Brauchtum verpflichtet?

30. August 2024. Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie dann in Brandenburg hat sich Peter Laudenbach von der Süddeutschen Zeitung die Wahlprogramme der AfD angesehen.

"Entweder hat Kunst der Brauchtumspflege und dem Heimatgefühl zu dienen, oder sie wird, etwa bei den Theatern, unter Generalverdacht gestellt", lautet seine Zusammenfassung. Autonomie der Kunst, Mehrdeutigkeiten, Widersprüche sind nicht im Sinne der in Teilen gesichert rechtsextremistischen Partei: "Kulturelle Bildung und kulturelles Schaffen formen Identität. Sie wirken der Entwurzelung entgegen", stehe im Wahlprogramm der AfD Thüringen.

Gegenwartskultur – also Volkskultur, im Gegensatz zur "sogenannten Hochkultur" – baue für die AfD stets auf einem "Erbe" auf: In Brandenburg fühle sie sich etwa dem "Erhalt unseres Brauchtums wie Trachten, Sagen und Gedichte" verpflichtet. "Bei einer Partei, dessen Vorsitzender zwar Gedichte im Schulunterricht fordert, dann aber auf Nachfrage kein einziges Gedicht nennen kann, muss man sich vielleicht nicht wundern, wenn Lyrik großzügig der Folklore zugerechnet wird", kommentiert Peter Laudenbach.

Verdächtiger Theaterbetrieb

Mit dem „gereizten Misstrauen der AfD“ müssten insbesondere die Theater rechnen: "Egal ob in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg, in keinem Wahlprogramm fehlt die Unterstellung, der Kulturbetrieb und vor allem die öffentlich getragenen Theater seien ideologisiert." Politische Propaganda und Staatskunst unter der Flagge der Kunstfreiheit wirft vor allem die AfD Thüringen dem Theater vor. Der Ideologie-Verdacht diene der Feindbildmarkierung, so die SZ: "Der ganze zeitgenössische Theaterbetrieb scheint der AfD etwas suspekt zu sein."

Und so fordert die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag, die Förderpraxis "grundlegend zu überdenken und den Kulturbetrieb von seinen ideologischen Fesseln zu befreien". Die bislang übliche durch Steuergelder finanzierte Förderung von Theaterkarten etwa solle an der tatsächlichen Nachfrage der Besucher orientiert werden. "Das ist eine unverhohlene Drohung: Theatern, die nicht dem AfD-Geschmack der Brauchtumspflege entsprechen und ihren Beitrag dabei leisten, nationale 'Identität zu bewahren', sollen, geht es nach der AfD, Zuwendungen gestrichen werden", fasst Peter Laudenbach zusammen. "Damit zielt die AfD unter umgedrehtem Vorzeichen genau auf die Ideologisierung des Theaters, die sie den weltoffenen, liberalen Bühnen vorwirft."

(Süddeutsche Zeitung / eph)

Kommentare  
Medienschau AfD & Kultur: After Solidarity
Eine Kollegin aus Dresden ruft an. Solidarität sei ein so abgedroschener Begriff, leider, aber jetzt bräuchten sie dringend mehr Gemeinsamkeit. Sie ist da, die Angst, dass man sich die Mauer zurückfantasiere. Sie aufgäbe - den Osten, das Problem.
Ich wundere mich, dass die beiden letzten Meldungen in diesem Forum ganz unkommentiert bleiben. Zu so vielem haben so viele eine starke Meinungwut. Die Frage, welche Konsequenzen eine autoritär-populistische Politik in Sachsen und
Thüringen für die Kultur und insbesondere die Theater hätte, löst hier keine Debatte aus. Keine Ideen: Was wäre zu tun? Was unsere Aufgabe? Wie können wir unsere Kolleg:innen unterstützen in ihrer zunehmend schwierigen Arbeit? Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Energien hier mobilisieren, statt über alberne "Bestenlisten" zu streiten.
Medienschau AfD & Kultur: Ostquote statt Frauenquote
Vielleicht sollte das Theatertreffen mal ihre Frauenquote ruhen lassen zugunsten einer Ostquote?! Wäre meiner Meinung nach gerade wichtiger den Osten mal zu zeigen.
Medienschau AfD & Kultur: Reaktionär
Wäre meiner Meinung nach ganz schön reaktionär, jetzt (auf einmal!) eine "Ost-Quote" einzuführen. Wie würde das laufen? Müsste man vor der Wende im Osten geboren sein? Reicht ein Elternteil mit "Ost-Hintergrund"? Oder gelten nur zwei? Naja, ich glaube die Schwierigkeit wird klar. Abgesehen davon, dass es keinen Grund gibt, diese zwei Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Nein, in der Kunst im Osten geht's jetzt um was viel banaleres: Kohle. Und zwar vor Ort. Die Arbeit des Thüringer Theaterverbands steht auf der Kippe, die Arbeit von freien Künstler:innen natürlich sowieso. Wo trifft sich die demokratische Bürger:innenschaft in Thüringen in den kommenden Jahren/Jahrzehnten? Wie kann diese Arbeit erhalten werden, wenn Kommunen es nicht tun? Aufgabe aus allen anderen Bundesländern muss sein, hinzuschauen, zu solidarisieren, mit eigenen Produktionsmitteln zu kooperieren, und nicht zuletzt - daraus zu lernen. Es ist zu befürchten, dass Thüringen nur ein Anfang ist.
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