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Berlin: DT-Schauspieler Reimar Johannes Baur ist tot

9. März 2023. Der Schauspieler Reimar Johannes Baur ist im Alter von 95 Jahren in einem Berliner Pflegeheim verstorben, meldet die Berliner Zeitung. Er gehörte vierzig Jahr lang bis zu seiner Rente zum Ensemble des Deutschen Theaters Berlin.
Baur, geboren 1928 in Trier, machte seine Ausbildung im DEFA-Nachwuchsstudio und an der Staatlichen Schauspielschule Berlin. Ab 1949 führten ihn erste Engagements nach Greiz, Cottbus und Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz), bevor er 1960 unter Intendant Wolfgang Langhoff ans Deutsche Theater Berlin kam. Hier arbeitete er mit Regisseuren wie Benno Besson, Wolfgang Heinz, Adolf Dresen, Alexander Lang, Thomas Langhoff und Rolf Winkelgund zusammen, war unter anderem 1962 Chorführer in "Frieden" von Peter Hacks (Regie: Benno Besson) oder 1973 an der Seite von Jürgen Holtz der Mörder Henry Fowles in "Pflichtmandat" in der Regie Ulrich Engelmann.
Baur trat in über 70 Filmproduktionen der DEFA und des Deutschen Fernsehfunks (Fernsehen der DDR) auf. 1968 erhielt er den Kunstpreis der DDR, 1982 den Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur. Nach der Wende drehte er mehrfach mit dem Regisseur Frank Beyer, unter anderem die Verfilmung des Zuckmayer-Stücks "Der Hauptmann von Köpenick" (1997), in der er die Rolle des Adolf Wormser übernahm.
"Eigentlich wollte er Geigenbauer werden. Allein in einer Hinterhofwerkstatt sägen, hobeln, schnitzen, kleben und das Holz zum Klingen bringen", schreibt der Regisseur Ulrich Engelmann in seinem Nachruf (den Sie hier auf nachtkritik.de lesen können). "Aber er wurde Schauspieler. Einer von der Sorte, die sich verwandelt, einer, der nicht sich darstellt, sondern die Rolle." Baur interessierten "die Verlierer und Versager, die Clowns, Spinner und Tagträumer, die Scheiternden, ihre Tragikomödien wollte er spielen", so Engelmann weiter.
Engelmann erinnert sich auch an ihre gemeinsame Arbeit an "Pflichtmandat" und den vor der Premiere nur lose gebauten Beginn des Stücks: "Baur improvisierte grandios und geriet darüber in einen sehr schwer zu stoppenden Lachanfall. Ich, der 27-jährige Regieanfänger, war verzweifelt, das Publikum begeistert, ich lernte: Nichts am Theater ist so animierend wie die Panne."
Reimar Johannes Baur war mit der Schauspielerin Annelene Hischer (1930–2021) verheiratet, ihr gemeinsamer Sohn Sebastian Baur ist Bassist der Band Knorkator.
(Berliner Zeitung / chr)
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In der Reihe "Der historische Stream: Aus dem DDR-Theater" war Reimar Johannes Baur im Dezember 2022 in Alexander Langs Inszenierung "Die Rundköpfe und die Spitzköpfe" (1983) zu sehen.
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Einiges von dem, was Engelmann so einfühlsam beschreibt, kann man auf diesem wunderbaren Video (www.youtube.com/watch?v=5TOIhviAWIg) erahnen. Ab 19.19 singt Baur ein Zupfgeigenhansllied, das in einem seiner in der Tat sehr beeindruckenden grotesken Lachanfälle endet. Und auch "In einem kühlen Grunde" gibt er ab 1.13.30 zum Besten, wenn auch mit der Klampfe und nicht auf der Säge begleitet.
Seltsam, die größten Mimen am alten DT hat man fast nur in (vermeintlichen) Nebenrollen gesehen.