Der Artgenosse als Rätsel II

Hamburg, 17. September 2009. In meinem Hamburger Hotel saß heute ein Mann am Frühstückstisch, der gestern auch die Peer Gynt-Premiere besucht hatte. Er sah das Programmheft neben dem Teller liegen, und wir sprachen ein bisschen über Jens Harzer, die Pappkartons und die Menge der Zigaretten, die Karin Neuhäuser geraucht hat. Wahrscheinlich waren es zwanzig.

Es stellte sich heraus, dass er Hamburger ist, die Wohnung nicht weit vom Schanzenviertel. "Ja, aber wir haben einen neuen Intendanten", erklärte er, "ich habe das alte Thalia geliebt". Jetzt ist das alte Thalia nach Berlin ans Deutsche Theater gezogen, und er müsse schauen, wie er das neue lieben lerne. "Da wohne ich nach der Premiere lieber im Hotel, weil ich mir so einreden kann, ich bin nur auf Reisen hier." Man müsse sich jetzt umgewöhnen, und das gehe am besten, wenn man selber den Fremden spielt. Gleich gehe er aber nach Hause und wahrscheinlich werde er nach der nächsten Thalia-Premiere nicht mehr ins Hotel müssen. "Peer Gynt" sei ja ganz schön gewesen.

Er ist dann tatsächlich sofort aufgestanden und hinausgegangen. Später sah ich ihn die Straße hinabschlendern, ich glaube, er hat vor sich hin gepfiffen.

Während der Premiere saß neben mir ein Mann, der versicherte, in den letzten Jahren, alle Thalia-Inszenierungen zwei Mal gesehen zu haben. Ob eine Inszenierung gut oder nicht so gut ist, darum gehe es nicht. Er hat nicht gesagt, worum es geht, aber er sah so aus, als würde er es wissen.

(dip)

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Kommentare  
Redaktionsblog Theaterliebe HH: warum so kompliziert?
wenn er das geld für eine hotelübernachtung in der eigenen stadt hat, warum fährt er dann nicht einfach zu den khuon-premieren ans neue dt?
Hamburger Theaterliebe: nach Theater gelechzt
Von Berlin nach Köln kommend, kann ich nur sagen: Als ich vor sechs Jahren an den Rhein kam, habe ich nach "Theater" gelechzt und das konnte dann Karin Beyer mit "ihrem Theater" bis heute leisten. Also, es kann auch so wohltuend sein, wenn das was Neues kommt. Neugier ist wohl hier das richtige Stichwort!
Redaktionsblog Theaterliebe: wunderbare Geschichte
Wunderbar. Was für eine wunderbare Gute Nacht - Geschichte. Danke schön. Was der wohl sonst noch so in seinem Leben treibt? Was für eine Figur!
Redaktionsblog Theaterliebe: schöner geht's nimmer
Es gibt sie noch! Schöner gehts nimmer.
Redaktionsblog Theaterliebe: anrührend
Eine wunderschöne, anrührende Geschichte. Ein Hoch auf solch Theatermenschen.
Redaktionsblog Theaterliebe: Mensch oder Kritiker?
Frage an Pilz: War das echt ein normaler Mensch oder doch ein Kritiker, hm? Jetzt nicht schwindeln, Pilz, sonst heißt es Pilz, du lügst!

Hallo Aase,
es war in jedem Fall ein Mensch, als Kritiker war er mir nicht bekannt.
Herzlich,
Dirk Pilz
Redaktionsblog Theaterliebe: Radikalzuschauer wider Willen
mir hat die Geschichte auch gut gefallen und ich werde auch mal wieder im Hotel schlafen. Meine Schwester kommt mit. Wir trinken gerne Alkohol, nichts besonderes, Bier am liebsten und wir mögen ausser Fußball auch noch Theater. Ich lese auch Gedichte. Oft denke ich, Theater hat mehr mit Poesie zu tun als mit Fußball, aber dann denke ich auch, Posie hat viel mit Fußball zu tun und so entscheide ich mich oft zu einem Abend, der zunächst gar nicht auf meinem Schirm war. So fühle ich mich oft als Radikalzuschauer wider Willen. Aber einmal mit Freude eingenommene Positionen halte ich auch. So zählt Jens Harzer nun mal zu meinen Lieblingsschauspielern, der manchmal aber auch Pech hat, wenn er an einen Regisseur gerät, der ihn nicht versteht. Nichts ohne die rechte Mühe. So denke ich jetzt, irgendwann klappt es, wenn auch bestimmt nicht in Hamburg.
Redaktionsblog Theaterliebe: kleine Sprachkritik
So. Von Ihnen ist das also, Herr Pilz. Sie sind doch so ein scharfer Hund. Und dann unterläuft Ihnen der Satz: 'Später sah ich ihn die Straße hinabschlendern, ich glaube, er hat vor sich hin gepfiffen.' Doppeltes Klischee. Funktioniert auch nicht als Ironie. Verhunzt ihre ansonsten sehr schöne Geschichte. Müssen Sie dann jetzt von sogenannten Jungdramatikern dazu aufgefordert werden, sich sprachlich mehr Mühe zu geben? Fragt freundlich ein solcher.
Redaktionsblog Theaterliebe: dann kommen die Zuschauer
ich trinke reichlich viel weniger als mein Bruder und Fußball interessiert mich überhaupt nicht, mit der Poesie verhält es sich fast so, wie Bob sagt, aber mal ehrlich, wen interessiert das hier. Ich denke aber, jeder kann sich an fast alles gewöhnen und gut finden. Weil das Theater fast immer sowieso ziemlich gleich ist. Und jeder mag halt das was er in gewisser Weise schon kennt. Und das ist nun wieder wie beim Fussball. Du willst, das deine Mannschaft gewinnt. Und bald wird das Thalia wieder das Thalia sein - wenn wieder schöne lustige und gesellschaftskritische Stücke gespielt werden, dann kommen die Zuschauer auch mir ist nicht bang. Welche Stücke hat denn schon der Herr Pilz geschrieben?
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