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Schauspielerin Heide Kipp gestorben

Legendäre Inszenierung mit Heide Kipp: "Murx den Europäer" von Christoph Marthaler an der Volksbühne Berlin © David Baltzer / Bildbühne

24. Januar 2023. Heide Kipp ist tot. Wie die Berliner Zeitung meldet, starb die Schauspielerin bereits am 15. Dezember 2022 im Alter von 84 Jahren.

Kipps künstlerische Heimat war die Berliner Volksbühne, an die sie 1971 von Benno Besson geholt wurde und der sie dann über drei Jahrzehnte lang angehörte.

1938 geboren, hatte Heide Kipp zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, bevor sie von 1959 bis 1961 an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin-Schöneweide studierte. Im Anschluss erhielt sie ihr erstes Engagement am Deutschen Theater Berlin, von wo aus sie 1963 ans Hans-Otto-Theater Potsdam wechselte.

Ihr Volksbühnen-Debüt gab die Schauspielerin 1971 mit einer Rolle in Manfred Karges und Matthias Langhoffs Inszenierung der "Räuber". Zudem war sie am Haus in Regiearbeiten von Besson, Fritz Marquardt oder Christoph Schroth zu sehen. Sie spielte in legendären DDR-Aufführungen wie Jürgen Goschs "Leonce und Lena" 1978 oder Heiner Müllers "Der Bau" 1980.

Auch nach dem Mauerfall wirkte die Schauspielerin in maßgeblichen Volksbühnen-Inszenierungen mit, so etwa in Frank Castorfs "Pension Schöller: Die Schlacht" 1994 sowie in Christoph Marthalers "Murx den Europäer! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn ab!" 1993 und "Lieber nicht. Eine Ausdünnung" 2003.

Außerhalb des Theaters war Heide Kipp auch als Filmschauspielerin bekannt. Für ihre Rolle als "Sunny"-Freundin Christine in Konrad Wolfs DEFA-Film "Solo Sunny" wurde sie 1980 auf dem 1. Nationalen Spielfilmfestival als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. In der DDR-Kinderfernsehserie "Spuk im Hochhaus" spielte Kipp mit großem Erfolg die Sängerin Frau Vogel.

(Berliner Zeitung / cwa)

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Kommentare  
Heide Kipp gestorben: Theatergeschichte
In der "Murx"-Inszenierung von Christoph Marthaler habe ich jede einzelne Schauspielerin und jeden einzelnen Schauspieler geliebt. Wirklich jede:n einzelne:n. Der erste, der starb, war Klaus Mertens. Auch Susanne Düllmann, Wilfried Ortmann und Winfried Wagner leben nicht mehr. Mit jeder und jedem lebt aber auch über den Tod hinaus die Erinnerung an die tieftraurigen und abgründig komischen Grau- und Braunfarben dieses Abends weiter, an diese unbenannten, aber unverwechselbaren Figuren. Heide Kipp stellte den Typus der ewig mosernden, ewig spitzelnden Nachbarin dar: herrlich! Den Klang ihrer Stimme werde ich seitdem nicht mehr los, und ich möchte ihn am liebsten ewig hören – und wie sie ihr verächtliches: "Blöde Drecksau! Schlabbervotze!" ausstößt. Das war groß! Wenn es unangemessen sein sollte, sich ausgerechnet mit diesen drei Wörtern an diese tolle Schauspielerin zu erinnern, so möge man mir verzeihen. Aber das war Theater vom anderen Stern, und manchmal frage ich mich, ob so etwas heute überhaupt noch erlaubt wäre. Heide Kipp war dabei und hat sich - nicht nur, aber auch damit - für immer in die Theatergeschichte eingeschrieben.
Heide Kipp gestorben: Nostalgisch veranlagt
Verrückt, wie viele sich an die damals unkündbaren Schauspieler:innen erinnern, oder? Mertens, Düllmann, Ortmann und Wagner, alle sofort da im Kopftheater. Und nun Heide Kipp. Ich glaube, das war eine der im Rückblick wichtigeren Leistungen der VB in den Neunzigern: Den "Alten" einen Glamour zuzugestehen, der auch Ekel und Erotik mit einschloss. Die wurden alle nochmal larger than life. Alles andere von Casthaler und Co. wurde vom Theaterbetrieb kopiert, aber das schaffte niemand. Manchmal wundere ich mich, warum das so gut gelang, und denke dann: Weil die wichtigsten Regisseure (kein Gendern nötig leider) tatsächlich nostalgisch veranlagt waren, trotz aller Innovation, die sie dem Theater verpasst haben. Es war eine Nostalgie nach einer besseren Zukunft, die man auch künstlerisch verfolgen kann (bei Marthaler etwa Jacques Lecoq und das Strassentheater der späten Siebziger und frühen Achtzigerjahre). Vielleicht haben die Alten sie an ihre Jugendträume erinnert. Nie eindrucksvollere, agilere, komischere, zartere, schönere Alte gesehen im Theater als in dieser Zeit. RIP Heide Kipp.
Heide Kipp gestorben: grandioses Ensemble
Sorry, Herr Behrens, Wilfried Ortmann war der erste aus dem Murx-Ensemble, der von uns gegangen ist, bereits nach einem Jahr Laufzeit der Inszenierung, im März 1994. Für ihn hat wohl Jürgen Rothert übernommen, an den auch noch einmal zu erinnern wäre. Klaus Mertens ist im April 2003 verstorben, Rothert 2007, Susanne Düllmann 2013, Winfried Wagner 2018 und jetzt Heide Kipp. Was für ein grandioses Ensemble!
Heide Kipp gestorben: Erinnerungen
Jugendzeit in (Ost)-Berlin. Pilgern in die Volksbühne. Und immer wieder eine berückende Erinnerung an Heide Kipp, an ihren Habitus und an ihre Stimme. Was für eine Gouvernante in Jürgen Gosch's Inszenierung von Büchners LEONCE UND LENA. Sie war - wenn ich mich recht entsinne - auch eine urkomische Arsinoe im MENSCHENFEIND von Moliere (Regie ebenfalls Jürgen Gosch) unvergessen im Schlagabtausch mit Angelika Domröse als Celimene.....Dank, Respekt und Verneigung für unvergessene Eindrücke und Erlebnisse....Danke, liebe Heide Kipp!
Heide Kipp: Korrekturen
Zu Recht hat mich "Alter Bekannter" unter #3 korrigiert (um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich überhaupt nur den grandiosen Jürgen Rothert in der entsprechenden Rolle gesehen), und nun, glaube ich, muss ich die schöne Erinnerung von Michael Grosse unter #4 in ein einem Punkt korrigieren. Ja, Heide Kipp hat tatsächlich an der Volksbühne in Molières "Menschenfeind" gespielt, allerdings nannte man das Stück damals einer Anregung Benno Bessons folgend "Der Menschenhasser", und Regie führte nicht Gosch, sondern Fritz Marquardt. Beneidenswert ist allerdings jede:r, die/der lebendige Erinnerungen an diese Aufführung hat …
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