1. Februar 2011

Wählen Sie die wichtigste Inszenierung des vergangenen Jahres!

Hier veröffentlichen wir eine Vorschlagsliste mit 38 Inszenierungen (samt kurzer Begründung), die von den nachtkritik-KorrespondentInnen als die wichtigsten der letzten zwölf Monate nominiert worden sind. Nominiert werden konnten Produktionen, deren Premiere im Zeitraum vom 27. Januar 2010 bis 26. Januar 2011 lag.

Vom 1. bis 10. Februar 2011 haben die Leserinnen und Leser von nachtkritik.de die Möglichkeit, ihre Stimme für 1 bis 10 Inszenierungen dieser Liste abzugeben (dazu einfach 1 bis 10 Inszenierungen anklicken).

Die 10 Inszenierungen mit den meisten Stimmen werden gelobt und gepriesen und bilden die Auswahl des virtuellen nachtkritik-Theatertreffens 2011.

Die alphabetisch gereihten Vorschlägeder Korrespondenten für das nachtkritik-Theatertreffen 2011 (zur Abstimmung bitte nach unten scrollen):

 

{slide=1. Alles nur der Liebe wegen, Projekt von Andreas Kriegenburg,
Münchner Kammerspiele, Regie: Andreas Kriegenburg, Nachtkritik vom 4. Dezember 2010}
Das meistbehandelte Thema der Weltliteratur als frisch aufleuchtendes Impro-Mosaik. Was Kriegenburg und das schlichtweg wunderbare Kammerspiele-Ensemble da an aufgelockertem Tiefsinn erarbeitet und gebündelt haben, ist von einer unglaublich heiteren Elegie erfüllt. Auf Augenzwinker-Höhe mit den besten Marthaler-Abenden.{/slide}


{slide=2. Axolotl Roadkill, nach Helene Hegemann,
Thalia Theater Hamburg, Regie: Bastian Kraft, Nachtkritik vom 21. November 2010}
Aus einer mit attitüdenhafter Verzweiflung überfrachteten Vorlage wird ein federleichter, mitreißender, beglückender Abend über die Freiheit des Spiels und der hymnischen Selbstpräsentation. Kostüme, Requisiten, Musik und Schauspieler makellos.{/slide}


{slide=3.Das Prinzip Meese, Oliver Kluck,
Maxim Gorki Theater Berlin, Regie: Antú Romero Nunes, Nachtkritik vom 8. Februar 2010}
In seiner Uraufführung poliert Antú Romero Nunes Oliver Klucks nicht eben genialen Text zu eineinhalb Sternstunden auf: Den bauchnabelbeschauenden, stets ironisch getönten Ennui der Generation Praktikum macht er spürbar, wenn sich Anika Baumann und Michael Klammer in ihrem Bühnen-Kinderzimmer austoben. Dass einem die zwei Darsteller in diesem Un-Stück nicht nur ans Zwerchfell, sondern auch ans Herz gehen, ist ein veritables Theaterwunder.{/slide}


{slide=4. Das Werk / Im Bus / Ein Sturz, Elfriede Jelinek,
Schauspiel Köln, Regie: Karin Beier, Nachtkritik vom 29. Oktober 2010}

Ein Katastrophen-Slapstick, denn das Unglück ist auch ein fauler Witz. Mit Elfriede Jelineks "Das Werk / Im Bus / Ein Sturz" erreicht die Uraufführungs-Regisseurin Karin Beier wiederum neue Ufer. Es wechseln Stimmungsbögen vom Weichgespülten zum Gehärteten, vom leichtfüßig Soubrettenhaften zum massiven Einsatz – und sind in jeder Facette scharfsinnig, beklemmend virtuos, souverän und wirkungssicher geführt. Dabei wird der Kölner Archiv-Ein-"Sturz" fast zur reinen Farce: die Katastrophe als Büro-Satire. Und ist doch auch elementares Ereignis. Theater als Naturgewalt.{/slide}


{slide=5. Der Heiler, Oliver Bukowski,
Deutsches Theater Berlin, Regie: Piet Drescher, Nachtkritik vom 9. Januar 2011}
Oliver Bukowski provoziert mit der wohl begründeten Behauptung, niemand müsse seelisch krank sein, um sich, an unserer Gegenwart verzweifelnd, das Leben zu nehmen. Das Zusammenwirken von Dramatiker, Regisseur, Ausstatter und Hauptdarsteller führt zu einer bewundernswerten, in sich geschlossenen Aufführung, die das Publikum mit nicht enden wollendem, begeistertem Beifall honorierte – zu Recht.{/slide}

