Ruhrtriennale Ost

4. September 2022. Die Fragen, die Shakespeares Tyrannenmord-Drama stellt, erscheinen so frisch wie vor 400 Jahren – zumal Regisseur Stefan Pucher erstklassige Schauspielkraft auf der Bühne versammelt. Nach der Premiere beim Lausitz Festival in Weißwasser läuft der Abend jetzt am koproduzierenden Hamburger Schauspielhaus.

Von Christian Rakow

William Shakespeares "Caesar" unter der Regie von Stefan Pucher beim Lausitz Festival in Weißwasser © Oliver Fantitsch

26. August 2022. "Wenn wüster Krieg Denkmale macht zu Staub, / Paläste stürzt und Mauern niederbricht, / Du wirst dem Schwert, dem Feuer nicht zum Raub, / Du lebst in diesem ewigen Gedicht", heißt es einmal an diesem Abend unter Verwendung von Shakespeares Sonett 55. Sprich: Die Kriege mögen noch so viel zermalmen, die Menschen werden in der Dichtung fortleben. So Julius Caesar. So Brutus, sein Mörder.

Es gab Zeiten, da schien Shakespeares Tyrannenmord-Drama "Julius Caesar" ferner. Wenn Demokraten fest im Sattel sitzen, wenn die Republiken friedvoll blühen. In solchen Tagen verblasst die Erzählung vom blutigen Untergang Caesars, der das Ende der Republik in Rom besiegelte und dem Kaiserreich den Weg ebnete. Womöglich. Zumindest wurde der Klassiker zuletzt seltener gespielt. Aber jetzt sind Feuer und Schwert zurück in unserer Welt, und der Krieg, mit dem Putins Russland die Ukraine überzieht, lässt die Fragen nach politischer Führung und der Lenkbarkeit des Volkes, die das Stück umtreibt, frisch wie ehedem erscheinen. "Der Größe Mißbrauch ist, wenn von der Macht / Sie das Gewissen trennt", sagt Brutus einmal, als er sich anschickt, mit seinen Verschwörern im Caesaren-Mord die Republik und ihre Gewaltenteilung gegen die aufkommende Alleinherrschaft zu retten. Aber das Blut, mit dem er seine Hände befleckt, wird er nicht mehr abkriegen, und das Volk, dessen Teilhabe er schützen wollte, jagt ihn zum Teufel.

Der Herzschlag des heutigen Europas

Im "Herzen Europas" sieht sich das Lausitz Festival angesiedelt, das in diesem Jahr mit "Julius Caesar" in einer Fassung von Stefan Pucher eröffnet. Unter anderen Umständen hätte man über den Claim womöglich geschmunzelt, weil diese Region, die sich südöstlich von Berlin mit dem Spreewald und den Braunkohle-Revieren halb in Brandenburg, halb in Sachsen erstreckt, eigentlich doch ein wenig ab vom Schuss liegt. Aber eben: Der Blick geht gen Osten und vermisst, wie weit sich Europa hier erstreckt, geographisch und politisch. Und da lässt die dem Breitengrad nach tatsächlich ziemlich mittige Lausitz mit ihrer Nähe zu Polen und ihrem herben postsozialistischen Strukturwandel (Bevölkerungsschwund, Verfall der Industrien) viel vom Herzschlag des heutigen Europas spüren.

Bettina Stucky steht am 19. August 2022 während einer Probe zu dem Stück "CAESAR“ von William Shakespeare auf der Bühne. Die Premiere in der Regie von  Stefan Pucher ist am 25.08.2022 beim Lausitz Festival 2022 und am 03.09.2022 im Malersaal des Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. © Oliver Fantitsch, PF 201723, D-20207 HH, Deutschland, Tel: 040/562448, Tel: 0163/5405849, oliver@fantitsch.de, F i n a n z a m t H a m b u r g - H a n s a, UST-ID: DE118809982                                                                                         Der Weg von der Skulptur zur Figur ist weit in Stefan Puchers Shakespeare-Inszenierung, hier mit Bettina Stucky als Antonius © Oliver Fantitsch

