Kay Wuschek – Theater an der Parkaue, Junges Staatstheater Berlin, Intendant

Welches war Ihr herausragendstes, schönstes, beeindruckendstes Theatererlebnis im Jahr 2009, am eigenen Haus oder an anderen Häusern? Und warum?

Es gab eine ganze Reihe beeindruckender Momente und Erlebnisse. Meist gingen sie vom Schauspieler/von der Performerin/den Akteuren aus und hatten viel mit den unterschiedlichen Ansätzen von Darstellung und Kommunikation in der Herstellung einer Inszenierung zu tun.

An fremden Häusern:

1. Perfekt (Gewesen) von TWO FISH im HAU - rhythmisch hervorragend, leicht, offen, genau und bis in die Prügelszenen urkomisch.

2. Ferienlager - Die 3. Generation in der Regie von Lukas Langhoff am Ballhaus Naunynstrasse - beste Arbeit mit jugendlichen Laien und von hoher inszenatorischer Qualität.

3. Eines langen Tages Reise durch die Nacht in der Regie von Sebastian Hartmann am Centraltheater Leipzig fesselte mich über weite Strecken durch ein schauspielerisches Vergnügen zwischen Verabredung und Improvisation.

4. Philippe Quesne mit La Melancholie des Dragons auf dem Festival Theaterformen gesehen, verbindet sehr absurd Understatement und Bild und versteht die kleine Geste groß werden zu lassen.

5. Kiwi von Daniel Danis in seiner eigenen Inszenierung auf dem Festival "Augenblickmal" gesehen, läßt die Schauspieler im Dunkel agierend verschwinden um sie abgefilmt als Gespenster ihrer selbst ins Licht zu setzen.

6. Ein Chor irrt sich gewaltig von René Pollesch im Prater der Volksbühne gesehen mit wunderbaren Kostümen, einem guten Chor und einer mich begeisternden Sophie Rois offerierte mir eine selten erlebte Leidenschaft am Denken. Als Boulevard über romantisch-fatale Ich-Konstruktionen amüsierte mich inhaltlich und handwerklich auch JFK.

7. In Kairo sah ich zwei irakische Inszenierungen, The Shadows nach Ariel Dorfmanns "Der Tod und das Mädchen" und Echo von der National Acting Group. Beide Inszenierungen waren harte und hochpolitische Auseinandersetzungen mit der eigenen Situation und erzählten zugleich von der Kraft des Theaters im Prozeß gesellschaftlicher Selbstversicherung.

Am eigenen Haus:

1. Leuchte Berlin, leuchte von Lothar Trolle in der Regie von Sascha Bunge.

2. Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt von Hannes Hüttner in der Regie von Franziska Ritter.

3. Risiko von John Retallack in der Regie von Carlos Manuel. Vergnügen, Hingabe, Leidenschaft und Liebe zum Theater, gepaart mit klugen Köpfen und großartigem Handwerk. Mehr erwarte ich nicht und auch nicht weniger.


Was man in deutschsprachigen Theaterleitungen über das Jahr 2009 sonst noch denkt, sagen: Andreas Beck (Schauspielhaus Wien), Karin Beier (Schauspiel Köln), Thomas Bockelmann (Staatstheater Kassel), Amelie Deuflhard (Kampnagel Hamburg), Matthias Fontheim (Staatstheater Mainz), Elmar Goerden (Schauspielhaus Bochum), Markus Heinzelmann (Theaterhaus Jena), Jan Jochymski (Theater Magdeburg), Ulrich Khuon (Deutsches Theater Berlin), Sewan Latchinian (Neue Bühne Senftenberg), Julia Lochte (Münchner Kammerspiele), Enrico Lübbe (Theater Chemnitz), Joachim Lux (Thalia Theater Hamburg), Stephan Märki (Nationaltheater Weimar), Roland May (Theater Plauen-Zwickau), Barbara Mundel (Theater Freiburg), Amélie Niermeyer (Schauspielhaus Düsseldorf), Christoph Nix (Theater Konstanz), Elias Perrig (Theater Basel), Oliver Reese (Schauspiel Frankfurt), Friedrich Schirmer (Deutsches Schauspielhaus Hamburg), Holger Schultze (Theater Osnabrück), Wilfried Schulz (Staatsschauspiel Dresden), Kathrin Tiedemann (Forum Freies Theater Düsseldorf), Lars-Ole Walburg (Schauspiel Hannover), Barbara Weber (Theater Neumarkt Zürich), Hasko Weber (Staatstheater Stuttgart), Tobias Wellemeyer (Hans-Otto-Theater Potsdam), Kay Wuschek (Theater an der Parkaue Berlin).

 

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