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Hausverbote am Schauspiel Leipzig
8./12. Dezember 2022. Wie das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer berichtet, ist am Schauspiel Leipzig ein Hausverbot gegen die Ensemble-Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt ausgesprochen worden. "Die Bühne, ihren Arbeitsplatz, dürfen sie nicht mehr betreten, ihre Rollen nicht mehr spielen", so Tobias Prüwer im Kreuzer-Artikel. Hintergrund des Hausverbots ist dem Text zufolge die vertragliche Nichtverlängerung der beiden Schauspielerinnen, deretwegen es zu "Solidaritätsgesten" von Mitarbeiter:innen aus den Gewerken gekommen sei. Hierauf hätten Preuß und Schmidt mit einem Dankesschreiben reagiert, aus dem der Kreuzer zitiert:
"Die überraschenden und nicht nachvollziehbaren 'Nichtverlängerungen' sind zu einem Auslöser geworden, eine tiefe Unzufriedenheit mit der Hauspolitik zum Ausdruck zu bringen. Eure Schreiben haben wir mit Bewunderung und Respekt zur Kenntnis genommen und möchten Euch hiermit versichern, dass auch wir (das Ensemble) Euch zur Seite stehen. Wir sind das Schauspiel Leipzig!"
Daraufhin habe die Theaterleitung bereits vor zwei Wochen ein Hausverbot wegen "Mobilisierung der Belegschaft und der Störung des Betriebsfriedens" gegen die beiden Schauspielerinnen ausgesprochen.
Zum konkreten Vorfall habe sich Intendant Enrico Lübbe gegenüber dem Kreuzer nicht äußern wollen, erklärte aber: "Nichtverlängerungen sind für die Betroffenen niemals einfach. Am Schauspiel Leipzig haben wir schon vor Corona vergleichsweise selten von Nichtverlängerungen Gebrauch gemacht, zu Corona-Zeiten gar nicht. Dass ein solcher Schritt nun Verunsicherung auslöst, ist verständlich." Eine "allgemeine Unzufriedenheit der Belegschaft" gebe es am Schauspiel Leipzig jedoch nicht. Dennoch hätten Gespräch in jüngerer Vergangenheit gezeigt, "wo man nachjustieren müsste". Man nehme "die Anliegen ernst" und sei "hierzu mit den Mitarbeitenden im Austausch".
Die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) habe sich eingeschaltet und wolle vermitteln, so der Kreuzer.
(Kreuzer-Online / jeb)
Update vom 9. Dezember 2022: Wie die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) in einer Presseaussendung mitteilt, hat sie zu den Hausverboten am Schauspiel Leipzig Gespräche geführt: mit Intendant Enrico Lübbe, dem Verwaltungsdirektor Daniel Herrmann und der Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, mit den beiden Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt sowie Mitgliedern der Belegschaft geführt.
In ihrem Schreiben bezeichnet die GDBA den "Grund für das Hausverbot am Schauspiel Leipzig nicht nachvollziehbar und eine Demonstration inakzeptabler Härte". Gefordert wird, alle NV Bühne-Beschäftigten am Schauspiel Leipzig bis zum Ende der Intendanz von Enrico Lübbe unter Nichtverlängerungsschutz zu stellen, "um ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen".
