Glaube nicht, dass du anders gehandelt hättest

von Stefan Bläske

Wien, 7. Juni 2009. Apoll soll ein guter Bogenschütze gewesen sein. Vermutlich mit nicht ganz so hohem Pfeilverschleiß wie Amor, aber dafür mit ähnlich grausamer und sicher nachhaltigerer Wirkung auf die Opfer.

In seiner Inszenierung "(A)pollonia" nimmt der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski die Opfer ins Visier, und er spannt seinen Bogen weit, sehr weit: In die Länge (die Aufführung dauert viereinhalb Stunden), in die Breite (die Bühne erstreckt sich über 30 Meter) und über die Jahrhunderte (mit Autoren von Aischylos bis Jonathan Littell). Die Produktion, die das Warschauer Nowy Teatr bei den Wiener Festwochen zeigte, ist eine Text- und Lied-Collage, in deren Zentrum drei Charaktere stehen: Iphigenie, Alkestis und Apolonia. Drei Frauen in der Opferrolle.

Ganz so einfach sind die Rollenverteilungen dann aber doch nicht, und die moralischen Bewertungen schon gar nicht. Durch Warlikowskis Brille opfert sich Iphigenie für Griechenland wie junge Palästinenser für ihre Heimat. Und Alkestis opfert sich zwar aus Liebe, um ihrem Mann Admet das Leben zu retten – im Sterbekampf aber, wenn sich die beiden ihrer Liebe vergewissern, zitieren sie eine Szene aus Jean-Luc Godards Film "Die Verachtung".

Der schwache Mensch soll uns Spiegel sein

Der Geliebte/Verachtete verteidigt sich, die Tote im Rücken, das Publikum als Adressat. Ob es moralischen Ekel errege, ein solches Opfer anzunehmen? Wer wolle von sich behaupten, dass er ein fremdes Leben mehr liebt als das eigene? Admet macht, was alle machen an diesem Abend, Klytaimnestra genauso wie Agamemnon. Sie hören einander nicht richtig zu, und schon gar nicht rechtzeitig. Stattdessen monologisieren und moralisieren sie, dass einem übel wird. Es prasselt Anklagen und Verurteilungen, mit Rechtfertigungen reden sie sich in Rage, und ihre Hauptbotschaft ist: Glaube nicht, Zuschauer, dass Du so viel anders gehandelt hättest als ich.

Der schwache Mensch soll uns Spiegel sein, sagt Admet, und das passt zur Bühne, mit Spiegelflächen und mattem Glanz, Stahlrohrstühlen und zwei großen, verschiebbaren Containern: ein Bade- und ein Wohnzimmer mit verglaster, je nach Lichteinfall transparenter Front. Im Zentrum der breiten, wenig tiefen Bühne eine quadratische, metallene Fläche, eine Bühne auf der Bühne. Hier spielt die vierköpfige Band auf, wenn die österreichische Sängerin Renate Jett den Saal rockt, hier beginnt die Inszenierung mit einem Spiel im Spiel, einer mit Puppen dargestellten Szene von Rabindranath Tagore. Und hier schließlich wird uns ein moralisches Experiment vorgeführt, mit Herakles als "Affen" im Versuchslabor.

"Jeder Tag ein neuer Holocaust"

Kafkas "Bericht für eine Akademie" zitierend, also jene Geschichte des sich selbst zum Menschen dressierenden Affen, hält Elizabeth Costello einen langen Vortrag. Über menschliches und äffisches Verhalten und über angebliche Parallelen von den Todeslagern im Dritten Reich und den Tierschlachtungen unserer fleischfressenden Gesellschaft: "Jeder Tag ein neuer Holocaust", ereifert sie sich.

Costello ist eine Figur aus dem gleichnamigen Buch des Literaturnobel-preisträgers J. M. Coetzee, ihr fulminanter Auftritt im zweiten Teil des Abends vielleicht der Schlüssel zu Warlikowskis Inszenierung. Hier wie dort verschwimmen moralische Haltungen, philosophisch-aufklärerisches Interesse mit provokanter Polemik, hier wie dort lässt sich nicht sicher ausmachen, welche Figurenhaltungen mit denen des Autors bzw. Regisseurs korrelieren.

