Mehr Mensch

von Simone Kaempf

Hamburg, 15. April 2009, 11 Uhr. Joachim Lux hat für seinen Start am Thalia Theater einen Wunsch: "Den Ball flachzuhalten"; es beginne etwas Neues, so Lux "das wird hoffentlich schön; das Alte war schön". Zu sagen, alles vorher war schrecklich, jetzt geht es erst richtig los, nein, das sei nicht seine Art. Und weil es auch keinen Grund dafür gibt, lautet das unausgesprochene Wort auf der Pressekonferenz im Malsaal des Thalia Theaters: Weiterentwicklung.

Schon das neue Logo: eine Weiterentwicklung, die das Neue und das Alte verbindet. Groß prangt es hinter dem Podium, "mehr Mensch, weniger Architektur" zeige es jetzt, sagt Lux. Auf den Spielplan übertragen heißt das: mehr Nicolas Stemann, mehr Elfriede Jelinek, mehr Luk Perceval im September und Oktober 2009.

Gegen diese Anfangspräsenz fallen selbst die Namen Dimiter Gotscheff, Stefan Pucher, Jan Bosse, Jette Steckel, Christiane Pohle hinten ab. Aber vor den Regisseuren ist Luxens erste grundsätzliche Spielplan-Bemerkung dem Ensemble gewidmet, denn da wünscht sich Lux, dass das Thalia-Theater bleibt, was es ist: ein Ensemble-Theater. Spielzeitmotti wird es bei Lux nicht geben. Nachwuchsdramatiker-Förderung auch nicht. llja Trojanow hat es Lux angetan, und ein Autor, "den man im Blick behalten will" ist ... Lessing.

Aber mit der intellektuellen Genauigkeit, mit der Lux argumentiert, klingt es wie ein echtes Abenteuer, den Optimisten Lessing und die Skeptikerin Jelinek auf ein gleiches Thema loszulassen. Inhaltlich strahlt alles solide Vitalität aus. Über die Finanzen wollte der designierte Intendant lieber schweigen. Der alte wie neue kaufmännische Geschäftsführer Ludwig von Otting saß allerdings mit so grimmig-bedenklicher Miene da, dass man gar nicht nachfragen mochte, soviel Ungemach sprach aus ihr.

www.neue-spielzeit.thalia-theater.de

Hier geht's weiter mit dem neuen Thalia-Ensemble und dem Spielplan 2009/10.

 

 

Kommentare  
Neustart Thalia HH: Zettelwirtschaft
Das Spielzeitheft sieht ein bisschen wie eine zusammenkopierte Zettelwirtschaft vom Studententheater aus. Kann man sowas nicht fertig layouten bevor man es veröffentlicht?

