Diebe - Andreas Kriegenburgs Uraufführung des neuen Stücks von Dea Loher
Da hab' ich gemerkt, dass ich kein Individuum bin
von Elena Philipp
Berlin, 15. Januar 2010. Eine rotierende Mühle hat Regisseur und Bühnenbildner Andreas Kriegenburg für die Uraufführung von Dea Lohers "Diebe" im Deutschen Theater eingebaut. Die Figuren stehen mal oben auf dem roh gezimmerten Rad der Fortuna, dann richten sie es sich mit Tisch und Stuhl unten auf der nun zweistöckigen Bühne ein. Manchmal hängen sie verträumt eine Schaukel an einen der Flügel, und wenn sie nicht aufpassen, bekommen sie mit der Mühlradkante einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Ein Bühnenbild mit reichen Möglichkeiten.
Dea Loher hat ihrem bevorzugten Regisseur im Auftrag des Deutschen Theaters in Berlin einen Episodentext für ein Dutzend Darsteller geschrieben. Ähnlich wie in Robert Altmans Film 'Short Cuts' verweben sich die einzelnen Lebensgeschichten. Deutet Kriegensburgs Mühle ein kontinuierliches Auf und Ab an, geht es in Lohers Text für die Figuren eher bergab. Sie starten hochgemut und hoffnungsfroh; am Ende sind ihre Hoffnungen zerbrochen, und zwei von zwölf sind tot.
Karge Spuren eines Lebens ohne Trost
Linda Tomason (Judith Hofmann), die das von Schließung bedrohte örtliche Thermalbad betreut, hat im Wald einen Wolf gesehen und träumt nun von einem Wildpark. Ihr Bruder Finn (Jörg Pose), ehemals Versicherungsmakler wie der Vater Erwin (Markwart Müller-Elmau), liegt in Schlafrock und Pyjamahose schlaff in einem prekär geneigten Schaufelradabteil und erzählt dem Publikum seine Lebensunlust: "Er würde nie mehr aufstehen. Nicht heute und auch an keinem anderen Tag." Finn wird später aus dem Fenster springen, nichts hinterlassend als das Gekritzel an den Wänden seines Zimmers - Namen, Telefon- und Versicherungsnummern, eine Erinnerung an seinen Vater, der ihn als Kind während einer schweren Erkrankung zum Kämpfen ermutigte. Kämpfen, streben - Finn hat aufgegeben, weil er "im Lauf der Zeit immer weniger wusste, was Grund und Ziel und Absicht oder Zweck des Kampfes sein sollte", wie Linda von seiner Zimmerwand abschreibt. Karge Spuren eines Lebens ohne Trost.
Tomason ist denn auch ein sprechender Name. Loher bezieht sich auf eine Idee des japanischen Künstlers Genpei Akasegawa. Finns Freund Rainer Machatschek (Bernd Stempel) erklärt sie Linda, die für kurze Zeit seine Geliebte wird: Ein Tomason, "das is n Ding, von dem kein Mensch weiß, wozus gut is". Es hatte vor langer Zeit eine Bedeutung, die jedoch vergessen ist. Der Mensch, ein nutzloses Objekt. So wie Lindas Namensvetterin Monika Tomason (Barbara Heynen). Der Aufstieg zur Supermarktleiterin in Holland ist ihr versprochen, ihm arbeitet sie mit Sprachkurs und Fernabitur emsig entgegen. Als die holländische Konkurrenz unerwartet den deutschen Konzern übernimmt, wird sie gekündigt - abbaubares Humankapital. "Da hab ich gemerkt, dass ich kein Individuum bin", kapituliert sie.
Steif-groteske Loriot-Puppen
Nicht mehr nur der Umwelt entfremdet, sondern ihrem eigenen Menschsein sind Lohers Figuren fremd geworden. Sie haben das Leben nicht gelernt, obwohl es so einfach ist wie Sprechen oder Schwimmen lernen, findet die als Einzige unversehrte, weil illusionslose Gabi. Neben dem Dinglichen entwirft die Autorin in "Diebe" für ihre Figuren noch einen anderen Existenzpol: das Tiersein. Da ist Lindas Wolf, eine Verheißung. Spuren eines Tieres meinen auch die Schmitts in ihrem Garten gefunden zu haben. Sie fühlen sich beobachtet - und empfinden die Bedrohung mit lustvollem Gruseln.
Katrin Klein und Bernd Moss spielen das pastellfarbene Paar wie steif-groteske Loriot-Puppen. Ida Schmitt kiekst und zappelt und hat gar schröckliche Angst vor dem Tier, das eigentlich keines ist: Der Bestatter Josef Erbarmen (Helmut Mooshammer) ist dem anonymen Samenspenderpa seines minderjährigen, schwangeren Liebchens Mira (Olivia Gräser) auf der Spur.
Im vollständig eingerichteten Leben der Schmitts stört alles Neue, und so können sie sich nicht entscheiden, ob sie der ungewollt aus Gerhard Schmitts vormaliger Großzügigkeit resultierenden Familienerweiterung um Josef-Mira-Enkelkind zustimmen sollen: "Was sollen wir bloß tun. Gibt es irgendeinen Hinweis. ... Können wir irgendetwas gewinnen"? Was tun? Das Tier muss unschädlich gemacht werden. Orgasmisch jauchzend erschlagen Gerhard und Ida den Josef ohne Erbarmen mit Hammer und Bratpfanne. Der Mensch ist dem Menschen eben ein Wolf.
