Schwein oder nicht sein

von Tomo Mirko Pavlovic

Stuttgart, 10. Januar 2009. Ein einfaches Bild. Der junge Mann, der Sohn, der Königssohn: Er liegt nackt im Dreck. Bäuchlings streckt er die besudelten Arme von sich und drückt sein wutverzerrtes Gesicht in den Morast. Als wolle er fliegen lernen. Ophelia kniet bei ihm, sie zerrt an dieser gefallenen, krampfenden Kreatur, will das Elend stützen, zum Menschen aufrichten. Doch Hamlet sinkt, und versinkt immer tiefer. Alles ist Schlamm, alles ist Sumpf. Moralisches Absturzgebiet. Wer hier überleben will, braucht keine Flügel mehr, er muss ein Schwein sein auf zwei Beinen wie der Rest der ehrenwerten Hofgesellschaft. Kleiderlos, schwartig, auf schmatzendem Grund. Ganz Dänemark ist ein Schweinestall. Und der Prinz macht Dauerurlaub auf dem Bauernhof.

Kein einfaches Bild. Volker Lösch malt seinen Hamlet zwar, wie zu erwarten, mit groben, dick aufgetragenen Pinselstrichen aus. Auch vermisst man die Figur des Freundes Horatio, die Freundschaft als Gegenwelt, das verborgene Glück der Zweisamkeit – all das passt nicht in den Weltentwurf des Aggressiv-Romantikers Lösch, wo der Einzelne stets weniger als die Gesellschaft zählt. Dennoch verlaufen die Konturen dieses Shakespearschen Super-Antihelden brüchiger, zittriger. Hamlets Charakter entzieht sich einer genauen Verortung auf der Gut-und-Böse-Skala von null bis zehn.

Thesentand im Dänen-Schlamm

Eine einzige glatte gute Null wäre es gewesen, wenn der Einfall des Premierenabends darin bestanden hätte, die Akteure in Pimmel-und-Titten-Nacktkörperkostümen in einem großen, rechteckigen, schwarz-braunen, von Cary Gayler entworfenen Bühnenkasten voller Erde umherstapfen zu lassen. Nicht viel mehr als witzig, Elmar Roloffs komödiantische Klasse in der Rolle der überfetten Gertrud zu bewundern oder Matthias Kelles Schnösel-Laertes  vor der Abreise in die Fremde bei der Karriereplanung zuzuhören: "Ich will nach Lausanne in die Business-School." Auch Löschs bekannte Manier, die Textebene mit pseudoprovokativem Thesentand aus unserem realpolitischen Sündenpfuhl vollzuschmieren – Sebastian Kowskis Claudius parodiert den paranoiden Anti-Terror-Schäuble, als er in Hamlets Wahnsinn ein Sicherheitsrisiko erkennt – wäre angesichts unserer täglichen medialen Horrorszenarien wie eine harmlose Seifenblase ohne Reinigungswirkung geplatzt.

In der Maske des Marine-Richters

Dass aber Hamlet, gespielt von einem sehenswert kantigen Till Wonka, durch sein ewiges Zögern das Böse nicht nur nicht bekämpft, sondern auch noch vermehrt, ist eine interessante, weil konsequente Lesart, die sich auf das konzentriert, was sonst gerne halbherzig abgehandelt wird: Die scheinbar krude eingeflickte Story um Fortinbras und seine Armee sowie die lästige Herumgeisterei des ermordeten Vaters. Dieser erscheint gleich in neunfacher Ausführung. Einfache Stuttgarter Theaterbürger, versteckt in unbefleckten Wehrmachtsuniformen und hinter der Maske des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger. Dessen mehr als fragwürdige Rolle als Marine-Richter in der Nazizeit spaltet bis heute das Land. Viele verehren ihn als Landesvater, wenige Unverbesserliche sehen in ihm gar einen Widerstandskämpfer, die Linken hingegen verdammen ihn als Inbegriff der rechten Restauration. Lösch trifft hier einen wunden Nerv.

