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Marlene Streeruwitz greift die Salzburger Festspiele an
Ganz sicher ein demokratiepolitisches Problem
6. August/10. August 2009. Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz hat in einem Interview mit Holger Hettinger im Deutschlandradio die Salzburger Festspiele scharf angegriffen. Es handele sich um eine "elitäre, reaktionäre Einrichtung" mit reaktionärem Kulturverständnis, die lediglich ein genau definiertes höfisches Oben und Unten zelebriere.
Streeruwitz kritisierte in diesem Zusammenhang besonders die Rolle der Sponsoren in Salzburg. Es sei ganz sicher ein demokratiepolitisches Problem, "wenn zum Beispiel der Souverän, der das zahlt - also, alle Bürger und Bürgerinnen Österreichs" gar nicht erwähnt werde. Die Festspielpräsidentin bedanke sich immer bei den Sponsoren und "dann irgendwann, ganz am Ende, erwähnt sie dann die Subventionsgeber." Doch das Land trage immerhin 40% des Budgets.
"Wenn wir zum Beispiel Audi anschauen, bei Audi ist Kurzarbeit, Audi ist Hauptsponsor der Salzburger Festspiele, auf der Audi-Hompage stehen dann, wie sehr der Vorstandsvorsitzende und der vorstandsstellvertretende Vorsitzende wieder eine Opernaufführung genossen hat und danach in einem tollen Restaurant den Ausblick auf Salzburg gemeinsam mit Künstlern." Audimitarbeiter müssten da doch einen Hass bekommen. Die zwei Millionen, die in die Festspiele fließen würden, wären im Pensionsfonds von Audi auch ganz gut aufgehoben.
Sie sei auch immer erstaunt, wie die Touristen und Touristinnen sich diesen 'Jedermann' vorsetzen ließen, ein "Tölpeltheater, in dem der Schuldner den dramaturgischen Knoten knüpfen darf und danach vergessen wird, während der reiche Mann von schönen Frauen ins Grab und beim Sterben begleitet wird". Die Frau des Schuldners bleibe übrig und werde, so Streeruwitz, "auf den Strich gehen müssen, damit sie ihre Kinder ernähren kann."
Noch-Festspielchef Jürgen Flimm hat wenige Tage darauf, ebenfalls in einem Interview beim Deutschlandradio, zurückgeschlagen: "totaler Blödsinn", "dummes Zeug", "völliger Quatsch"! Streeruwitz habe "nicht alle Tassen im Schrank", vergesse, ihre Kritik zu belegen, und sei "eine verbitterte Frau, die keinen großen Erfolg mehr hat als Schriftstellerin", weshalb sie auf diese Art Aufmerksamkeit suche.
(sle)
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Nicht das die mehrheitliche, widerwärtig-reaktionäre Gier von unten, in der Zangenbewegung mit der darstellungsgeilen Re-Feudalisierung von oben, in der Kultur aufzuhalten wäre.
Ist nicht. Leider. Siehe Kehlmann.
Tröstlich nur, das es noch einige, ganz wenige, wahrhaft gebildete Geistesmenschen und Aufrechte gibt die, wie Marlene, nicht nur kulturell - sondern auch politisch 'das laut sagen, was ist', beschreiben, was wir hier erleben, in seinen machtvollen Anfängen:
"Das ist keine, das ist nicht Kultur, das ist Selbstdarstellung von Schichten, hat etwas Faschistoides dadurch und kann von Kunstkritik gar nicht erfasst werden, weil es keine ist."
In Salzburg einen Identität stiftenden Competition-Teilnehmer um den vordersten Platz in der Rangliste der Festivals zu sehen, woraus sich dann der Vorwurf faschistoid abzuleiten scheint, halte ich für vollkommen falsch.
Die Salzburger Festspiele sind sicher gut gestylt, gut vermarktet, gut organisiert. Hauptsächlich für Menschen die selbst auch gut gestylt und gut organisiert sind und sich im Leben gut vermarktet haben. Ein – wie man hört – gewinnbringender Tourismus- und Wirtschaftsfaktor. Eher ein 6 Wochen dauernder „Wiener Opernball“, eine Traditionspflege mit morbiden Charme und ziemlich viel Dekadenz und noch mehr Geld. Die künstlerischen „Mitternachtseinlagen“ sind halt lang und beginnen um 20.00 Uhr. Eine faschistoide Ordnung, Disziplinierung und Wettkampf suchende Kraft würde ich dem Geschehen nicht zuordnen.
da bräuchte man eine riesige Brechtüte. Aber die Tradition soll ruhig anständig gepflegt werden, jedem das Seine.
was'n los mit Ihnen? Werden Sie langsam altersmilde?