Knallkomische Spielweise
Was sich im Stück oft beklemmend liest, ist auf der Bühne vorwiegend komisch. Kriegenburg entdeckt in 'Diebe' das Boulevardstück. Der heitere Höhepunkt ist das Zusammentreffen des Innendienst-Polizisten Thomas Tomason (Daniel Hoevels), bis zu ihrer Kündigung der Mann von Monika, und Gabi Nowotny (Susanne Wolff), die von ihrem Freund Rainer Machatschek im Wald gewürgt wurde. Thomas ist ganz eckiger Komissar, der auf Seelsorger umschaltet, als Gabi ihren Tscheki gar nicht anzeigen, sondern sich nur versichern möchte, dass sie ihn rückwirkend belangen kann, sollte Ähnliches noch einmal vorkommen. Susanne Wolff röhrt, rotzt und dirigiert das Polizistchen, dass es eine Freude ist. Das Tempo stimmt, die Pointen werden mit Verve bewältigt - der einzige Zwischenapplaus des Abends ist fällig.
Mit der knallkomischen Spielweise, die Loher in die Nähe von Yasmina Reza rückt, bügelt Kriegenburg jedoch über die Subtilitäten des Textes hinweg. Im zweiten Teil des vierstündigen Abends gelingt ihm denn auch der Registerwechsel vom komischen ins dramatische Fach nicht mehr. Wenn Mira nach dem bestialischen Mord an Josef einen anschwellenden Klagegesang anstimmt, ist man als Zuschauer schon und noch meilenweit von der Figur entfernt, die als zeternde Berliner Göre auf das schnelle Lachen zusteuerte und nicht auf Mitempfinden. Das Tragische ist nurmehr als Oberfläche lesbar
Das Knirschen der Bühnenmühle
Dass die Inszenierung hochartifiziell um sich selber kreist, liegt aber auch am Stück, das kaum inszenatorisch zu füllende Leerstellen lässt. Obwohl die Zuschauer Finns Freitod miterlebten, hat Loher für Linda und den Vater noch lange Bewältigungsszenen verfasst, die ungekürzt auf der Bühne ausgebreitet werden. Kriegenburg weist auf das Übererfüllen des dramatischen Solls mit zusätzlichen Verdopplungen hin - die Figuren sprechen ihren Dialog und thematisieren episch-narrativ zugleich ihr Figursein, so wie es im Text steht; dann lässt Kriegenburg sie das Gesagte auch noch spielen: "Linda stellt 3 Tassen auf den Tisch", sagt Judith Hofmann und hebt jede einzelne Tasse kurz an. "Er hustet", sagt Helmut Mooshammer und hustet.
Kriegenburg verkürzt dem Publikum die gedehnte Erzählzeit mit flottem Easy Listening und Jazz, der gut zu den pastelligen 60er-Jahre-Tönen der Kostüme passt. Frank Sinatra, Andy Williams, Billie Holiday, und zu Anfang singt Judith Hofmann "Que Sera, Sera" von Doris Day - wunderbar leichte Songs mit melancholischen Texten von Aufbruch und gescheiterter Hoffnung. Hübsch, so hört man auch das Knirschen der Bühnenmühle nicht. Was vom Abend bleibt, ist gehobene Ermüdung.
Nur das Bühnenbild dreht sich im Kopf wie ein Karussell weiter.
Diebe (UA)
von Dea Loher
Regie und Bühne: Andreas Kriegenburg, Kostüme: Barbara Drosihn, Dramaturgie: Claus Caesar, Juliane Koepp.
Mit Olivia Gräser, Barbara Heynen, Daniel Hoevels, Judith Hofmann, Katrin Klein, Helmut Mooshammer, Bernd Moss, Heidrun Perdelwitz, Jörg Pose, Bernd Stempel, Susanne Wolff.
www.deutschestheater.de
Mehr zu Dea-Loher-Uraufführungen von Andreas Kriegenburg im nachtkritik-Archiv und auf nachtkritik_stuecke08: im Februar 2008 kam am Hamburger Thalia Theater die Uraufführung von Das letzte Feuer heraus, das im gleichen Jahr den Mülheimer Dramatikerpreis gewann. Weitergehende Informationen auch im entsprechenden Glossareintrag.
Kritikenrundschau
"Darauf hat man doch lange gewartet. Auf den Durchbruch für die so tastend und zäh gestartete Intendanz von Ulrich Khuon am Deutschen Theater Berlin", feiert Peter von Becker im Berliner Tagesspiegel (17.1.) die Uraufführung. Von Becker scheint, als sei mit einem jüngsten Pollesch-Solo in der Volksbühne und nun dieser Uraufführung das Hauptstadttheater "mitten im Frost überhaupt erst auf Betriebstemperatur gekommen". Das "fulminante zwölfköpfige Ensemble" wage immer wieder die grelle Farce. Dea Loher selbst legt aus Sicht des Kritikers in diesem Stück mitunter das Format eines modernen Molière an den Tag. Das Bühnenbild allerdings wirke eher hemmend auf die Inszenierung, die trotz der großen Effekte "auch gefangen in dieser allmählich erschöpfenden, vorhersehbar unabänderlichen Mühlradmechanik" zu sein scheint. "Dagegen spielt die Aufführung spürbar an. Und bleibt trotz einiger Überdehnungen und der nach der Pause verstärkten Melodramatik leicht. Bleibt kopfhell und sich ihrer Gefährdungen bewusst."
