Thüring'sches Prinzen-Remidemmi

von Ute Grundmann

Altenburg, 27. Juni 2009. Zwei finstere Ritter versperren mit gekreuzten Hellebarden den Weg. Erst der Blick auf die Eintrittskarte lässt sie weichen. Durch einen schmalen Gang geht's zu einem Mittelalter-Markt, auf dem vermummte Recken die Schwerter kreuzen, aber auch Longdrinks und Melonenbowle zu haben sind. So kann man die zwei Stunden verbringen, in denen das Areal im Altenburger Schloss schon geöffnet ist, bevor die eigentliche Vorstellung der "Prinzenraub-Festspiele" beginnt. Mit diesem Ritter-und-Schwert-Spektakel präsentieren Stadt und Theater Altenburg seit einigen Jahren ein Stück Stadt-Geschichte oder –Legende; in diesem Jahr aufgrund eines neuen Textes, den Katrin Lange geschrieben hat: "War'n zwei Brüder einst in Sachsen".

Anno 1455 sollen die Kurfürsten-Söhne Ernst und Albrecht im heute thüringischen Altenburg, damals im sächsischen Wettiner-Reich gelegen, vom Ritter Kunz von Kauffungen entführt worden sein, weil der sich um seine Kriegsbeute gebracht sah. Ob das nun eine Erpressung oder ein Kohlhaas'scher Aufstand gegen "die da oben" war, bleibt unentschieden; Katrin Lange beschreibt es auch als freiwillige Flucht der beiden Jungen, die dem betrogenen Ritter gerade zupass kam.

Kämpfe, Aufmärsche und der Badezuber

Doch solche Feinheiten sind nicht so wichtig bei der Freilichtaufführung, die das Marktreiben erst mal auf der Bühne fortsetzt. Gauklerin Trina (Janina Brankatschik) zerrt Esel, Äffchen und Ziege herein, nur der Hahn, der diese "Altenburger Stadtmusikanten" vervollständigen soll, mag nicht hocken bleiben. Diese Gauklerin macht so etwas wie die Conférence des Abends ("Ich grüße euch! Bei uns seid ihr richtig!") und ist zugleich Teil der Handlung, weil sie um Gaukler Hannes bangt, der in den Prinzenraub verstrickt wird. Dessen Darsteller, Dirk Schoedon, musste gleich nach der Premiere durch Stephan Clemens ersetzt werden, weil er sich das Schlüsselbein bei einem der Kämpfe brach.

Die und die Massenaufmärsche sind das eigentlich Wesentliche und Regisseur Lutz Gotter nutzt die unterschiedlichen Baustile des Schlossensembles geschickt. Eine Mauer und ein hoher Turm im Schlosshof bieten drei Ebenen, sodass "oben" der Kurfürst (Andreas Unglaub) samt Hof aufmarschiert, während "unten" Ritter Kunz (Jörg Steinberg) gegen die Ungerechtigkeit des Friedensschlusses wettert.

Kurz drauf landet er in der Pferdeschwemme, kommt triefend wieder raus und weil er schon mal nass ist, spielt er die nächste Szene im Badezuber. Solche Szenen will das Publikum sehen, das bei längeren Textpassagen schon mal unruhig wird – doch die nächste Attraktion kommt bestimmt.

Gerettet auf dem Seil

Über 200 Mitwirkende tummeln sich im Schlosshof, in aufwendigen Kostümen der Zeit; mal als tanzendes Volk zu aufgepeppten Mittelalter-Weisen, mal als fast griechischer Chor, der einen neuen Krieg fürchtet. Da reimt sich schon mal Lust auf Frust und Spektakel auf Debakel, wird Böhmen zum "Reich des Bösen" erklärt, raunt die Kurfürstin "Uns droht eine fiese Krise".

Die kommt denn auch prompt, als die beiden Prinzen verschwinden, ob freiwillig oder entführt. Das inszeniert Lutz Gotter als echten Hingucker: Ernst (Alexander Flache) und Albrecht (Mechthild Scrobanita) steigen von einem kleinen Holzschiff herunter, während gleichzeitig zwei Stuntmen an einer schwankenden Strickleiter von der Turmspitze herabklettern. Und die Suche nach den scheinbar Entführten lässt dann noch mal Fackeln, Schwerter, Piken und viel suchendes Volk zum Einsatz kommen.

Nach zwei Stunden sind die Prinzen wieder daheim, Ritter Kunz wird zwar nicht gerettet, wohl aber Gaukler Hannes, der auf einem langen Seil über dem Schlosshof in den Abendhimmel tanzt.

 

War'n zwei Brüder einst in Sachsen
von Katrin Lange
Regie: Lutz Gotter, Ausstattung: Klaus Noack, Musik: Stoppok, Dramaturgie: Andreas Poppe. Mit: Jörg Steinberg, Stephan Clemens, Janina Brankatschik, Andreas Unglaub, Alexander Flache, Mechthild Scrobanita, Karin Kundt-Peters.

www.prinzenraub.de

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