(GDBA / eph)
Update vom 9. Dezember 2022, 15:40 Uhr: Intendant Enrico Lübbe sieht von einer Stellungnahme gegenüber nachtkritik.de mit Verweis auf personalrechtliche Fragen und die Vertraulichkeit von betriebsinternen Gesprächen ab. (eph)
Update vom 9. Dezember 2022, 18:20 Uhr: Über die Hausverbote beziehungsweise ihre Rücknahme sei noch nicht endgültig entschieden, erfuhr nachtkritik.de von einer theaternahen Quelle. (eph)
Update vom 12. Dezember 2022, 16:55 Uhr: In einem per E-Mail an nachtkritik gesendeten Solidaritätsschreiben erklären "große Teile des Ensembles des Schauspiel Leipzig", "dass wir hinter unseren Kolleginnen Katharina Schmidt und Julia Preuß stehen und dass wir zu keinem Zeitpunkt von ihnen zu Solidaritätsbekundungen mobilisiert wurden. Unserer Auffassung nach wurde das Betriebsklima durch die Freistellungen und die verhängten
Hausverbote schwer beschädigt. Wir fordern daher ausdrücklich die Aufhebung der Hausverbote. Damit einhergehend fordern wir, dass beide Kolleginnen alle ihre erarbeiteten Rollen wieder spielen dürfen. Wir wünschen außerdem die Rücknahme der Nichtverlängerungen." (sd)
Update vom 20. Dezember 2022, 13:30 Uhr: Claudia Bauer hört als Hausregisseurin am Schauspiel Leipzig auf. (Zur Meldung.) Gegenüber dem MDR begründet sie diesen Schritt mit den ausgesprochenen Hausverboten. "Als Hausregisseurin fühle ich mich verantwortlich, vor allem für die Schauspieler*innen, die ich ja zum Teil mit ans Haus geholt habe. Und ich kann vor diesen Menschen dieses Hausverbot nicht rechtfertigen. Und wenn ich das nicht kann, dann kann ich an diesem Haus keine Hausregisseurin sein." (miwo)
Update vom 20. Dezember 2022, 16:20 Uhr: Das ensemble-netzwerk ruft "alle Mitglieder und Kolleg*innen auf, sich solidarisch mit den betroffenen Schauspielenden und den Ensembles in Leipzig und Naumburg zu zeigen und besonders die Rechtsträger*innen an ihre Aufsichtspflicht und Verantwortung zu erinnern – per Brief, Mail oder in den Sozialen Medien". Mehr auf der Website des Netzwerks.
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(Der Kommentar wurde redaktionell gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen.
Herzliche Grüße aus der nachtkritik-Redaktion)
was eine "unterstellung" ausmacht, müssen die rezipierenden selber hinbekommen dürfen.
handelte es sich bei dem kommentar von "leipziger beobachter" um rufmord? beleidigungen?
noch einmal, welche "unterstellungen" gehören zensiert und welche nicht?
möglicherweise könnte ja dann auch die unterstellung "nichtverlängerungen sind für betroffene niemals einfach" von Herrn Lübbe zensiert werden?
(Anm. Redaktion: Sehr geehrte Kritische Leerstelle, näheres zu den Kommentarregeln erfahren Sie im "Kommentarkodex" https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=41 Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
(Der Kommentar wurde redaktionell gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Anwürfe.
Herzliche Grüße aus der nachtkritik-Redaktion)
Wo ist der Sturm der Entrüstung von Regie und Ensemble? Es passt zu dieser autoritär geprägten Stadt, deren OB alles in Bewegung gesetzt hat, eine autonome Kultur zu verhindern, wo ist die Stimme der Kulturdezernentin? Kolleginnen, ich vertrete euch gerne - unentgeltlich - gegen diese Despotie.
Prof. Dr. Dr. Christoph Nix, Jurist
Beide Schauspielerinnen haben Rechtsmittel gegen diese Nichtverlängerung eingelegt, um ihre Auffassung, dass diese ungerechtfertigt ist, vertreten zu lassen. Das ist doch gut so. Und sie reden auch deswegen nicht mit der Presse. Auch das ist gut so.
Nun rollt aber schon die Armada an der Vorverurteilenden, Populist:innen (mir graut jetzt schon vor Frau Jopts Auftritt auf den Barrikaden) und derer, die alles schon immer wußten und Despotie auch aus tausend Kilometern Entfernung sehen. Ob damit dem Anliegen der Schauspieler*innen oder vielleicht auch dem Anliegen einen Betrieb für das Publikum gut zu führen, gedient wird, wage ich vorsichtig zu bezweifeln. Ich vermute vielmehr, dass hier reichlich Trittbrettfahrer:innen unterwegs, die sich ohne größeres persönliches Engagement im Glanz ihrer vermeintlichen persönlichen Integrität - ohne tiefere Sachkenntnis selbstredend - mit Skandalisierungen und Bescheidwissen öffentlichkeitswirksam sonnen wollen.
Wem hilft hier wirklich was, frage ich mich? Und wieviel Lust haben eigentlich alle auf Rechtsstaat?
Einfach auf den sog. Kommentarkodex verweisen empfinde ich als unzureichend.