Die Hamlet-Stammtisch-Front

Und wenn plötzlich diese neun Filbinger-Look-alikes bei Lösch den Sohn mit Rachegelüsten speisen und Hamlet die schuldige Vätergeneration sogar noch rechtfertigt ("Mein Vater war Nationalsozialist. Er war im Krieg und hat auch Leuten das Leben gerettet"), dann wird aus dem Zauderer Hamlet ein geistiger Brandstifter. Hamlet will die Tat, den Umsturz, um jeden Preis. Till Wonka wütet, hetzt, bewirft sich und die anderen mit Dreck, er durchpflügt die Erde, sucht, ohne Plan nach einer rettenden Seelentrüffel, ohne Hoffnung. Man kann ihn verstehen. Uns, das gemeine Theatervolk und die Stammtische da draußen hat er auf seiner Seite, sowieso, wenn er kauernd mit einem Dutzend Flaschen (!) Wasser die maßgeblichen Aufsichtsräte großer Unternehmen in den Boden pflockt, sie auseinander nimmt, zu kapieren versucht, warum ein einziger Manager wie Manfred Bischoff gleich in sieben Aufsichtsräten sitzt. Shakespeares Hof, ein Sauhaufen der Bosse.

Lösch will keine Liebeständelei, Ophelia ist ihm wurscht, die Motive der Mutter, die ambivalenten Verhältnisse der Figuren zueinander. Lösch will kein Schauspielertheater, nur das nicht. Dass er Till Wonka glücklicherweise dennoch agieren lässt, grenzt an ein Wunder. Die Regie gibt Vollgas, der Text wird wie aus einer Stanzmaschine hinausgeschleudert. Ein Turbo-Hamlet. So deklamiert der drahtige Wüterich jeden Namen, jedes Unternehmen, wobei am Ende einer kindischen Suada die gebrüllte Frage steht: "Und wer kontrolliert die Kontrolleure?" Szenenpapplaus für die Frage.

Linke Frage, rechte Antwort

Eine Antwort gibt es nicht, aber Lösch zeigt, was daraus folgt: In diesem unheilvollen, politischen Vakuum wächst die Wut der Apolitischen. Fortinbras' Armee rennt auf die Rampe zu, eine 53-köpfige Kameradschaft. Irres Getrampel. Junge Statisten, der zweite Chor an diesem Abend, adrett gescheitelt, eine physische Pracht in Bomberjacken, mit Schusswaffen und bösen Gedanken bestückt. Die rechte Gefahr. Der neokonservative, antidemokratische Rollback. Hamlet schaut ihnen zu: beim Neonazi-Pogo und Parole-Singen. Gafft solange bis sie ihn selbst töten. Da ist es dann auch egal, dass der Rest der Familie längst tot im Schmutz liegt. Was von Shakespeares Hamletschweinerei übrig bleibt? Eine gröhlende schwarz-weiße Jungmännerwand. Der Refrain "Europa, Jugend, Revolution" von Carpe Diem. Ein Titel, den militante Rechtsradikale gerne kostenlos an Schüler verteilen. Saubere Jungs.

Und ein einfaches Zukunftsbild.

Hamlet
von William Shakespeare, Fassung von Volker Lösch und Beate Seidel auf der Basis der Übertragung von Heiner Müller
Regie: Volker Lösch, Bühne und Kostüme: Cary Gayler, Dramaturgie: Beate Seidel. Mit: Till Wonka, Sebastian Kowski, Elmar Roloff, Katharina Ortmayr, Lisa Bitter, Matthias Kelle, Christoph Gawenda, Stephanie Schönfeld.

www.staatstheater.stuttgart.de

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Kritikenrundschau

Absolut degoutiert zeigt sich Rainer Zerbst in der "Fazit"-Sendung auf Deutschland-Radio (10.1.2009). "Etikettenschwindel", sagt er, weil nur Motive von Shakespeare verwendet würden, Lösch aber etwa ein Viertel des Textes "hinzugedichtet" habe. Erzählt würde trotzdem "selbstverständlich" Hamlet. Auf der Bühne seien alle nackt kostümiert, Hamlet auch, das sei ein Fehler, weil Hamlet doch der Außenseiter sei: "Wo bleibt die Logik in Herrn Löschs Inszenierung?" Ohne Chöre ging es natürlich nicht, nur sei der neunfache Vater-Geist nicht zu verstehen und die Bande schwarzgewandeter Jugendlicher am Ende politische Botschaft mit dem Holzhammer. Aber "bitte", das Theater sollte "nicht unbedingt Holzhammer-Methoden anwenden", dann könne man auch Flugblätter verteilen, das "käme billiger". Rainer Zerbst hat "Agit-Prop-Theater" gesehen und als "bleibenden Eindruck" behalten, dass er in der vierten Reihe einen pfenniggroßen Erdklumpen abbekam. Auch die Laien-Chöre hätten "nicht unbedingt etwas mit Theater zu tun", wie es Rainer Zerbst versteht. Ein Genuss allein sei der komödiantische Elmar Roloff als Gertrud.

