In akustischer Gesellschaft

Düsseldorf, 12. März 2009. Der Hörspielpreis der Kriegsblinden geht in diesem Jahr an Paul Plamper. Wie die Filmstiftung NRW heute mitteilte, erhält er die Auszeichnung für sein Hörspiel Ruhe1. Die Arbeit, eine Koproduktion von WDR und dem Museum Ludwig, war von Oktober 2008 bis Januar 2009 als Toninstallation im Museum Ludwig zu hören, wo es als "begehbares" Hörspiel ausgestellt war. Die Über­arbeitung der Installation in ein lineares, sendetaugliches Hörspiel wurde von der Filmstiftung gefördert. Am 15.12.2008 wurde das Hörspiel im WDR urgesendet.

Die Jury, unter Vorsitz der Autorin Anna Dünnebier, begründet ihre Entscheidung wie folgt:

"Paul Plamper inszeniert ein akustisches Gesellschaftsbild. Wie reagieren verschiedene Gruppen auf einen alltäglichen Konflikt? Das Publikum eines Cafés beobachtet, wie draußen ein Mann eine Frau verprügelt. Was tun? Sich einmischen? Darauf warten, dass es jemand anders macht? Sich heraushalten?

Plamper stellt das moralisch hochbrisante Thema ohne moralische Attitüde dar. Er lässt uns in die Gespräche an den Cafétischen und dadurch in ein Dutzend Lebensgeschich­ten eintauchen. Bewundernswert, wie er Sprache und Denkweise der verschiedenen Milieus lebendig macht, aus denen sich die jeweilige Art der Rechtfertigung für das eigene Verhalten ergibt. Das hat er dem Leben abgeguckt. Und hat es nicht ohne Ironie und Komik dargestellt.

Die Gleichzeitigkeit der Gespräche an den verschiedenen Tischen wird kunstvoll in den linearen zeitlichen Ablauf eines Hörspiels gebracht. Plamper schafft akustische Signale, vernetzt die jeweilige Szene mit schon bekannten Gesprächsfetzen vom Nachbartisch. Man erkennt wieder, weiß wo man ist und ist schon mittendrin. Den großartigen Sprechern kommt Plampers Arbeitsweise zugute, aufgrund von Vor­lagen und Stichworten zu improvisieren. Sie gewinnen dadurch einen hohen Grad an Authentizität und Glaubwürdigkeit. 'Ruhe 1' behandelt ein aktuelles sozialkritisches Thema und ist dabei durchaus gute Unterhaltung. Es ist ein hochartifiziell gebautes Stück, das unmittelbar emotional zu­gänglich ist. Ein Hörspiel für Experten der Radiokunst und für großes Publikum."

Paul Plamper begann seine Regiearbeit 1992 am Berliner Ensemble als Assistent von Peter Zadek, Heiner Müller, Robert Wilson u. a. Für den WDR realisierte Plamper Hörspiele im Grenzbereich zwischen Literatur und Musik, z.B. "Hüttenkäse", "Stopper" und "Top Hit leicht gemacht", das den Prix Europa 2002 gewann. Außerdem: "Henry Silber geht zu Ende", "Dramat Mixe 05" und das Gefangenenprojekt "Release". 2005 bis 2007 kuratierte er die Hörspiel-Veranstaltungsreihen Hörspielzentrale (HAU, Berlin Kreuzberg) und Hörspielpark (Theater Freiburg). Seit 2005 konzipiert Plamper zunehmend räumliche Hörspiele. Er arbeitet an einer eigenen Form der begehbaren Hörspiel-Skulptur. "Ruhe 1" ist der Auftakt zu einer Serie von Arbeiten, die einen oder mehrere Momente der Ruhe zum Ausgangspunkt und Zentrum haben. Seit 2008 erscheinen alle Hörspiele Plampers auch als CD und MP3 auf der eigenen Ver­triebsplattform www.hoerspielpark.de.

(sik)

 

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