"Die Mühle des Lebens dreht sich vier heitere Stunden lang, wobei die Inszenierung selbst aus dem Gleichgewicht gerät", schreibt Julia Encke in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (17.1.). Andreas Kriegenburg habe sich entschlossen, Dea Lohers Episodenstück als Tragikomödie zu inszenieren, als Lebensunfähigkeits-Short-Cuts, in denen die Verbindungen zwischen den Figuren im heiteren Turnus der Bühnenmühle immer enger und schräger werden. Doch aus Sicht der Kritikerin verliert sich das Tragikomische des Stücks, diese bei Dea Loher niemals dem Leben abgelauschten, sondern verdichteten, überdrehten, oft sehr schönen, diesmal sogar witzigen Dialoge im Klamauk. "Mit albernen Effekten wird hier so ziemlich alles verspielt, was im Drama behutsam und gar nicht dick aufgetragen angelegt ist. Was übrig bleibt, ist einfach nur saublöd."
Es sei nicht der stärkste Abends des erprobten Duos Loher-Kriegenburg, sagt Michael Laages in der Sendung Fazit des Deutschlandradios (15.1.). Zwar handele es sich um eine extrem bunte, und auch extrem abwechslungsreiche Aufführung. Doch Laages findet bereits das Stück eine Spur beliebig und vermisst dann auch in der Inszenierung einen roten Faden, einen Kern, der alles zusammenhält. Konzentrationsmindernd wirkt sich seiner Ansicht nach auch die prägende Bühnenidee auf die Inszenierung aus, dieses Schaufelrad des Lebens, von dem Menschen verschlungen und ausgespiehen werden.
In der Welt (18.1.) stimmt Ulrich Weinzierl eine Hymne an: Mit "Diebe" habe die langjährige Zusammenarbeit Lohers und Kriegenburgs "ihren bisherigen Höhepunkt erreicht". Kriegenburg verstehe sich "auf ästhetische, streng artifizielle Chaosbändigung wie wenige andere", und auch diesmal sei das Mühlrad seines Bühnenbilds eine "Wundertrommel". Lohers dramatische Mittel wiederum schöpften ihre Kraft "aus einer dichterischen, vieldeutigen Sprache, die Pointen zuzuspitzen weiß und auch das Schweigen gestaltet. Es stößt das Tor zum unendlichen Raum immer wiederkehrender Fragen auf, sie wurden einst als die ewigen bezeichnet: Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir?" In "Diebe" münde das "in der anrührenden Farce, auf dem Boulevard zerbrochener Träume. Solch virtuos erzeugter, schwer erträglicher Leichtigkeit des Seins begegnen wir in deutschen Bühnenlanden selten. Dass Loher sich dazu aufgerafft hat, stimmt froh", zumal hinter allem "die Logik des überlebenswahren Aberwitzes" stecke, "ein pechschwarzer Groteskhumor".
Lohers "Diebe" schwankt für Tobi Müller in der Frankfurter Rundschau (18.1.) "zwischen klugen Aufschüben, allzu offenen Berührungen, deftigen und zarten Szenen, besonders zwischen den Älteren". Es sei "ein unsicheres Stück, vielleicht ein Aufbruch. Routiniert scheint der Text nur in der Sprache, immer wieder". Szenen und Figuren würden zusammengehalten "von der Komik und Tragik der verschwindenden Unterschiede. Unheimliche Ähnlichkeiten: Ich bin nicht wie Sie, wir sind verschieden, das sind Schlüsselsätze in diesem Text, in dem die Figuren ihre Einzigartigkeit zu behaupten suchen, die ihnen doch ständig entwischt." Kriegenburg mache "erst einen melancholisch heiteren, dann einen tief dunklen Abend daraus". Diese "pädagogische Stilabfolge der Inszenierung, der brav konsekutive Ansatz" ermüde dann doch. Und doch möchte man "aus diesem Abend immer wieder einzelne Singles auskoppeln".
"Was passieren kann, wenn die Garantien der Schwerkraft und die Gewissheiten für eine Weile zumindest literarisch außer Kraft gesetzt werden, zeigt Dea Loher (...) in ihrem neuen Stück", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen (18.1.): "Als hätte Dea Loher sich aus weiter Ferne an Botho Strauß erinnert, tauchen hier Paare und Passanten auf, die der Zufall vereint, trennt, in unvermutete Verbindungen weht, aus der Luft greift, über den Haufen wirft." Andreas Kriegenburg gelinge "eine grandios hinreißende Überraschung. Er vermag nämlich alle Elendsfolklore von diesen Fragmenten gescheiterter Lebensentwürfe zu pusten und darunter mit empathischer Intelligenz schrecklich-schöne Narreteien zu entdecken." Das Ensemble erweise sich "als strahlend inspiriert", als sei "die neue Belegschaft mit diesem vital wie geschlossen überzeugenden Höhenflug endlich in Berlin angekommen". Fazit: "eine brillante, beglückende, zauberisch burleske Rêverie: arme Menschen, kleine Geschichten – reiches, großes Theater."
