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Greifswald kündigt Gesellschaftervertrag über Theater Vorpommern

Gruppendruck

Greifswald, 18. März 2009. Die Stadt Greifswald will den gemeinsamen Gesellschaftervertrag des fusionierten Theaters Vorpommerns aufheben. Einen entsprechenden Beschluss hat die Bürgerschaft am 16. März gefasst, teilte die Stadtverwaltung Greifswald laut Ostseezeitung mit. Der Gesellschaftervertrag wurde 1994 abgeschlossen; er beinhaltet die Fusion zwischen Greifswald und Stralsund zu einer Theater GmbH; mittlerweile gehört auch der Kreis Rügen (Theater Putbus) dazu.

 

Ziel der Greifswalder Kündigung, über die am 30. März die Bürgerschaft der Hansestadt entscheiden soll, ist laut Ostseezeitung jedoch nicht die Zerschlagung des bisher erfolgreichen Theaterverbunds, sondern eine entscheidende Änderung des Vertrages: Künftig sollen wichtigen Belange des Theaters Vorpommern nur noch in Übereinstimmung beider Hauptgesellschafter Stralsund und Greifswald entschieden werden.

Anlass für den jetzigen Vorstoß ist der Streit um die Zukunft von Intendant Anton Nekovar. Der Aufsichtsrat hatte im November 2008 dafür plädiert, den am 31. Juli 2010 auslaufenden Vertrag mit Nekovar nicht zu verlängern. In der vergangenen Woche hatte Greifswald in der Gesellschafterversammlung dem Vorschlag zugestimmt. Stralsund und Rügen votierten dagegen für eine zweijährige Fortsetzung von Nekovars Anstellung. Nekovar ist seit fünf Intendant des Theater Vorpommern.

Im Streit um Nekovar werden dessen Leistungen als Regisseur durchaus anerkannt. Scharfe Kritik gibt es aber am Leitungsstil des Intendanten. Die Atmosphäre im Hause sei schlecht, unter den Kollegen werde Misstrauen gesät, Angst um den Arbeitsplatz gehe um, berichtet die Ostseezeitung. Zudem ist von eigenmächtigen Entscheidungen des Intendanten bis zur "Beratungsresistenz" die Rede, auch von einem das Haus belastenden Übergewicht der Oper, deren Direktion Nekovar in Personalunion mit leitet. Wegen dieser Stimmungslage hatten sich 160 der 292 Ensemblemitglieder bei Unterschriftensammlungen gegen eine Verlängerung des Vertrages mit Nekovar ausgesprochen. Nekovar meint dagegen, viele dieser Unterschriften seien mit "Gruppendruck" gesammelt worden, was die Unterschreiber jedoch entschieden bestreiten.

(dip)

 

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Kommentare  
Greifswald: kein Vertrauen der Belegschaft
Man muss sich das einmal vorstellen: der Aufsichtsrat des Theaters empfiehlt mit 7:2 Stimmen den Vertrag des Intendanten nicht zu verlängern, die Mehrheit der Belegschaft spricht sich gegen eine Vertragsverlängerung aus, und obwohl sich Vertreter der einzelnen Sparten mit den Fraktionen der Stralsunder Bürgerschaft trafen, um ihnen die Gründe für die Ablehnung Nekovars darzulegen, wird in der Gesellschafterversammlung an diesem Manne festgehalten, sämtliche kritischen Stimmen ignoriert und die Empfehlung des Aufsichtsrates in den Wind geblasen.
Das Ergebnis für das Theater ist eine noch stärker vergiftete Arbeitsatmosphäre, die vor diesem ganzen Streit schon von Misstrauen, Frust und Zukunftsängsten geprägt war. Es ist gar nicht zu vermeiden, dass sich diese Stimmung auch auf die künstlerische Qualität auswirkt. Als Schauspieler, Tänzer, Sänger oder Musiker an einem Stadttheater arbeitet man aus Motivation, Enthusiasmus, Idealismus und Spielfreude (für die Gage kann es nicht sein, selbst innerhalb eines Theaters gehören die Künstler, die auf der Bühne stehen, zum größten Teil zur Gruppe der Geringverdiener).
Wie stellt sich der Intendant, wie stellen sich die Gesellschafter, die für eine Vertragsverlängerung stimmten, eine produktive, künstlerisch hochwertige Arbeit an diesem Theater jetzt noch vor? Welcher Intendant möchte an einem Haus weiterarbeiten, obwohl er weiß, dass die Mehrheit der Belegschaft ihm kein Vertrauen entgegenbringt?
Greifswald: großer Leidensdruck
Eigentlich müsste ein Intendant, der so wenig Rückhalt seitens des Aufsichtsrates und der Belegschaft genießt, von selbst die Größe haben, zu gehen.
Es muss ein großer Leidensdruck bei den Mitarbeitern herrschen, wenn die sich trauen, sich mit ihrem Namen gegen den Intendanten zu stellen. Denn sie gefährden damit ihre berufliche Existenz, wenn der Intendant bleibt. In diesen streng hierarchisch strukturierten Theatern steht und fällt die Arbeit eines ganzes Hauses mit den Fähigkeiten des Intendanten.
Greifswald: Problembewusstsein?
In wirtschaftlich schweren Zeiten wie diesen ist es nur allzu verständlich, wenn jemand sich so an seinen Arbeitsplatz klammert. Aber eigentlich sollte sich doch ein Intendant, der mehr als die Hälfte seiner Belegschaft gegen sich aufgebracht
hat, in seiner Arbeit mal selbst hinterfragen. Stattdessen wird nach der für ihn gut verlaufenen
Gesellschaftersitzung recht großspurig verkündet, "dass er keinen Groll hege und jenen Leuten, die gegen ihn einen Brief unterschrieben haben, die Hand reichen werde". Es scheint da kein
Problembewusstsein zu bestehen. In einem Interview von 2005 mit einem Greifswalder Studentenmagazin antwortete Nekovar auf die Frage
nach seinem Credo als Intendant: "Eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, Freude an der Arbeit zu ermöglichen, denn diese Freude springt aufs Publikum über." Das hat er offensichtlich nicht geschafft. Die richtige Entscheidung daraufhin wäre doch, dass man sein Scheitern eingesteht und a) auf seine Mitarbeiter zugeht, das Gespräch sucht um die Konflikte zu klären oder b) seinen Hut nimmt. Im Interesse des Theaters, damit dort endlich wieder Ruhe einkehrt und die Künstler sich darum kümmern können, wozu sie da sind.
Greifswald: Probleme mit dem kulturellen Ego
Eigentlich ist das Ganze doch ganz einfach: MENSCH ÄRGER DICH NICHT! auf Greifswalderisch. Wir sind Gewinner, wir sind Bestimmer - und wenn das nichts wird, dann müssen neue Spielregeln her!

