Medienschau: SZ, Tsp, taz u. a. – Theatertreffen-Bilanzen

Konzept statt Schauspielkunst

Konzept statt Schauspielkunst

22. Mai 2022. Peter Laudenbach fasst für die Süddeutsche Zeitung seine Eindrücke zum Berliner Theatertreffen 2022 zusammen.

Dass die Kritiker:innenjury in Pandemiezeiten bei ihren Einladungen aus einem runtergefahrenen Angebot wählen musste, wäre nicht ganz zu übersehen, attestiert Laudenbach der diesjährigen 10er-Auswahl des Berliner Theatertreffens.

Die einzelnen Inszenierungen, die bis heute im Rahmen des Festivals zu sehen waren, schenkt Laudenbach jedoch nicht so viel Aufmerksamkeit in seinem Theatertreffen-Résumé in der SZ. Viel mehr untersucht er die Nachhaltigkeits- und Achtsamkeitsstrategien des diesjährigen Festivals und betont den Verlust von Yvonne Büdenhölzer für die Berliner Festspiele.

(SZ / ska)

 

23.Mai 2022. Das Theatertreffen habe den "Kontakt zur eigenen Vergangenheit abgebrochen", schreibt Rüdiger Schaper in seiner Theatertreffen-Bilanz im Tagesspiegel (22.5.22, €), in der er seine Gedanken zur Bühnen-Leistungsschau mit einem zeitgleich in der Akademie der Künste veranstalteten Kolloquium über den Regisseur Klaus Michael Grüber verknüpft. Vieles komme "scheinbar voraussetzungslos daher, jung und 'neu' – und oft genug einfach nur epigonal", beobachtet der Kritiker.

Zudem sieht er – nicht nur beim Theatertreffen, sondern generell auf den Bühnen – eine "vordergründige Dekonstruktion" am Werk, für die beim Festival exemplarisch "das politisch korrekte Abklopfen einer 'Jungfrau von Orleans' in der Produktion vom Nationaltheater Mannheim" stehe.

Es werde "kaum mehr von innen heraus etwas entwickelt", so Schaper weiter, "sondern äußerlich mit gesellschaftlichen Aufklebern operiert". Man treffe im Theater mittlerweile auf "ein Menschenbild, in dem das Individuum auf einige wenige Merkmale verkürzt" erscheine. "Personen werden so dargestellt, wie sie sich selbst auf Dating-Plattformen ausgeben würden", so Schaper weiter. "Sie haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Nachher erinnert man sich kaum an ein Gesicht, eine Figur, eine Erzählung."

Auffällig sei zudem, dass "die Energie von Popsongs … eine verbreitete Form emotionaler Anleihe und Aneignung" darstelle. "Arbeitsentlastung für die Schauspieler", konstatiert der Kritiker: "Wenn es keine Rollen gibt, kann man auch nicht drüber stehen, wovor Grüber immer warnte."

(Tagesspiegel / cwa)

 

23. Mai 2022. Das postdramatische Theater sei "in den Jahrzehnten seiner Entwicklung in den Verruf geraten, mit seinem Verzicht auf Handlung zu langweilen und in Selbstbezüglichkeiten stecken zu bleiben", schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (22.5.22). Ein Resümee des Theatertreffens 2022 bestehe aber darin, dass "dies nicht stimmt".

Die Mittel des postdramatischen Theaters taugten "dann doch sehr gut, von den Herausforderungen und den Hilflosigkeiten der Gegenwart zu erzählen, dabei zu fesseln, zu unterhalten, emotional zu erfassen und die Gedanken aus eingefahrenen Bahnen auf ungesichertes Gelände zu bringen", urteilt die Kritikerin, die der Jury generell eine "gute Auswahl" bescheinigt.

(taz /cwa)

 

23. Mai 2022. Das Berliner Theatertreffen habe in diesem Jahr vor allem dazu gedient, "die Krise der darstellenden Kunst vor Augen zu führen", befindet Erik Zielke im nd (22.5.22). "Ein rein ästhetisches Dilemma" setze sich seit Jahren fort; "man hat schlicht keinen Begriff mehr davon, was eine Form ist", schreibt der Kritiker.

Verstärkt werde dieses Phänomen durch den "Novitätenwahnsinn". Alles Neue werde "erstmal goutiert, nur weil es nicht alt" sei, so Zielke weiter. "Als wäre es nicht eine leicht zu verstehende Einsicht, dass die sich immer nur im Moment der Darstellung, also in der Gegenwart, konstituierende Kunstform Theater durch ihre Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ergibt." Stattdessen versuche man Gegenwärtigkeit "durch Inhalte herzustellen, denen der künstlerische Charakter abgeht".

(nd / cwa)

 

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