"Wir wollen politische Analyse mit den Mitteln der Kunst", sagt Daniel Kühnel, der das Lausitz Festival seit seiner Erstausgabe 2020 künstlerisch leitet, im Vorgespräch. Es ist ein dreiwöchiges Mehrsparten-Event mit Ausstellungen, Musik, Theater und Lesungen an zahlreichen Orten in der Lausitz. Kühnel, 1973 in Jerusalem geboren, ausgebildeter Pianist und seit 2004 auch Intendant der Hamburger Symphoniker, ist ein stiller, sich philosophisch vertiefender Gesprächspartner. "Veränderung braucht Weltvorstellung, und das ist Aufgabe der Kunst und der Philosophie", gibt er als Credo zur Festivaleröffnung auf dem Telux-Gelände in Weißwasser aus. Ganz handfest geht es beim Festival, das der Bund mit 4 Millionen Euro jährlich finanziert, auch um den Aufbau einer Infrastruktur. Die Danner-Halle, Spielort des "Caesar", ist Teil einer ehemaligen Leuchtmittelfabrik und soll übers Festival hinaus als Kulturstätte etabliert werden. Ein bisschen Ruhrtriennale Ost also, weniger gigantisch als die Industriekathedralen in NRW, aber mit erdigem Charme. Und Appeal: Manch Autokennzeichen aus dem entfernten Umland war bei der Premiere auszumachen, viele Berliner. Sogar Altmeister Claus Peymann gab sich die Ehre.

Erstklassige Schauspielkraft

Es ist ja auch ein Spielplan-Highlight: Ein Shakespeare in der Regie von Stefan Pucher als Koproduktion mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg und dem Théâtre National du Luxembourg. Erstklassige Schauspielkraft, wie man sie nicht alltäglich zu sehen kriegt. Und der Auftakt könnte einladender kaum sein: Unter freiem Himmel, mit Blick auf die Ziegelmauern und Türme des Werksgeländes, erzählt Yorck Dippe vom Schicksal der Verschwörer Brutus und Cassius, wie sie mit ihrem Heer den Caesar-Erben Octavian und Antonius unterliegen. Er nimmt es scheinbar leicht, aber lässt die Abgründe der Geschichte doch durchscheinen, färbt sie mit seinem kraftvollen, tiefen Timbre ein. Ein soghafter Vortrag. Dippe wird an diesem Abend noch mehrfach – dann mit Sonetten von Shakespeare, teils als Sprechgesang – einen bezwingenden poetischen Ton einspielen. Dichtung überdauert den Krieg und seine Krieger.

Da mit Dippes Intro die komplette zweite Hälfte des Dramas bereits vorab erledigt ist, wäre Pucher im Anschluss, nunmehr in der Halle drinnen, eigentlich frei, in großer Ruhe die Entwicklungen bis zum Mord an Caesar (der bei Shakespeare im mittleren dritten Akt liegt) zu schildern. Bühnenbildnerin Nina Peller hat ihm auf die von Podesten dominierte Bühne eine eindrucksvolle marmorne Skulptur gestellt, die Caesar, Cassius und Brutus im Dolchstoßmoment zeigt. Aber der Weg von der Skulptur zur Figur wird Pucher weit. Auch weil seine Besetzung überaus heterogen ist.

Sachiko Hara steht am 24. August 2022 während einer Probe zu dem Stück "CAESAR“ von William Shakespeare auf der Bühne. Die Premiere in der Regie von  Stefan Pucher ist am 25.08.2022 beim Lausitz Festival 2022 und am 03.09.2022 im Malersaal des Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. © Oliver Fantitsch, PF 201723, D-20207 HH, Deutschland, Tel: 040/562448, Tel: 0163/5405849, oliver@fantitsch.de, F i n a n z a m t H a m b u r g - H a n s a, UST-ID: DE118809982                                                                                           Frohnatur mit Militärtick: Sachiko Hara als Caesar beim Lausitz Festival © Oliver Fantitsch