Wenn der Kommentar nicht den Richtlinien entspricht, so kann man von Redaktionsseite auf diesen reagieren, aber Ihn zu kürzen und wegzustreichen und somit die "Problematik" zu verschleiern, statt eine ordentliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung anzustoßen, sehe ich als unrechtmäßig und intransparent!
________________
(Anm. Redaktion. Liebe Kommentatorin, wir bemühen uns, unsachliche Verallgemeinerungen, insinuierende Vermutungen, unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen, Anwürfe ad personam und anderweitige Einlassungen, die eine sachliche Debatte verhindern, nicht zu veröffentlichen. Mitunter finden sich in Kommentaren diskutable Punkte, die von geringfügigen, übers Ziel hinaus schießenden Polemiken ummantelt sind. Dann nehmen wir die Polemik raus und halten den Kern intakt. Das ist unsere Praxis der Moderation im Bemühen um ein produktives Gespräch. Unsachgemäßes erst zu veröffentlichen, um dann darauf zu reagieren, halten wir für nicht zielführend. Es verschiebt den Diskurs auf die Metaebene, also ins Reden über das Reden der Redner. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
________________________________
(Anm. Redaktion. Nach zweiter Prüfung wurde dieser Kommentar, der auf einer Spekulation aufbaute, entfernt. Zu den Verursacher:innen der Durchstreichungen in der Schauspielergalerie, wie der Kreuzer sie als Titelbild veröffentlicht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts bekannt.)
Dies wäre nichts anderes als eine Wiederherstellung normaler arbeitsrechtlicher Normen. Auch ordentliche Kündigungen wegen echtem, nachweisbaren, arbeitsrechtlichem Fehlverhalten wären weiterhin möglich (und gerichtlich überprüfbar). Nur die Willkürherrschaft über Nicht-Verlängerungen aus vermeintlichen künstlerischen Gründen, mit der Menschen wie Lübbe ihre Macht manifestieren, wäre endlich beendet. Es würden schlicht die gleichen arbeitsrechtlichen Normen gelten wie in jedem anderen Betrieb in diesem Land.
Worauf warten wir, im Jahre 2022?
Natürlich ist es eine Frage des Augenmaßes, der Leitungskompetenz und der Integrität, Nichtverlängerungen möglichst selten auszusprechen, und diese Eigenschaften lassen sich nun einmal leider nicht von oben verordnen. Eine gewisse Integrität sowie Team- und Kritikfähigkeit sind in meinen Augen essenzielle Aspekte, wenn es um die Besetzung einer Theaterleitung geht. Dem ist von Seiten der EntscheiderInnen in der Kulturpolitik sicher nicht immer ausreichend Rechnung getragen worden.
Allerdings sehe ich eher in der Forderung einer Verlängerung aller Ensemblemitglieder bis 2025 ein großes Problem. Geht es im Fall Leipzig um die "angeblich" ungerechtfertigte Nichtverlängerung zweier Schauspielerinnen oder geht es um die Angst des Ensembles vor Nichtverlängerungen in den nächsten Jahren??? Außerdem wurden die Gründe für die Nichtverlängerung der beiden Schauspielerinnen bis jetzt nicht bekannt. Geht es um die Existenz zweier Schauspielerinnen, Müttern mit KIndern, die in einer Stadt leben und bleiben wollen oder geht es hier jetzt generell um die Struktur am Theater und die Existenzängste aller Ensemblemitglieder???
Sollte dieser zugestimmt haben, Schande über meine Kollegen!
Wenn nicht, ist das Hausverbot rechtlich nicht bindend!
Liebe Künstler, bei aller Freiheit der Kunst. Auch ihr seit Arbeitnehmer und habt Rechte.
Personal- und Betriebsräte mögen uncool sein und gelegentlich der Kunst im Wege stehen. Solange euch der Intendant lieb hat ist die Welt auch in Ordnung. Wenn nicht braucht ihr Verbündete (Betrieb-, Peronalsrat, Gewerkschaft #GDBA)
Ich weiß ja nicht, woher Sie Ihre Gewissheiten haben, deshalb ein paar Fragen meinerseits: Woher wissen Sie, dass das Hausverbot wegen des Nichthinehmens der Nichtverlängerung erteilt wurde? Oder genauer gefragt, könnte es nicht einen ganz spezifischen Grund/Vorfall gegeben haben, der Anlass für dieses Hausverbot wurde? Ich vermute so etwas aus der Ferne zumindest.
