Medienschau: Die Presse, Kleine Zeitung, Standard – Zur Causa Teichtmeister

Täuschung und doppeltes Spiel

Täuschung und doppeltes Spiel

18. / 25. Januar /13. Februar 2023. In den Tagen nach Bekanntwerden der Anklage gegen Florian Teichtmeister und seiner fristlosen Entlassung am Burgtheater beschäftigt der Fall weiterhin die österreichischen Medien. Die Presse berichtet, wie das Burgtheater, der Sender ORF und die Filmproduktion "Corsage" mit den Vorwürfen gegen Florian Teichtmeister seit ihrem Bekanntwerden 2021 umgegangen sind.

"Die Erklärung des Theaters legt nahe, dass Teichtmeister seine Arbeitgeber noch lang belogen hätte, während er mit den Ermittlern bereits kooperierte", heißt es in dem Beitrag. Der ORF habe sich entschieden, Teichtmeisters Hauptrolle in der Krimireihe "Die Toten von Salzburg" zu reduzieren, bis "alle Vorwürfe offiziell entkräftet würden“.

Arbeitsrechtliche Schritte seien angezeigt gewesen

Gegen die Rechtfertigung des Burgtheaters, das in einem Statement am 15. Januar 2023 online mitteilte, für die Direktion hätte "nach eingehender rechtlicher Prüfung, auch unter Beiziehung von Rechtsanwälten" 2021 keine rechtliche Handhabe für weitergehende Schritte bestanden, wendet sich der Presse zufolge im Sender Ö1 die Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak: Das Burgtheater habe "viel zu spät reagiert“.

Es sei eine verbreitete Fehlvorstellung, dass ein Arbeitgeber erst handeln könne, wenn er genau wisse, was passiert sei, wird Körber-Risak in der Kleinen Zeitung vom 17. Januar 2022. zitiert. Das Burgtheater, dessen Geschäftsführung verpflichtet sei, im Interesse des Unternehmens zu handeln, hätte schon im September 2021, als die Vorwürfe bekannt wurden, abwägen müssen "zwischen einer beschädigten Reputation des Burgtheaters oder einem arbeitsrechtlichen Prozess, wenn Teichtmeister nach einer Entlassung geklagt hätte". Mit der Vermeidung eines Prozess-Risikkos habe sich das Burgtheater "für das Falsche entschieden", so die Arbeitsrechtsexpertin.

Kunst als Deckmantel für Missbrauch

Die "lange Tradition", in Verdachtsfällen Bedacht anzumahnen, benennt Almuth Spiegler in der Presse als ein Erbe der "Reformbewegung und -pädagogik um 1900 und deren bewusstem Wiederaufgreifen durch die 68er-Generation". Kunstrichtungen wie der Jugendstil hätten in prominenten Fällen als Vorwand gedient, "pädophile Neigungen auszuleben".

Oscar-nominierter Film "beschmutzt und beschädigt"

Marie Kreutzers Sisi-Film "Corsage", in dem Teichtmeister Kaiser Franz Joseph spielt, sei in den meisten heimischen Kinos abgesetzt, bleibe aber für den Auslands-Oscar nominiert, so Die Presse. "Ich bin traurig und wütend, dass ein feministischer Film, an dem mehr als 300 Menschen aus ganz Europa jahrelang gearbeitet haben, durch die grauenvollen Handlungen einer Person so beschmutzt und beschädigt wird", wird die Filmregisseurin Marie Kreutzer im Presse-Beitrag vom gestrigen Dienstag zitiert.

Noch "etwas halbherzig" Stellung bezogen habe Marie Kreutzer im Juli 2022. Es sei "schwer", auf solche Anschuldigungen adäquat zu reagieren, wird die Regisseurin im Standard zitiert: "Wir leben in einem Rechtsstaat, und wenn es gegen jemanden weder konkrete Vorwürfe noch ein Verfahren" gebe, würde sie sich, sofern sie "darauf mit Konsequenzen reagierte, als Richterin aufspielen“, heißt es im Beitrag.

Überprüft worden sei dem Standard zufolge jedoch, ob Teichtmeister am Filmset Fotos von minderjährigen Mitwirkenden aufgenommen habe, so wie offenbar bei anderen Gelegenheiten. Wie der Standard berichtet, soll es gegen einen weiteren Darsteller in Kreutzers "Corsage" in der Filmszene #MeToo-Vorwürfe geben.

Eine Anklage, weitere Ermittlungen eingestellt

Staatsanwaltlich sei gegen Teichtmeister wegen mehrerer Delikte ermittelt worden, legt die Tiroler Tageszeitung dar. Zur Anklage gebracht werde der Besitz von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs. Eingestellt worden seien hingegen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien "wegen fortgesetzter gegen seine damalige Lebensgefährtin gerichteter Gewaltausübung" und wegen eines Suchtmitteldelikts.

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer habe bei der Bundestheater-Holding einen Bericht angefordert, um herauszufinden, "ob richtig gehandelt wurde", schreibt die Tiroler Tageszeitung im gleichen Artikel. Mayer habe Konsequenzen angekündigt, ohne konkret zu werden, aber betont, dass "wir keine Verharmlosung durchgehen lassen, keine Toleranz walten lassen".

(Die Presse / Der Standard / Kleine Zeitung / Tiroler Tageszeitung, eph)

Update vom 20. Januar 2023. Laut Bericht des Standard beabsichtigt das Burgtheater, den Schauspieler Teichtmeister auf Schadensersatz zu verklagen.

