Wir Jury, Du Künstler

Zürich, 23. November 2008


Liebe Damen und Herren vom Festival "Politik im Freien Theater",
Liebe Jury,
Liebe Bundeszentrale für politische Bildung,

Wir gingen immer davon aus, dass dem Festival oder der Behörde diese unscharfe Formulierung mit "der besten" Produktion unabsichtlich geschehen ist und wie gesagt wollen wir mit unserem Rückzug das Profil des tollen Festivals schärfen helfen und wollten auch niemanden persönlich angreifen oder kränken. Die Polemik war in diesem Falle wirklich nicht unser Anliegen. Die Polemik kommt nun aber von Seiten der Jury, die wir ja gar nicht wirklich eingeschlossen haben in die Kritik und deren fachliche Kompetenz und Unabhängigkeit wir auch nie bestritten haben. Wir haben höchstens ihre Funktion in Frage gestellt, aber nie ihre intellektuelle Potenz.

Die Jury spricht mir in ihrer Replik Intelligenz ab, genauer: die Fähigkeit zur Deutung des Weltgeschehens. Das ist das absolute und endgültige Argument zur Definition eines Machtgefälles. Wir Jury, Du Künstler. Wir klug, Du blöd.

Dieses sehr absolute Argument spricht dafür, dass sich die Jury ihrer Deutungshoheit beraubt fühlt und deshalb mit dem verbalen Zweihänder zuschlagen muss. Das rückt sie aber nun noch näher dahin, wo sie sich selber nicht sehen will. Eben hin zu jenen TV-Expertenrunden, die tagtäglich in öffentlichen Demütigungsritualen die Bestätigung der konservativen Meister-Schüler Ideologie vollziehen. Damit betritt die Jury das Feld der Polemik. Ich meine, das sollte sie nicht. Denn darauf bewegt sich 400asa gewandter.

Mit besten Grüssen
Samuel Schwarz


Hier können Sie noch mal nachlesen, was zuvor geschah: den Offenen Brief von Samuel Schwarz und 400asa, die Erklärung der Festivalleitung und des Kurators sowie die oben erwähnte Erwiderung der Jury.
Mehr zum Festival Politik im Freien Theater? Lesen Sie den Essay der Politikwissenschaftlerin und Autorin Sandra Nuy über das Zusammenspiel von Politik und Theater oder unsere Rezension zu Stalin – Eine Diskussion über das (griechische) Theater. Und hier lesen Sie, was die Festival-Veranstalter zum Wettbewerb schreiben.

 

 

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