Wie es euch gefällt - Katharina Thalbach spielt die Gender-Karte aus
Wann ist ein Mann ein Mann?
von Anne Peter
Berlin, 18. Januar 2009. Diesmal also Geschlechterverwirrung andersrum. Die Idee, Shakespeare-Stücke mit reiner Männer-Crew aufzuführen, ist schließlich nur mäßig originell. Den letzten größeren Versuch hat in Berlin Michael Thalheimer zum Saisonstart mit einem gelungen verschlammten "Was ihr wollt" im Zelt des Deutschen Theaters unternommen. Und kann sich dabei – wie jeder, der diesen Besetzungsweg wählt – natürlich auf die Shakespearezeit berufen, in der Frauen die Schauspiel-Profession verboten war.
Jetzt hingegen: "Alles Weiber"! So wirbt die Komödie am Kurfürstendamm, wo man – mit gelegentlichen Ausflugsbemühungen in Richtung Hochkultur – den Boulevard pflegt, auf ihrem Plakat für Katharina Thalbachs zweite Produktion am Haus. Nach Oscar Wildes "Ernst und seine tiefere Bedeutung" inszeniert die Schalk-Expertin nun Shakespeares "Wie es euch gefällt", mit sich selbst in der Rolle des Narren Touchstone sowie in der des alten Dieners Adam. Hatte sie vor 15 Jahren, bei ihrer ersten Inszenierung der Verlieb-und-Verwirr-Komödie für das gerade schließende Schiller-Theater, noch selbst die elisabethanische Knabenschauspieler-Tradition aufgegriffen, dreht sie den Exklusivitäts-Spieß jetzt einfach um.
Skrupellose Übertreibungskunst
Nur Frauen also. Das funktioniert prima. Zumal alles Männlichkeitsgebaren dadurch in seiner Posenhaftigkeit erst so recht ausgestellt wird. Das Breitbeinige, Barsche, aufbrausend Laute, die Protz- und Stärke-Attitüden, die tiefer gelegte Polterstimme, die raumgreifenden Sitzgewohnheiten und vieles mehr von dem, wodurch sich bisweilen ein Mann als echter Mann erkennen zu geben trachtet, wird einmal mehr als Rollenverhalten erkennbar, das nur bedingt auf die physische Differenz zurückzuführen ist.
Da traktiert die barbusige Inga Busch (sonst Pollesch-Protagonistin) als Orlando im Ringkampf den unbesiegbaren Charley mit der Faust (was aus dem Off mit entsprechendem Verdresch-Geräusch unterlegt wird) oder Jana Klinges Rosalind rutscht zum Renaissance-Kleid kurz ins Kreuzberg-Prollige, als ihr die Idee der Jünglingsverkleidung kommt. Skrupellos feiert die sich auf die Gender-Komponente konzentrierende Inszenierung, von der Spielweise bis zur Ausstattung, die Kunst der Übertreibung. Und das ist über weite Strecken des dreistündigen Abends mit bunt zusammengecastetem Ensemble tatsächlich ziemlich komisch.
Unechter Gorilla in echter Begrünung
Man setzt sich genüsslich auf jede Shakespeare'sche Pointe, und erfindet eine Unzahl Requisiten- und Regieeinfälle hinzu – wobei man vor Blödigkeit in keiner Weise zurückschreckt und sich jede Menge Parkettgegluckse und Szenenapplaus abholt. Statt Subtilität herrscht hier stets derbe Deutlichkeit. Identitäten oder ähnliches geraten hier gar nicht erst groß in Verwirrung. Die elisabethanisch historisierten Kostüme (in denen man aber eben auch mal zu "Girls just wanna have fun" abhottet) rüschen und plustern um die Wette, Melonenhose, Wams und weite Hemdsärmel. Dazu Hüte mit angeklebtem Haupthaar, applizierte Bärte und weißgeschminkte Gesichter.
