Freundlich im Weltall

3. März 2022. In "Star Trek" verblüfft immer wieder die positive, geradezu humanistische Haltung. Bonn Park und Komponist Ben Roessler haben aus der Vorlage am Düsseldorfer Schauspielhaus eine Weltraumoper kreiert.

Von Martin Krumbholz

Das Star Trek Vorbild ist unverwechselbar, die Botschaft von Bonn Parks und Bens Roesslers Weltraumoper: Frieden © Thomas Rabsch

Düsseldorf, 3. März 2022. Das Düsseldorfer Schauspielhaus, findet Bonn Park, ähnele einem "mit Teppichen ausgeschlagenen Raumschiff". Diese Referenz ist absolut plausibel und alles weitere – die Idee, für dieses Theater eine "Weltraumoper“ zu kreieren, mit richtiger Musik, richtigen Musikern, singenden Spielern, retrofuturistischer Ausstattung etc. pp. – ergibt sich daraus fast von selbst. Man muss allerdings schon Bonn Park heißen, um eine solche Verschmelzung kindlicher Weltraumfantasien mit einer Utopie der Freundlichkeit, der Menschenliebe, der produktiven Neugier zu bewirtschaften, wie sie hier über die große Bühne geht.

Und natürlich einen Komponisten wie Ben Roessler (Jahrgang 1985) sowie ein gutes Dutzend Studierende der Robert-Schumann-Hochschule als Orchester einschließlich eines Dirigenten zur Hand haben, um das zunächst vollmundig wirkende Versprechen einer "Oper“ einzulösen. Und das ist an diesem eigentlich bedrückend traurigen Märzabend gelungen.

Popkulturelle Vorlagen

"Star Trek", nicht zu verwechseln mit den späteren "Star Wars“, ist die popkulturelle Vorlage, auf die Park sich mit dem Enthusiasmus eines (wenn auch nachgeborenen) echten Fans bezieht. Im deutschen Fernsehen der Sechzigerjahre lief die Serie als "Raumschiff Enterprise“, ihrerzeit verblüffte sie durch ihre positiven, geradezu humanistischen Tendenzen. Erfunden von einem Bomberpiloten des Zweiten Weltkriegs, Captain Gene Roddenberry, der das Bombenwerfen offenbar gründlich leid war und sich in der intergalaktischen Sphäre eine bessere Welt erträumte.

Bonn Park hat schon in seinem fürs Düsseldorfer Junge Schauspiel erfundenen Stück Bambi und die Themen gezeigt, wie man das macht: etwas scheinbar Abseitiges benutzen (Disneys kitschige Bambi-Filme), um dem Sujet einen Trieb aufzupfropfen, dessen Würde und Klasse vor allem anderen in der Schönheit seiner Sprache besteht.

Sterne2 805 Thomas Rabsch u In Mission der Föderation der Vereinigten Planeten: Florian Claudius Steffens, Rosa Enskat, Kilian Ponert, Lea Ruckpaul, Serkan Kaya © Thomas Rabsch

Da gesungen wird (und auch schön gesungen wird), tritt die Handlung fast in den Hintergrund. Aber es gibt sie – schließlich sehen wir etwa die sechste Staffel einer Serie "Rückkehr zu den Sternen", die es nicht gibt, "die aber in unseren Köpfen existiert“: Die fünfköpfige Besatzung des Raumschiffs U.S.S. Wassong schwebt im 23. Jahrhundert durchs All, um auf fremden Planeten zu entdecken, was sich zu entdecken lohnt – in einem gänzlich friedlichen Sinn. In der Kapsel brüllt niemand einen anderen an, man achtet sich, moduliert die Tonstärke sanft, und selbst wenn ein Besatzungsmitglied (Science Officer Melitta, Rosa Enskat) "keine Gefühle“ hat, ist das auch okay.

Lagebesprechung im Situation Room

Der Captain (Serkan Kaya) beordert – ohne zu brüllen – alle in den "Ready Room", wenn es etwas zu besprechen gibt. Der First Officer William T. Ortiz, berückend fragil gespielt von Lea Ruckpaul, fühlt sich krank und möchte sterben, was eigentlich nicht vorgesehen ist. Man lebt Hunderte von Jahren, wenn man nicht explodiert, weil man in irgendeiner Angelegenheit "nicht richtig lag". So erklärt es jedenfalls Doctor Nolte, der feinfühlige Handaufleger an Bord (beinahe ebenso fragil: Kilian Ponert).

