Mr. Taxman schießt zurück

19. Februar 2023. Beim CumEx-Betrug wurde das ganz große Rad gedreht. Das Milliardenrad. Felicia Zeller interessiert sich in "Der Fiskus" eher für die kleinen Rädchen. Die im Glücksfall das große Rad zum Stehen bringen. Matthias Kaschig inszeniert Zellers Wirtschaftskomödie in Erlangen.

Von Svenja Plannerer

"Der Fiskus" von Felicia Zeller am Theater Erlangen © Jochen Quast

19. Februar 2023. Der Raum wird begrenzt von Baustellenplanen. Von der Decke scheint es neonröhrenweiß. Eine einsame Zimmerpflanze, ein paar Drehstühle, mehrere Ordner, ein ganzer Haufen brauner Aktenkartons, ein mit Flatterband abgesperrtes Loch im Boden – schon ist das Bild eines baufälligen Finanzamtes komplett. Das Einzige, das fehlt ist der Teppichboden, der in Ämtern sonst so allgegenwärtig ist. Es wäre nicht verwunderlich, wenn im nächsten Augenblick eine Handvoll geschredderter Akten über die Bühne weht wie ein Steppenläufer.

High Noon mit Finanzbeamtinnen

Regisseur Matthias Kaschig inszeniert bereits das dritte Mal am Theater Erlangen. Nach Kafkas "Der Bau" und Heinrich Manns "Der Untertan" widmet er sich mit Felicia Zellers Wirtschaftskomödie "Der Fiskus" dem Cum-Ex-Skandal, bei dem der Staat seit den frühen 2000ern durch Steuerhinterziehung um mehrere Milliarden Euro betrogen wurde. Zellers Text, in dessen Zeilen vollständig zu Ende geführte Sätze eher die Ausnahme sind, bietet eine dynamische Steilvorlage für die Komik der Charaktere. Er entfaltet den Skandal eher hintergründig und rückt vordergründig fünf Personen, die die Finanzamts-Kargheit bevölkern, in den Fokus.

Fiskus 3 Jochen Quast uLet's rock the Steuerabrechnung! Elke Wollmann, Stephanie Schönfeld, Juliane Böttger, Carolina Braun, Justin Mühlenhardt im Bühnenbild von Matthias Kaschig © Jochen Quas

Bei Kaschig bewegt sich der Abend zwischen Office-Party, Musical und etwas Drama und erinnert entfernt sogar an einen Western. Man könnte das Personal vielleicht so zusammenfassen: Wir haben eine gewissenhafte Deputy, die ihre Beförderung zum Sheriff an ihre unverfrorene Kollegin verliert, eine Revolverheldin, die immer dann auftaucht, wenn man es am wenigsten erwartet, und das Paar, das mit eiserner Hand den Saloon führt, in dem ausschließlich Kirchenmusik gespielt werden darf.

Die Sexyness der gemeinsamen Steuererklärung

Nun das Ganze eben übertragen auf das vorliegende Amt: Elke Wollmann repräsentiert als Bea Mtinnen die sympathische Vollblut-Finanzbeamte, die mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihrem Sinn für (Steuer)Gerechtigkeit der milliardenschweren Steuer-Hinterziehung auf die Schliche kommt und dafür von ihrer neidischen Chefin Nele Neuer strafversetzt wird. Bei Stephanie Schönfeld wird diese Image-fokussierte Vorgesetzte aufbrausend, zeigt aber auch Kalkül und Verzweiflung auf der Suche nach einem Weg nach oben, wo der Einfluss wartet, nach dem sie so giert.

Juliane Böttgers Betriebsprüferin Fatma Tastisch ploppt an den überraschendsten Orten auf wie ein Schachtelteufel: Mal springt sie aus einem Karton, mal aus dem abgesperrten Loch im Boden, immer mit ungeheurer Energie und dröhnender Stimme, immer das blühende Leben der Finanzamts-Party. Carolina Braun und Justin Mühlenhardt spielen das Ehepaar Elfi Nanzen und Reiner Lös, für die es nichts gibt, das mehr Sex-Appeal hätte, als gemeinsam die Steuererklärung zu machen.

Mr. Taxman schießt zurück

Kaschig setzt auf Gesang und Musik. So geschehen manche Szenenübergänge etwa zu geschickt gemischten Klängen von Faxgeräten und Telefonklingeln, und die eingestreuten Gesangseinlagen gehören zu den Highlights des Abends. Mit "Taxman" und "Money (That's What I Want)" von den Beatles weisen beispielsweise Mühlenhardt und Böttger darauf hin, dass es eben doch nicht ohne Steuern, aber auch nicht ohne Privatvermögen geht, wenn man in einer a) solidarischen und b) kapitalistischen Gesellschaft lebt. Der Fakt, dass gierige mächtige Menschen skrupellos die Lücken im System nutzen, um ihren Reichtum auf die Spitze zu treiben, und dass im System Helfer und Helfershelfer lauern, schwingt bitter mit.

Die Dynamik aller Darstellenden, ihr müheloses Zusammenspiel, ihr präziser Umgang mit Zellers Kunstsprache verleiht dem Abend seinen Witz und Charme. Gegen Ende nimmt der Drive durch die zunehmenden Anteile von Monologen gegenüber Dialogen und Gruppenszenen etwas ab. Dennoch bleibt die Spannung bis zum Ende hoch genug. Hier entstehen fünf gelebte Charaktere, Western-Helden des Finanzwesens.

 

Der Fiskus
von Felicia Zeller
Regie und Bühne: Matthias Kaschig, Kostüme: Nina Kroschinske, Dramaturgie: Udo Eidinger, Musik: Marcus Thomas.
Mit: Elke Wollmann, Stephanie Schönfeld, Carolina Braun, Justin Mühlenhardt, Juliane Böttger
Premiere am 18. Februar 2023
Dauer: 1 Stunde 35 Minuten, keine Pause

www.theater-erlangen.de

 

Kritikenrundschau

Zellers Stück fülle die Spielpläne, "weil es irgendwie ja auch kafkaesk ist. Das Finanzwesen als unentrinnbares Schicksal", schreibt Herbert Heinzelmann in der Nürnberger Zeitung (20.2.2023). Für Matthias Kaschigs Inszenierung habe Nina Kroschinske das Ensemble in "groteske Klamotten gesteckt, nicht gerade modisch, irgendwo zwischen BuchhalterInnen-Look und Anspielungen auf das Rokoko". Das erinnert den Kritiker an Molière, dessen Stücke von "ähnlichen Lastern" handelten, "wie sie in 'Der Fiskus' durchgehechelt werden". Die Schauspieler:innen "zelebtrierten" Zellers "Kunstsprache in hohem Tempo", wobei die besondere Sprechtechnik "womöglich ein wenig zugunsten von größerer Wortverständlichkeit gebremst werden könnte". Dennoch sei "starker Applaus" zu verzeichnen gewesen, so der Rezensent.

Kommentare  
Der Fiskus, Erlangen: Regieleck
Der Applaus gilt in diesem Fall unbedingt den SpielerInnen, die dieses Ergebnis trotz klaffendem Regieleck überhaupt möglich machten. Als Spielerin, die aus dieser Produktion nach zweieinhalb Wochen ausgestiegen ist und somit um die enormen Defizite seitens des Regieteams weiß, gilt meine große Bewunderung den SpielerInnen, die diesen Abend tragen! Leider oder vielleicht zum Glück sieht man „von unten“ nie den wahren Anteil und die Kräfte der SchauspielerInnen, die es manchmal braucht, um überhaupt bis zur Premiere zu gelangen.
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