Eine Bank ist eine Bank ist eine Bank

von Rainer Petto

Saarbrücken, 15. November 2009. Auf der Bühne steht eine Bank, auf der steht: "Bank". Das ist zwar ein Kalauer, aber einer, der sich selber auf die Schippe nimmt. Eine Bank ist eine Bank ist eine Bank. Gegen Ende soll die "Bank" mit einer Axt zertrümmert werden, aber die Axt ist keine Axt, sondern ein Kleiderbügel. Eine Axt ist ein Kleiderbügel ist ein …?

"Die Kontrakte des Kaufmanns" werden gehandelt als ein Stück über die aktuelle Krise. Das ist ein Irrtum, und zwar nicht, weil Elfriede Jelinek es schon angesichts von deren österreichischem Vorbeben im Sommer letzten Jahres geschrieben hat. Sondern weil es, genau genommen, nicht von der Finanzkrise handelt, sondern vom Reden darüber. Die berüchtigten Wortkaskaden, die Elfriede Jelinek den Theatern anliefert, speisen sich diesmal aus dem Vokabular der bösen Banker und der reingelegten Kleinanleger. Und keine der beiden Seiten hört sich besonders gut an. Der Zuschauer wird akustisch zugeschüttet, bis es ihm zu den Ohren rauskommt. Und so soll es auch funktionieren.

Die Vorstände auf der anderen Seite
Die Regisseurin Antje Thoms, Jahrgang 1976, hat dem Saarbrücker Publikum im März mit Kaspar Häuser Meer von Felicia Zeller gezeigt, dass sie derlei Textflächen sinnvoll aufbereiten kann. Für die "sparte 4", die Experimentierbühne des Saarländischen Staatstheaters, lädt sie Jelineks Text vier Schauspielern auf, drei Frauen, einem Mann. Es gibt nicht viele Szenenwechsel. Die meiste Zeit über bildet ein Podiumstisch in voller Bühnenbreite die Barriere zum Publikum. Man kann sich vorstellen: Die Zuschauer sind die Aktionäre, alles Kleinaktionäre natürlich, die vier Leute dahinter sind die Bankvorstände.

Marcel Bausch darf wieder einmal, weil er das so gut kann, den Seriösen geben. Gertrud Kohl ist die Überkandidelte, sie spielt ihre Rolle individueller als die anderen drei – man fragt sich, in wie weit das dem Regiekonzept entspricht. Gabriela Krestan, interessant, ist diesmal nicht die fesche Blondine, sondern der senile Finanzzyniker. Und Dorothea Lata liefert, auch wenn sie nicht spricht, eine schöne Studie des kühlen Nachwuchskarrieristen.

Ergreifend am Ende
Während die Uraufführung in Köln vier Stunden dauerte, ist das Ziel in Saarbrücken schon nach zwei Stunden erreicht. Das nach drastischen Kürzungen übrig gebliebene Wortmaterial ist vollständig erschöpft. Keiner, der hier Zeuge war, wird den Jargon der Wirtschaft je wieder ernst nehmen können.

Da, kurz vor dem Ende, hebt Marcel Bausch noch zum Monolog eines Mannes an, der aus Verzweiflung seine Familie ausgerottet hat. Hier war die Axt offenbar kein Kleiderbügel, sondern eine Axt. Wirklich ergreifend, wie Bausch dies spielt, trotz Wortspielen völlig ernsthaft, ohne Doppelbödigkeit. Es ist, als solle dem Stück noch ein bisschen Sozialdramatik eingehaucht werden, bevor es zu spät ist. Doch es ist zu spät, und es ist auch gar nicht das Stück dafür.

Axt erwünscht
Danach teilt Gertrud Kohl, die Flügel schon umgeschnallt, dem Publikum mit, dass ihr Auftritt als Engel der Gerechtigkeit und noch einige Szenen mehr leider gestrichen seien, man könne bei diesem Stück ja ohnehin beliebig aufhören, und außerdem sei der Text ja nachzulesen.

Auch diese Wurstigkeit – zu spät. Zu lange hat die Regie die Schauspieler agieren lassen, als sei dies ein etwas länger geratenes politisches Kabarett, als ginge es ums Entlarven und Aufdecken und Vorführen. Immer klang es so, als seien all die Witze ernst gemeint, als komme es auf die jeweilige Textstelle an, nicht auf die schiere Inflation der Worte. Es wäre besser gewesen, der Kleiderbügel hätte öfter Axt sein dürfen.

Die Kontrakte des Kaufmanns
von Elfriede Jelinek
Regie: Antje Thoms, Bühnenbild und Kostüme: Florian Barth.
Mit: Gertrud Kohl, Gabriela Krestan, Dorothea Lata, Marcel Bausch.

www.theater-saarbruecken.de

 

Mehr zu Elfriede Jelinek im nachtkritik-Archiv: Die Urlesung der "Kontrakte des Kaufmanns" fand im März 2009 am Wiener Burgtheater statt, im April 2009 dann die Uraufführung in Köln. Jelines Stück Rechnitz (Ein Würgeengel) wurde in diesem Jahr außerdem mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet.

 

Kritikenrundschau

"Karnevalssitzung, Mannesmann-Prozess, Kleinaktionärs-Versammlung, der 'antike' Monolog eines Familienmörders aus Ersparnis-Gründen", assoziiert Cathrin Elss-Seringhaus in der Saarbrücker Zeitung (17.11.2009), "die Regie unternimmt gar nicht erst den Versuch, all diese Fragmente zum Ganzen zu zwingen. Statt dessen obwaltet vergnügte Unausgegorenheit." Und die wirke durchaus charmant, weil jeder Darsteller seinen ureigenen Komik-Ton ausleben könne. Fazit: "Kein Einfall ist zu abwegig oder kindisch, um das Rad des Jelinekschen Irrwitzes am Laufen zu halten. Dadurch nimmt Thoms den 'Kontrakten' ihre angestrengte Bedeutsamkeit, aber auch ihr kafkaeskes Funkeln. Nichts als eine lustige Moritat? Der Abend feuert versteckte Pfeile ab: Häme und Hohn landen bei uns."

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