 

{slide=6.Der Zauberberg, nach Thomas Mann,
Centraltheater Leipzig
, Regie: Sebastian Hartmann, Nachtkritik vom 6. November 2010}
Sebastian Hartmann gelingt es, die Stärken des monumentalen Romans mit den Stärken seiner Regiehandschrift zu kombinieren. Er inszeniert episch und doch anarchistisch, narrativ und doch verspielt, unendlich lang und doch sehr kurzweilig. Als Kochduell kongenial in Bühnen- und Bildsprache übersetzt – die Diskurse zwischen Naphta und Settembrini.{/slide}

 

{slide=7.Die Heimkehr des Odysseus, nach Claudio Monteverdi,
Schaubühne Berlin
, Regie: David Marton, Nachtkritik vom 22. Januar 2011}
David Marton nimmt Monteverdis Oper "Heimkehr des Odysseus" zum Anlass für ein wundersam buntes Stilgemisch, eine musikalische Forschungsreise, ein schräges Sammelsurium aus Ernst und Unernst, zusammengehalten von einem somnambulen Rhythmus des Wartens und einer großartigen Jule Böwe.{/slide}

 

{slide=8. Die Labdakiden, Sophokles, Aischylos und Euripides,
Schauspielhaus Bochum, Regie: Roger Vontobel, Nachtkritik vom 9. Oktober 2010}
Roger Vontobel fasst die vier antiken Dramen zum modernen Familien- und Politik-Drama zusammen, zu einem Tableau der Schicksalsgebeutelten und Machtverdorbenen, ohne einer sprachlichen Verflachung zu verfallen. Im Gegenteil: Er setzt auf die Sprache der alten Griechen, erspürt die Allgemeingültigkeit der Texte. Das ist spannend, trotz einiger schwächerer Szenen, dicht, unerbittlich und unbedingt bemerkenswert.{/slide}

 

{slide=9. Die Räuber, Friedrich Schiller,
Schauspiel Bremen, Regie Volker Lösch, Nachtkritik vom 27. Februar 2010}
Volker Lösch verkürzt den alten Klops nicht nur um entscheidende Längen, sondern übersetzt auch den Konflikt darin überzeugend in die Bremer Gegenwart – in einem tollen Bühnenbild dazu.{/slide}


{slide=10. Don Carlos, Friedrich Schiller,
Staatsschauspiel Dresden, Regie: Roger Vontobel, Nachtkritik vom 27. März 2010}

Nicht jede interpretatorische Wendung leuchtet ein, aber: die psychologische Dichtheit, die schneidende Präsenz, die Selbstaufgeklärtheit der Spielweise. Keiner wickelt hier seine Sätze einfach als Figurenbeiwerk ab, keiner flüchtet sich in routinierte, abgehangene Gesten. Ein intensives Denk- und Schaustück.{/slide}

 

{slide=11. Don Carlos, Friedrich Schiller,
Thalia Theater Hamburg
, Regie: Jette Steckel, Nachtkritik vom 22. Januar 2011}
Ein großer Abend, ein langer fast vierstündiger Abend, ein verstörend ambivalenter Abend – verstörend, weil aufrührerisch, aber dabei so unaufdringlinglich (soweit man das im Theater überhaupt behaupten kann) –, ein Abend voller Knutschereien, Kabbeleien, Tränen, Blut und einem bunten, wilden, schiller'schen Salat voller Intrigen. Jette Steckels "Don Carlos"-Inszenierung im Thalia Theater gerät zum Ereignis, zum gigantischen Kabinettsstückchen besonderer Güte. Zwar ins Heute hinüber gehievt – sozusagen als "Zeitstück" begriffen –, aber trotzdem immer noch im Schiller'schen Grundton. Vielleicht als eine Art "respektvolle Versachlichung" zu begreifen.{/slide}