Einen Tag später legt die Radiokollegin Cornelie Ueding für die Sendung "Kultur heute" auf Deutschlandfunk (11.1.2009) noch einmal nach. Auf der Bühne, berichtet sie, sei "Geschnatter" zu hören, "schnell und laut, die Musike heftig und kurz – und ich greife zum Mikro." Allerdings, so meldet sie weiter, "das Aufnahmegerät will nicht". Deshalb fährt ihr Bericht ohne Ton fort. Schnell habe sie begriffen: "Hamlet ist Deutschland. Und Deutschland Hamlet?? Gedankenschwer und... na, das ist eher ne falsche Spur. Gedankenschwer ist hier niemand. Schon gar nicht der Regisseur Volker Lösch." Und da das Aufnahmegerät noch immer streikt, werde der "geneigte Hörer" so um "den Genuss von einigen gegrölten Sprechchören" gebracht. Doch die Kritikerin "versteht: mein Gerät hat nicht nur wegen der Kälte gestreikt, es hat einfach auch den Geist aufgegeben bei diesem Theater".

Mit mehr Gewinn sehen es die Kollegen. Anlässlich der Tatsache, dass Claudius in der Mausefalle ungerührt als er selbst auftrete und "Hamlets aufklärerische Kunstaktion" damit scheitere, schreibt Stefan Keim in der Frankfurter Rundschau (12.1.2009): "Volker Lösch ist Hamlet (...). Wie kein anderer Regisseur des Gegenwartstheaters kämpft er gegen die Ungerechtigkeiten des Spätkapitalismus." Till Wonka sei ein "drahtiger, vor Energie vibrierender Hamlet", kein Zweifler, sondern einer, den es zur Tat dränge, erst zum Theater, dann zum Mord. Mit dem Fortinbras-Chor bringe Lösch die Stuttgarter These von der "Generation Hamlet" auf den Punkt. Die Inszenierung sei nicht nur "vollgestopft mit aktuellen Anspielungen", sondern auch "konsequent und kurzweilig", erreiche jedoch nicht das "Verstörungspotential" anderer Lösch-Abende.

Von zehn Minuten kräftigem Premierenapplaus berichtet Roland Müller in der Stuttgarter Zeitung (12.1.2009): "Ein Triumph mit Shakespeares größter Tragödie! Wansinn! Was will man mehr als Regisseur? Tja, was bloß? Im Fall von Volker Lösch steht die Antwort seit Jahren fest: Er will auch den Skandal." Denn nur darüber könne sich der "Agitator" Lösch "richtig freuen". Da sei es dann schon blöd, wenn ausgerechnet das Publikum im Stammhaus nicht mehr mitspielt. Harmlos sei die "sehr entschiedene" Shakespeare-Bearbeitung aber nicht. Denn Lösch lege eine "Lügen-, Schleim- und Heuchelspur, made in Ba-Wü", die zu Hamlet als intellektuellem Neonazi führe. Und das tue die Inszenierung mit "großer Plausibilität", denn das sei "in der Sache zwar schrecklich, doch in der Ästhetik zwingend".


In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (12.1.2009) schreibt Martin Halter dagegen, Volker Lösch wisse, wie man einen Skandal macht. Er könne das auch. "Auch sein jüngster Stuttgarter Streich ist das, was man gern provozierend nennt." Denn er "zieht "Hamlet" buchstäblich in den Dreck, aber es ist eine grobschlächtig unterhaltsame Schlammschlacht. Und sie pflanzt sich munter im Parkett fort. Es gibt immer wieder Szenenapplaus für kapitalismus- und staatskritische Einlagen und am Ende, nicht minder erwünscht, heftige Buhs und Rufe wie "Shakespearemörder" und "Volkshochschule"". Löschs Hamlet renne allerdings offene Türen ein. Denn "es kracht und spritzt (...), und manchmal funkeln sogar starke Bilder". Aber man spüre nur, "wie Lösch mit aller Gewalt und Plattheit Speck und Dreck nach der Wurstseite des Skandals wirft". Das Beste an diesem Abend sind daher "nicht die nackten Wahrheiten aus dem Wirtschaftsteil, sondern die Schauspieler, obwohl es auf die Kunststückchen bürgerlicher Individualität in Löschs politischem Theatersportkollektiv gerade nicht ankommt".