Die Inszenierung präsentiert eine engagierte Moralpredigt nach der anderen und handelt doch beständig nur von der Unmöglichkeit moralischer Bewertungen. Zentralfigur ist Apolonia, deren Name nichts mit Apoll, aber einiges mit Polen zu tun hat, eine dreifache Mutter, die versuchte, jüdische Kinder zu verstecken und dafür von den Nazis zum Tode verurteilt wurde (Hanna Krall hat darüber geschrieben). Spätestens aus der Perspektive ihres verwaisten Sohnes wird, folgt man Warlikowski, die "schöne Geste des Selbstopfers zu etwas Zwiespältigem".

Moralische Multiperspektivität

Derartige Zwiespälte werden in "(A)pollonia" bewusst ausgereizt, Gräben aufgerissen statt zugekleistert. Die Figuren deklamieren zwar todernst, zitieren den Talmud: "Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt." Die Inszenierung aber ist klüger als solche Kalendersprüche, sie befragt unsere Werturteile aus allen Perspektiven. Das ist trefflich umgesetzt, auch in der Nutzung von Videokamera und flächendeckenden Projektionen auf der weiß gekachelten Rückwand. Denn diese Bilder eröffnen neue Räume, führen – etwa bei Großaufnahmen von Krokodilstränen – vor Augen, wie eine angestrebte Einfühlung den klaren Blick trüben kann, und visualisieren die (moralische) Multiperspektivität, die den Reiz der Inszenierung ausmacht.

Eine Perspektive, so mahnt Warlikowski, müsse auf jeden Fall immer mitgedacht werden: Es ist entscheidend, den Blick nicht allein auf die Opfer und Henker, sondern vor allem auf deren Nachfahren zu werfen und immer auch zu fragen, wie es weitergeht.

(A)pollonia
von Krzysztof Warlikowski
Regie: Krzysztof Warlikowski, Bühne und Kostüme: Małgorzata Szczęśniak, Musik: Paweł Mykietyn, Licht: Felice Ross, Dramaturgie: Piotr Gruszcynski.
Mit: Andrzej Chyra, Magdalena Cielecka, Ewa Dałkowska, Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, Wojciech Kalarus, Marek Kalita, Zygmunt Malanowicz, Adam Nawojczyk, Monika Niemczyk, Magdalena Popławska, Jacek Poniedziałek, Anna Radwan-Gancarczyk, Maciej Stuhr, Tomasz Tyndyk.
Produktion: Nowy Teatr, Warszawa. Koproduktion: Festival d’Avignon, Théâtre National de Chaillot, Paris, Théâtre de la Place de Liège, Comédie de Genève-Centre Dramatique, Théâtre Royal de la Monnaie de Bruxelles, Wiener Festwochen, Narodowy Stary Teatr im. Heleny Modrzejewskiej w Krakowie.

www.festwochen.at
www.nowyteatr.org


Mehr von den Wiener Festwochen 2009? Wir sahen Christoph Marthalers Riesenbutzbach, Alvis Hermanis Schukschins Erzählungen, die Faulkner-Adaption The Sound und the Fury von John Collins und Orfeus von Bratt Bailey.

 

Kritikenrundschau

"Weniger wäre mehr gewesen" befindet Margarete Affenzeller im Standard (9.6.). "Nach allen Regeln des Poptheaters" habe Warlikowski Episoden griechischer Tragödien mit der polnischen Zeitgeschichte verwoben, "und er türmte dabei so viele Ideen und Textebenen auf, dass es das Theater erdrückt". Der Abend sei damit "voller Ideen", und "das ist gut. Doch sie belasten einander, konkurrieren miteinander und buhlen unverschämt ums Publikum. So, dass man sie nur noch durchwinken kann".