Wenn sich nach dem ersten Akt die Bühnenwand der Hofgesellschaft zum Wald von Arden öffnet, kreist auf zwei Drehbühnen ein künstlicher Dschungel, in dem zwischen echter (?) Begrünung auch schon mal eine Schauspielerin im Gorilla-Kostüm auftaucht. Oder ein Kölsch redender Schäfer mit Strick-Schaf. Oder eine zu Bongo-Rhythmus speertanzende Schäfer-Variation. In diesen Wald sind die aus Vienna Verbannten geflohen, drehen Plastikbroiler über Papplagerfeuern, entdecken mit Tai Chi ihr neues Ich und spielen vor allem in diversen Liebesverquickungen verschiedene Modelle der Zweisamkeit – vom Schäfer-Ideal bis zur triebrealen Lustgemeinschaft – durch.
Wippen, räkeln, masturbieren
Thalbachs so trocken wie weise schnarr-witzelnder Touchstone, der sich an den Rundungen der tumben Audrey zu laben gedenkt, steckt passenderweise in einem schwarz-rot-gestreiften, übergroßen Samtkörper, an dessen Rückseite, als untrügliches Zeichen seiner Prioritätensetzung, als "Schwanz" ein ebenfalls samtener Pimmel baumelt. Auch andere sind hier durch auffällige Schambereichsgestaltung oder Gemächtsattrappen als vornehmliche Instinktwesen charakterisiert.
Ausdrücklich nicht ausgenommen ist das Edelliebespaar Orlando und Rosalind. Kurz nachdem sie sich zum ersten Mal begegnet und einander verfallen sind, muss er sich erstmal (mit dem Rücken zum Publikum) per Turbomasturbation Erleichterung verschaffen. Und Rosalind, die ihn später als Ganymed in Männerkleidern erotisch an der verliebten Nase herumführt, bereitet für ihr erstes Date im Wald eine symbolträchtige Baumstammwippe, auf der man sich lasziv gebärden kann. Und am Ende, wenn sich alle Töpfchen und Deckelchen gefunden haben, räkelt Rosalind noch einmal im sexy Schlitz-Brautkleid die schönen Glieder durch die Äste. Die Liebe bleibt also auch hier, in unterschiedlich sublimierter Ausführung natürlich, vor allem eine Triebkraft. Das war's dann aber wahrscheinlich auch an Ernst und tieferer Bedeutung.
Wie es euch gefällt
von William Shakespeare, deutsch von Thomas Brasch
Regie: Katharina Thalbach, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüme: Guido M. Kretschmer, musikalische Einrichtung: Christoph Israel.
Mit: Andreja Schneider, Anna Thalbach, Inga Busch, Antje Brameyer, Jana Klinge, Laura Lo Zito, Katharina Thalbach, Swantje Henke, Nadine Schori, Karina Krawczyk, Jasmin Orthbandt.
www.komoedie-berlin.de
Zuletzt spielte Katharina Thalbach am Hans Otto Theater Potsdam in Petra Luisa Meyers Inszenierung von Maria Stuart.
Kritikenrundschau
Katharina Thalbachs "Wie es euch gefällt" ist für Patrick Wildermann vom Tagesspiegel (20.1.2009) ein "großer Spaß mit angeklebten Schnauzbärten und angenähten Schwänzen", allerdings müsse man feststellen, "dass sich der Erkenntnisgewinn durch den doppelten und dreifachen Rollentausch generell in Grenzen hält", weil in der Shakespeare-Komödie ohnehin "ziemliche Gleichberechtigung in Sachen Liebesblödigkeit" herrsche. Der "Affentempo"-Beginn der Inszenierung sei "furios. Sensationell geradezu". Thalbach ziehe "dieses Theater der Animositäten und Attraktionen als Commedia dell’arte-Feuerwerk auf" und lasse die Spielerinnen "bis zum Slapstick outrieren" – eine "elektrisierende Verfremdung, die einem durchaus selbstironisch und sarkastisch geschliffen den Eskapismus vorführt, der mit dieser Liebesfluchtgeschichte betrieben wird". Später begnüge sich mit einem "durchaus schauprächtigen Kunst-Forst" und lasse von nun an "Scherze statt Schärfe" gelten, führe "eine Fundusschau des Einfallstheaters" auf. "Toll gespielt" sei der Abend allerdings, "besonders von Inga Busch, die "bei ihrem Boulevardausflug als wackerer naiver Orlando eine Wucht" sei, "vibrierend vor Energie".