Woher wissen Sie so genau, dass der NV-Bühne das "wahre" Problem ist und was meinen Sie mit der "unsäglichen Theaterpraxis"? Kündigungen bzw. Nicht-verlängerungen gibt es ja nun nicht exklusiv im Theater, oder? Ohne nähere Kenntnis der Verhältnisse, finde ich es persönlich schwierig, so eindeutig festzustellen, dass da etwas "unsäglich" verlaufen ist. Dazu gehört auch, dass die Gründe für die Nichtverlängerungen nicht in aller Öffentlichkeit breitgetreten werden. Wo sind wir denn? Was geht dass Sie, mich oder andere an? Es gibt Persönlichkeitsschutz und Arbeitsrecht, die glücklicherweise solche Begehrlichkeiten in sehr klare Bahnen lenken.
Wo ich Ihnen aber sehr recht gebe, ist die dubiose Praxis der GDBA, namentlich Frau Jopts, die Anliegen der Schauspielerinnen auf eigentümliche Art mit den vermuteteten oder unterstellten Bedürfnissen des Restensembles zu vermengen. (Eine längere Jobgarantie bei gleichzeitig absoluter Freiheit selbst für ein besseres Engagement sofort wegzugehen, wird bestimmt den meisten Spieler*innen gefallen, warum auch nicht?) Aber dass hier wieder statt Intressensvertretung konkreter Mitglieder das ganz große Gewerkschaftstheater aufgeführt wird, passt zum neuen Stil der GDBA. Es ist doch alles schon deprimierend genug, wie es gelaufen ist oder läuft. Sachliche Hilfe wäre so viel angemessener, finde ich, als diese Dauerpolitisierung und Instrumentalisierung aller. Naja.
Ich weiß, dass man dieses Glück nicht an jedem Stadttheater hat. Aber die prinzipielle Verteufelung des ganzen Systems ist mir einer zu viel. Schade, dass Sie offenbar schlechte Erfahrungen gemacht haben, aber es geht eben auch anders. Im übrigen glaube ich, dass es den perfekten Arbeitsplatz ohne Probleme, Konflikte und Frustrationen schlichtweg nicht gibt.
vorteile: du spielst
nachteile: du gehörst jemandem
(Da bin ich gespannt wie er das beweisen möchte) auf die Straße zu setzen, empfinde ich als unsäglich und nicht akzeptabel.
Wir schreiben das Jahr 2022.
Ich hoffe, dass die Leipziger Kulturpolitiker*innen den Intendanten darauf hinweisen, dass sein Handeln in dieser Form nicht mehr zu unserer Zeit passt und inakzeptabel ist.
Dem Schauspiel Leipzig wünsche ich, dass sie keine Angst vor ihrem Intendanten haben und ihre Solidarität mit ihren Kolleginnen sich nicht in Luft auflöst sondern noch an Fahrt aufnimmt.
Und der GDBA wünsche ich einen langen Atem, damit sich an den Verhältnissen in diversen Theaterleitungen weiterhin maßgeblich etwas verändert. Lisa Jopt an der Spitze ist ein Segen, da besteht Hoffnung, dass sich Intendanten wie Lübbe sich zukünftig solch ein Führungsstil nicht mehr erlauben können.
Offensichtlich ging es auch nicht um zwei Schauspielerinnen, die nicht mehr sprechen/spielen können.
Höchstwahrscheinlich geht es hier darum, dass ein Intendant nicht willens ist, seine Nichtverlängerungsmitteilung an zwei langjährige, künstlerisch erfolgreiche Mitarbeiterinnen nachvollziehbar zu begründen und auch gegen Widerstände zu verteidigen.
Stattdessen wird mit hilflosen Machtdemonstrationen reagiert.
Ihre Argumentation, Thorsten, mag den ein oder anderen richtigen Gedanken enthalten, scheint mir aber nicht hier hin zu passen.