Nie komme in Dea Lohers Texten "ein Fragezeichen vor, immer zielt sie aufs Ganze", konstatiert Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (18.1.): "Die Loher-Kunst ist eine Zumutung. Kompromisslos, kantig, klug." In "Diebe" habe sie nun "den Ausbruch geprobt", unvermittelt würden hier "verschiedene Typen, Lebens- und Seelenlagen" aufeinanderknallen: "Die Differenzen sind ihr diesmal wichtiger als die eine, alles überwölbende Atmosphäre." Andreas Kriegenburg sei mit seiner Uraufführung "dicht am Text, wenn er die Abgründe zwischen den Figuren herausinszeniert – er stellt verschiedene Spielweisen gegeneinander". Gegen Ende werde "mehr gebarmt und weniger boulevardisiert, alles jedoch bleibt flächig, alles rauscht folgenlos vorüber". Der Regisseur habe "augenscheinlich nicht gewusst, was er einem Stück hinzufügen soll, das selber nicht mehr will, als mit Komödien-Elementen zu experimentieren. Am Ende produziert diese Inszenierung nichts als einen vierstündigen Mulm, aufgeschäumt durch Lach-Blasen." Immerhin sei das Mühlrad der Bühne "eine schöne, große Metapher. Sie ist allerdings so schön und so groß, dass sie im Laufe der Inszenierung alle Differenzen und Nuancen niederwalzt."
Eine "zeitlose Schicksalsgemeinschaft" sei das, was hier auftrete, meint Simone Kaempf (taz, 19.1.): "Unkalkulierbare Kräfte müssen ertragen werden, die sich mal in die eine, mal in die andere Richtung wenden, das ganze Kippelige der Existenz, das jenseits von kulturellen oder gesellschaftspolitischen Zuschreibungen existiert." Dea Loher habe im deutschen Theater "eine herausragende Rolle als Schmerzensfrau", und umso größer sei "die Überraschung über den Geist der Komödie", der in Kriegenburgs Inszenierung herrsche: "Gelächter passt bei Lohers Figuren also auch." Im "Stil eines Stationendramas" entstünden "Begegnungen, aus denen sich ein Befindlichkeitspanorama bilden könnte, wenn, ja wenn klarer wäre, durch welche Mentalitätsgeschichte die Figuren eigentlich gehen und was von außen auf sie wirkt". Kriegenburg hat "zahlreiche Stücke von Dea Loher zur Aufführung gebracht und ihnen meist ein optimistischeres Weltbild entgegengesetzt". Hier aber gerate die Komik "zunehmend überzeichnet". Und dieses Überzeichnen "stört die rädchenartige Zusammengehörigkeit der Figuren und verstellt den Blick auf den Kern von Lohers Stück. Nach vier Stunden Kriegenburg offenbart er sich am ehesten im letzten Standbild: Die zwölf Schauspieler stehen vorne auf der Bühne und schauen über das Publikum hinweg in die Ferne. Alle zum ersten Mal gemeinsam und doch jeder für sich, in stummer Ratlosigkeit, was da noch kommen mag."
Dea Loher, schreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (20.1.2010), betreibe seit Jahren "einen poetischen Schamanismus", der aus "scheinbar banalen Umständen existentielle Konflikte" hervorzaubere. Obwohl das Personal von Diebe förmlich danach schreie und trotz Szenen "voller Sprachwitz", sei "Diebe" "natürlich" keine "waschechte Komödie". Kriegenburg habe das Karrusell aus dem sehr ähnlichen "Letzten Feuer" um 45 Grad gedreht und es zu einem "Mühlrad des Lebens" gemacht. 37 Szenen lang werde das "herrische Instrument" "beturnt, beschrieben, zum Schaukeln und Sonnen benutzt", es spucke die Figuren aus und putze sie weg, ein "Memento Mori des Technikzeitalters". Die von Kriegenburgs "Spaß-Gas" animierten Schauspieler spielten "Karikaturen von Großstadtmenschen", die mit der "randstädtischen Atmosphäre" von Lohers Stücks nicht mehr viel gemein hätten, trotz weitgehender Texttreue. Die "grundsätzliche Entscheidung zur Parodie" raube Lohers "tapferem Pessimismus" die "entscheidenden Töne und Tiefen". Humor sei bei ihr immer eine "Trotzreaktion auf Verzweiflung" gewesen, diese Balance sei in "Kriegenburgs Typen-Komödie" nicht mehr gewahrt.
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Nach sechs Stunden Theaterhockerei mußte das mal raus!
- der vergleich mit yasmina reza sei gerechtfertigt, die beiden nehmen sich in puncto routine, einfalls- und überraschungslosigkeit nichts.
aber wo weist der text denn subtilitäten auf? das ist plattestes pseudoschlimmeweltgejammer vom feinsten. kann nicht bitte endlich mal jemand ein machtwort sprechen und ein dea-loher-aufführungsverbot erteilen?
der vati hat sich beim brotschneiden geschnitten und die schublade mit den pflastern klemmt. das ist echte neue deutsche dramatik!