"Übermütig" die Übersetzung von Thomas Brasch, "frech" die Regie der Thalbach, befindet Lucía Tirado im Neuen Deutschland (20.1.2009). Sie tobe sich aus und pfeife auf Contenance. "Damit keine Zweifel aufkommen, wer die Schäden anrichtet", habe Guido M. Kretschmer die Kostüme mit männlichen Attributen geschmückt: "Je größer die Macht, desto kräftiger das Gemächt". Gier und Lust würden jedoch "nicht nur optisch enttarnt". Thalbach als Touchstone ("wie ein Bonbon mit Schwanz") und Adam übertreffe in ihrer Komik alle anderen Spielerinnen. Auch wenn "der Spaß" 180 Minuten dauere, "die Zeit fliegt".
Der "Travestie-Kniff" kenne "keinen tieferen Sinn" und diene "allein dem großen Jux", schreibt Peter Hans Göpfert in der Berliner Morgenpost (20.1.2009). "Richtig toll" findet er den Bühnenwald von Momme Röhrbein, warnt aber auch: "Achtung: kein Abend für Shakespeare-Puristen!" Bis zur Pause regiere "das reine Vergnügen, dann ist die Luft auffallend raus". Wo alles "aufs große Gelächter" hinauslaufe, kämen "Poesie, Schwermut, tatsächlicher Welt- und Liebesschmerz zu kurz". Der große "All the world's a stage"-Monolog des Jaques verpuffe bei Anna Thalbach "darstellerisch völlig". Bei ihr säße der Schwermütige "viel auf dem Nachttopf und hat wohl mehr mit Verstopfung als mit der Melancholie zu kämpfen". Auch sonst seien "die Talente im Ensemble sehr unterschiedlich verteilt". Auch bemängelt Göpfert, dass, "wo in sämtlichen Männern grundsätzlich Frauen stecken", der "changierende Zauber" von Rosalinds Verkleidung und des "psychopädagogischen Rollen-Rollen-Spiels" mit Orlando "etwas perdu" sei. Katharina Thalbach selbst sei natürlich "ihr bester Darsteller".
Nach Bekunden von Katja Oskamp von der Berliner Zeitung (21.1.2009) "quiekt man vor Vergnügen". Thalbach schmeiße "die ganze herrliche Theatermaschinerie an und flicht nebenbei noch poetische Sentenzen von heiterer Weisheit ein". Das "elfköpfige, großartige Frauenensemble" greife sich "voller Lust die Rollen", wobei besonders Inga Busch "als liebestoller Jüngling Orlando" berührt.
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das ist doch mal wieder typisch Verkopftes. Pseudo-intelektuelles Theater ist wohl gewünscht. Ihr Kommentar zeigt die typischen Vorbehalte des "Bildungsbürgertums". Ich habe jedenfalls mit vielen Freunden ein ganz andere Einstellung zu dieser gelungenen Premiere. So und nicht anders hätte William Shakespeare diese Komödie auf der Bühne sehen wollen. Interessant auch Ihre Suche nach der tieferen Bedeutung. Wenn Sie die nicht erkannt haben, wären Sie wirklich besser zuhause geblieben. Die außerordentlich gescheiten und nach wie vor aktuellen Texte Shakespeares in eine so witzige und komödiantische Inszenierung einzubinden, ist eine großartige Leistung von Katharina Thalbach. Ihre Bemerkung, das Ensemble spiele auf dem Niveau des Schülertheaters, disqualifiziert Sie endgültig. Man kann nur hoffen, dass der Mut Martin Wölffers und die großartige Leistung von Katharina Thalbach und ihrem Ensemble durch das Publikum belohnt wird. Also, nichts wie hin zur Komödie am Kudamm.
ps:bin weder tourist noch kudammfan. aber schimpfen ist ja so schön einfach- vor allem in der anonymität des netzes.
(Shakespeare darf derb und versaut sein, aber niemals plump und geistlos)
Wenn man auf der Bühne lange genug brüllt, lange genug wie ein Affe herumhampelt, oder sich zum x-ten Mal an den Plastikschwanz greift, glaubt auch der letzte Zuschauer, daß das jetzt lustig ist - und er lacht - aus Verlegenheit, peinlicher Berührtheit. Scham?
Der Vergleich mit Schülertheater (ausgenommen die Leistung der Thalbachs oder der Karrenbauer) ist definitiv eine Beleidigung für das oft engagierte und sorgfältige Schülertheater.
