Medienschau: Zeit – Interview mit dem Kulturmanager Fabian Burstein

Provinzieller Habitus

Provinzieller Habitus

14. November 2022. Die Zeit interviewt den Kulturmanager Fabian Burstein, der ein Buch über die Niederungen des österreichischen Kulturbetriebs geschrieben hat ("Eroberung des Elfenbeinturms").

Als Beispiele für "völlig inakzeptable Vorgänge" bei der Besetzung wichtiger Stellen erzählt Burstein "von Hearings, wo Menschen telefonierend rausgingen und den Bewerbern vermittelt wurde, dass sie mehr oder weniger Idioten seien, wenn sie glauben, dass sie hier – ohne Seilschaften – einen Fuß reinkriegen.

Wenn das Burgtheater ausschreibe, habe sich früher quasi jeder Intendant, der eine deutschsprachige Bühne geleitet hat, beworben. "Bei der letzten Ausschreibung 2017 gab es genau zwei Bewerbungen aus dem Ausland. Viele Intendanten aus Deutschland sagen ganz offen, dass sie sich nicht auf diesen provinziellen Habitus in Wien einlassen wollen."

"In deutschen Kommunen werden die Kulturdezernenten, vergleichbar den Stadt- räten, ganz oft per öffentlicher Ausschreibung gesucht. Das gibt es in Österreich nicht. Die Folge davon ist schlecht qualifiziertes Personal, das wiederum die nicht am besten geeigneten Bewerber für die Kulturinstitutionen auswählt."

Den Grund für die aktuelle "Publikumskrise" in Österreich UND Deutschland sieht Burstein darin, dass der Kulturbetrieb sich generell vom Publikum völlig entfremdet habe. "Ich glaube, die junge Generation ist schlicht angewidert von diesem Habitus: von den mächtigen Bauten, wo mächtige Intendanten mit totalitären Genieansprüchen sitzen und dort Stoffe präsentieren, die in der Lebenswelt der Jungen oft bizarr anmuten."

Burstein attestiert dem Theater ein "wohlstandsverwahrlostes Selbstbewusstsein" und antwortet auf die Frage, was Kultur leisten muss: "Sie muss gesellschaftlich Relevantes mit künstlerischen Mitteln verhandeln. Wenn sie das nicht will, dann ist es ihr gutes Recht. Aber dann muss sie auch von selbst bestehen können."

(sd)

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