Nicole Golombek (Stuttgarter Nachrichten, 12.1.2009) hat den Abend mit einem "grotesk heiteren Bild" beginnen sehe. Was danach folge, stehe so nicht im Text, denn "man will es dem Zuschauer leicht machen, auf dass er Parallelen zwischen damals und heute ja nicht übersehe. Also: Der Staat einst war so korrupt wie heute". Die Herrscherfamilie samt Hofstaat wird deshalb als "eine mafiöse Schweinebande" gezeichnet – Lösch liebe eben "die drastischen und simplen Bilder". In einigen Szenen aber, etwa wenn "Hamlet, die Lusche" einfach "abgeknallt" und die "neuen Herrenmenschen" dann "Jugend! Europa! Revolution!" skandieren, "entwickelt der Abend eine enorme Energie". Deutlich schwächer ist die Inszenierung jedoch, "wenn Shakespeare gespielt wird. Ständig muss dann Musik Stimmung herstellen." "Wirklich stark aber ist Till Wonka. In ihm hat Volker Lösch einen aggressiv wütenden und kernigen Hamlet gefunden. Das Tunwollen, aber nicht -können, das latent Reaktionäre, den Selbsthass: All das spielt er sehr klar und fein."

Hamlet ebne dem Fortinbras'schen Skinhead-Kollektiv unwillentlich den Weg zur Macht, "ein nützlicher Idiot der Revolution von rechts", beschreibt Christopher Schmidt in der Süddeutschen Zeitung (12.1.2009). Wenn sich "die fürchterliche Jungschar" über Hamlet beuge, sei das "ein Bild, dessen Gewalt sich physisch bis in die schaudernden Zuschauerreihen überträgt". Wonka sei "die Entdeckung und die Sensation des Abends": ein "begnadeter Anfänger", der den Prinzen "mit staunenswertem Furor" spiele, sich "bis zum Letzten" verausgabe, aber immer glaubwürdig bleibe – worin sich "der gute Sinn von Löschs für sich genommen beliebig wirkendem Konzept" zeige. Löschs Ansatz sei zwar schmal, seine Aggression lade den Text aber auch "neu auf, erzeugt eine Energie, die den Abend in seinen guten Momenten zu einer Erweiterung führt" und erreiche in der Mausefallen-Szene "tolle Hitzegrade". Wie so oft habe "der politische Diskurs etwas mutwillig Forciertes", doch bekämen Shakespeares Worte mitunter "eine unmittelbare Dringlichkeit", in der Rohheit pulse eine "schmerzhafte Wahrhaftigkeit".

Keinen Müller'schen Hamlet, dessen Drama nicht mehr stattfindet, hat Jürgen Berger für die tageszeitung (12.1.2009) gesehen. Im Gegenteil: Dieser Hamlet schreie "mit jeder Faser seines Körpers: 'Mein Drama findet schon wieder statt.'" Lösch bleibe auch diesmal "Deutschlands zähester Provokateur" und präsentiere "den Staat so nackt und korrupt, wie er nun mal ist". Die "erste Großtat des Überrumpelungskünstlers" bestehe darin, "Nacktheit als Fake auszustellen". Auch für Berger ist Wonka "die Entdeckung des Abends". Polonia und Gertrud seien nicht mehr als Karikaturen, Sebastian Kowski als Claudius hingegen "ein ernst zu nehmender Widerpart des Hamlet". Der Filbinger-Chor überzeugt Berger, weniger die Skinhead-Welle, bei der er sich fragt, "warum die braune Springflut ausgerechnet ein 52facher Fortinbras sein soll und nicht etwa Rosenkrantz und Guildenstern".