{slide=12.Ein Volksfeind, Henrik Ibsen,
Theater Biel-Solothurn, Regie: Katharina Rupp, Nachtkritik vom 14. Januar 2011}
Es gelingt Katharina Rupp auf überzeugende Weise, das Geschehen in die aktuelle Gegenwart zu versetzen, ohne dass dabei die Sprache und die dramatische Wucht der ibsenschen Vorlage geschmälert würden. Zudem verfügt sie über ein Ensemble, dem die Rollen wie auf den Leib geschneidert erscheinen. Das alles hat zur Folge, dass das Publikum sich unmittelbar angesprochen fühlt und sich in die Aufführung einbringt, als nähme es an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Demokratie in der Schweiz teil. Die Aufführung ist noch bis Ende Februar in Solothurn und Biel zu sehen.{/slide}


{slide=13.Faust, Johann Wolfgang Goethe,
Schauspielhaus Bochum, Regie: Mahir Günsiray, Nachtkritik vom 4. Dezember 2010}
In der Kürze muss nicht immer die Würze liegen, aber eine nur gut dreistündige Inszenierung von Faust I und II, die nicht den Faden verliert und so geschickt das Nötige aus dem großen Konvolut zusammenmontiert, dass ein rund erzählter Abend entsteht, muss man erst einmal hinbekommen. Dem türkischen Regisseur Mahir Günsiray gelingt das in Bochum ohne erkennbare Mühe, und es war vielleicht gerade die Unangestrengtheit der Regie in Relation zum vermeintlich ach so großen Stoff, die manchen Kritiker polternd zweifeln ließ. Ein äußerst homogenes Ensemble, in dem sich Einzelne auch dann nicht chargierend ausbremsen, wenn sie in verschiedene Rollen schlüpfen müssen, trägt zu einer packenden Aufführung bei.{/slide}


{slide=14. Hamlet, William Shakespeare,
Thalia Theater Hamburg, Regie: Luk Perceval, Nachtkritik vom 18. September 2010}
Eine Inszenierung, die Hamlets inneres Zerwürfnis nicht nur neu sichtbar macht, sondern auch offen ist für die Kräfte im Rhythmus von Leben und Vergehen. Mit einem verdoppelten Hamlet in Person zweier Schauspieler, Jörg Pohl und Josef Ostendorf, einem jungen tatbereiten und einem trägen, alle Energien bindenden Hamlet. Es wirkt lange nach, wie das Selbstgespräch der beiden Köpfe die Möglichkeiten von Befreien und Verschanzen noch kennt, während ihre Körper im Strickhemd feist verschmolzen sind. {/slide}


{slide=15. Hotel Savoy, nach Joseph Roth,
Münchner Kammerspiele, Regie: Johan Simons, Nachtkritik vom 7. Oktober 2010}
Großartiges, aber wenig eitles Schauspielertheater, in dem Steven Scharf und André Jung brillieren. Die Dramaturgie ist besonders hervorzuheben, da sie der Erzählung Roths ungeahntes Potential für die Bühne entlockt, die Johan Simons kongenial in Szenen und Bilder übersetzt. Dann noch Bert Neumanns morbider Gefühlsraum für eine untergehende Epoche: toll.{/slide}


{slide=16. Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten, Christian Kracht,
Koproduktion Staatsschauspiel Stuttgart und Maxim Gorki Theater Berlin, Regie: Armin Petras, Nachtkritik vom 2. Juli 2010}
Armin Petras erzählt den Kracht'schen Fantastik-Roman – die Schweiz ist eine von Lenin gegründete, nach 100 Jahren Krieg völlig erstarrte Sowjetrepublik – als düsteres Alptraum-Szenario. Mit Lichtblitzen im Dunkeln, Helikopter-Lärm und Brutalo-Rhythmen aus dem Off skizziert Petras eine Welt der versteinerten Ideale, eine Welt ohne Hoffnung – das Ende der Geschichte. Der Regie gelingt es, Theater, Video, Musik, Tanz und Puppenspiel zu einem atmosphärisch vibrierenden Erzählstrom zu verquicken.{/slide}