Hans Haider (Wiener Zeitung, 9.6.) hat dagegen "beklemmende Momente" erlebt. Warlikowski strebe mit seinem "imponierenden Ensemble" dabei an diesem Abend "auf eine Analyse des Opfermythos hin". Allerdings kommer er "nicht an sein Ziel". Die Antike öffne Dutzende Interpretationswege, "vom ethnologischen bis zum psychoanalytischen". "Wie aber", fragt Haider, "mit den Opfern von ebenerst umgehen?" "Wenn zeitnahe Verbrechen im Regress auf die Antike abgehandelt werden, kommt das Schicksal ins Spiel, dem man nicht entrinnen kann. Damit erledigt sich auch die Frage nach Schuld." Weiter führt er aus: "Polen ist dabei, den Krieg und die Okkupation 1939 bis 1945 redlich aufzuarbeiten. Glaubt man Agamemnon, der bekennt: "Ich bin ein Mensch wie ihr", traut man jedem jedes Verbrechen zu. "Der Krieg ist vorbei. Wir haben unsere Lektion gelernt", schreit der Heimkehrer." Und "wohl weil er betont, dass seine Pflicht getan ist, tönt aus Lautsprechern die Bundeshymne. Ein Beitrag der kleinkarierten lokalen Dramaturgie". Den Abend verstehe man allerdings in Warschau "wohl anders" als im Westen: "Vor dem Areopag wird Orest mit Athenas Hilfe als Muttermörder freigesprochen. Ein vager Hinweis auf historische Verfahren? Peter Weiss hat mit seiner "Ermittlung" den absoluten Maßstab gesetzt für die Wahrheitsfindung auf dem Theater. Die Wahrheit ist konkret."


Irgendwann, vermutet Egberth Toll in der Süddeutschen Zeitung (12.6.), müsse der Blick des Regisseurs Krzysztof Warlikowski auf die lange Liste von koproduzierenden Theaterinstitutionen gefallen sein und er habe gewusst, dass "(A)pollonia" nicht einfach eine weitere Aufführung des Nowy Teatr in Warschau sein würde. "Sondern dass er hier alles zusammentragen könne, was ihn umtreibt …". "(A)pollonia" sei "grauenhaft". Und genau das solle es sein. Die Aufführung habe "etwas von einer Missgeburt". Vieles zu groß, etwa die Bühen, vieles dann viel zu klein; "was interessant erscheint, verhuscht, anderes wird enervierend ausgebreitet." Eigentlich interessiere Warlikowski nur der Holocaust und jene moralische Spekulation, "wie sich die, die darüber reden, verhalten hätten, wären sie gezwungen gewesen, dabei zu sein". Apolonia Iphigenies Alkestis, die ihren Admetos vor dem Zorn der Götter rettete. Um die Opferrollen der drei Frauengestalten, Apolonia, Iphigenie, Alkestis, kreise die Aufführung. Vieles finde gleichzeitig statt, werde mit Video live vergrößert, am Ende ein stummer Song der Renate Jett, als "enervierender Ausdruckstanz" interpretiert, ein "lautloser Abdruck des Grauens". "Warlikowski weiß, dass er nervt." Er liebe das Spekulative. Doch merkwürdig distanziert bleibe alles im ersten Teil, trotz heulender und kreischender Schauspieler in gutgeschnittenen Anzügen. Wüst sei die Melange auch im zweiten Teil, doch die hybride Provokation besitze einen Sog. Weil man spürt, dass Warlikowski ein Getriebener sei. "In ihm sitzt ein Dybuk; einmal hat er diesen alten jüdischen Mythos inszeniert, 2003. Man weiß, er wird immer wiederkehren. Und mit ihm alle Toten."

 

Kommentare  
(A)pollonia in Wien: eine kleine Ergänzung
Nur eine kleine Ergänzung: Die Inszenierung hat das Nowy Teatr eröffnet - in einer Industriehalle. Die Inszenierung hatte also nicht bei den Festwochen Uraufführung, Wien als Koproduzent war "nur" erster Gastspielort!