@Arbeiter: Das gibt es in der freien Wirtschaft so nirgendwo. Da kann man sehr schnell vor die Tür gesetzt werden. Man sollte lieber aufpassen was man sich wünscht. Die Unkündbarkeit ist in vielen Fällen kein Segen - nicht für Künstler*innen als auch nicht für das Haus. Der Zwang die Qualität und den Anspruch an Rollengrößen und Partien zu halten wächst mit den Jahren. Und dem kann keiner mehr gerecht werden - altersbedingt. Und das ist auch ganz normal. Sportler können auch nicht ab 50 die gleiche Leistung abrufen.
@Jane sorry, (...) Ihre Idee mit der Entstehung von Beamtentum durch normale, etwas gesichertere Arbeitsverhältnisse scheint mir dann doch (...). Machen Sie eine Firma auf und versuchen mit der Denke mal gute Leute unter Vertrag zu bekommen. Das funktioniert nicht.
(Anm. Redaktion: Persönliche Anwürfe sind aus diesem Kommentar entfernt worden)
Der Absolvent spielt den Lear, weil er einfach leistungsfähiger ist?
Während sich der 60jährige Charakterdarsteller in einer anderen Stadt einen neuen Job suchen darf?
Unkündbarkeit abschaffen zum Schutz alter Schauspieler vor zuviel Druck?
Ihr Ernst?
Sollen wir uns denn mit den NVBühne-Gehältern lieber an der freien Wirtschaft oder am Fußball orientieren?
Und um den Bogen zum eigentlichen Thema zu schlagen: Haben Sie Informationen darüber, dass Schmidt und Preuß nicht verlängert wurden, weil sie altersbedingt ihre Leistungen nicht mehr abrufen konnten?
Oder fallen uns da plausiblere Gründe ein?
Sie können ja zu den Inhalten des NV Bühne stehen, wie sie wollen - aber die arbeitsrechtlichen Faktenlage werden Sie akzeptieren müssen!
Eine Kündigung darf zudem nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Wichtig ist hier insbesondere das sogenannte Maßregelungsverbot (§ 612a BGB), wonach eine zulässige Rechtsausübung keine Benachteiligung nach sich ziehen darf.
Gegen dieses Maßregelungsverbot würde z.B. eine Kündigung verstoßen, die mit dem Engagement des Arbeitnehmers in einer Gewerkschaft begründet wird.
Übrigens ist von einem solchen Fall nicht erst auszugehen, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben ausdrücklich auf den Gewerkschaftseintritt hinweist (das würde er nicht tun). Es reicht oft aus, dass sich diese Motivation aus den Umständen ergibt.
Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann auch ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kleinbetrieben zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Das AGG verbietet zum Beispiel Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, Religion oder des Alters.
Darüber hinaus sind sog. treuwidrige und sittenwidrige Kündigungen rechtswidrig. Ein solcher Fall ist etwa anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer die Kündigungserklärung unmittelbar nach einem schweren Arbeitsunfall im Krankenhaus übergeben wird (Kündigung zur Unzeit). Auch wäre eine Kündigung treuwidrig, die ein „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme“ vermissen lässt, wenngleich keine „volle“ Sozialauswahl wie in größeren Betrieben stattfinden muss."
Ich weiß ja nicht ob Sie schon mal im künstlerischen Bereich nach NV Bühne gearbeitet haben, vielleicht fehlt Ihnen da die Erfahrung, aber dieser Vertrag ist nicht vergleichbar mit Tarifverträgen aus anderen Bereichen. (Residenzpflicht, Arbeitsplanung etc., so etwas gibt es nur noch bei der Armee) und die arbeitsrechtliche Faktenlage ist weder in Leipzig noch in Naumburg klar. Aber das müssen nun Gerichte klären.
Und btw. Frau Jopt hat diesen Vertrag nicht ausgehandelt sondern irgendein Vorgänger...
Ich habe im und ausserhalb des Theaters gearbeitet und ich kann ihnen in allen Beobachtungen und Beschreibungen nur zustimmen.
Liebe Theaterschaffende,
es ist schon ein wenig lächerlich, wie ihr euren Knebelvertrag hier verteidigt. Ich frage mich immer warum. Aber es ist ganz einfach: Ihr habt halt nichts anderes in eurem Leben gesehen. Diese Unwissenheit und Arroganz gegenüber der freien Wirtschaft ist auch ein Problem.