Update vom 23. Januar 2023. Der Standard berichtet von Interessenvertretungen, die zu mehr Solidarität mit von Missbrauch Betroffenen auffordern: "Die Verantwortung der Entscheidungsträger*innen in Theater und Film, die den Darsteller nach der Anzeige durch seine Ex-Lebenspartnerin weiter engagierten, wurde bislang von den handelnden Personen nicht voll umfänglich übernommen."

"Corsage"-Film: weiterhin im Rennen oder verloren?

Die Regisseurin Marie Kreutzer bezieht in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Stellung und erläutert ihre Zusammenarbeit und Reaktion auf die Causa Teichtmeister. Sie stellt klar, dass es keine Überlegung sei, den Film "Corsage" wegen Teichtmeister zurückzuziehen: "Er ist nicht der Produzent des Films, nicht der Hauptdarsteller, nicht der Regisseur; Teichtmeister ist einer von mehreren 100 Mitarbeitern".

(Der Standard / Süddeutsche Zeitung, ska)

Update vom 25. Januar 2023. In der FAZ (€) erklärt Claudius Seidl den Film "Corsage" für "verloren". Marie Kreuzters Kinofilm "verdankt seine emotionale Spannung auch Teichtmeisters Spiel, das, mal mit diabolischer, mal mit ironischer Zu­rück­hal­tung, die Frage offenlässt, ob Franz Joseph die Ursache von Sisis Krise ist. Oder eines ihrer Opfer", schreibt Seidl. Der Einwand der Regisseurin, Teichtmeister habe nicht die Macht über den Film, widerspricht Seidl: "Die ambivalente Präsenz von Florian Teichtmeister in 'Corsage' hat, für Frauen wie für Männer, etwas Verführerisches. Es ist deshalb das gute Recht des Publikums, sich jetzt, da alles bekannt ist, um seine Emotionen betrogen zu fühlen."

Das ZDF zeigt vorerst keine Filme und Serien mehr, in denen Teichtmeister mitspielt. Nach Abschluss des Gerichtsverfahrens werde man über das weitere Vorgehen beraten, heißt es beim WDR.

(FAZ / WDR, eph)

Haben die Arbeitgeber:innen richtig gehandelt?

Update vom 27. Januar 2023. Hat das Burgtheater im Fall Florian Teichtmeister richtig gehandelt?, fragt noch einmal Der Standard. Ob eine Entlassung oder Freistellung früher möglich gewesen wäre, sei zwischen Juristinnen und Juristen "höchst umstritten", benennen Jakob Pflügl und Stefan Weiss die Ergebnisse einer eigenen Recherche. "Letztlich wäre sie wohl ein Fall für den Obersten Gerichtshof (OGH) gewesen", lautet eine Bilanz der eingeholten juristischen Einschätzungen. Im Januar 2022 hätte das Burgtheater die Option gehabt, den im Mai auslaufenden Vertrag des Schauspielers nicht zu verlängern. Das sei aber zu früh gewesen, da noch keine belastbaren Fakten oder behördlichen Ermittlungsergebnisse vorgelegen hätten, wird der Anwalt des Burgtheaters zitiert. "Den wohl naheliegendsten Ausweg, Teichtmeister bis zur Klärung der Vorwürfe einfach nur noch nachrangige Rollen zu geben, ihn in die hinteren Reihen zu stellen, hätte Burgtheaterdirektor Martin Kušej wählen müssen", schreiben die beiden Autoren in ihrem Artikel.

(Der Standard, eph)

Update vom 30. Januar 2023. In ihrer Zusammenfassung des Falls hebt die taz auch noch einmal auf Teichtmeisters Kooperation mit den Behörden ab, während er nach wie vor seine Arbeitgeber:innen belog. "Trotz geltender Unschuldsvermutung hätte die Kulturbranche deutlich mehr Schritte unternehmen können, als sie es getan hat. Nun ist es an den Verantwortlichen aufzuarbeiten, was schiefgelaufen ist, um künftig besser zu reagieren, auch um die Menschen am Set schützen zu können." Letztlich verbleibe die Entscheidungsgewalt bei Verantwortlichen der Kulturbranche, "bei den Kino- und Sen­der­chef*in­nen, bei Filmverleihern und Fes­ti­val­or­ga­ni­sa­to­r*in­nen", so die Autorin. "Und deren Entscheidung, ob ein Film oder eine Serie weiter gezeigt wird, hat eben nicht nur für den Täter Konsequenzen, sondern auch für viele andere, die an der Produktion beteiligt sind. Gerade deswegen ist das Ringen um diese Frage so wichtig."

Update vom 13. Februar 2023. Dem Stadard zufolge liegt ein unabhängiges Gutachten zum Vorgehen des Burgtheaters und der Bundestheater-Holding vor. Das Gutachten sei von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer beauftragt worden, um durch eine externe Stelle zu prüfen, inwieweit der Umgang des Burgtheaters mit der Causa Teichtmeister juristisch einwandfrei war: "Die Arbeitsrechtsexpertin Sieglinde Gahleitner, die mit ihrer Kanzlei mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Führungsstrukturen im Bundestheaterkonzern sich keiner Pflichtverletzungen im Umgang mit der Causa schuldig gemacht hätten."

(Der Standard / ska)

 

Mehr zur Causa Teichtmeister in der Meldung über seine fristlose Entlassung am Burgtheater und in der Medienschau vom 15. Januar 2023.

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