Den Julius Caesar gibt Sachiko Hara, die von Hause aus eine wunderbare, oft herrlich irrlichternde Komödiantin ist und die hier Caesar ein wenig auf Frohnatur mit Militärtick polt. Von den politischen Ambitionen lässt ihr Spiel kaum etwas erkennen. Das Bildnis der Macht bleibt blass (trotz feuerroter Maske auf dem Gesicht). Wodurch der Konflikt praktisch ausfällt und die Gegenspieler im Vakuum strampeln: Sandra Gerling zeigt Cassius als modernen Machtpolitiker, dessen Motivation zur Meuterei aus Eitelkeit und Kränkung rührt. In seinem Fahrwasser Samuel Weiss, der den Mitverschworenen Cinna als ulkigen Speichellecker anchargiert. Die Fallhöhe dieser Demokraten ist nicht hoch.

Aber Josef Ostendorf als Brutus. Der ist für sich genommen nun allerdings ein Ereignis. Von der Statur her ein römischer Koloss, aber seelenzart und weich die Worte wägend, ohne dass ihn das Dominanz kosten könnte. Ein Wink von ihm, und alles folgt. Aber Gefolgschaft will er gar nicht. Dieser Brutus ist im Herzen ein Ästhet. Eine Schwermut umweht ihn, ein Wissen vom Unabänderlichen seines Schicksals, vom nahenden Scheitern. Wie gern hätte man seinen Fall weiterverfolgt, aber, wie gesagt, der zweite Teil des Dramas, der bei Shakespeare ja vor allem Brutus gewidmet ist, ward nur im Intro erzählend abgehandelt.

Nachtgraue Drohgebärde

Pucher verweilt nicht bei den Figuren, gönnt ihn keinen Raum. Papieren wirken viele Aufeinandertreffen und die rhetorischen Volten zwischen den Kontrahenten mitunter pflichtschuldig. Mit der Gabrede von Brutus funkelt noch kurz der Geist lebendigen Widerspruchs: "Weil Caesar mich liebte, weine ich um ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehrte ich ihn: aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn." Anschließend wiegelt Antonius (Bettina Stucky) raffiniert die Bürger zur Revolte gegen die Verschwörer auf. Und Pucher sucht sein Heil in einem eher gestischen, recht diffusen Finale: Samuel Weiss führt als Plebejer mit dem Manifest "Ultimatum" von Fernando Pessoa Anklage gegen ein verspießertes, verkommenes Europa. Ein Finale, eher aufgesetzt als entwickelt. Die Machtanalyse fällt aus, und zurück bleibt eine nachtgraue Drohgebärde. Ein bisschen dünn.

 

Caesar
von William Shakespeare
Nach der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel bearbeitet von Elisabeth Plessen
Regie: Stefan Pucher, Fassung und dramaturgische Mitarbeit: Malte Ubenauf, Bühnenbild: Nina Peller, Kostümbild: Annabelle Witt, Musik: Christopher Uhe, Licht: Björn Salzer.
Mit: Yorck Dippe, Sandra Gerling, Sachiko Hara, Josef Ostendorf, Bettina Stucky, Samuel Weiss.
Premiere am 25. August 2022 beim Lausitz Festival
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause

www.lausitz-festival.eu
www.schauspielhaus.de
www.tnl.lu 

 

Kritikenrundschau

Etwas "hilflos" zurückgelassen fühlte sich Torben Ibs nach der Premiere, wie er in der FAZ berichtet (€). "Es liegt sicher nicht an dem gestrichenen fünften Akt, dass ein Gefühl des Unvollkommenen zurückbleibt und dieses Verschwörungskammerspiel im Ende zwar konsequent, aber gleichsam unbefriedigt die Zuschauer auf sich zurückwirft", urteilt der Kritiker und attestiert dem Abend ein mäanderndes Spiel, "das bisweilen etwas anstrengend und zugleich ziellos" wirke.