Im Theater arbeiten Künstler:innen nur in BEFRISTETEN Verträgen. Laut Arbeitsrecht sollten befristete Verträge grundsätzlich vermieden werden. Es ist zum Beispiel in den meisten Branchen verboten, Leute alle drei Monate immer wieder mit einem neuen Vertrag zu verlängern und an der kurzen Leine zu halten. Komischerweise ist das im Theater mit einem 12-Monatsvertrag dann wieder möglich. Viele normale Arbeitnehmerrechte greifen z. B. nicht bei befristeten Verträgen. Ausserdem seid ihr alle mit einem solchen Vertrag nicht kreditwürdig. Heisst, niemand mit NV-Bühne darf eigentlich eine Hypothek aufnehmen, ausser wenn sie oder er unkündbar wird.
Auch so eine Konstruktion: zuerst befristet angestellt, um dann irgendwann unkündbar zu werden. Damit kurz davor auch jede Leitung mal schnell ein paar Leute abschiessen kann.
Wieso kann man am Theater nicht unbefristet angestellt sein (wie Technik, Verwaltung auch) mit einer Kündigungsfrist von 6 oder 12 Monaten? Man kann doch eine Klausel einführen, dass eine mögliche neue Intendanz oder sonstige Leitung das Recht hat ausserordentlich zu kündigen, resp. einen neuen Vertrag auszuhandeln.
Nächstes Thema Urlaubsscheine: Es hat meinen Arbeitnehmer nichts anzugehen, wo ich meine Freizeit verbringe. Nach europäischem Persönlichkeitsschutz geht das gar nicht, was die Theaterbetriebe hier machen. Klar, das KBB muss schnell für Ersatz sorgen, ein Theater muss funktionieren, wenn jemand erkrankt, aber vielleicht muss dann auch einfach öfter eine der viel zu vielen Vorstellungen ausfallen, die heutige Leitungen disponieren. Dieses Verbot ohne Urlaubsschein eine Stadt zu verlassen - meine Güte ist das "links".
Wisst ihr liebe Theaterschaffende, ihr zeichnet hier ein Phantasma von einer freien Wirtschaft, in der vielen Leuten schnell gekündigt werden. Was für ein Blödsinn. Leipziger beschreibt es richtig, die meisten Betriebe versuchen langjährig eingearbeitete Mitarbeiter:innen zu halten, weil es richtig aufwändig ist gutes neues Personal zu finden und es kostet, die neuen einzuarbeiten. Wie böse neoliberal gedacht ist denn das! Es kostet! Aber bei uns geht es um Kunst! Wir brauchen Freiheit! Die wenigsten Menschen in Deutschland arbeiten in befristeten Verträgen und sie haben lange Kündigungsfristen. Ihnen geht es besser als euch, sie sind besser abgesichert und sie verdienen mit 30 mehr als ihr mit 50, und sie haben mehr Freizeit und mehr Zeit für ihre Kinder. Und dann können sie auch noch ein Haus finanzieren. Ist euch aber wahrscheinlich alles zu brav, ihr braucht den Kick, dass euch die Intendanz jedes Jahr feuern kann, ne...? Das ist so ein geiler Ritt auf dem Vulkan... und dann noch ein Hausverbot obendrauf. sorry Leute: Das Problem seid ihr selbst. Ihr erkennt eure Abhängigkeit nicht. Ihr verteidigt das System und eure idiotischen neoliberalen Leitungen, die mit euch leichtes Spiel haben, alles mit der Entschuldigung: wir sind Künstler:innen!
Die Intendant:innen sind übrigens meistens von der Stadt unbefristet angestellt zu sehr hohen Jahresgehältern, von denen ihr nur träumen könnt. So ab EUR 120'000 im Jahr. Wieso diese Personen nicht gleich behandelt werden, wie die Künstler:innen im Haus und vice versa werde ich nie verstehen. Ihre Ausbildung ist nämlich meist gleichwertig, wie die der Künstler. Vielleicht ein wenig mehr Kulturmanagement in der Münchner Abendschule. Lächerlich, was da für Halbwissen vermittelt wird.