Herlichen Dank, liebe(r) J.B., die Redaktion hat hier geschlafen, es ist mittlerweile geändert.
Es grüßt
Wolfgang Behrens
(A)pollonia in Wien: im Namen der Avangarde
Im Namen der Avangarde, es ist grotesk einem Publikum in Maratonsitzung Moral beibringen zu können.
Im Namen der Avangarde, es ist anmaßend um Wirkungswillen Themen zu verwenden die bereits seit über 70 Jahren schrecken über die Menscheit bringen und weitergeführt werden.
Im Namen der Avangarde, es ist lächerlich einen SS Schergen der "per Sie" sein Opfer anspricht darzustellen.
Im Namen der Avangarde, um zu Gesprächsthema zu werden sich hinzukauern und sich auszudenke was könne da noch in die Vorstellung passen.
Im Namen der Avangarde, es ist unzumutbar das Publikum mit altbekannten Texten zu langweilen in Erwartung einer Sensation.
Im Namen der Avangarde, ist es nicht schön dem Publikum ein paar Fragmente anzubieten um dann das alte aufgewärmte Thema zu bringen, wie ein Horoskop in Tageszeitung
Im Namen der Avangarde, wenn ein Kritiker ins Theater geht solle er vergessen, dass der Regiseur ein Star ist, es trübt sein Sinnund Verstand
Im Namen der Avangarde, polarisieren und aufrütteln ist notwendig, das kan nicht jeder und bestimmt nicht dieser STück.
(A)Pollonia in Wien: teures, lauwarmes Gericht
Was will der Regisseur erreichen? Die Frage stellte ich mir 5 Stunden lang. Die Antwort bleib ich mir bis jetz schuldig. Vorgerechnet wurde mir 3,47 sekunden ein Toter. Selber rechnete ich 45€ . 4,5 h ergibt 16, cent pro Sekunde ein teures lauwarmes Gericht, mit den Bekannten abgelegenen Zutaten.
Kritiker sollten Mut beweisen und diesen Unsinn vernichtend beurteilen
(A)pollonia in Wien: Avantgarde!
Avantgarde, bitte, wenn man das schon so oft dahin schreibt!
(A)pollonia in Wien: Rechtschreibfehler in den Kommentaren
Im Name der Ortografi, hier tun sich manchmal inhaltliche Schächte in den Kommentaren auf, so dermaßen angefüllt mit unreflektierten Belanglosigkeiten, dass es einem glatt wieder hochkommen möchte.
(A)pollonia in Wien: der Name Warlikowski reicht nicht
im Namen der Orthographie, eine große Verbeugung von dem Leser.
zu dem ursprunglichen Thema, Avantgarde bedeutet Vorhut, Herr Warlikowski scheint es mit Vorhaut zu verwechseln, jene malte er blau an, der Apolls ist nicht beschnitten, also ein Täter? Die Verbindung mit polnischen Geschichte hinkt ein wenig, die Anklagen; betrachte man die polnische Nachkrigsgeschichte aus der Perspektive des Umgangs mit Minderheiten, sollten sich öfter gegen das Publikum richten, ein bekanntes Fenomen wenn es um polnische Heldentaten geht.
Nur der Name Warlikowski, reicht nicht um ein gut geschultes Publikum zu täuschen ob Gerard dabei ist oder das halbe Burgtheater Ensemble, kamen jene wegen Buffet?
Warlikowskis (A)pollonia: fehlende Konzentration aufs Wesentliche
Ja, das ist schon so eine Sache mit der Avantgarde. Gehört Krzysztof Warlikowski eigentlich noch dazu oder ist er schon eher der Angepasste? Am vergangenen Wochenende konnte man das, anhand seiner Inszenierung (A)pollonia im Rahmen das Polski-Express III in der Station Kreuzberg, eingeladen vom HAU, begutachten. Warlikowski hat sich hier über 4 Stunden lang mit dem Thema der Menschenopfer und der Selbstaufopferung von der Antike bis ins Heute befasst. Mit Figuren aus der griechischen Mythologie, von der Agamemnon-Tochter Iphigenie über die Figuren der Orestie des Aischylos bis zu Euripides' Tragödie Alkestis und Passagen aus der zeitgenössischer Literatur wie z.B. Elizabeth Costello von J.M. Coetzee und