Weiter so!
irgendwie schon mal gesehen, schon gewusst. So schien es über lange Strecken.
Endlich Theater im TV Format. Nur am Schnitt sollte noch gearbeitet werden. Da lief die symbolische Lebens- und Bühnenmühle hin und wieder nicht ganz so rund. So oder schlimmer könnten böse Zungen reden.
Mein Problem stellt sich anders da. Es fehlten den Figuren ein feindliches Gegenüber. Wer ist denn nun verantwortlich dafür, dass die Holländer die Lebensmittelkette übernehmen und nicht umgekehrt. Wunderbar gespielt dieses temporäre Lebensfazit einer angehenden Filialleiterin, die dann doch trotz Sprachkenntnissen ins Nirwana geschickt wird. In dem Moment saß ein älterer Herr neben mir, leicht schwerhörig und er sagte: Das war aber jetzt traurig. Wie wahr. Der Herr heißt Heinz Dürr, ein Förderer des Theaters. Wie man unlängst hörte selber in einen Bankendeal verwickelt, der vielleicht noch Geschichte machen wird. Nachzulesen unter „Milliardäre haben am BayerLB-Deal mit verdient“ von Sebastian Jost.(Welt Online/Wirtschaft 16.Januar 2010) Ich hätte mir gewünscht Dea Loher hätte auch ein paar Entscheidungsträger mit in die Lebensmühle von Herrn Kriegenburg geschmissen. Dann hätte man Ursache und Wirkung leichter nachvollziehen können und die Trauer und komische Triestesse ihrer Figuren hätten vielleicht eine neue Richtung bekommen. Am nächsten Morgen hatte ich jedenfalls das Gefühl: Die wahren Diebe sitzen eventuell im Parkett.
(Und bitte entschuldigen Sie meinen einfachen Stil, der sich wenig an Herrn Richter anlehnt. In diesem Moment möchte ich gerne schnell und auf dem direktesten Wege verstanden werden.)
Versuchen wir es ganz lieb: Lest euch mal die Peter-von-Becker-Kritik zu "Diebe" im Tagesspiegel durch. Ein amüsierter älterer Herr schreibt Anekdoten über den Alten Fritz und will Jubel gehört haben.
Nun sei die bescheidene Frage erlaubt, ob die Gelungenheit, die Becker nicht nur dem Abend sondern nun auch dem verspäteten DT-Start attestiert nicht auch mit einer Beziehung zwischen Kritiker und Intendant zu tun hat. Zwei Krähen.
(...)
Werter Theaterfreund, Ihr von uns nicht veröffentlichter Kommentar strotzt vor Unterstellungen. Auch mögen wir nicht, wenn auf unserer Seite jemandem der Tod gewünscht wird. Dass Sie dies nun zurückgenommen haben, werten wir als erstes Zeichen der Einsicht. Der entsprechende Satz wurde trotzdem gestrichen, um die Sache hier nicht zu wiederholen. Im Übrigen gilt: nicht überall, wo Ironie draufsteht, ist auch Ironie drin.
Gruss, die Redaktion
Man sollte sich die Frage stellen, warum Sven Lehmann und Horst Lebinsky nicht mehr dabei waren. Haben Sie die erneute Enttäuschung schon im Ansatz erahnt?????
Hilfe was ist nur los im DT???!!!??
mein Gott, hört doch mal auf auf dem Khuon rumzuhacken. manchen leute kann man wirklich nix recht machen. armes berlin, wenn du ein solches theaterpublikum hast. - aber, so ganz nebenbei: auch ich habe jubel gehört. und zurecht! großartige schauspieler [jajaja: auch wenn der Sven Lehmann und der Horst Lebinsky, die ja sonst immer so toll sind, nicht dabei waren... (so: da steht jetzt nicht ironie drauf, soll aber welche drin sein.)] also in diesem sinne, lieber Herr Khuon: ein guter Weg, gehen Sie ihn weiter. TOI TOI TOI und Glückwunsch zu einem sooo starken Ensemble!
der mann hat inszenierungen zum niederknien in einer beachtlichen konstanz herausgebracht.
dass er derzeit vielleicht nichts außergewöhnliches leistet liegt vielleicht auch daran, dass er eben künstler ist und kein fließband.
im ernst; ich finde einige kommentare menschenverachtend. sie sind übertrieben und sprechen von zu wenig sensibilität für sehr komplizierte vorgänge.
Vorschlag zur Güte: Gehen Sie doch einfach nicht mehr ins DT, wenn Sie die Inszenierungen so unerträglich finden. Es zwingt Sie doch niemand. Außerdem gibt noch viele andere Theater in der Hauptstadt. Da ist bestimmt auch etwas für Ihren Geschmack dabei.
jder andere intendant in jeder anderen stadt würde volle protektion genießen. mindestens eine spielzeit. herr khuon und sein team werden bereits nach vier monaten kollektiv an die wand gestellt und per kopfschuss hingerichtet. wieso eigentlich? was haben diese menschen berlin getan?