Also, NV-Bühne bitte abschaffen! Danke, liebe Theaterschaffende
Und Thema „Urlaubscheine”: Das ist eine irreführende Bezeichnung, denn gemeint sind Abwesenheitsmeldungen an Proben- und Vorstellungsfreien Tagen. Tagen also, die zusätzlich zu den 45 Tagen Jahresurlaub frei sind und bei denen für eventuelle Vorstellungsänderungen Vorkehrungen getroffen werden sollen. Beim Jahresurlaub muss natürlich niemand dem Theater mitteilen, wo er sich aufhält. Was soll diese Propaganda?
Es gibt einen Aspekt, der hier zum Schutz der Betroffenen (sicher auch zu Recht) ausgeblendet bleibt: Was waren eigentlich die Gründe für diese Kündigungen? Gab es da nicht vielleicht doch auch das eine oder andere Problem, das nicht nur der Theaterleitung angelastet werden kann? Kann es sein, dass hier eher ein Unfall in der Kommunikation vorliegt als ein arbeitsrechtliches Problem und ein grundsätzlicher Fehler im NV-Bühne?
Ich halte diese permanente nach Skandal triefende Gegenüberstellung des Theaterbetriebs mit anderen wirtschaftlichen Betrieben letztlich für zu eindimensional. Wir alle sehnen uns nach Sicherheit. Und eine prinzipiell längere Laufzeit von Verträgen fände ich auch nicht schlecht (z.B. Kündigung nur alle 2 Jahre möglich…), aber dennoch halte ich es für elementar wichtig, dass eine Intendanz in der Lage ist, zumindest theoretisch einen Vertrag nicht zu verlängern (hallo, freie SchauspielerInnen!). Viel schwieriger finde ich ehrlich gesagt die Regelung, dass eine Kündigung einzig und allein wegen eines Intendanzwechsels ausgesprochen werden kann. Hier kenne ich zahllose Beispiele sinnlosen Machtmissbrauchs gegenüber Menschen in durchaus prekären Situationen. Dies soll also kein kompletter Widerspruch sein, aber schon ein dezenter Hinweis darauf, dass das es in der Kunst ein wenig anders zugeht als in der sogenannten „Wirtschaft“. Dass SchauspierInnen häufig ausgenutzt werden, stelle ich ja gar nicht in Frage. Aber die Konsequenz, die eine radikal verstärkte Jobsicherheit fest engagierter SpielerInnen für den -viel größeren- Pool freier SpielerInnen hätte, beziehen Sie zu wenig in Ihre Überlegungen hinein. Da wird der Begriff der Gerechtigkeit nämlich nochmal ganz schnell ein ganz anderer.
@34 Ihre Ausführungen zur Befristung sind schlicht falsch! Das deutsche Arbeitsrecht sieht in § 14 TzBfG Befristungen ausdrücklich vor. Bis zu 2 Jahren sind sie völlig normal; darüber hinaus aber nur mit Sachgrund gerechtfertigt. Ich kenne auch keinen Intendanten, der unbefristet angestellt ist; das ist schlicht falsch! Kein Träger könnte sich das gegenüber den Wählern leisten. Da müssen Sie schon Ross und Reiter benennen, wenn Sie hier solche Behauptungen aufstellen!