{slide=17.König Ödipus, Sophokles,
Staatsschauspiel Dresden, Regie: Tilmann Köhler, Nachtkritik vom 20. November 2010}
Das klassische (Selbst-)Aufklärungsstück ist in Dresden Sprechoper und moderne Machtstudie. Aus Hölderlins marmorener Versübersetzung hat Regisseur Tilmann Köhler ein Klangerlebnis geschaffen, das nah an der Unverständlichkeitschwelle entlang schrammt und doch nie hermetisch wird. Denn in Christian Friedel als Ödipus lächelt das Antlitz moderner Macht: nicht herrisch, sondern beherrscht, nicht autoritär, sondern kollegial, nicht dogmatisch, sondern um Unterstützung werbend. So biegsam entwirft sich ein Macher nach dem Ende der Disziplinargesellschaft.{/slide}

 

{slide=18. Minna von Barnhelm, Gotthold Ephraim Lessing,
Schauspiel Frankfurt
, Regie: Jorinde Dröse, Nachtkritik vom 25. September 2010}
Minna als Boulevardtheatersternchen. Sehr heutig und sehr witzig. That swings so cool and sways so gently.{/slide}

 

{slide=19. Nach Moskau! Nach Moskau!, nach Anton Tschechow,
Volksbühne Berlin, Regie: Frank Castorf, Nachtkritik vom 25. Mai 2010}

In seiner brachial komischen Tschechow-Variation, für die ein Teil des legendären Ensembles an die Volksbühne zurückkehrte, reißt Castorf die Hysterie-Abgründe unter den drei Schwestern auf und lässt in greller Sichtbarkeit hervorbrechen, was unter der Oberfläche brodelt: Lebensverzweiflung, Schwägerinnen- und Ehemannsekel, Klassen-Hass. Wir schauen ohne Benimm-Schleier auf blank gelegte Nerven, auf die panische Angst Absturz-gefährdeter Oberschichtler. Mit der Einmontage der "Bauern" zeigt er die Kehrseite der feingeistigen Drei-Schwestern-Welt, deren Proll-Paranoia zum Zerrbild heutiger Unterschichtenangst wird – ein scharfer Kommentar auf unsere auseinanderdriftende Gesellschaft.{/slide}

 

{slide=20. Narbengelände, Anne Habermehl,
Theater Gera-Altenburg, Regie: Anne Habermehl, Nachtkritik vom 8. Oktober 2010}
Mit kurzen, prägnanten Szenen zeichnet Anne Habermehl Menschen und ihre Verletzungen, Versäumnisse und Träume. Ein lakonischer und unaufgeregter Text über Lebensbrüche, in dem das Unglück nur in Nebensätzen erscheint. Und so hat Habermehl es in ihrem Regiedebüt mit wunderbaren Schauspielern auch inszeniert.{/slide}

 

{slide=21. Papperlapapp, Christoph Marthaler,
Festival d'Avignon, Nachtkritik vom 7. Juli 2010}
Papperlapapp gibt den Katholizismus im 21. Jahrhundert, in dem der Papst eine Rückkehr des Glaubens behauptet, dem Gelächter preis. Bühnenbildnerin Anna Viebrock bezieht den Spielort, den Papstpalast in Avignon, in ihre Raumkonzeption ein. Wie dieses mittelalterliche Bauwerk inmitten einer Stadt unserer Gegenwart steht die katholische Kirche fremd, vor allem aber obsolet inmitten des 21. Jahrhunderts.{/slide}


{slide=22. Paris, Texas, nach Sam Shepard und Wim Wenders,
Centraltheater Leipzig, Regie: Sebastian Hartmann, Nachtkritik vom 8. Mai 2010}

Die Inszenierung von Sebastian Hartmann nach dem Film von Wim Wenders und dem Drehbuch von Sam Shepard ist vor allem eins: souverän. Sie nutzt die Vorlagen von Film und Text, wann und wo und wie sie jeweils eins oder das andere braucht, um Schritt für Schritt zur ganz und gar theatralischen, bühneneigenen Geschichte zu gelangen; mit sicherem Timing zwischen Erregung und Erschöpfung, Verhüllung und Entblößung, Zauber und Alltag. Fabelhaftes Ensemble, feine Inszenierung – ein Abend zum Glücklichsein.{/slide}