(aber hut ab, dass man bei einem solchen publikum auch noch freiwillig in berlin arbeiten will und kann.)
ich fand den abend wunderbar. allein das bühnenbild, das zusammenspiel der farben hätten mich vier stunden beschäftigen können. herr kriegenburg ist ein meister der gesamtkunstwerke und das hier taube, dumme, blinde, vor allem aber böse und gemeine menschen schreiben tut mir aufrichtig leid. an seiner stelle würde ich euch abknallen. schaut mal bei rtl2 rein: "frauentausch". könnte was für euch sein.
herzlich, Halle
wenn herr kriegenburg gerade wie am fließband arbeitet und deshalb ein wenig müde ist und aus der mode kommt... wenn ein hamburghype der khuonfamilie in berlin nicht sofort ankommt und manche sich darüber beschweren: alles in ordnung!! oder??
aber dabei gleich das wilde schießeisen in die hand nehmen und verbale wildwestprotektionsvisionen hier aufführen.. das empfinde ich doch dann als etwas übertrieben. aber, na klar: auch das sind nur harmlose internetkommentare... anonym: yeah!! bleiben wir alle cool hier... bitte.
Nachtkritik hätte vielleicht gern Wildwest.
Antwort der Redaktion:
Es war ein Witz, ja. Aber der angekündigte Tod war eindeutig mit einer Person verknüpft, und das ist auch als Witz zumindest grenzwertig. Für die Redaktion war das der Schritt über die Grenze, Sie mögen es anders sehen. Aber wir haften für dieses Forum. (wb)
(Hinweis der Redaktion:
Eine Zusammenfassung der Kritiken finden Sie wie immer auch in unserer Kritikenrundschau.)
ich glaube man kann weder khuon noch loher noch kriegenburg vorwerfen, dass sie sich um ihre theaterabende und das gesamte programm keine gedanken machen würden, dass sie leichtfertig irgendwas hinschmeißen.
dein kommentar 20 zeigt auch, wenn du sagst, dass das nicht abfällig gegen hamburg gemeint ist, dass sich der berliner eben für was besseres hält. diese art von arroganz schätze ich ja auch an der hauptstadt, das hat charme, aber manchmal gehts eben auch zu weit, meistens schlägts irgendwann in liebe um. ich glaub darauf muss das dt jetzt warten. die besten voraussetzungen hat es: tolle schauspieler, tolle regisseure, engagierte, der gegenwart zugewandte dramaturgen, das wird was werden, ich bin mir sicher!
Überlassen Sie mir, in welches Theater ich gehe. Und lasst doch andere Meinungen zu.
An den verbalen Attacken über andere zeigt sich das wahre Gesicht der Berliner und seiner eingemeindeten Zugezogenen...
Beruhigt euch, ihr ... Diebe!
der sport, ein neues team runterzuschreiben, wird langsam derart langweilig und banal und entlarvend, daß mir schon gar keine adäquaten worte mehr einfallen.
ein neues team muß sich erst einmal finden, ankommen in einer neuen stadt, das publikum muß sich genauso an neue gesichter und handschriften gewöhnen... so wie die theatermacher an eine neue umgebung. das draufeinpreschen und hauen nach so kurzer zeit ist nicht nur völlig daneben und unangebracht, sondern derat grob fahrlässig und unter der gürtellinie, daß am klaren verstand der hälfte der hier versammeten schreiber gezweifelt werden kann.
wo nehmt ihr nur alle diesen haß, diesen frust her?
macht ne therapie, trinkt nen entspannungstee und kommt mal runter, und laßt die neuen erst einmal ankommen. so was unentspanntes. es ist t h e a t e r.
man könnte meinen, es geht um die eigene existenz.
lächerlich manche hier zusammengequirlten texte.
und ich freu mich schon auf die lawine, die jetzt wieder los geht.
nur vorneweg, bevor wieder der frusthammer geschwungen wird: mir gefällt auch nicht alles beim neuanfang am dt, war auch enttäuscht, und gern können meinungen hier geäußert werden, denn das ist ja für ein theater auch ein gutes zeichen,wenn es polarisiert, aber dann doch bitte mit mehr substanz und stil. herzliche grüße.
das ist aber vielleicht weniger frustration, weil man selbst nicht intendant am dt ist, sondern auch eine reaktion auf ein system, das nur noch um sich selbst kreist, das teilweise sogar auf kritikerseite nur noch selbstbestätigung übt, das solche autoren wie die loher als kühlerfigur pflegt. kein mut, kein risiko, keine schärfe. das system ist vor allem angelegt auf karrieristen und erstarrt in selbstbefriedigung.
man müßte flexiblere förderungsmodelle finden, die weniger hierarchien fördern, bestehende bürokratische strukturen, bürgerliche karriereturnsäle, die die übelsten typen anziehen, sondern für künstlerisch arbeitende ensembles finanzieren. siehe belgien und holland. dt schließen.
den jungen autoren wirft man vor, dass sie sich nur um sich selbst drehen, nicht in die wirklichkeit gehen, dea loher macht das doch beständig. sie reist überal hin, lebt von wenig geld und auch wenig rum, ganz ehrlich wer außerhalb der theaterwelt kennt denn dea loher, aber sie macht ihr ding. sie schreibt. und selbst wenn man dieses stück jetzt nicht gut findet, ihr seid doch nicht die theatergötter, vielleicht gefällt es anderen, so zu tun, als könnte man von einem angeblich misslungenen stück auf so ein umfangreiches werk schließen, ist einfach dumm. wer von euch forumsschreiberlingen hat denn so ein umfangreiches, vieschichtiges und intelligentes euvre vorzuweisen? (ps.:forumsbeiträge gelten nicht!)