"Zu sehen ist mit 'Caesar' ein solides inszeniertes Schauspiel, in dem Regisseur Stefan Pucher nah an Shakespeare bleibt", schreibt Thomas Klatt in der Lausitzer Rundschau (27.8.2022). "Nur manchmal gibt es Änderungen. Der fünfte Akt, die Darstellungen der Bürgerkriege, entfällt mit Bedacht gänzlich. Die Gegenwart ist hier aktueller als das Stück. Oder wenn er mitten im Text aus Shakespeares Sonetten zitieren lässt, ergänzen sie den Text perfekt." Die Hamburger Akteure zählten in ihrer Spiel- und Sprech-Kultur zu den eindrucksvollsten deutschsprachiger Bühnen, so Klatt voller Anerkennung: "Dass alle Frauen hier Männerrollen spielen, wirkt nicht aufgesetzt, sondern wie selbstverständlich."

"Hat der Anschlag auf den mutmaßlichen Feind der Demokratie die Demokratie erst beendet? Wie notwendig sind Intrigen, um in der Politik etwas verändern zu können? Stefan Puchers Caesar wirft viele spannende Fragen auf", so Thilo Sauer vom Deutschlandfunk (26.8.2022). Leider habe der Abend des Shakespeare-Experten dennoch Längen. "Vielleicht auch, weil er sich nicht entscheiden kann, ob er einfach das beispielhafte Drama zeigen will oder schon Kommentar sein möchte."

"Die Inszenierung behauptet eine Zwangsläufigkeit in der Geschichte, als folgte der Tyrannei unweigerlich der Tyrannenmord. Nur ist hier wohl keiner hergekommen, sich vom Unvermeidlichen erzählen zu lassen, sondern um die Mechanismen dahinter zu begreifen", schreibt Erik Zielke vom nd (28.8.2022). "Viel kann man lernen aus diesem Stück. Vieles enthüllt auch Puchers Inszenierung. Und doch bleiben hier zu viele Fragen offen, zu viele Wege, die uns das Drama weist, bleiben unausgeleuchtet, und so fühlt man sich um einen Teil dieser Geschichte, der kein Serienschreiberling das Wasser reichen kann, betrogen."

 

Kommentare  
Caesar, Lausitz: Textblöcke
Anders als bei seiner vielbeachteten „König Lear“-Inszenierung an den Münchner Kammerspielen zur Spielzeit-Eröffnung 2019 nutzt Pucher diesmal keine frische, pointierte Neuübersetzung wie von Thomas Melle, der Shakespeare mit flapsigen Ausdrücken, zeitgenössischem Duktus und einem dezidiert feministischen Blickwinkel würzte. Beim „Julius Caesar“ setzt er auf einen traditionsreichen Klassiker: Pucher nutzt für seine Stückfassung die Übersetzung von August Wilhelm Schlegel, die Elisabeth Plessen 1986 bearbeitet hat.

Der weniger als zwei Stunden kurze Abend ächzt unter diesen enormen Textblöcken, die das routinierte Ensemble vorträgt. Spielerische Momente gibt es kaum, stattdessen kehrt Yorck Dippe nach seinem Vorspiel noch mehrfach als Poet Cinna auf die Bühne zurück und trägt Shakespeare-Sonette vor, die als Fremdtext eingeflochten werden.