{slide=23. Peer Gynt, Henrik Ibsen,
Theater Luzern, Regie: Thorleifur Arnarsson, Nachtkritik vom 14. Oktober 2010}
Thorleifur Arnarsson und der Dramaturg Ulf Frötzschner haben Ibsens Riesenstoff in einer stringenten Fassung überzeugend gebändigt und für das "Gyntsche Heer von Wünschen, Lüsten und Begehr" einen lebendigen Kosmos entwickelt: Vytautas Narbutas' ausdrucksstarker Bühnenraum, ein einst eleganter Salon, in dem der Stuck bröckelt und das Dach leckt, wird zu Meer, Bergen und Haus. Der Abend besticht mit sinnlicher Kraft, mitreißender Energie und einer einzigartigen, auch Gérard Clevens Beleuchtung zu verdankenden Atmosphäre.{/slide}

 

{slide=24. Peking Opel, René Pollesch,
Akademietheater Wien, Regie: René Pollesch, Nachtkritik vom 30. Mai 2010}
Im Stück heißt es: "Vielleicht sollte ich lieber dazu übergehn, mich mit dem zu beschäftigen, womit ich mich sowieso gerade beschäftige. Dann bräuchte ich auch keine Muse. Oder so etwas Belangloses wie Inspiration." Das haben Schauspieler wie Zuschauer wörtlich genommen: Die einen (u.a. Martin Wuttke, Catrin Striebeck, Marc Hosemann) haben sich voll reingehängt und die anderen sind voll mitgegangen. Polleschs wilde Worte haben einem das Hirn kräftig umgerührt. Das hat sehr gut getan. Insgesamt eine herrlich anarchische, witzige Aufführung: Kindergeburtstage, die charmant entgleiten. Ein Schelm, wer hier die Sinnfrage stellt. Man freut sich, wenn man die Anspielungen erkennt: Habe ich diese Szene nicht mal in einem alten Film gesehen?{/slide}

 

{slide=25. Perfect Happiness, Charles den Tex und Peter de Baan,
Theater Biel-Solothurn, Regie: Max Merker, Premiere: 19. September 2010}
Intelligentes Stück am harten Puls der Zeit – menschliche Machenschaften auf dem heutigen Wertschriften- und Liebesmarkt. Irgendwo zwischen präzisem Klamauk und düstersten Abgründen angesiedelt und ebenda auch inszeniert, vor allem aber sehr genau interpretiert und mit überzeugender Spiellust an die Zuschauerin getragen von einem begeisterten Ensemble. (Zu dieser Inszenierung gibt es keine Nachtkritik).{/slide}

 

{slide=26. Prinz Friedrich von Homburg, Heinrich von Kleist,
Prinz-Regent-Theater Bochum, Regie: Sibylle Broll-Pape, Premiere: 26. Mai 2010}
In der Inszenierung wird der Text überzeugend mit einem breiten Arsenal zeitgenössischer Ausdrucksmittel konfrontiert, ohne dabei gewollt zu wirken. Vielmehr wird eben dadurch die Zerrissenheit von Kleists Hauptfigur zwischen Patriotismus und Liebe deutlich und der Kleist'sche Witz geht auch nicht verloren. (Zu dieser Inszenierung gibt es keine Nachtkritik).{/slide}

 

{slide=27. Ruf der Wildnis, nach Jack London,
Münchner Kammerspiele
, Regie: Alvis Hermanis, Nachtkritik vom 8. Oktober 2010}
Eine vordergründig so leise, bescheiden herzliche Inszenierung hat selten so zwiespältige, extreme und irritierte Reaktionen hervorgerufen. Die unauffällig-abgründige Ästhetik und der platt-tiefe Inhalt sind untrennbar verwoben und treffen das (Münchner) Bürgertum unerwartet heftig. Dabei brillieren die belgischen Schauspieler Kristof Van Boven und Benny Claessens, mit denen Johan Simons endlich mehr Typen in die Kammerspiel-Verwandlungs-Truppe geholt hat.{/slide}


{slide=28. Shoot / Get Treasure / Repeat, Mark Ravenhill,
Theater Osnabrück, Regie: Marie Bues, Nachtkritik vom 11. Dezember 2010}
Die Vielzahl an Szenen aus Ravenhills "Shoot / Get Treasure / Repeat" hat Regisseurin Marie Bues geschickt und mit Mut zum Experiment teilweise neu kombiniert. In vielen Bildern findet sie ihren eigenen, stets mitreißenden Zugang zu dem Stück und scheut dabei weder Humor noch krassen Realismus. Eine bemerkenswert virtuose Inszenierung.{/slide}