Schwierig wird es, wenn in diesem Zusammenhang von Triumph und Neid die Rede ist. Triumph über was oder wen? Theater ist eigentlich kein Schlachtfeld. Und ich kenne einige Autoren und Autorinnen, die gar nicht so stolz darauf wären ein solches Stück geschrieben zu haben. Soweit so schlecht. Damit eine solche Uraufführung eben nicht so halbwegs einsam in der Theaterlandschaft dasteht und einem höheren Mass von Konkurrenz ausgesetzt ist, hierzu wäre es eben sehr sinnvoll, wenn sich viele Häuser zu einer Hausautorenschaft bekennen würden. Denn das diese Aufführung trotzdem in einer guten Qualität stattfand, hat sehr viel mit Kontinuität in dem Zusammenspiel von Khuon, Kriegenburg und Loher zu tun. Khuons Arbeit ist in dem vorhandenem Intendantensystem in diesem Sinne vorbildlich.
Diebe ist rein passiv, feststellend und tendiert im Geschehen und Abgebildeten zur Belanglosigkeit. Sprachlich und im komödiantischen Zusammenspiel gibt es feine Phasen.
Das Bühnenbild ist vielleicht beeindruckend, aber leider nur 3 Szenen lang. Danach findet KEINE Entwicklung mehr statt (und das wäre eine Mindestanforderung an Bühne: Reibung, Bewegung, Raum schaffen). Hätte sich das Rad durchs Parkett gefräst, wäre dem etwas abzugewinnen gewesen.
In mehreren Jahren, mit geschätzten 100 Abenden pro Saison, bin ich bisher erst dreimal vor Vorstellungsende gegangen. Diebe war eines davon. Ich wollte nicht noch einmal zwei Stunden belanglos zugepredigt werden, nur um am Ende fürs "Buuuh" da zu sein. (Vielleicht habe ich ja auch einen Kracher in der zweiten Hälfte verpasst.)
Mir ist unbegreiflich, warum Diebe zumeist ausverkauft ist. Ist ja auch einfach: Dem Blatt Folge leisten, dem man sich selbst zugehörig fühlt. Sehr sehr schade für so viele andere, herrliche Inszenierungen und für meine Hoffnung auf ein aufgeschlossenes, autonomes Publikum.
Würde gern Reaktionen von Leuten direkt nach der Vorstellung einfangen (nicht nur nachtkritik-Apologeten).
- Fazit: Dea Loher sollte mal zwei Jahre pausieren.
Für soviel Dummheit müsste man Sie 2 Jahre zwangspausieren. Haben Sie nichts Substanzielleres zum Stück zu sagen? Wegen ein paar schwächeren Inszenierungen zum Anfang einer neuen Spielzeit, muss doch das ganze DT nicht schlecht gemacht werden. Haben Sie überhaupt mal ein paar Stücke gesehen? Es gibt auf dem Spielplan immer noch sehr gute Stücke Inszenierungen von Gosch, Thalheimer, Gotscheff u.a. Das DT jetzt nur auf die neuen Stücke zu reduzieren, ist einfach blödsinnig.
meine Frage ist, ob andreas kriegenburg in seinen einfall des drehdings verliebt ist.
das schrullige ehepaar, gespielt von K.Klein u. B.Moss hat mir gefallen. die waren frech. kriegenburg ist nicht frech. dea lohers text war richtig gut in kriegenburgs ästhetik passend: völlig unfrech. unspannend. keine außeinandersetzung. überhaupt nicht ein hauch brutalität, kriminalität (stylisierter mord bildet eine harmlose ausnahme)
mir kam es so vor, als hätte D. Loher für Diebe einige "poetische" ideale verarbeitet, die ihr irgendwann mal im Kopf rumbrausten und in die sie sich schließlich mal verliebt hat. (das beispiel mit dem wolf fällt mir da ein), aber der bogen, komplette zusammenhang über die einzelnen Probleme der langweiligen Kleinstädter da, war wahnsinnig lahm. die figuren waren amerikanisch -im sudelndem Selbstmitleid verliebt. die kannte die Form des moralischen über sein Leid klagen scheiß, das die amis so mögen.
mir kam das sehr schnatternd vor. und wehleidig, und eindimensional. flach.
all das schließt den Zuschauer aus. er soll zugucken, hat aber gar nichts davon.
Doch Gotscheff und Thalheimer machen jeder eine neue Inszenierung am DT. Gotscheff hat am 26.02. Premiere mit Krankenzimmer Nr. 6 von Anton Tschechow und Thalheimer bringt am 26.03. die Nibelungen von Hebbel raus. Da darf man gespannt sein. Schon im Bezug darauf, das Kriegenburg ja schon eine Wahnsinnsinszenierung des Stücks abgeliefert hat.
Und zum Thema Diebe "völlig unfrech, unspannend, keine Auseinandersetzung...", ja genau das ist das Problem am Stück, das es so dahin plätschert ohne wirklich zu berühren. Und daher fliehen die Zuschauer ins Belustigtsein und wissen eigentlich gar nicht worüber sie da lachen.