In der Zeit (15.1.2009) schließlich weist Peter Kümmel darauf hin, daß unter dem Personal aus dem süddeutschen Wirtschaftsmorast, das Löschs "schwäbischer Hamlet" namentlich kenntlich mache, ursprünglich auch der Unternehmer Adolf Merckle hätte sein sollen. Doch nachdem der sich zwei Tage vor der Premiere das Leben genommen hätte, habe Lösch aus Pietät darauf verzichtet. Und weil Kümmel nach reiflicher und höchst leidenschaftlicher Beschau des Stuttgarter Theaterabends zu seinem eigenen Bedauern doch zum Ergebnis gelangt, daß Löschs Theater "für tiefere Wirkung zu beliebig" ist, denn, würde es funktionieren, Hunderte aus dem Saal rennen müssten, tun sie aber nicht. Weil also Löschs Theater letztlich aus Kümmels Sicht doch Halt vor den Mächtigen macht, wendet er sich lieber dem zweiten großen Theaterereignis der Region, dem Blaubeurener Begräbnis von Adolf Merckle zu: "Die Trauergäste können den Blick nicht von ihnen (der Familie) wenden. Alle gehen nach vorn, kondulieren, viel haben Tränen in den Augen. Vielleicht wollen sie nur einmal die Macht berühren und spüren, wie echter Reichtum sich anfühlt. Nun, da er zerfällt." Auch spürt Kümmel Dankbarkeit in der Luft, da Merckle auf seine radikale, autokratische Art allen gezeigt habe, dass es an der Zeit sei, den Glauben zu verlieren "an die Zähmbarkeit der Gewalt durch Geld". Womit Merckle, der Unternehmer, am Ende mit seinem Tod für Kümmel deutlicher als Löschs Hamlet auf unsere heillose Welt verweist.

 