Sterne3 805 Thomas Rabsch uDie Aliens sind da: Eiskönige, im Bühnenbild von Julia Nussbaumer und Jana Wassong © Thomas Rabsch

Die Namen hat Park übrigens nicht allzu weit hergeholt, eine zweite Figur heißt Decar (Florian Claudius Steffens), und der First Officer ist nach der diensthabenden Dramaturgin benannt. Es kommt dann, wie es kommen muss: Aliens tauchen auf, es sind Eiskönige (Lioba Kippe, Thomas Wittmann), aber auch sie sind im Grunde gut, man kann die Bordwaffen auf "harmlos" und "lieb" stellen, wenn es ins Gefecht geht.

Soviel Gefühligkeit und Herzenswärme funktioniert natürlich nur, weil an den Gelenkstellen des Plots gesungen wird. Ben Roesslers Komposition basiert weniger auf einschlägigen Filmmusiken als auf spätromantischen Referenzen, Ravel oder Debussy. Vielleicht ist noch ein Schuss Gershwin dabei, aber eher beiläufig.

Alle reden ganz sanft

Die Ausstattung von Julia Nussbaumer und Jana Wassong (wie das Raumschiff) ist fantasiereich und detailverliebt, ohne zu protzen. Retrofuturismus eben. Die Kostüme von Leonie Falke: dito. Und nein: Man muss kein Kenner der Sechziger-Science-Fiction oder ihrer Nachfolger sein, um dieses kleine Kunstwerk zu schätzen. In der richtigen Oper, bekennt Bonn Park im Programmheft, an diesem großartigen, beeindruckenden Ort, fühle er sich mitunter, als wisse er das Passwort nicht. Alles sehr schön, das einladende Licht, die Kostüme der Zuschauer und so, aber er verstehe leider den Code nicht. In der Weltraumoper ist das zweifellos anders. Der hier zu benutzende Code lautet: Alle reden ganz sanft. Und nicht nur das, sie meinen es auch so.

 

Rückkehr zu den Sternen (Weltraumoper)
von Bonn Park und Ben Roessler
Uraufführung
Regie und Text: Bonn Park, Komposition: Ben Roessler, Musikalische Leitung: Javier Alvarez Fuentes/Felix Koltun/Giorgi Shekiladze, Bühne: Julia Nussbaumer, Jana Wassong, Kostüm: Leonie Falke, Choreografie: Tanja Emmerich, Licht: Jean-Mario Bessière, Dramaturgie: Janine Ortiz.
Mit: Serkan Kaya, Lea Ruckpaul, Kilian Ponert, Rosa Enskat, Florian Claudius Steffens, Lioba Kippe, Thomas Wittmann, Sirka Fischer, Lena Gierling, Marie Heinzen, Marah Lösche / Mia Weihrauch, Carlotta Schneeberger, Rina Zoncapé. Tänzerinnen des tanzraum benrath, Studierende der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf.
Premiere am 2. März 2022
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

www.dhaus.de


Kritikenrundschau

"Ein Wohlfühlstück in Zeiten des Krieges. Nur einmal gibt es einen Eklat", schreibt Bertram Müller in der RP online (5.3.2022). Und zwar als die von Natur aus gefühllose Wissenschaftsoffizierin wüst die Umstehenden beschimpft. Vom Arzt werde sie "in die beruhigende Sphäre der Gefühlstaubheit zurückversetzt", die hier herrsche. "In Erinnerung bleiben von diesem Abend vor allem die wandlungsfähige Rosa Enskat als Wissenschaftsoffizier, Lea Ruckpaul als geistesgegenwärtiger Erster Offizier und Kilian Ponert als Doktor in einem Wohlfühlstück, das elegant am Rande des Kitsches entlangschippert." Am Ende tanzen alle harmonisch zwischen Boden und Bühnenhimmel auf und ab, "violett beschirmt, in scheinbar nackter Glückseligkeit und untermalt von den betörenden Klängen".

"Es ist wirklich grauenhaft", stöhnt Michael Laages auf Deutschlandfunk Kultur (2.3.2022). Der Text sei "kaum anzuhören", die Musik "Kitsch pur", und wiewohl "alles sehr, sehr schön anzusehen" sei, erschlösse sich ihm nicht, was er da überhaupt gesehen habe, fasst der Kritiker seinen Eindruck zusammen. Zwar räumt er generelle Schwierigkeiten mit Bonn Parks aus seiner Sicht "wahnsinnig oberflächlichen, mit modernem Schnickschnack aufgerüsteten Stücken" ein. In diesem Fall aber bewege sich der Autor und Regisseur "wirklich aus jeder rationellen Zugänglichkeit heraus in einen Raum, in dem er nichts rechtfertigen" müsse. Es handle sich einfach um einen Abend, "der da ist, der bunt ist, der bejubelt wird in Düsseldorf", so Laages weiter. "Aber was er soll? Keine Ahnung!" 

 

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