenommen, die den Tod von Künstler:innen zum Thema haben. In diesem Jahr hat der Tod des Schweriner Schauspielers Martin Brauer die meisten Menschen bewegt.

Zuverlässig gehören zu den Listenhits stets Nominierungen und Top-Ten-Listen wie das nachtkritik-Theatertreffen. Normalerweise zählen auch die außer Konkurrenz laufenden Charts dazu, deren Agorithmus aber auch 2021 vom Corona-Virus angeknabbert blieb, weil die Charts in den vielen Monaten, als die Theater pandemiebedingt geschlossen blieben, deaktiviert waren. 

(sle)

 

Die zehn meistgelesenen Texte des Jahres 2021 

1. Brandbrief von Julischka Eichel

Wir sind nicht gerettet!

Freischaffende Schauspieler:innen in der pandemischen Krise - Ein Brief der Schauspielerin Julischka Eichel an Monika Grütters

 

2. Leserinnenwahl

Wählen Sie die Inszenierungen des Jahres

Das nachtkritik-Theatertreffen: Die Nominierungen

 

3. Meldung vom 12. April 2021

Erben der Geschichte

Rassismus: Über 1400 protestieren gegen FAZ-Text von Bernd Stegemann

 

4. Programmvorstellung

Die innovativsten Netztheaterproduktionen

Zoom in: Festival zu Netztheater in der Freien Szene 

 

5. Meldung vom 28. Februar 2021

Der Vollblutschauspieler

Der Schauspieler Martin Brauer ist gestorben

 

6. Meldung vom 29. April 2021

Mitarbeiter:innen heruntergeputzt

Dramaturgin klagt gegen Berliner Maxim Gorki Theater

 

7. Presseschau vom 22. März 2021

Jeden Tag Schmerz

Schauspieler Ron Ighiwiyisi Iyamu erhebt Rassismus-Vorwürfe gegen Düsseldorfer Schauspielhaus

 

8. Nachtkritik von Reinhard Kriechbaum

Der Hedonist und der Tod

Jedermann – Salzburger Festspiele – Michael Sturminger macht mit stimmigen Bildern und Lars Eidinger in der Titelrolle die Aktualität der Festspiel-Ikone Hugo von Hofmannsthals deutlich 

 

9. Debattentext von Tim Tondorf

Der Abgrund der Ent-Solidarisierung

Warum das Theater sich jetzt entscheiden muss, wie es sein will

 

10. Nachtkritik von Janis El-Bira

Angst, Schweiß, gefrorenes Blut

Die Dreigroschenoper – Berliner Ensemble – Barrie Kosky inszeniert mit heißem Herzen und kühlem Kopf das berühmte Stück von Bertolt Brecht und Kurt Weill

 

Hier geht es zum nachtkritik-Quiz über das Theaterjahr 2021

 

 

 

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