Habe ihre Beiträge bisher doch immer originell, fundiert und kämpferisch-beteiligt wahrgenommen.
Nun, erst das 'Scherben' Zitat mit Schlussfolgerung zur Happiness und jetzt: das hier?
Dies Art von Romantik und Schönseherei ist eine derartige Komplexitätsreduktion, die so gar nicht zu Ihrem sonst so differenzierten Auftreten passen mag. Eher schon zu den Dumpfbacken, die sich nachlesbar so schon mehrfach an Ihnen abgearbeitet haben.
Was ist da passiert? Ist ihnen die Streeruwitz zu ähnlich?
Gründe:
Letztes Jahr drohte er in ARD-ttt mit dämonischer Visage in Grossaufnahme dem alten Wagner mit Entmündigung, wenn der in Bayreuth partout den Weg nicht frei mache für eine neue Leitung. Das ist faschistoid: Wer den Interessen "des Staates" / des Systems, im Wege ist, wird mit egal welchen Methoden aus dem Weg geräumt. Damals dachte ich, das System schickt seine faschistoiden Vertreter im Kulturbetrieb vor, um Drohbotschaften von scheinbar Gleich zu Gleich auszusenden.
Die erbärmliche Reaktion von Flimm auf Streeruwitz passt zu dieser Beurteilung. Danke an Frau Streerutwit für ihre treffende und im besten Sinne humanistische Kritik!
Danke für die Antworten! (ziehe mir jetzt erst mal einen faschistoiden, frauenfeindlichen Porno rein)
Klar, Theater muss bezahlt werden, aber ein ausgewogenes Verhältnis von Publikumsbeteiligung (also Bezahlung der Eintrittsgelder) mit ein bißchen Subvention und einer Prise Sponsoring über Markenprodukte oder Großunternehmen - wenn das wirklich sein muss? - sollte schon sein. Also ich habe die Nase voll von der Bandenwerbung, das lenkt nur ab. Da fühlt man sich doch wie im Disneyland oder bei McDoof.
Und Herr Faßbender, die letzte Bemerkung von Ihnen war geschmacklos bis prollig, Ihre arme Frau... Gruß H.
ps. hoffentlich hat der porno spaß gemacht. sie müssen aber einsam sein. sie tun mir leid. ehrlich.
Wieso arbeiten sich auffallend viele an meiner vermeintlich männlichen Sicht der Dinge ab (Stichwort "testosteron-schnauze", "Ihre arme Frau", "männlicher homo sapiens"). Ich habe bezüglich der Streeruwitz-Debatte doch gar nichts in diesem Sinne geäußert?
So etwas nennt man wohl vorauseilenden Feminismus? Oder Gender-Doping?
Was "Stichworte", im Gegensatz zu langen Erklärungen, angeht: auch diese können falsch sein. "Faschistoid" ist eine vollständig inhaltsarme, bis zur Unerträglichkeit ausgelutschte linke Stammtischphrase, mit der sich ein halbwegs gebildeter Mitteleuropäer gar nicht abzugeben braucht.
Sponsoring in der Kunst. Ja und? Hat's immer gegeben. Muß es auch geben. Wenn Sie sich die Mühe machen und das Interview mit Herrn Mortier lesen, werden Sie feststellen, daß er das Problem des Sponsorings indirekt vor allem einer zunehmenden Kürzung öffentlicher Mittel zuordnet. Irgendwo muß die Kohle ja schließlich herkommen. Und eine Beeinflussung künstlerischer Inhalte durch den Geldgeber müßte, wie Flimm zurecht bemerkt, ja wohl derjenige nachweisen, der den Vorwurf erhebt.
Geradezu abenteuerlich wird es, wenn Sie Flimm vorwerfen, er sei "pseudo", weil er sich nicht nur künstlerisch "schmieren" lasse, sondern auch noch von der falschen politischen Seite. Wäre er Ihrer Meinung nach "authentischer", wenn er von ATTAC oder Greenpeace gesponsort würde? Oder wäre das auch eine unzulässige politische Einmischung? Ja was denn nun?!
Denkfaule Grüße!