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Harold Pinter ist tot

An den Rändern der Realität

25. Dezember 2008. Der britische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger von 2005, Harold Pinter, ist tot. Wie seine zweite Frau, die britische Historikerin und Bestsellerautorin Lady Antonia Fraser, heute Nachmittag bekannt gab, ist Pinter am gestrigen Heiligen Abend seiner langjährigen Krebserkrankung erlegen. Bereits 2005 war er so schwer krank, dass er den Nobelpreis nicht mehr persönlich entgegen nehmen konnte und seine Rede in einem Londoner Fernsehstudio aufnehmen ließ.

Pinter wurde am 30. Oktober 1930 im Londoner East End als Sohn eines jüdischen Damenschneiders geboren, dessen Vorfahren im 16. Jahrhundert vor der Inquisition aus Portugal nach Osteuropa geflohen waren. 1960 machte sein viertes Theaterstück "Der Hausmeister" (The Caretaker) Pinter endgültig berühmt – ein Stück, das fast noch dem absurden Theater zuzurechnen ist.

Anders als die Dramen Samuel Becketts oder Eugene Ionescos ist es jedoch scharf an der Realität entlang geschrieben und gibt Einblicke in Lebensbedingungen an den Rändern der Gesellschaft. Pinter richtete sich nie ganz in den existentialistischen Posen und Positionen jener Jahre ein, und wollte stets nur die Verhältnisse als absurd verstanden wissen. Diese Verhältnisse, die immer vage auch gesellschaftlich zu verorten sind, grundieren Pinters Stücke und versehen sie mit einer undurchschaubaren, oft bedrohlichen Atmosphäre, für die sich das Wort pinteresk eingebürgert hat, das inzwischen sogar im Lexikon steht.

Mit zunehmendem Alter politisierte Pinter sich, setzte sich für die Rechte der Kurden und zuletzt gegen den Irak-Krieg ein. Nicht immer waren seine Stellungnahmen konsensfähig. Auf internationale Kritik stieß beispielsweise Pinters öffentliche Verteidigung des jugoslawischen Ex-Diktators Slobodan Milošević. Aber auch die rüde Polemik seiner Anti-Bush-Attacke im Rahmen einer Videobotschaft zur Nobelpreisverleihung sorgte für Irritation.

Harold Pinter, der nicht nur der einer der bedeutendsten britischen Dramatiker, sondern auch Regisseur und Schauspieler war, spielte zuletzt im Herbst 2006, schon im Rollstuhl sitzend, im Londoner Royal Court Theatre die Titelrolle von Samuel Becketts "Krapp's last Tape". Pinters komplexes literarisches Werk umfasst neben 29 Theaterstücken auch über 20 Drehbücher für Film und Fernsehen, darunter das Script für Elia Kazans letzten Film "The last Tycoon" nach dem unvollendet gebliebenen Roman von F. Scott Fitzgerald mit Robert de Niro, Karel Reiszs Film "The French Lieutenant's Woman" von 1982 mit Meryl Streep und Jeremy Irons und Volker Schlöndorffs Verfilmung des Margaret-Atwood-Romans "Der Report der Magd" von 1990.

(sle)

 

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