{slide=29. Stallerhof, Franz Xaver Kroetz,
Burgtheater Wien, Regie: David Bösch, Nachtkritik vom 10. Dezember 2010}
Zugegeben, der Stoff ist abgehalftert: Die Inszenierung gewinnt nicht dank der Ausweich-Pirouetten, die sie rund um Schuldzuweisungen dreht, die so einem Sozialtheater anhaften, sondern weil Sarah Victoria Frick und Johannes Krisch so ein großartiges Schauspiel-Gespann sind. Manchmal vorm Spiegel probier' ich an Autismen, um sie nach Sarah V. Fricks Vorbild zustandezubringen.{/slide}

 

{slide=30. Supernova (wie Gold entsteht), Philipp Löhle,
Nationaltheater Mannheim, Regie: Cilli Drexel, Nachtkritik vom 15. Januar 2011}

Es wird auf höchst amüsante Weise vorgeführt wie Kapitalismus mit seinen Gewinnversprechungen die Menschen um ihren Verstand bringt. Die Farce der Farce vom Spekulationsfieber unserer Zeit. Voll Witz und Spannung, hervorragend inszeniert. Die Sprache braucht sich vor der des alten Karl Marx nicht zu verstecken.{/slide}

 

{slide=31. Testament, She She Pop nach William Shakespeares King Lear,
Hebbel am Ufer Berlin, Regie: She She Pop, Premiere am 25. Februar 2010}

Wie viel Privatheit verträgt die Bühne? Sehr viel, man kann es hier erleben. Für alle, die sich nicht weglügen wollen über das, was zu erwarten steht, die versuchen, Alter, Siechtum, Schmerz und Demenz bei den eigenen Lieben ins Aug' zu sehen – für alle, die im Theater etwas erleben wollen, was mit uns zu tun hat, unmittelbar, erbarmungslos, lästig und unglaublich berührend, ist "Testament" die Aufführung der Wahl.{/slide}

 

{slide=32. The Thrill of it all, Forced Entertainment,
PACT Zollverein/ Essen, Regie: Tim Etchells, Nachtkritik vom 19. Mai 2010}

"The Thrill of ist all" ist eine Zumutung von Gegenwartsanalyse, in der das Subjekt unter Vorspiegelung falscher Träume seine Haut zu Markte tragen muss. Monströs und doch allzu bekannt werden auf dieser großen Party mit Minikleidchen und Spiegelkugel die Glücksversprechen des Kapitalismus durchdekliniert, der kein Außen kennt. So steckt ein bodenloser Schrecken in jeder Minute dieses gnadenlos gut gelaunten Abends zwischen Disco, TV-Show, Familiencouch und Zirkusnummer.{/slide}


{slide=33. Tod eines Handlungsreisenden, Arthur Miller,
Schauspielhaus Zürich, Regie: Stefan Pucher, Nachtkritik vom 17. September 2010}
Stefan Pucher inszeniert seinen Zürcher "Tod eines Handelsreisenden" ganz aus der Zeit heraus: aus den US-amerikanischen Nachkriegsjahren mit ihren filmreifen Träumen von Wohlstand, Erfolg, gesellschaftlichem Aufstieg - als großartiges Melodram und von Beginn weg eine Scheinwelt, dekonstruiert im Blick des Zuschauers, der sich auf sieben Spielstätten verteilt und immer zwischen Film und "echtem" Leben im falschen entscheiden muss. Es ist hinreißend, Puchers wandelnden Perspektiven zu folgen, aus der Totalen ins Close-up, aus der wissenden Distanz in eine skeptische Direktheit.{/slide}


{slide=34. Vatermord, Arnolt Bronnen,
Centraltheater Leipzig, Regie: Robert Borgmann, Nachtkritik vom 16. September 2010}
Robert Borgmann greift Motive Arnolt Bronnens auf, weitet aber das Thema vom sohntyrannisierenden Vater auf den Konflikt zwischen "Ich" und "Wir" aus. Die dichte, anspielungsreiche Inszenierung holt den Zuschauer unmittelbar hinein in die innerfamiliäre Druckkammer und das kollektive Korsett, die es dem zarten Pflänzlein Freiheit so schwer machen. Borgmanns intellektuelle Tiefenbohrungen durch Zeit(-Ge-)Schichten gelingen durch spannende Perspektivenwechsel und das genaue Hinsehen des Regisseurs.{/slide}