Kommentare  
Löschs Hamlet: in Stuttgart rennen welche hinter Schweinen her:
Leider rennen die Damen und Herren vom Stuttgarter Staatstheater inzwischen jeder Sau nach, die durchs Theaterdorf getrieben wird, sei es der "Skandalregisseur" Lösch, sei es der Konzeptclown Pollesch, sei es Harald Lustig Schmidt... Was mal Theater des Jahres war, verkommt zur Modebude. Das ganze Leitungsteam sollte endlich wieder mal ausgewechselt werden. Aber nun geht der Intendant erst mal in den Süden, wie man hört, kümmert sich nicht ums Haus und macht europäisches Theater. Wenns der Steuerzahler finanziert.
Löschs Hamlet: mal das Ungesehene benennen
können, die Neidhammel mal ne andere Stelle aussuchen wo sie ihre ewige Gekränktheit zum Ausdruck bringen,…einfach die tollen, so unbemerkten Veranstaltungen beschreiben, loben, bis die durchs Dorf getrieben werden, aber der Jammerton schürt keine Hoffnung
Löschs Hamlet: für Wechsel in Stuttgart
Spricht in Bens Gejammer ein gekränkter Dramaturg? "Stuttgarter" schreibt nicht, es gäbe keine tollen Veranstaltungen, die nicht auch bemerkt würden? "Stuttgarter" fragt zurecht: Warum drängelt sich das Stuttgarter Staatstheater mit seinen Mode-Veranstaltungen so ins Feuilleton? Darf man das kritisieren? Ist bei Kritik immer Neid im Spiel? Darf man den Niedergang eines Hauses bedauern ohne gleich die guten Häuser nennen zu müssen, die es auch gibt? (Für Ben ein Beispiel: Tübingen!) Und wer Stuttgart kennt, weiß, dass die Aufbruchstimmung lang verflogen ist? Warum also keinen Wechsel fordern? Ist Wechsel nicht das Salz in der Theatersuppe? Oder will Ben nicht umziehen?
Löschs Hamlet: was ist genau das Problem?
Nein, das darf man in der Tat nicht kritisieren, das ist komplett abwegig, wenn sich tatsächlich Theater drängeln könnten, sähe alles völlig anders aus, das ist eine Verkennung der Realitäten, wie sich „Namen“ in der Feuilletonlandschaft destillieren, und noch mehr eine Verkennung des Feuilletons selbst, mit seinen doch stark von solcher Drängellust unabhängigen Gesetzen. Wie lange arbeiten diese Regisseure und Entertainer bereits am Theater (oder in der Glotze) , mit welchen Unmengen von Kritik und auch Nicht-Anerkennung werden sie ebenso bedacht, wie alle anderen auch. Es gibt keine Sicherheit, nicht mal eine hohe Wahrscheinlichkeit für Erfolg. Und kein Dramaturg, so sehr er sich auch drängeln wollte, kann da irgendwas entscheidendes dran drehen. Es ist immer eine kleine Paranoia unterwegs, wenn andere ein paar Aufmerksamkeitsringe erhaschen, die man selbst gerne hätte. Das die Aufmerksamkeit der Medien nicht verbunden ist mit einer Qualitätsgarantie ist genauso klar. Was Aufmerksamkeit erfährt muss nicht gut sein. Nur ist es für ein Gespräch so unfruchtbar, und auch irgendwie niedrig, immer in diesem Kindergarten Meckerton zu plärren, …der fährt weg, der soll sich mal kümmern, …du bist wohl Dramaturg. Frage, was ist genau das Problem? was ist unbedingt anders zu machen, welche Regiearbeiten inspirieren und beflügeln, regen an und reißen mit, ist das so kompliziert zu beschreiben?
Löschs Hamlet: kein Feuilleton-Hype
Im Fall von Lösch kann man Stuttgart nun wirklich nichts vorwerfen. Der hat lange ziemlich unbemerkt in Dresden gearbeitet, ist dann mit dem neuen Intendanten - auch aus Dresden - nach Stuttgart gegangen. Das ist kein Feuilleton-Hype. Aber genauso wenig lässt sich bestreiten, dass es diese Feuilleton-Drängelei natürlich gibt. Am offensichtlichsten im Uraufführungs-Wahn. Die Stücke werden doch selten gespielt, weil man an sie glaubt. Sondern weil man Aufmerksamkeit und - auch als Intendant und Dramaturg - Steigerung des eigenen Marktwertes erhofft. Da wird in der Tat viel Steuergeld verbrannt, manchmal erstaunlich hemmungslos.
Löschs Hamlet: einmal im Jahr ist das zu ertragen
Ich kann als Stuttgarter Theatergänger nur sagen: Dieser Lösch geht einem ein wenig auf die Nerven, aber einmal im Jahr kann man das ertragen, weil er auch daran erinnert, daß Theater etwas mit heutigen Geschehnissen zu tun haben sollte.
Daß das Haus mit Harald Schmidts albernem Hamlet sehr wohl nach Aufmerksamkeit giert, kann man nicht bestreiten. Und das gilt für einige andere Veranstaltungen auch. Das darf man kritisieren und das hat nicht mit Kindergarten zu tun. Mancher Pollesch-Abend schon eher.
Auch schade, daß neue Stücke immer ausprobiert werden in Stuttgart und kaum ein "gestandenes zeitgenössisches Stück" auf dem Spielplan steht.
Man sollte unseren Theatermachern, auch wenn ihnen zur Zeit wenig gelingt, auch mal ein kreatives Tal zugestehen.
Löschs Hamlet: Verschwunden?
he? wo sind denn die Einträge zu Lösch HAMLET hin verschwunden? Ist die Tür da jetzt zu?


