Wenn Theater besser ist als Kino

von Charles Linsmayer

Bern, 4. April 2009. "Für Frauen der letzte Ausweg: Mord", liest man als Zwischentitel im Programmheft, und tatsächlich zeichnet die Inszenierung den sadistischen Internatsleiter Michel Bouvier, der nicht nur seine Schüler, sondern auch seine Ehefrau und Mademoiselle Duprais, die Mathematiklehrerin und (längst nicht mehr heimliche) Geliebte prügelt, dermaßen ekelhaft und abstoßend, dass man den beiden Damen diesen letzten Ausweg anstandslos zubilligt.


Flop in Hollywood, Top in Bern
Sabine Krappweis und Markus Keller haben Henri Clouzots legendären Schwarz-Weiß-Thriller "Les diaboliques" aus dem Jahre 1954 für das Berner Theater an der Effingerstrasse zu einem Theaterstück umgearbeitet. Die vertrackte Mordgeschichte, in der einst Simone Signoret brillierte, markiert einen neuen Höhepunkt in der langen Reihe von Filmadaptionen der kleinen Kammerbühne. Was hier unter dem Titel "Ein teuflischer Plan" und Markus Kellers Regie zu sehen ist, geht mit der Vorlage sehr viel geschickter um als das Hollywood-Remake von 1996, das sich trotz Sharon Stone und Isabelle Adjani als totaler Flop erwies.

In einem ganz einfachen Bühnenbild von Peter Aeschbacher präsentiert sich die Aufführung konsequent in Schwarz-Weiß, der Sound-Track von "Blue Velvet" sorgt für nostalgisches Kino-Ambiente, und die Handlung ist in eine Vielzahl ganz kurzer, aus dem Dunkel herausgeschnittener Szenen aufgeteilt, in denen in knappen Dialogen gerade soviel von den Geschehnissen vermittelt wird, dass sich die grausige Geschichte in den Köpfen des Publikums zu realisieren vermag.

Panik und Perfidie
Diese Kargheit und Konzentration ermöglicht nicht nur eine atemlose Spannung, die mit der Suspense der schwarzen Serie des amerikanischen Kriminalfilms durchaus mithalten kann. Die Reduktion auf wenige Augenblicke und Erzählmomente verlagert den Schwerpunkt auch ganz stark auf das Emotionale, das Psychologische und die Entwicklung von Angst und Schrecken, Panik und Perfidie auf den Gesichtern der Beteiligten.

Schon Clouzots Filmfassung bat im Abspann das Publikum, den Freunden und Bekannten die dramatische Wendung am Schluss der Geschichte nicht zu verraten, und selbstverständlich soll dies auch hier nicht geschehen. Durchaus verraten werden aber darf, dass die beiden Protagonistinnen, Agnieszka Wellenger als Christine Bouvier und Fabienne Biever als Nicole Duprais, den an sie gestellten Anforderungen vollkommen gewachsen sind und den Vergleich mit den Filmvorbildern Simone Signoret und Véra Clouzot nicht zu scheuen brauchen. Die Mathematiklehrerin erscheint einem als ein blonder Vamp, der zu allen Täuschungen fähig und in der Lage ist, jederzeit über Leichen zu gehen, während die betrogene Lehrersfrau ganz offenbar aus einem Mauerblümchendasein und einem längst akzeptierten masochistischen Leidensdruck herausgerissen wurde, nach dem sie sich schon bald wieder zurücksehnt.

Kein Pendant
Helge Herwerth spielt den Kommissar, der die Fäden der dubiosen Geschichte brillant zu entwirren vermag, mit Souveränität und smarter Eleganz, während Peter Bamler als Michel Bouvier den sadistischen Internatsleiter drastischer und rücksichtsloser verkörpert, als man es seinem sympathischen Äußeren zutrauen würde. Ganz gut und professionell meistern auch die beiden Kinderdarsteller Basile und Etienne Comte die Aufgabe, nicht nur die Opfer eines brutalen Erziehungssystems, sondern auch naiv-raffinierte Schlingel darzustellen.

Das kleine Berner Kammertheater wird wie in den nun bereits Dutzenden von Fällen, in denen es seit 1969 Filmvorlagen auf die Bühne gebracht hat – allein in dieser Spielzeit waren es schon Kaurismäkis "Contract Killer" und Bergmans "Szenen einer Ehe" –, auch diesmal über Bern hinaus kaum Resonanz finden. Und doch ist es nicht übertrieben zu sagen, dass das, was Markus Keller hier wiederum auf absolut überzeugende, ja verblüffende Weise gelungen ist, im ganzen deutschen Sprachraum kein vergleichbares Pendant besitzt.

Ein teuflischer Plan
von Sabine Krappweis und Markus Keller, nach den Film "Die Teuflischen" von H.G. Clouzot
Regie: Markus Keller, Bühnenbild: Peter Aeschbacher.
Mit: Peter Bamler, Agnieszka Wellenger, Fabienne Biever, Helge Herwerth, Basile Comte, Etienne Comte.

www.dastheater-effingerstr.ch

 

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