Eure harten, polemischen Anwürfe und generalisierenden Verurteilungen von angeblich verwerflichen Menschenbildern bei denen, die nicht Eurer Meinung sind und Vorwürfe diese anderen wären ignorant und wüssten nichts von der freien Wirtschaft und wie toll da der Mitarbeitendenschutz wäre, sind einfach nur ein schlechter, rüder Umgangston. Mehr nicht. Eure Ungenauigkeit im Wissen um die Vertragsverhältnisse am Theater im NV Bühne et al (Intendant:innen sind unbefristet angestellt etc., Urlaubsscheine haben etwas mit Jahresurlaub zu tun...) disqualifizieren diese Einlassungen eigentlich per se. Für dieses Forum wäre es sicher gut, wenn nk einmal so neutral wie möglich über den Ist-Zustand bei NV-Bühne etc. informiert. Am besten ohne kämpferische GDBA-Polemik. Die GDBA hat als politisches Ziel ausgegeben, dass sie den NV-Bühne abschaffen will. Fair enough. Aber momentan sind alle, die am Theater arbeiten in einer rechtlich geklärten Situation und es ist einfach grober Unfug von allgemeiner Willkürherrschaft und monarchistischen Verhältnissen etc. zu raunen und jede Machtposition unter Generalverdacht zu stellen. Es gibt Betriebsräte, Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte, Arbeitsgerichte etc. Diese können und werden angerufen. Und ja, es gab und gibt viele Mißstände im Theater und diese müssen und werden aktuell auch zumindest in Teilen behoben. (u.a. war natürlich so etwas wie die Themis-Stelle absolut überfällig!) Was mich aber wirklich fuchsteufelswild macht, ist diese ungenaue, polemische Hetzen es gäbe keine rechtsstaatliche Verfassung und als wären z.B. alle Intendant:innen seien böse Monster und alle Schauspieler:innen arme, ausgebeutete Opfer. Ich war lange genug Schauspieler, um zu wissen, wieviele Freiheiten man auch genießen kann in diesem Beruf - im Vergleich zu sehr vielen anderen Arbeitnehmer:innen, die viel härter buckeln müssen für ihr Monatsgehalt. Ich war selbst in dieser Position und habe viele, viele Tage auch frei gehabt an denen andere Arbeitnehmer:innen (auch im Theater tagtäglich zum Dienst in Präsenz erscheinen mußten), wurde nach meinen künstlerischen Sehnsüchten gefragt, und wurde nicht fürstlich, aber ok bezahlt. Ein Theater ist kein Gulag. Und es gibt neben vielen Mißständen, auch vieles, was wirklich sehr gut läuft - auch für das Publikum, das einige anscheinend gar nicht mehr interessiert. Vielleicht kann eine Verhandlung über die Arbeitsbedingungen ohne die überzogene Opferrhetorik und ohne das peinliche Pathos eines Gefangenenchors abgehen.
Abgesehen davon, wenn jetzt jede Nichtverlängerung dazu führt, dass Ensembles empört aufbegehren gegen angebliche Willkür, dann sollte man eher den Tarifvertrag auseinandernehmen und schauen, wie sich diese Kettenverträge und der damit verbundene Druck einschränken lassen. Als IntendantIn oder KollegIn bin ich jedoch sehr dafür, dass Ensembles ab und an Veränderungen erleben! Hilft vor allem der Kunst
(Lieber Frederik.
der Kommentar wurde nach nochmaliger Prüfung gekürzt, da er eine unüberprüfbare Tatsachenbehauptung enthält.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre nachtkritik.de-Redaktion)
Das kann ich bei den Leipziger Schauspielerinnen noch nicht einschätzen. Da bräuchte man mehr Informationen.
Wann ist mit einem Urteil zu rechnen? Weiß man das genauer?
Auf jeden Fall fragt man sich, wenn es sich bereits vorher abgezeichnet haben sollte, warum wartet man bis so knapp vor der Unkündbarkeit um die Nichtverlängerung auch auszusprechen? Da liegt doch automatisch die Vermutung nah, dass Träger und/oder Haus sich hier noch schnell aus einer Verpflichtung herauswinden wollten... k.A. aber das wirft auf jeden Fall kein gutes Licht auf Theater und Träger auch die Art und Weise der derzeitigen Weiterbeschäftigung.
ich führe diesen Prozess stellvertretend für uns alle, weil ich glaube dass wir als künstlerisches Personal durch unsere Verträge kaum Rechte, aber sehr viele Pflichten haben. Wir müssen endlich mit unserem Vertragswerk als Vertreter „der Hochkultur“ im Hier und Jetzt ankommen und uns nicht mehr mit Verträgen aus dem letzten Jahrhundert rumärgern wo es nur von „Oben nach Unten“ geht, sondern in dem wir ein System schaffen in dem wir Angstfrei (nicht zu verwechseln mit Kritikfrei) arbeiten können, denn dann, so glaube ich, können wir als Theater wieder Utopien und neue Denkanstöße mit aller Wahrhaftigkeit vertreten. Lasst uns mutig sein, wir können die Welt besser machen.
Und glaubt mir, die letzten viereinhalb Jahre waren für mich kein Spaß.
Beste Grüße
Nikolaus Kühn
Ich wünsche dir sehr, dass das Göttinger Theater über seinen Schatten springt und dich in Zukunft wieder normal besetzt!