(Nein, die Tür ist nicht zu, natürlich nicht. Aber ein böses technisches Problem hatte die Kommentare kurzfristig unsichtbar gemacht. Jetzt sind sie wieder zu sehen. - die Red.)
Löschs Hamlet: Mainstream
Mainstream, nichts als Mainsteam!
Löschs Hamlet: Theater als Ort des Einspruchs
Ja, wollte nur sagen,ich lass mich auch lieber in die etwas poetisch inspirierten Veranstaltungen locken (Koltes, war verrückt und zuletzt wirklich düster zB.-Gawenda!/Stübiger :-)), die Empfindungswelten zeigen, die ich nicht schon vorher durcherwartet habe (Sebastian S. auch ziemlich gut - anderes Thema), andererseits, mag ich die Sturheit mit der Lösch das Theater als Ort des Einspruchs behauptet (wobei eben verdammt Thesig - gibt‘s den Ausdruck überhaupt?), da ist kein Platz für die so genannten Virtuosen heißt es (die schätzenswerter sind, als die Polemik wahrhaben will), der will einfach, dass man raus kommt und sagt: es wird Zeit, was zu machen, Idioten, wir sehen euch. Harald Schmidt…, …brauchen wir nicht reden…, wie man bei uns in Bayern sagt…
Löschs Hamlet: Steuergeldverschwendung
...... dann lieber auf die Spielbank als solch ein Spiel mit unseren Steuern subventionieren.
Löschs Hamlet: auch Shakespeare nicht gut, schön, adlig
ich habe gestern den stuttgarter hamlet gesehen und war fassungslos, wie man so vehement buh rufen kann nach einem solchen abend (wohlgemerkt gingen die buhs eher unter in jubel). es fällt mir wirklich schwer nachzuvollziehen, wie man nicht einmal die beeindruckende geistige und körperliche leistung der beteiligten schauspieler würdigen kann. es sei jedem zuschauer gestattet, ein problem mit einer bestimmten lesart zu haben. aber ich wundere mich sehr darüber, dass gebildete menschen bei löschs hamlet das fehlen von gutem und schönem, von ehre, adel und würde beklagen (zitate aus dem stuttgarter gästebuch) und offenbar der ansicht sind, dass shakespeare ein gutes, schönes und adliges stück geschrieben hat. meist haben sie auch noch einige zitate aus dem originaltext parat, die das scheinbar belegen. nie dabei sind die folgenden: WIE EKEL, SCHAL UND FLACH UND UNERSPRIEßLICH/ SCHEINT MIR DAS GANZE TREIBEN DIESER WELT. oder: ES IST WAS FAUL IM STAATE DÄNEMARK. ein stück, das mit einem blutschändrischen bett beginnt und einem rachebefehl für einen schnöden, unerhörten mord hat nun wirklich nichts mit EDEL SEI DER MENSCH, HILFREICH UND GUT zu tun, oder? ich beobachte immer wieder dass zuschauer inszenierungen ablehnen, wenn sie verstehen, worums im kern geht, und das dann als ekelhaften konzeptkram verschreien. schade und unbegreiflich.
Löschs Hamlet: subtilere Mittel sind wirksamer
Intressant.
Welch simple Argumentation, denen, die Kritik äussern entweder zu unterstellen, sie hätten nicht verstanden oder sie wären einfach nicht Willens. (Den Eindruck machte zumindest der letzte Eintrag im Gästebuch nicht und auch der andere schien den Respekt für das Stück und Shakespeare anzumahnen)

Wenn ein geniales Stück benutzt wird um einen ach so einfach zu erzielenden "Skandaleffekt" durch "Bearbeitung" zu provozieren der dann doch kein richtiger ist, ist das eher ärmlich. (Prinzip: So, ich mache jetzt etwas hoch Geschätztes kaputt und schlage damit meine Sichtweise mit Gewalt allen Anderen ins Gesicht, denn ich gehe davon aus, dass alle ja keine Ahnung haben und ich sowieso die Dinge viel klarer sehe) Wenig innovativ und auch nicht wirklich profilierend. Wenn man ganz böse wäre, könnte man in diesem Fall die Fähigkeit, ein Theaterstück zu inszenieren gänzlich in Frage stellen.
Hier scheint sich jemand aus dem Federarsenal anderer zu bedienen, um selbst groß rauszukommen.
Lösch wirkt auf mich eher wie ein pubertierendes Kind, dessen Provokationen nicht wirklich funktionieren.
Allerdings fände ich es spannend, etwas von ihm zu sehen, das er geschrieben oder in Zusammenarbeit mit anderen Autoren erarbeitet hat; das wäre dann vielleicht wirklich originär und trüge zur "Wahrheitsfindung durch Theater" bei. Ein wenig schauderts mich ja schon bei soviel Pathos, den er gern eher auf der anderen Seite sieht.

Wenn man von laut-brachialem Agitprop-Theater nicht angetan ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man
1. nicht grundsätzlich verstanden hat, dass hierzulande jede Menge verrottet ist (der Originaltext von Shakespeare ist da deutlicher als die bekannte deutsche Übersetzung)
2. nicht auch durchaus drastische und hässliche Mittel auf einer Bühne sehen will
3. nicht differenzieren kann zwischen der Leistung von Schauspielern und der Arbeit des Regisseurs

