Fünf Fragen an Konstantin Küspert

20. Mai 2022. Als Autor und Dramaturg gehörte Konstantin Küspert seit Oktober 2021 dem PEN-Präsidium als Beisitzer an. Gemeinsam mit dem PEN-Präsidenten Deniz Yücel ist am 15. Mai 2022 nach heftigen Auseinandersetzungen bei der Mitgliederversammlung in Gotha das gesamte Präsidium zurückgetreten. Über die Gründe dieses Rücktritts und seine Wahrnehmung der Schriftstellervereinigung berichtet Küspert im E-Mail-Interview.

Von Michael Wolf

Konstantin Küspert (li.) und Deniz Yücel © Twitter/@Besser_Deniz

Konstantin Küspert, Sie gehörten bis zum Wochenende dem Präsidium des PEN an. Nach einer turbulenten Jahrestagung trat zunächst Deniz Yücels als Präsident und in der Folge das gesamte Gremium zurück. Was ist aus Ihrer Sicht in Gotha passiert?

In Gotha haben sich die Kräfte durchgesetzt, die uns loswerden wollten. Mit Lügen, Intrigen und Meinungsmanipulation in Trump'scher Manier. Leider sind das die Leute, die vor allem Zeit haben, an solchen Mitgliederversammlungen teilzunehmen – ein zwar kleiner, aber unverhältnismäßig lauter und wütender Teil der Mitglieder.

Woran sind Sie und Deniz Yücel gescheitert?

Daran, dass einige Mitglieder den Verein ganz anders wahrnehmen als wir. Wir haben die Arbeit für verfolgte Schriftsteller:innen als zentral wahrgenommen, sowohl in der konkreten Arbeit als auch in der öffentlichen Außendarstellung. Anderen Leuten waren anscheinend Dichterlesungen und literarische Plätzchen wichtiger. Und an der Tatsache, dass wir die schiere Bösartigkeit der Kritiker:innen unterschätzt haben – wir dachten, die Wahrheit würde sich durchsetzen, und haben entsprechend nicht taktisch agiert. Die anderen schon.

Kritiker:innen innerhalb des PEN beklagten, Yücel habe einen miserablen Führungsstil gezeigt und Mitglieder aus dem Verein drängen wollen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Ich hab Deniz' Stil als sehr zugänglich, hierarchiefrei und demokratisch erlebt. Ich kenn das vom Theater, dass es auch mal lebhafter zugeht in Diskussionen, dass mitunter schnell Entscheidungen getroffen werden und dass man sich zusammenrauft am Ende, um der Sache willen. Viele Journalist:innen wie Deniz kennen das auch. Viele Schriftsteller:innen, die in der Regel ja oft alleine mit dem Papier arbeiten, jedoch vermutlich nicht. Da gab es sicher eine gewisse Reibung. Aber ganz sicher sollte niemand aus dem Verein gedrängt werden.

Handelt es sich, wie von Deniz Yücel teils so dargestellt, um einen Generationenkonflikt?

Nicht so richtig, und er hat das auch nicht so dargestellt. Wir hatten Leute über 80 auf unserer Seite, und auf der Gegenseite gab es durchaus auch jüngere. Es ist eher ein Konflikt der Veränderungsbereitschaft, würde ich sagen, und die nimmt gemeinhin mit dem Alter nicht zu. 

Was sehen Sie als Auftrag des PEN an?

Die Unterstützung verfolgter und gefährdeter Schriftsteller:innen weltweit und die Arbeit in Lobby und Öffentlichkeit in Deutschland für Meinungsfreiheit und Solidarität.

Werden Sie sich weiter im PEN engagieren?

Ich glaube, die Ziele des PEN sind wichtig und müssen auf jeden Fall auch diesen Rückschritt überleben. Und ich will mich weiter dafür einsetzen, in welcher Form auch immer.

 

2022 Interview KonstantinKuespert PEN privatKonstantin Küspert ist Dramatiker und Dramaturg. Von 2016 bis 2020 arbeitete er als Dramaturg am Schauspiel Frankfurt. Sein Stück "Europa verteidigen" war 2017 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert und gewann den Publikumspreis.

 

 

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Interview PEN-Rücktritt: Palastrevolution
"Wir haben die Arbeit für verfolgte Schriftsteller:innen als zentral wahrgenommen, sowohl in der konkreten Arbeit als auch in der öffentlichen Außendarstellung. Anderen Leuten waren anscheinend Dichterlesungen und literarische Plätzchen wichtiger." Genau so war es schon lange vor der Wahl Yücels zum Präsidenten. Und Josef Haslinger, der den P.E.N. wieder einmal vor der Überalterung retten will, ist 18 Jahre älter als Yücel. Aber das ist nicht das einzige Paradox bei den Pharisäern, die den pazifistischen Aufstand geprobt haben. Yücel und der zurückgetretene Vorstand mögen ihre Fehler haben. Dass aber deren Widersacher lügen, intrigieren und im Übrigen zu einem großen Teil literarisches Mittelmaß repräsentieren, lässt sich belegen. Gesiegt hat der Ehrgeiz der Funktionäre, die Rhetorik und die Scheinheiligkeit über den Willen, sich für Verfolgte einzusetzen. Das taten traditionell die bewundernswerten Zuständigen - es waren meist Frauen - für inhaftierte und ins Exil gejagte Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Die haben aber das Maul nicht voll genommen wie die fünf Ex-Präsident*innen von zweifelhaftem moralischen Profil.
PEN-Präsidium: unsäglich
Das stimmt wohl alles. Aber (...). Kann sich ein PEN Präsident alles erlauben, weil er für Erneuerung steht? (...)
Der ganze PEN Vorgang ist unsäglich und handelt nicht nur von einer Lichtseite und dagegen finsteren Gestalten. (...) Respekt, Streitkultur, Konfliktfähigkeit und Ringen um die Sache hat offenkundig keine Seite im Übermaß eingebracht. Auch traurig, dass das viel mehr mediale Aufmerksamkeit bringt als jede vernünftige Auseinandersetzung. Und ja, dazu trägt auch dieser Kommentar bei.

(Lieber Beobachter, leider sind Ihre Anmerkungen und Vorwürfe für uns ohne Weiteres nicht überprüfbar. Wenn Sie Belege dafür haben – gerne unter redaktion@nachtkritik.de, dann können wir den Kommentar auch in ganzer Länge bringen.
MfG, Georg Kasch / Redaktion)
PEN-Präsidium: Benimm-Protokoll
Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, was da auf der Sitzung des PEN los war, dem empfehle ich die letzte Ausgabe der Sonntagszeitung der FAZ. Im Feuilleton kann man ein Protokoll von Julia Encke nachlesen. Ich habe gestaunt, wie sich vor allem die Herren benommen haben.
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