Medienschau: Berliner Zeitung – Nachruf auf Christina Drechsler

Grenze umgerissen

Grenze umgerissen

5. Januar 2023. Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung erinnert sich in seinem Nachruf auf die mit 41 Jahren verstorbene Schauspielerin Christina Drechsler an eine verstörende Szene auf der Bühne des Berliner Ensembles.

Seider schreibt: "2006 spielte sie in einer Inszenierung von Thomas Langhoff in Botho Strauß‘ 'Die Schändung' Lavinia, die auf offener Bühne die Zunge herausgeschnitten bekam, misshandelt und vergewaltigt wurde. Eine in ihrer Direktheit verstörende Gewaltszene, die man heute sicher nicht mehr so ungebrochen und realistisch inszenieren würde. Schlimm war aber nicht unbedingt das Kunstblut und das herumfliegende Stück Theaterfleisch, schlimm war der Schrecken in dem Gesicht der jungen Schauspielerin. Eine Grenze zwischen der Figur und der jungen Ernst-Busch-Absolventin schien umgerissen. Der Affekt, der beim Zusehen entstand, der Impuls aufzuspringen und einzugreifen, konnte im Zaum gehalten werden und verwandelte sich in stille Wut, die sich gegen die Herren richtete, die so eine Szene schreiben, so pur inszenieren und gegen den Intendanten des Hauses sowieso. Man konnte nicht anders, als ihr diese Schmerzen und diese Traumatisierung zu glauben. War es blutige Verwandlung? Oder handwerkliche Verstellung?"

Den gesamten Nachruf lesen Sie hier. Die Meldung zum Tod Christina Drechsler finden Sie hier.

(Berliner Zeitung / miwo)

 

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