Es ist schon verständlich, dass Greifswald den Intendanten nicht mehr will (genauso gings schon mit dem Vorgänger), jetzt aber ist Greifswald richtig sauer. Hat doch die Stadt Stralsund sich ein wunderschönes neues (altes) Theater geleistet, in das sogar Reisegruppen von sonstwo anreisen, hat Greifswald trotz neuer Bestuhlung immer noch den Charme vergangener Zeiten für sich gepachtet. Gut - nicht jede Stadt muss sich ein neues Theater leisten. Greifswald aber eine Stadthalle - gleich neben dem Theater. Die gab es zwar schon früher - aber nun soll in Zukunft das Ding vom Theater betrieben werden. Und dass das kostenneutral geht, ist wohl kaum vorstellbar. Damit nun nicht mehr die Mitgesellschafter auf "dumme Gedanken" kommen, muss gehandelt werden - der Gesellschaftervertrag muss geändert werden, damit Rügen als kleinster Gesellschafter nicht mehr Zünglein an der Waage ist sondern Greifswald gegen Stralsund steht. Soweit - so schlecht, denn damit ist eingentlich nur immer weiterer Streit vorprogammiert. Mehr noch: geht das Modell Stadthalle "über den Ryck" dann ist auch das Theater Stralsund gleich mit "über'n Sund" und Putbus ebenso. Wenn Greifswald das als Gesellschafter nicht so bestimmen darf, ist es nicht anders, denn dann geht das Theater in Insolvenz - ist auch nichts gewonnen. Der jetzige Intendant ist doch nur vorgeschoben den Problemen, die Greifswald mit seinem kulturellen Ego hat. Geht es um den Intendanten?? Selbst die Tatsache, dass der Intendant innerhalb des Ensembles Gegner hat, ist an anderen Häusern ein Qualitätsmerkmal. Sieht man sich "herausragende" Intendanten an, dann kann man immer wieder auch lesen, wie grausam diese sind. Das muss vielleicht auch so sein, um künstlerisch grösstmögliches heraus zu kitzeln. Eines sollte man aber bei all dem, was da an öffentlicher Schlacht betrieben wird - Nekovar sollte noch vor wenigen Monaten Ehrenbürger von Stralsund wegen seiner Verdienste um das Theater Vorpommern werden (Wunsch aus der Bevölkerung), Nekovar bewegte einiges - was an internationalen Kooperationen Früchte trägt, unter Nekovar sind die Zuschauerzahlen kontinuierlich gestiegen, Nekovar stand mit den Mitarbeiter gegen die Landeskürzungen auf der Strasse, Nekovar holt den Wagner-Kongress ans Theater Vorpommern, Nekovar ist nicht Einfach - wohl aber mit dem Herzen Theatermann. Wenn Greifswald als Gesellschafter nun wegen einer Vertragsverlängerung von 2 Jahren die Gesellschaft mit 300 Arbeitsplätzen ernsthaft aufs Spiel setzt, weil die Stadt ihren Willen durchsetzen will und politische Erpressung damit erreichen will, dann sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob es wirklich "nur" um den Intendantenposten oder vielleicht um ganz andere Interessen geht?!
Greifswald: schmutzige Provinzintrige?
Wie jetzt, dieser Nekovar ist ein guter Intendant, weil seine Belegschaft ihn nicht mag?
Gehts denn da ums mögen? Theatermänner und auch -frauen gibts bestimmt auch unter den Leuten, die sich getraut haben gegen ihn zu unterschreiben. Die sollten doch auch in der Lage sein zu beurteilen, ob dieser Mensch geeignet ist. Und das sind doch nicht nur Greifswalder, oder? Immerhin haben die Greifswalder Politiker auf die Leute gehört, die sich mit dem Theater berufsmäßig befassen. Das wurde in Stralsund nicht getan.
Whatever, das alles klingt so sehr nach einer ganz schmutzigen Provinzintrige, man erträgt es eigentlich kaum.
Greifswalder Intendanz-Probleme: Stadthalle als Ablenkung?
Kann man nicht auch andersherum fragen, ob dieses Hickhack um die Stadthalle in Greifswald vorgeschoben wird um von der Personaldebatte um den Intendanten abzulenken?
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