den Wohlgesinnten von Jonathan Littell, die ja auch Elemente der Orestie enthalten, versucht er uns Motivationen für Opferungen, menschliche Abgründe und eine Unmöglichkeit der Karthasis näher zu bringen. Als Ausgangspunkt dient die wahre Geschichte der Apolonia Machczynska, die im 2. Weltkrieg 25 jüdische Kinder vor der Gestapo versteckte, verraten wird und in den Verhören der Gestapo anstelle des Vaters die Schuld auf sich nimmt. Dies bleibt aber auch nur eine kleine Eingangsszene und dann arbeitet sich Warlikowski in einer Art Cut-up-Collage-Technik nacheinander an den Figuren der Iphigenie, Klytaimnestra, Agamemnon, Orest, Alkestis, Admetos, Hearkles, Apollon und Athene ab. Iphigenie wird für eine zweifelhaftes Vorhaben, die Reise nach Troja, geopfert, daraus wird sich dem Fluch der Atriden folgend die blutige Geschichte der Orestie entwickeln. Alkestis opfert sich für ihren Gatten Admetos auf, der wegen einer Beleidigung der Göttin Artemis sterben soll. Nur weil sie sich bereit findet zu sterben, kann er weiter leben. Apollon ist Admetos behilflich und errettet auch noch Alkestis aus dem Hades.
Die Schauspieler wechseln immer wieder die auf der Bühne stehenden Plexiglascontainer oder sitzen wie beim Familienessen zusammen am Tisch. Zur Erleichterung der Orientierung werden die Namen der antiken Figuren an die Rückwand geworfen. Die anderen literarischen Einsprengsel kann man teilweise nur erahnen, so spricht Agamemnon bei seiner Rückkehr Worte aus den Wohlgesinnten, das er es sich nicht ausgesucht hätte zum Mörder zu werden. Interessant auch einige Videoeinsprengsel von Paaren, die nach ihren Beziehungen gefragt werden und der ob man sich für den anderen auch mit dem Leben aufopfern würde. Das letztere bleibt schließlich unbeantwortet. Unterbrochen werden die Textepassagen immer wieder durch Musikeinlagen einer Band mit der fantastischen Sängerin Renate Jett. Das lockert die doch sehr verkopfte aber trotzdem nie langweilige Inszenierung zusätzlich auf und hält einen auch nach der Pause noch bei der Stange.
Der zweite Teil gehört am Anfang ganz der Elizabeth Costello und ihren öffentlichen Vorträgen zur Tierquälerei, dem Verhältnis zwischen Tier und Mensch am Beispiel des Affen Rotpeter von Franz Kafka, sie vergleicht ihren Vortrag mit dessen Bericht an die Akademie, und kulminiert in ihrer Gleichsetzung der Schlachthöfe mit dem Holocaust. „Das Verbrechen des Dritten Reichs, so lautet die Anklage, war, Menschen wie Vieh zu behandeln.“ Man war immer da, will aber nie etwas davon gewusst haben. Das wird ernst und glaubwürdig von Anna Radwan-Gancarczyk vorgetragen und würde auch sicher nicht seine Wirkung verfehlen, wenn es nicht all zu offensichtlich wäre. Weiter geht es dann wieder mit den antiken Figuren und ihrem Kampf, Videos und Musik. Das Ganze ist mehr eine stetige Performance als richtiges Theater und so ist man am Ende zwar in gewisser Weise aufgewühlt, kann aber nur schwer die vielen Bildern einordnen und verarbeiten. Konventionell ist dieser Theaterabend mit Sicherheit nicht, aber auch nicht wirklich innovativ. Warlikowskis Inszenierung fehlt eine gewisse Konzentration auf das Wesentliche und so verpuffen doch seine Bemühungen um Fragen der Pflicht, Schuld, Sühne und Vergebung etwas im Ungefähren. Am Schluss finden sich alle Protagonisten noch mal im Glascontainer um die Band zusammen und feiern erleichtert das Ende ihres langen Kampfes. Der Zuschauer verlässt nach gut 4 Stunden dann, nach langem Beifall, auch erleichtert die Station.
Kommentar schreiben