{slide=35. Verrücktes Blut, Nurkan Erpulat und Jens Hillje frei nach "La Journée de la Jupe" von Jean-Paul Lilienfeld,
Koproduktion Ruhrtriennale und Ballhaus Naunynstraße Berlin, Regie: Nurkan Erpulat, Nachtkritik vom 2. September 2010}
Nicht, weil das Thema in Nach-Sarrazin-Zeiten gerade in ist, sondern weil hier auf intelligent-witzig-luzide Weise Meinungen und Urteile, Haltungen und Vorurteile, Verhalten und Nichtverhalten dem Zuschauer so vorgespielt werden, dass er zwischen Einverständnis, Protest und Irritation zum Selber-Denken gezwungen wird. Eine Aufführung, die in allen Bereichen großartig ist: dramaturgisch, politisch-inhaltlich, inszenatorisch und schauspielerisch (aus dem wunderbaren und homogenen Ensemble noch herausragend: Sesede Terziyan).{/slide}

 

{slide=36. Was Ihr wollt, William Shakespeare,
Staatstheater Stuttgart, Regie: Christian Weise, Nachtkritik vom 23. November 2010}
Christian Weise inszeniert Shakespeares "Was ihr wollt" als rasante, wirklich lustige Slapstickkomödie, die ihr Tempo auch dank des spielwütigen Ensembles bis zum Schluss halten kann. Aber auch beklemmende, reflektierende Augenblicke kommen nicht zu kurz. Sehr originell sind Julia Oschatz' Videoanimationen berühmter Gemälde, die das Geschehen auf der minimalistischen Bühne ironisch kommentieren.{/slide}


{slide=37. Wenn es Nacht wird. Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs, Falk Richter,
Koproduktion des Puppentheaters der Bühnen Halle mit dem Ballhaus Ost Berlin und der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin, Regie: Christian Weise, Nachtkritik vom 26. März 2010}
Ein ebenso herzzerreißender, wie mitreißender Abend, der mit kleinstem Aufwand ein ziemlich gültiges Zeit-Bild liefert. Die Schauspieler spielen wie Puppen, die Puppen wie Menschen. Insofern ist alles genau so falsch wie unser falsches, richtiges Leben, das der Abend verhandelt.{/slide}

 

{slide=38. Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, Teater NO99,
Wiener Festwochen, Regie: Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper, Nachtkritik vom 12. Juni 2010}
Landauf landab beschäftigen sich Theater mit Finanzkrise und Subventionskürzungen, meist geschieht das (melo)dramatisch mit Brecht, Jelinek oder lamentierenden Pressemitteilungen. Das Teater NO99 hingegen macht aus dem Konflikt von Kunst und Kommerz eine leichtfüßige Performance, in der die estnische Kultusministerin Frau Hase den Künstlern Kürzungen nahelegt und Joseph Beuys einem toten Hasen die Kunst erklärt. Beuys und Christo sind nur ein Teil des unergründlichen Zitatenschatzes, den die jungen PerformerInnen plündern, in ihrer Show über Kunst und Theater, Improvisation und Kreativität sowie die finanziellen und ästhetischen Zwänge des Performance-Markts. Selten wird Theater so sportlich genommen, selten Konzeptkunst und Spielfreude so spaßig kombiniert: mit Tanz, Improvisation, Protestpinkeln, Boxen-Bass-Konzert , Bühnenbildverschnüren – und menschengroßen Hasen, die beim Museumsbesuch ratlos vor den Bildern stehen.{/slide}

 

Neben der Stimmabgabe für die eigenen Lieblings-Inszenierung können Sie auch am nachtkritik-Gewinnspiel teilnehmen. Das geht ganz einfach: Sie schreiben an umfrage@nachtkritik.de eine Mail mit Ihrem Namen und dem Betreff: "Gewinnspiel". Dann nehmen Sie automatisch an der Verlosung teil, die nach Bekanntgabe der Teilnehmer am nachtkritik-Theatertreffen 2011 unter Ausschluss des Rechtsweges stattfinden wird. Zu gewinnen sind zwei Theaterbilletts freier Wahl, bloß keine Premierenkarten, der/die GewinnerIn wird von uns benachrichtigt.

 

Hier das Ergebnis: die zehn für das nachtkritik-Theatertreffen 2011 ausgewählten Inszenierungen.