Diese Inszenierung ist plakativ, dilettantisch, unreflektiert, bis ins Unfassbare banal, uninspiriert, unkonzentriert, und mit aufdringlichen Gags so überfrachtet, daß einem der feine Aufbau der Geschichte abhanden kommt, kein Raum für die Entfaltung von Gefühlsnuancen entsteht. (kurz vor der Pause hält Anna Thalbach den ergreifenden Monolog über die sieben Stationen des Lebens. Zum Höhepunkt schickt die Thalbach aber Akteure in Tierkostümen auf die Bühne, die den nächsten Lacher provozieren sollen. Jeglicher Effekt versinkt abermals in belanglosem Klamauk und Lächerlichkeit)
Der Pausengong war eine Erlösung.
Es beweist sich erneut, Schauspieler sollten nicht auch noch Regie machen. In dieser Position fehlt es ihnen an dem nötigen Blick fürs Ganze.
Wer Shakespeare modern und grandios umgesetzt sehen möchte -vielleicht ein Tipp für Sie, lieber Shakesbier, oder für alle Berlin-Touristen- sollte sich die "Shakespeare Sonette" im Be nicht entgehen lassen.
@rosalinde: sie haben recht. in den 80ern mag der überdrehte stil frau thalbachs angesagt gewesen sein. heute ist aber gut 30 jahre später. das be mag furztrocken sein, die inszenierung der sonette aber in keinem fall. schauen sie sich dochmal auf youtube auszüge des artemitschnitts an, und entscheiden sie dann neu. wilson ist nie furztrocken. darsteller, kostüm, bühnenbild sind hier von einer präzision, wie ich sie gerne bei der thalbach schmerzlich vermisst habe! hier auch die dreigroschenoper empfehlenswert!
wer sich davon nicht versauen lassen will, sollte die shakespeare sonette meiden, sonst heisst es immer, "Also, im be hab ich das aber schon besser gesehen"
Ich habe die Inszenierung noch nicht gesehen, werde das aber in Bälde nachholen. Werde Ihnen dann von meinen Eindrücken berichten, habe aber keine Bange, das Thalbach nicht gegen Wilson bestehen kann.
Ihr Theaterempfinden, dass Durchschaubares langweilig ist, ist meinem exakt entgegengesetzt.
Undurchschaubares entlässt mich - da ich Theater als Sichtbarmachung, als Aufarbeitung eines Problems verstehe - unbefriedigt, gelangweilt und verärgert nach seinem Ende. Der Reiz einer noch neueren, noch hipperen Ästhetik beigewohnt zu haben, bedeutet mir gar nichts.
Ich kann mich erinnern vor einiger Zeit in diesem Forum "Prügel bezogen zu haben", weil ich genau diesen Unterschied zwischen Berliner und Wiener Publikum geortet zu haben vermeinte. Hier ist er wieder! Peymanns BE-Richard II. wird in Wien gefeiert und geliebt.
Na geh, Stefan, das ist aber jetzt nicht Ihr Ernst?!?
Ich sprach nicht davon, dass etwas als neu verkauft wird, was es schon in Berlin gegeben hat.
Im Gegenteil!!!!
Ich meinte zu beobachten, dass es in Wien nicht wichtig ist dem neuesten Trend/Ästhetik zu entsprechen, sondern dass Wiens Theatergeher mehr den durchschaubaren Inhalten und Fragestellungen zugetan sind.
Ich bezog mich da gedanklich auf ein Posting, in dem zwar nicht an der originären Qualität von Thalbach oder Wilson gezweifelt wird, sondern nur kritisiert wird, dass diese Handschriften schon seit Jahren bekannt sind und den Reiz des Neuen verlorern haben.
Es gibt in Wien natürlich auch Menschen, die gar nicht ins Theater gehen, die sich im Theater langweilen und nach dem Buffet sehnen, die ihre Nickerchen machen, Zuckerln knatschen, mit den Nachbarn tratschen, ihr Handy anlassen und sonst auch noch allerlei Kulturbanausentum. Unbestritten. Natürlich. Gibt es!
