Peter Zadek gestorben
Jahrzehntelang stilprägend
30. Juli 2009. Einer der ganz Großen des deutschen Theaters ist tot! Gestern Nacht ist Peter Zadek in Hamburg nach langer Krankheit und wenige Wochen nach seinem dreiundachtzigsten Geburtstag gestorben.
Peter Zadek wurde 19. Mai 1926 in Berlin geboren und war 1933 mit seinen Eltern vor der nazionalsozialistischen Verfolgung nach England geflohen. Er studierte in Oxford und London und wurde 1957 in London mit einer Inszenierung von Oscar Wildes "Salomé" schlagartig bekannt. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück und gehörte bald zu einer Gruppe junger Regisseure, die zunächst in Ulm und später in Bremen der große Reformierer des bundesdeutschen Nachkriegstheaters Kurt Hübner um sich versammelt hatte. Zu ihnen gehörte auch Peter Stein und eine Reihe von Schauspielern, die für das bundesrepublikanische Theater jahrzehntelang stilprägend waren, darunter Bruno Ganz und Edith Clever.
Zu Zadeks berühmtesten Inszenierungen zählt sein Hamburger "Othello" von 1976 mit Ulrich Wildgruber in der Titelrolle – eine Aufführung die in eine ganze Reihe epochaler Shakespeare-Inszernierung gehört, die seit 1973 entstanden waren: als er in Bochum der bundesdeutschen Gesellschaft, die ihren Antisemitismus als Philosemitismus weichgespült hatte, in der Gestalt des Schauspielers Hans Mahnke einen abstoßenden Shylock vorgesetzt hatte, was ausgerechnet Peter Zadek damals wütende Antisemitismusvorwürfe einbrachte. Denn seit 1945 galt Shakespeares Shylock hierzulande als Opfer und naher Verwandter von Lessings Nathan. Und Mahnkes häßliche, hasserfüllte Figur weckte in den Nachkriegsdeutschen augenscheinlich Gefühle, die sie nicht ertrugen. Wie so manches, was Zadek ihnen zumutete, dessen Theater die Zuschauer mit der Nase manchmal direkt in den Dreck der Verhältnisse, aber auch ihre Schönheiten und Wunder stieß.
Seine Inszenierungen kennzeichnete eine seltene Mischung aus Agressivität und Melancholie, aus Bildmacht und einem verspielten Sinn für das Physische. Die despektierliche, bildungsbürgerliche Unterscheidung zwischen Boulevard und Hochkultur war ihm fremd, er kannte nur gutes oder schlechtes Theater. Aus dem englischen Theater hatte Zadek außerdem einen scharfen Sinn für soziale Verhältnisse und Hierarchien mitgebracht, einen Gespür für die Abgründe des Banalen, weshalb das deutsche Theater ihm auch eine Reihe spektakulärer Inszenierungen britischer Gegenwartsdramatik verdankt.
Neben seinen Regiearbeiten war Peter Zadek ein legendärer, bei den Kulturverwaltungen wegen seines Hangs zur ökonomischen Theaterverwüstung gefürchteter Theaterleiter, 1972-79 als Generalintendant in Bochum, 1985-89 als Leiter des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. 1992-94 gehörte er zum Direktorium des Berliner Ensembles, das legendär eher durch sein Scheitern war.
Gemeinsam mit Tom Stromberg gründete er 2005 die Theaterakademie Brandenburg und die freie Produktionsgesellschaft 'wasihrwollt'. 2007 war ihm der Europäische Theaterpreis zunächst zu-, und dann wieder aberkannt worden, weil er zur Preisverleihung im griechischen Thessaloniki nicht persönlich erscheinen konnte, wie es die Preisstatuten verlangten. Zuletzt hat Zadek im Februar 2009 im Zürcher Schauspielhaus George Bernard Shaws Major Barbara inszeniert.
(sle)
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schalom
und ein Zitat des Nachrufs (gefunden auf der webseite des Deutschlandradios).
" Peter Zadek hat deutsche Theatergeschichte geschrieben. Mit seinem Namen verbinden sich vor allem die Theaterbühnen in Bochum, Hamburg, Berlin oder Wien. Er inszenierte Shakespeare, Ibsen, Fallada oder Brecht. Er revolutionierte das Theater in Deutschland in den 60er und 70er Jahren und schockte sein Publikum mit oft wilden Inszenierungen.
Zadek wurde 1926 in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Berlin geboren, die 1933 aufgrund der Entwicklung in Deutschland nach Großbritannien emigrierte. Nach einer Ausbildung zum Regisseur hatte er seinen ersten großen Erfolg 1957 in London mit der Uraufführung von Jean Genets "Der Balkon". In England entwickelte er seine lebenslange Vorliebe für Shakespeare-Stücke. 1958 übersiedelte Zadek nach Deutschland und arbeitete zunächst in Ulm und in Bremen. Dort machte sich einen Namen als junger Regisseur, der gegen Konventionen verstieß, improvisierte und seine Schauspieler improvisieren ließ.
1972 bis 1979 arbeitete er als Intendant in Bochum. Hier entdeckte er den inzwischen ebenfalls verstorbenen Schauspieler Ulrich Wildgruber für seine Stücke. In den folgenden Jahren arbeitete Zadek als freier Regisseur an mehreren Bühnen. 1985 bis 1988 übernahm er die Intendanz am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Zadek schaffte es immer, hochkarätige Schauspieler um sich zu versammeln. Neben Wildgruber zählten Gert Voss, Eva Mattes und Angela Winkler zu seinen Lieblingsschauspielern.
Schon lange plagten Zadek Krankheiten, die ihn aber nicht daran hinderten, weitere Projekte zu verfolgen. Zuletzt inszenierte er am Züricher Schauspielhaus George Bernhard Shaws Komödie "Major Barbara". Der letzte Vorhang fiel nun nicht auf der Bühne, sondern in einem Hamburger Krankenhaus. " (la/gri/dpa/ap)
Aber ich vermute, dass in diesem akamdemischen Kreis, der mitunter wissenschaftlich angehaucht ist, Fußnoten, Anmerkungen und ausführliche Erläuterungen nötig sind.
Bin ich froh, dass ich nicht studiert habe!
Luzie, Sie kennen mich nicht, sonst würden Sie mir keine große Vorstellungskraft zuschreiben.
Ich bin so fantasievoll wie ein Besenstiel.
Iwanow, unvergeßlich, Angela Winkler hat mich zu Tränen gerührt.
Kirschgarten habe ich 6 Mal gesehen.
Bash mit Judith Engel.
Kaufmann von Venedig.
Rosmersholm, eine tiefdunkle Aufführung.
Die Möwe mit Hermann Lause als Kostja in Bochum und Baumeister Solness kenn ich nur als Video, großartig.
Und selbst einige nicht völlig gelungene Inszierungen (Jude von Malta, Richard III., Gesäubert, Antonius und Cleopatra) waren spannender, widersprüchlicher, mutiger gedacht als die meisten anderen.
Auch ich hinterlasse eine Rose und bin sehr traurig. Solches Theater existiert nicht mehr.