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Abwahlantrag gegen deutsches PEN-Präsidium

25. März 2022. Gegen das Präsidium des deutschen PEN-Zentrums liegt ein Abwahlantrag vor, wie unter anderem Deutschlandfunk Kultur und die Zeit melden. Grund sei unter anderem eine öffentliche befürwortende Äußerung von Präsident Deniz Yücel zu einer Flugverbotszone über der Ukraine.

Die Führungsriege um Präsidenten Deniz Yücel wurde im Oktober 2021 eingesetzt. Eine Mitgliederversammlung der Schriftsteller:innenvereinigung soll nun im Mai in Gotha über den Abwahlantrag entscheiden. Nach PEN-Angaben reiche eine einfache Mehrheit für den Antrag aus, berichtet der Deutschlandfunk Kultur. Als Grund werden zum einen Beleidigungen, "Frontstellung zwischen jüngeren und älteren Mitgliedern" und Mobbingversuche, sowie ein "harscher Ton gegenüber der Geschäftsstelle" angegeben.

Zuletzt hätten die fünf ehemaligen PEN-Präsident:innen Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske Yücels Rücktritt gefordert, so der Spiegel. Dies wurde damit begründet, dass sich Yücel während des Literaturfestivals Lit.Cologne im Rahmen eines Panels für eine Flugverbotszone in der Ukraine ausgesprochen habe. Diese Aufforderung zu einem militärischen Eingreifen der NATO sei ein Verstoß gegen die PEN-Charta, laut derer Mitglieder sich verpflichten, an der "Bekämpfung jedweder Form von Hass und für das Ideal einer einigen Welt und einer in Frieden lebenden Menschheit zu wirken".

Rückendeckung für Yücel käme unter anderem von den aktuellen Präsidiums-Mitgliedern Ralf Nestmeyer, Joachim Helfer, Christoph Links und Konstantin Küspert, schreibt die taz. In einem Antwortschreiben auf die Rücktrittsforderung formulierten sie, in "erheblicher Spannung" zur PEN-Charta stehe viel mehr, "einen PEN-Präsidenten zum Rücktritt aufzufordern, weil er von jener Freiheit des Wortes Gebrauch macht, die zu verteidigen doch Kernanliegen unseres Vereins ist".

Yücel selbst äußerte sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu der Rücktrittsforderung gestellt durch seine Amtsvorgänger:innen: "Sollte eine Mehrheit dazu entscheiden, nicht nur mich – es geht ja nicht nur um mich, sondern auch um die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen des Präsidiums – abzusetzen, dann habe ich das als guter Demokrat natürlich auch zu akzeptieren. Aber bis dahin glaube ich auch nicht, dass diejenigen, die am lautesten schreien, tatsächlich die Mehrheit dieser Vereinigung vertreten, so wie sie die für sich beanspruchen."

(taz / Zeit / Deutschlandfunk Kultur / PEN-Zentrum / joma)

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Kommentare  
Abwahlantrag PEN-Präsidium: Pharisäertum
Der Präsident und das Präsidium wurden nicht eingesetzt, sondern gewählt, und zwar von der Mitgliederversammlung. Laut Satzung des PEN-Zentrums Deutschland wirkt "die Amtszeit der Vorstandsmitglieder (...) bis zu einer Neuwahl nach Ablauf ihrer Amtszeit nach". Die Möglichkeit einer Abwahl ist in der Satzung nicht vorgesehen. Der zitierte Passus aus der PEN-Charta, wonach Mitglieder sich verpflichten, an der "Bekämpfung jedweder Form von Hass und für das Ideal einer einigen Welt und einer in Frieden lebenden Menschheit zu wirken", verpflichtet dazu, die Aggression Russlands gegenüber der Ukraine ebenso mit den verfügbaren Mitteln zu bekämpfen wie vormals die Aggression der USA gegen den Irak. Über die Anwendung von Gegengewalt kann und muss man diskutieren, aber ich wünschte mir, die Alliierten hätten seinerzeit die Gleise nach Auschwitz bombardiert. Das wäre zwar Waffengewalt gewesen, aber meine Großeltern, denen ebenso wenig vorzuwerfen war wie die ukrainischen Zivilisten, die heute beschossen werden oder auf der Flucht sind, hätten vielleicht überlebt. Die fünf Expräsidenten des PEN hätten das nach den Maßstäben, die sie im Fall Yücel verkünden, offenbar abgelehnt. Man muss nicht die Einschätzung Yücels teilen, aber sie rundweg abstrafen zu wollen, dokumentiert eine Intoleranz, die der PEN zu bekämpfen vortäuscht. Dafür gibt es das Wort Pharisäertum.
Abwahlantrag PEN-Präsidium: kriegstreiberisch
Eine Flugverbotszone über der Ukraine würde bedeuten, dass die Nato diese überwachen und ggf. Flugobjekte Russlands abschießen müsste, das wäre mehr noch als die bisherigen unsäglichen Waffenlieferungen an die Ukraine ein de facto Kriegsbeitritt und würde eine Ausweitung des Krieges auf ganz Europa bedeuten. Das muss um jeden Preis vermieden werden, wir haben die Zerstörungen des 2. Weltkrieges und das Leid noch nicht vergessen. Die Ukraine natürlich auch nicht. Aber würde es der Ukraine nützen, wenn noch andere Länder in den Krieg gezogen würden? Im Gegenteil, möchte ich bei der grausamen Besessenheit Putins vermuten, sondern seinen Vernichtungswillen nur noch mehr reizen. Und ein zerstörtes Europa dient wem?
Von einem Vorstand einer Schriftstellervereinigung erwarte ich deshalb, dass sie die Macht des Wortes, den Dialog, so wenig aussichtsreich er auch sein mag, die Vernunft propagiert, und nicht kriegstreiberisch zum Schreibtischtäter wird. Das schließt nicht aus, dass jedes Mitglied seine wie auch immer geartete Meinung äußert. Aber als offizieller Repräsentant im Vorstand ist ein Kriegstreiber in einem deutschen Schriftstellerverband unerträglich und untragbar. Da fehlt Herrn Yücel wohl die historische Dimension.
Abwahlantrag PEN-Präsidium: Appeasement
Liebe Frau Münnekhoff-Bel, ja, das ist alles zu bedenken. Aber wenn Sie es mit so absoluter Sicherheit behaupten, sagen Sie bitte auch, dass Sie die Gegner der Appeasement-Politik und des Münchner Abkommens für Kriegstreiber halten. Den Krieg treiben jene, die Polen oder die Ukraine überfallen. Man kann darüber diskutieren, welche Strategie am besten geeignet ist, sie daran zu hindern. Mit ihren Argumenten wäre der Krieg 1939 vielleicht beendet worden. Aber die Welt wäre heute nationalsozialistisch. Wollen Sie das? Ich nicht. Und die Ukrainer, die in ihre Keller oder aus ihrer Heimat flüchten müssen, wohl auch nicht. Sie müssen nicht mit jenen übereinstimmen, die eine bewaffnete Gegenwehr in Erwägung ziehen wie die Internationalen Brigaden in Spanien, die Partisanen in Jugoslawien oder die Vietnamesen, die mit Gewehren, nicht bloß mit schönen Worten, gegen die Aggression der USA gekämpft haben, aber sie als Kriegstreiber zu denunzieren ist infam. Gestehen Sie doch bitte auch jenen, die nicht nur ihr eigenes Haus, sondern auch Ukrainer schützen wollen, die gute Absicht zu, die Sie selbst hegen. Sie mögen irren. Aber das gilt auch für jene, die für den Verzicht auf Widerstand plädieren.
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