Jedesmal, wenn ich meine, der durchschnittliche Wiener Theaterbesucher sei mehr dem Wort, dem Inhalt, der Aussage und dem Vertrauten zugeneigt als immer neuen und schrilleren Ästhetiken, ein Liebhaber besonderer Schauspielkunst, besonderer stimmlicher Präsenz, will es sichtlich niemand wahr haben. Wenn aber Sie, "echter Wiener", vielleicht einmal die Statistiken anschauen, welche Inszenierungen und welche Theater voll sind, werden Sie mir trotzdem Recht geben müssen.
Und nun zu Richard II. Zumindest in 2 Richard-Vorstellungen in denen ich war, gab es so überwiegende Begeisterung, dass die Gelangweilten sichtlich untergegangen sind.
also, da müßte ich doch noch einen einwurf anbringen: ihre angeprangerten kulturbanausen möchte ich nicht gleichsetzen mit menschen, die innovatives, experimentelles, neue blickwinkel liebendes, wirklich durchdachtes, nicht althergebrachtes und verstaubtes, also einfach richtungsweisendes, in dieser zeit lebendes theater lieben!!
wenn sie einen eher konservativen, bürgerlichen "einrichtungsgeschmack" haben (und ich habe sogar mal ein foto im zuschauerraum von ihnen gesehen und traue ihnen das sehr aus diesem grunde sehr wohl zu, das ist ganz neutral gemeint..), dann sollten sie andere, etwas ausgeflipptere theatergänger neben sich - oder in andere vorstellungen gehend und diese liebend - durchaus gelten lassen...ohne von sich zu behaupten , daß SIE der alleinige wiener geschmack seien...denke ich jedenfalls, daß das angebracht wäre..
außerdem: die vorstellungen, die immer ausverkauft sind, sind nicht immer unbedingt die besten, rein künstlerisch gesehen...ich denke da nur an volksmusik (meiner ansicht nach eine totale geschmacksverirrung) und ihre unglaublichen anhängerschafts-verkaufszahlen..da ist masse nicht gleich klasse...
Es tut mir leid, dass Sie die Kulturbanause auf sich bezogen haben. So war es nicht gemeint.
Persönlich meine ich nur, dass in der Jagd nach ewig Neuem, nach dem derzeit Experimentiellsten die Gefahr einer Selbstkonditionierung liegt, die eher eine Selbstentfremdung ist und eine Geschmacks-Autosuggestion. Wenn natürlich etwas dabei ist, was wirklich gefällt, ist das natürlich besonders erfreulich.
Und mit meiner Einrichtung haben Sie eindeutig Recht: Ich möchte mich auf einen Sessel setzen, der mich trägt, in ein Bett legen, wo ich ohne Bandscheibenvorfall aufstehe etc. Ähnlich, da haben Sie Recht, mag ich es auch im Theater.
Und bei Volksmusik im Musikantenstadl schließe ich mich auch gerne Ihrer Beurteilung an.
--keine angst, ich habe es nicht persönlich genommen, sondern all die in schutz genommen, die sich neuem, abseitigem und innovativen öffnen (wollen)..
Dass Sie, Rosalinde, das BE nicht mögen, wird aus Ihren Ambitionen und den Forderungen, die Sie an eine Bühnenarbeit stellen, klar ersichtlich. Aber die im BE gezeigten Wuttke-Inszenierungen „Pfft oder der letzte Tango“ und „Gretchens Faust“ könnten doch Ihrem nach Extravaganzen verlangenden Geschmack zumindest etwas entsprechen. Diese Stücke sind kaum staubig oder abgegriffen, zuweilen sogar schrill und mit einem Anflug des Unkonventionellen daherkommend, zumindest „Tango“, vorausgesetzt freilich, Wuttke hat seine inneren Aufruhr, seine Exaltationen im Griff.
Von welchen kleineren Theatern in Berlin sprechen Sie denn? Ich habe schon etliche Off-Stücke gesehen, und falls sich jemand von der Redaktion einmal zu einer Besprechung hinreißen lässt, habe ich stets den Eindruck, der Redakteur habe auf diesem Feld noch Nachholbedarf und verlange nach einem kolossaleren Rahmen.
Das „Signa“-Projekt ist sicherlich interessant, aber bei diesem Mitmach-Theater hatte ich einmal das Gefühl, einer Totenmesse beizuwohnen: ich fühlte mich an einen Meditationskurs aus dem Jahr 1983 erinnert, den ich nach der ersten Sitzung abbrach, weil ich aus Versehen eingeschlafen war.
