Styx, we feel you!

17. Dezember 2022. Thomas Köck – zweifacher Gewinner des Mülheimer Dramatikpreises – hat sich in Ko-Autor:innenschaft begeben: Zusammen mit der Schauspielerin Mateja Meded denkt er das Thema seiner "Klimatrilogie" weiter. Regisseur Jacob Höhne trotzt dem Untergangsszenario eine Punk-Revue ab – mit einem bestens aufgelegten RambaZamba-Ensemble.

Von Stephanie Drees

Thomas Köcks und Mateja Mededs Stück "the world flames like a discokugel (styx spricht)" in der Regie von Jacob Höhne am berliner Theater RambaZamba © Andi Weiland

17. Dezember 2022. Dafür, dass Styx buchstäblich der Hahn abgedreht wurde, ist sie noch recht munter. Oder, anders: Sie hat ein großes Mitteilungsbedürfnis – und sich rausgeputzt. Im petrolfarbenen Seventies-Glitzeranzug, einen weiten Flokatimantel um die Schultern, tritt sie auf diese Bühne. Die spiegelt zwar sehr, bringt aber nicht allen Selbsterkenntnis.

Styx, zwangsverrentet

Bei Styx, dem Fluss, muss offensichtlich einiges aus der Seele gespült werden: Mit Fließen is‘ nicht mehr, mit dem Transport der Toten auch nicht. Dieser Planet hat kein Wasser mehr, also ist Styx quasi zwangsverrentet, wofür sie eindeutig zu jung ist. Es sprudelt aus ihr raus, denn einst hat sie ALLE ins Jenseits gebracht: "Die Witzigen die Traurigen, die Uneinsichtigen, die Trotzigen, die Müden, die Vergessenen, die Zufälligen, die Kranken, die Gesunden, die Schönen, die Hässlichen, die Jungen, die Alten, die Verunfallten die Selbstgewählten, alle." Jeden Tag habe sie die Toten übersetzt – außer, wenn sie ihre Tage hatte. Das ist einerseits ziemlich lustig, grade für ein allegorisches Wesen, bei dem doch eh immer Panta rhei angesagt ist. Andererseits ziemlich tragisch.

Discokugel 2 Andi WeilanduEs ist wahrlich nicht alles Gold, was glänzt - manchmal glitzert auch der nackte Abgrund wie hier in Thomas Köcks und Mateja Mededs jüngstem Stück © Andi Weiland

So kann man einiges beschreiben, was an diesem Abend bei RambaZamba, einem der renommiertesten Inklusionstheater im deutschsprachigen Raum, passiert. Denn schon die erzählerische Grundkonstellation in dieser post-apokalyptischen, glitzernden (Unter-)Welt ist doch recht makaber-machtversessen-menschenmalle: Nicht mal nach ihrem Untergang kann die Menschheit die Erde in Ruhe lassen. Dann poltern, hüpfen, klabautern Ex-Erdlinge als quicklebendinge Tote, als "Bones", durch die staubtrockene Szenerie: in schwarzen Anzügen, mit Knochenmotivik-Aufdruck, hier und da mit 'ner roten Nase, Räder schlagend und das Geschehen kommentierend.

Nervende Seelen, klagende Gewässer

Es ist schlicht nicht mehr genug Wasser da, um die armen Seelen von dem Planeten zu befördern (Styx, we feel you!), nun nerven sie in dieser großen, leuchtenden, lametta-behangenen Diskokugel einfach weiter. Einige von ihnen bilden sogar eine Band, die live performt. All das ist natürlich super: In seiner punkig-fatalistischen Attitüde passt die Musik sowohl zum Wehklagen der Flüsse (neben Styx sind mit Kokytos und Lethe zwei weitere Gewässer der griechischen Mythologie am Start, und, kurz gesagt: Ihnen geht es auch nicht viel besser…) als auch zu den Slapstick-Einlagen des Ensembles.

Discokugel 3 Andi Weiland uSuper in Form: Die Spieler:innen des RambaZamba-Theaters in Jacob Höhnes Inszenierung © Andi Weiland

Das Stück "the world flames like a discokugel (styx spricht)" hat Dramatiker und Autor Thomas Köck zusammen mit der Schauspielerin Mateja Meded geschrieben, bei RambaZamba kommt es zur Uraufführung. Die ökologische Katastrophe im Spätkapitalismus beschäftigt Köck schon lange. Sehr bekannt geworden ist er mit seiner "Klimatrilogie", einem dreiteiligen Opus über das Sterben der Erde. Einiges erinnert an diesem Abend an Marie Bues' große Gesamtpaket-Inszenierung der drei Teile am Schauspiel in Hannover. Nicht-menschliche Glitzer-Wesen rekapitulieren dort nach dem Ende der Menschheit in kaleidoskopisch angeordneten Geschichten der Erde Niedergang.

Intergalaktische Vollnerds

So komplex die globalen Strukturen im wachstumsfetischisierten, ökologischen Raubbau-Zeitalter mitsamt seinen kolonialen Ursprüngen auch sind – es geht doch letztlich immer um sie: die Gier. Sie ist DAS Köck-Thema. Viel Neues erfahren wir an diesem Abend inhaltlich nicht. Aber: Thomas Köck und Mateja Meded variieren das Motiv mit RambaZamba leichtfüßig, -händig und unterhaltsam. Überhaupt ergänzen sich beide Autor:innen-Stimmen gut. Mateja Meded, die ja wunderbar wütend sein kann, bringt einen machtkritischen Sound rein, der diese Punk-Revue gut mitträgt.

Und die Spieler:innen von RambaZama: Sie sind in super Form. Viel Physical Theatre ist dabei, Revue-Nummern von schönster, beißender Harmonie. Lethe, gespielt von Hieu Pham, singt herzergreifend über unser Ausruhen auf dem "Rücken der Zeit". Am Wasser des Vergessens würden sich hier einige gerne komabesaufen, denn nicht mal der Neuanfang kann gelingen. Ein fröhlich-tapsiger Alien-Erkundungstrupp (selbstironiesatt gespielte, intergalaktische Vollnerds mit verächtlichem Blick auf die Menschheit), würde die Erde zwar gerne neu besiedeln, aber: Ist halt noch bisschen voll da. Zu viele Altlasten. Wer waren sie eigentlich, diese Menschen, fragen sich die Aliens mit beflissenem Forscher:innengeist. "Bonobo-Affen, die vorausschauend denken können", ist eine Definition, die allen plausibel vorkommt. Wobei: vorausschauend? Na ja.

the world flames like a discokugel (styx spricht)
Von Mateja Meded und Thomas Köck
Regie: Jacob Höhne, Bühne: Jacob Höhne, Kostüme & Maske: Beatrix Brandler, Choreografie: Sara Lu, Musik: Leo Solter, Licht: Andrei Albu, Ton: Fatemeh Ghasamipour, Dramaturgie: Frank Raddatz, Regieassistenz: Vicki Steinmüller, Dramaturgieassistenz: Joy von Wienskowski, Regiehospitanz: Clara Kampmann.
Mit: Lioba Breitsprecher, Grit Burmeister, Ferdinand Dambeck, Heiko Fechner, Eva Fuchs, Moritz Höhne, Vincent Köhler, Anil Merickan, Joachim Neumann, Hieu Pham, Sebastian Urbanski, Gäste: Artemis Chalkidou, Dietmar H. Heddram, Leo Solter, Robin Gehlhar.
Premiere am 16. Dezember 2022.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

www.rambazamba-theater.de

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