P.S. Und nein, ich mochte weder das linke noch das rechte Pathos je und bedauerte schon immer, dass die Linke das auch so exzessiv auslebt.
Und ja, ich mag Theater, das mit subtilen aber deshalb oft durchaus wirksameren Mitteln arbeitet.
Löschs Stuttgarter Hamlet: Was heißt beliebig?
The Sushi Kritiker/Das Tragische ist lächerlich...
Kümmel (Gottkritiker oder Großkritiker?) ist die Situation in unserer Gesellschaft egal trotz Bankenkrise.
Er kann sich BioFood leisten, hat einen guten Gehalt. Ein warmes geheiztes Büro. Wenn er will bestellt er Sushi fünfmal am Tag. Wohl eher konservativ, ein Verehrer des Bürgertums, gehoben a la Zumwinkel.
Da reicht er die Hand den Kollegen Iris Radisch oder Greiner usw.
Literaten und Künstler, sollten sich nach deren Meinung besser aus Politik heraushalten.
Kümmel hat dann seine Totschlagbegriffe wie beliebig.
Diese Kritiker haben mit dazu beigetragen- zur Entpolitisierung der Literatur.
Sie sind froh, dass es für Heinrich Böll im deutschen Literaturbetrieb nie einen würdigen Nachfolger gegeben hat.
Würde trotzdem gerne wissen, was Kümmel unter beliebig versteht?
War es also in Stuttgart ein SushiHamlet?
Fast Food Theater?
Sind Begriffe wie links und rechts noch zeitgemäß?
Beliebig ist das auch ein Begriff? Oder nur ein Wort?
Subtil? Hab das Wort nie verstanden?
Fuck wie komisch ist die deutsche Sprache! Pathos?
Cestlavie, sagt Hamlet., wieso klatschen die alle?
Glaub es mir, sagt Horaitio, Gott konnte kein Deutsch.
Löschs Hamlet: mit der Geschichte ringende Menschen
An "Leser" einige korrekturen und klarstellungen zu meinem letzten kommentar: nochmal, ich unterstelle niemandem dummheit und unverständnis, der fundiert etwas an löschs lesart und konzept auszusetzen hat. auch ich mag kein holzhammertheater (ich habe den hamlet nicht als solches empfunden...) und habe durchaus nichts gegen subtile mittel. drastische mittel haben allerdings gerade dann eine konsequenz und eine berechtigung, wenn zuschauer den "hässlichen kern des stückes" gerne übersehen möchten - zu gunsten eines schönen abends. wohlgemerkt spreche ich von dem nicht geringen teil des publikums, der von shakespeare hauptsächlich "schöne sprache" und dekorative kostüme erwartet. es täte mir in der seele weh, wenn nach einem stück wie hamlet alle beruhigt und erbaut nach hause gehen mit dem grundgefühl: Haben wir mal wieder einen schön gesprochenen klassiker gesehen. schöne geschichte, schöne menschen, und möglichst keine störfaktoren. da ist es mir lieber, man fühlt sich verletzt und denkt darüber nach, warum, und ob es vielleicht auch etwas mit dem stück zu tun haben könnte.
ich glaube, dass genau deshalb regisseure einst angefangen haben mit konzepten, regietheater und radikalen lesarten. würde man mit subtilen mitteln nicht riskieren, dass sie einfach übersehen werden, wären vielleicht mehr regisseure dabei geblieben.
ein schweres dilemma bleibt es. der ein oder andere intelligente zuschauer fühlt sich für dumm verkauft, der der es brauchen könnte tut es als frechheit ab. insofern ist die frage berechtigt, ob provokation etwas bringt. übersetzt mit "herausforderung" vielleicht.
es ist oft erstaunlich zu sehen, dass bei schilleruraufführungen und kleistlesungen schon in der entstehungszeit sich leute provoziert gefühlt haben. die gleichen darbietungen würden vielleicht heute nur ein müdes lächeln ernten. ist es da nicht konsequent, wenn die provokation in die nächste runde geht und man versucht, auch mit "alten" stoffen neu zu erschrecken, aufzuwühlen und nach dem kern zu suchen? wenn lösch das nicht bei jedem schafft, kann ich ihm das nicht übel nehmen. ich kann in seinem hamlet wenig besserwisserei und ignoranz dem stück gegenüber entdecken. ich sehe eher kämpfende und mit der geschichte ringende menschen, die versuchen sie zu verstehen - und dabei möglicherweise scheitern. es sei ihnen gegönnt - sie haben etwas in den raum gestellt, worüber man streiten kann. das ist schon viel wert.
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