Sie reden von einer Thalbach-Inszenierung aus den 80er Jahren, also können Sie nicht mehr gar so jung sein: trotzdem benutzen Sie das Adjektiv „ausgeflippt“, als hätte Sie gerade das Teenie-Alter verlassen, um sich in die ekstatischen Verzückungen des Nachtlebens zu stürzen.
Immerhin haben Sie sich eine innere Frische bewahrt, Rosalinde, und werden so schnell nicht in die Ecke der Gerontokratie abgeschoben. Sie sind ja noch hungrig und entwicklungsfähig... Vielleicht betrachten Sie in ein paar Jahren Hermann Beil als eine Lichtgestalt von unwiderstehlicher Kraft.
Was das Theater anbelangt, bleibe ich auf Berlin beschränkt. Über das, was außerhalb passiert, bin ich nicht informiert bzw. ich habe nur Informationen aus zweiter Hand. In die Burg habe ich noch keinen Fuß gesetzt. Kürzlich war ich in Basel, aber da kam nur eine „Tango-Show“ – also betrat ich ein Theater in der badischen Provinz und sah sogar großes Theater. Und wo Sie überall präsent sind... Wie sagt man da noch gleich? Richtig, eine Dame von Welt.
Es geht nicht um durchschaubares oder nicht durchschaubares, innovatives oder alt bewährtes Theater, es geht um Ansätze, darum Neues zu probieren. Was ein Trend ist bestimmen andere, die meist nichts mit dem zu tun haben worum es eigentlich geht. Trends sind am Theater so vergänglich wie in der Mode oder in den Fernsehshows meinetwegen. Wer ins Theater geht um sich bespaßen zu lassen ist meist fehl am Platz und wird auch auf Dauer nicht befriedigt werden können. Es sei denn der Kommerz gewinnt auch am Theater die Überhand. Ob Ihnen nun Theater von Peymann oder sonst wem gefällt ist dabei nebensächlich. Theater in Auslastungszahlen zu messen und ob Leute gelangweilt ausschauen führt zu nichts. Sie können darin keine Allgemeingültigkeit ermessen. Wenn Sie tatsächlich das traditionelle Theater wo Sie sich im Sessel ausstrecken können und etwas geboten bekommen das Ihnen einen Wiedererkennungswert beschert, vorziehen, treten Sie irgendwann auf der Stelle. Alle Geschichten sind 100mal erzählt, die Moral ist bekannt, man weiß schon im voraus worauf es hinausläuft und kann sich bei einem Glas Sekt darauf einigen. Ich sehe keine Selbstkonditionierung darin mit neuen Stilen zu experimentieren, wenn es einer wirklichen Neuinterpretation eines Stücks dient und nicht nur einem kurzen Erfolg dient. Was heißt denn Selbstentfremdung, Aufgabe irgendwelcher Traditionen? Hängen sie wirklich auf ewig bestimmten Stilen an? Der Gefahr einer Suggestion setze ich mich gerne aus. Ich kriege das dann aber mit etwas Verstand wieder relativiert. Letztendlich ist die Ästhetik nicht entscheidend, sondern wie Sie so schön sagen die Aussage. Das hat aber nichts mit Vertrauen sonder mit Zutrauen zu tun.
Würde auf jeden Fall nochmal gehen.
P H Ö B E !
Zickenterror, nein Sir, Frauenpower, ja Sir.
Wer sich da noch freiwillig im BE mit schön aufgesagten Shakespeare-Versen langweilen lassen will, dem ist nicht mehr zu helfen. Katharina Thalbach brauch den Vergleich nicht zu fürchten. Und alle Zweifler können es ja mit Shakespeare halten:
„Ich beschwöre euch, ihr Frauen, bei der Liebe, die ihr für Männer hegt, laßt euch an dem Stück so viel gefallen, wie euch gut dünkt; und ich beschwöre euch, ihr Männer, bei der Liebe, die ihr zu Frauen hegt ... laßt Freude an dem Spiel zwischen euch und den Frauen obwalten.“ In dem Sinne, Wie es Euch gefällt.
Girls Just Wanna Have Fun, leider nur noch bis Sonntag.