Ansonsten interessant und auffällig der Schwerpunkt auf nicht-deutschen AutorInnen. Man darf gespannt sein!
Neustart Lux: zu projektlastig
57 Schauspieler zu fotographieren und dann nicht zu unterscheiden zwischen Ensemble, Gast und Wiederaufnahme-Gast ist angeberisch. Ansonsten kann man Lux nur Glück wünschen, dass aus seinen Starschauspielern auch ein Ensemble wird, denn eine Fussballmannschaft, die nur aus Maradonnas besteht, hat es nicht per se leichter. Den Spielplan finde ich persönlich etwa zu projektlastig. Und sehr schade ist, dass es Lux offenbar nicht für nötig hält, seine Mitarbeiter im Form der obligaten Personalliste vorzustellen.
Neustart Lux: das Elend des Intendantentums
Na klar macht Herr Lux den üblichen Modequark von vorn bis hinten mit. Wie mutig! Wie künstlerisch! Wie langweilig! Er hat ja bereits mit seinem letztjährigen Großaufsatz gezeigt, wes Pseudointellektuellen Kind er ist. Nur sein offenbarer Haß auf lebende Autoren aus Deutschland unterscheidet ihn. Das Elend des deutschen Intendantentums hat einen Namen mehr. Man muß diese Intendantennasen mal zusammensitzen gesehen haben bei ihren Bühnenvereinssitzungen, wie eitel sie da als Besitzer des Theaters auftreten, Verweser des Theatertods. Und da gehört Lux unbedingt dazu. Gut Nacht, deutsches Theater.
Neustart Lux: gutes Vorbild
Welche bedeutenden lebenden Autoren soll Lux denn spielen? Ein Großteil der Dramenproduktion ist nur als Werkstattaufführung denkbar, auf der großen Bühne will man sich die gar nicht vorstellen. Und in einer Theaterszene, in der wirklich jedes kleine und große Theater "Dramatikerförderung" macht - da wird man es wohl aushalten, wenn Lux da nicht mitmacht und stattdessen etwas anderes versucht. Hoffentlich folgen mehr seinem Vorbild: Dann gibt es vielleicht mal wieder Qualität und nicht Quantität in möglichst vielen Uraufführungen ...
Neustart Lux: hoffentlich steckt mehr dahinter
naja, neues bietet lux ja nun wirklich nicht. und das megaaufgebot an gedienten theaterschauspielern ist nun wirklich eine ziemlich durchschaubare mogelpackung. hoffentlich steckt mehr dahinter! glauben mag ich angesichts der höhepunktlosen ankündigung auch nicht dran.
Neustart Lux: gedient ist nicht unbedingt schlecht
Dann beginne ich halt auch mit einem "na ja" - Na ja, manchen kann man es ohnehin nicht Recht machen. Was soll denn ein Theater von der Größe des Thalia Theaters bieten, als möglichst viele verschiedene Schauspieler? Und das Wort "gedient" ist einfach nur Unsinn, oder? Ich finde es nicht unbedingt schlecht, auf der Bühne "gedient" zu sein, sonst kommt so etwas raus wie Julia Hartmann in der Burg-Aufführung von "Romeo und Julia". Und was ist schon "neu" im Land des Theaters? Den Schwerpunkt Nathan-Lessing-Jelinek finde ich zumindest spannend, ebenso die nicht-deutschsprachigen Autoren. Oder sind sie tatsächlich so interessiert an Neuem, dass Sie schon unzählige Aufführungen von Kornél Mundruczó kennen? Ich jedenfalls nicht. Finde ich auf jeden Fall "neuer" als das hundertste Stück von Schimmelpfennig/Richter/Palmetshofer usw...
Neustart Lux: Mythenbildung
Also was hier wieder für Mythen gebildet werden! Palmetshofer mit den um Jahrzehnte älteren und formal komplett anders orientierten Schimmelpfennig und Richter in einen Topf zu werfen und als "nicht neu" abzuqualifizieren (das Debüt lag in der letzten Saison!) ist, mit Verlaub, tolldreist.
Neustart Lux: Was ist schlimm an Jelinek und Lessing?
Es ging doch nicht um einen Vergleich dieser Dramatiker! Es ging doch darum, dass Lux einerseits vorgeworfen wurde: "Neues bietet Lux ja nun wirklich nicht" und es kurz vorher hieß, Lux hätte einen "Haß auf lebende Autoren aus Deutschland". Und zumindest ich fand in Lux' Programm mehr Neues, als eben diese "lebenden Autoren aus Deutschland". Natürlich sind die unterschiedlich ausgerichtet, unterschiedlich alt und auch unterschiedlich spannend - und sollen auch gespielt werden - aber wenn man schon Neues will, warum dann doch wieder die immer gleichen Autoren? Was ist so Schlimm daran, wenn EIN Theaterdirektor mal keinen bekannten (Jung-)autor anbietet, sondern nicht-deutschsprachige Autoren, Jelinek und Lessing?
Neustart Lux: Diese Schauspieler! Das Herz geht über
herrje, hamburg, was willst du denn noch? sogar das logo bleibt fast dasselbe! und schaut euch an, was lux für schauspieler an die elbe karrt - da geht einem ja geradezu das herz über!
ihr brüllmäuler, lasst das ganze doch erst einmal kommen! wie war das vor ein paar monaten in leipzig? hartmann kommt, alle in deckung, neuer name fürs haus, neues ensemble, grundneues konzept usw. - und jetzt? die wogen haben sich geglättet, und da gibt's doch nun sogar tatsächlich den einen oder anderen, der das ganze gut findet. soll ja vorkommen, dass die festgefahrenen vorurteile über den haufen gerannt werden, wenn man sich nur drauf einlässt.

liebe elbmetropole, das wird sicher 'ne spannende sache, und wenn doch nicht, könnt ihr ja immer noch heilfroh sein, dass ihr den unsäglichen thalheimer endlich los seid. - und wir freuen uns derweil darüber, dass der andreas zukünftig auch mal in berlin zu sehen ist. das ist nämlich ein stück näher dran, und dann lohnt sich der weg in die friedrichstraße bald sicher mal wieder.
Neustart Lux: Führung durch Autosuggestion
Ich glaube, in deiner grundlosen Begeisterung erscheint dir gerade Lessing als spannender wenig gespielter Autor und da ist noch allerhand drin... mit dieser Form von Autosuggestion kann man auch schon mal nen Theater leiten.
Neustart Lux: um die Ohren
... und hat nicht joachim lux den shakespeare-zyklus am burgtheater auf dem gewissen? ja, so würde gerne mancher intendant seine erste spielzeit eröffnen: nur shakespeare spielen! wenn man ihm die dann nicht gerechterweise links und rechts um die ohren hauen würde, wegen feigheit vor dem feind, oder weil da nun wirklich selbst lieschen müller irgendwann drauf käme.
Neustart Lux: Hartmann-Julia klasse + viel Glück für Lux!
Julia Hartmann an der Burg fand ich klasse! Kein überzogenes Shakespeare-Deklamieren, sondern eine echte Julia: unsicher und verliebt - auch ins Spiel. Schlechter Vergleich! Alles andere wie bei Fiat Lux: Man muß halt dran glauben! Allen viel Glück!
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