Auf Video und Popsongs, zwei Markenzeichen seiner früheren Arbeiten, verzichtet Pucher diesmal komplett. In seiner Inszenierung kann er sich dennoch nicht recht entscheiden, welchen Ton er anschlagen möchte. Sachiko Hara legt ihre Titelfigur Julius Caesar als Polit-Clown an und wechselt zwischen Englisch, ihrer Muttersprache Japanisch und Deutsch hin und her. Die Gegenspieler Brutus (Josef Ostendorf) und Antonius (Bettina Stucky) bleiben über weite Strecken blass, ihre Soli kommen spät, als der Abend fast zu Ende ist.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2022/08/29/caesar-lausitz-festival-schauspielhaus-hamburg-theater-kritik/
Caesar, Lausitz: Macht und Geld
Es war für mich eine beeindruckende Inszenierung, die mutig vom Heute und politischen Systemen erzählt. Die Arbeit nimmt sich endlich mal Zeit, dass es in Monologen / inneren Zwiegesprächen sich Argumente, Gedanken, Ideen, ... sammeln. Oft huscht das Theater über solche Entwicklungen weg, aber hier konnte ich Entwicklung sehen und das hat mich sehr beeindruckt, vor allem eben bei Brutus. Schwierig hingegen ist, dass Caesar angeblich ein Tyrann ist, aber diese Szenen wurden radikal gekürzt und so ist der Umsturz des Regimes eine große Behauptung, wenn auch eine wunderbare mit dem Tanz und der Macht von Caesar! - Warum diese Arbeit nun unbedingt in der Lausitz für viel Geld gezeigt werden muss, das weiß ich nicht ... Das Festival kostet für drei Wochen "Kunst" knapp 4 Millionen Euro, das Theater Bautzen hat für ein gesamtes Jahr knapp 6 Millionen Euro, das ist doch dann eine schreiende Ungerechtigkeit ... Und auch wenn es schon oft gesagt wurde, der Intendant steuert das Festival von Hamburg aus ... Kein Wunder, dass sich viele Lausitzer Künstler*innen geprellt fühlen. Ruhrtrienale Ost ist das leider nicht ...
Caesar, Lausitz: Holzschnittartig
Stefan Pucher inszeniert Shakespeares „Caesar“ traditionell als Kammerspiel mit hochkarätigen Schauspielern*innen. Die Inszenierung wirkt auf mich sehr holzschnittartig und ich hätte mir eher eine filigrane Arbeit gewünscht. Bei dieser hochkarätigen, schauspielerischen Besetzung verspielt Pucher meiner Ansicht viel. Shakespeares „Caesar“ fasziniert mittels einer raffinierten Personencharakterisierung, die es dem Publikum kaum ermöglicht Antipathien oder Sympathien für einzelne Personen zu entwickeln. Der ständige Wechsel in der Betrachtung der Ereignisse und Charaktere ist für mich der Reiz dieses Stückes. Da geht Pucher holzschnittartige Wege, indem er die Charaktere klar definiert und deutlich gegeneinander abgrenzt. Caesar (Sachiko Hara) als clownesken „Tyrannen“ ein bisschen zu viel „Holzhammer“, statt aus seiner Arroganz und seinen psychischen Schwächen filigran den Prototyp eines Diktators abzuleiten. Cassius (Sandra Gerling) der Ehrgeizling, dessen Geltungsbedürfnis die performative Kraft fehlt, die Macht zu ergreifen. Brutus (Josef Ostendorf) Vertreter demokratischer Ideen, wirkt besonnen und freiheitsliebend, was allerdings den Blick auf seine Selbstgerechtigkeit, seinen Mangel an Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis zunächst verstellt. Die Reden vor dem Volk nach der Tötung Caesars, der Geniestreich des shakespeareschen Werkes, erreicht bei Pucher nicht die Kraft, die ich mir erwünscht hätte. Brutus versucht das Volk mit Vernunft von der Notwendigkeit seiner Tat zu überzeugen. Antonius (Bettina Stucky) gewinnt mit einer rhetorischen Glanzleistung aus Emotion, Ironie und Schmeichelei - zur Verherrlichung Caesars - das Volk. Pucher inszeniert „Caesar“ als Lehrstück über die Mechanismen der Politik und deren Kampf um Macht. Stark an der Inszenierung ist der Aspekt des Populismus. Das Volk - die manipulierbare Masse - das wie die Lemminge den Verheißungen der machthungrigen Demagogen folgt. Samuel Weiss als Plebejer, die harmlose Kreatur, die in der Masse zur Bestie mutiert. Yorck Dippe als Poet Cinna schafft mit Shakespeares Sonetten ständig Distanz zum Geschehen, um es zu reflektieren und/oder zu kommentieren. Caesar ein Lehrstück über Politik, Populismus und Macht holzschnittartig, damit es auch jeder plakativ versteht. Doch die filigranen Vernetzungen zwischen Politik, Lobbyismus und Macht bleiben dabei leider verborgen. Da könnte Theater noch entlarvender sein. In totalitären System entscheidet die Führungsriege, in Demokratien Lobbyisten und die Masse.
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