Es gibt Theateraufführungen, die verläßt man euphorisiert, wütend (im aufgerüttelten Sinn), beglückt usw. wegen des Esprits der Inszenierung, der Virtuosität (oh, mein Gott) der Darsteller, des verhandelten Themas. Ich denke jetzt (wieder einmal) darüber nach, ob ich auf etwas warte oder etwas tue. Insofern, vielen Dank!
Aber das Stück handelt doch eigentlich vom Unvermögen zwischenmenschlicher Kommunikation. Entweder es wird monologisiert oder aneinander vorbeigeredet. Erst aufkeimende Hoffnung, dann Enttäuschung und Wut, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, oder gänzliche Verweigerung aus Angst enttäuscht zu werden. Die Protagonisten beherrschen Verlustängste schon bevor überhaupt der Versuch unternommen worden ist etwas zu gewinnen oder zu ändern. Festgefahrene Meinungen und Haltungen behindern uns nicht nur Lethargie. Das ist meiner Meinung nach in dem Stück nicht richtig deutlich geworden.
Es fehlt an Antagonisten haben sie geschrieben. Ich glaube die braucht es nicht in dem Stück, da sich alle selbst im Wege stehen, würden sie die nie als Widerspruch erkennen.
„…konsequentes Schweigen, weil eigenschädlich.“ Das verstehe ich nicht ganz. Seit wann werden die Antworten beim Theater gleich mitgeliefert? Oder meinen Sie, dass dann nichts mehr zu erzählen wäre und die Zusammenarbeit Loher/Kriegenburg beendet ist.
Macht euch mal locker Leute.
Es wimmelt in Deutschland im Moment von Rohrkrepierern der neuen Intendanzen. Alles im Uebergang, nächste Spielzeit fängt der Motor an zu brummen. Jede Inszenierung ein neuer Versuch, kann nicht alles ins Schwarze treffen (wo auch immer das liegt).
Grüsse an die Oma, die ist mir sympathisch.
Existentialistisch sind die Figuren vielleicht nur im Empfinden ihrer eigenen Langeweile. Dieses Stück ist Dea Loher komplett misslungen. Es wird nur durch das Mühlrad von Kriegenburg aufgewertet. Ansonsten keine Entwicklung oder Bewegung nirgends. Sehen Sie sich Das letzte Feuer an. Der Mensch wird erst in der Erfahrung von Leid, wenn ihm zum Beispiel etwas abhanden gekommen ist aufgerüttelt zu starken Empfindungen und Reflexionen seines Lebens. Dazu hätte es nicht einmal dieses merkwürdigen Zimmer-Karussells bedurft. Diesen Text kann man auf leerer Bühne vorlesen, ohne dass er seine Kraft verliert. Diebe ist dagegen inhaltlich völlig leer.
Und ausserdem bewegt sich hier schon was. Ab und zu hört man Swing-Musik, und da gibt es dann auch auf Seiten der Figuren zaghafte Ansätze, die verbaute Lebensfreude aus dem Käfig der kontrollierenden Vernunft zu befreien und durch die Körper hindurchfließen zu lassen.
Zudem würde ich nicht sagen, dass man erst durch die Erfahrung von Leid am eigenen Leib zum Widerstand aufgerüttelt wird. Im Gegenteil, Liebe und Solidarität sind meines Erachtens ein viel wirksamerer Motor der strukturellen Veränderung als Hass, Gewalt und Leid.
Wieder einmal schöne Utopie. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der Mensch kann zwar lieben und hassen, aber warum, dass merkt er erst, wenn ihm das abhanden kommt, was er dazu braucht. Nämlich das, was er liebt oder hasst, einen Menschen, die Gesundheit, Arbeit, Lebenssinn, etc. Hat er das von Anfang an nicht gehabt, wird er sich zwar danach sehnen, aber aus lauter Angst es wieder zu verlieren oder verletzt zu werden, nicht mit aller Kraft danach streben. Man ist scheinbar immer mit dem zufrieden, was man gerade so erreichen kann. Bloß keine Veränderung. Da liegt das Problem, an der eigenen Trägheit und oder auch dem ständig funktionieren müssen. Sich keine Blöße geben, niemanden an sich ran lassen und andere nicht mit seinen Problemen beladen. Gefühle werden so nicht geäußert, sondern aufgestaut und dann im erfahrenen Leid plötzlich ausgestoßen. Das äußert sich dann wieder bei jedem anders, wie in Das letzte Feuer, wenn sich zwei Menschen in ihrem unterschiedlich empfundenen Leid zu nah kommen oder sich völlig von einander entfernen und abkapseln. In Diebe gibt es diese unkontrollierten Ausbrüche auch, aber warum es dazu kommt, scheint mir hier zu unmotiviert. Zum Umsturz, was auch immer Sie damit meinen, einen gesellschaftlichen wohl eher nicht, wird es hier auch nicht kommen. Dazu bedarf es Leidensdruck. Liebe und Zufriedenheit sind kein Motor für Veränderungen in der heutigen Gesellschaft. Menschliches Empfinden an sich schon und da entsteht Solidarität eben auch im Erkennen des gemeinsamen Leids. Wer ehrlich miteinander trauern kann, wird sich auch wieder gemeinsam an etwas erfreuen können. Das will uns Dea Loher mit der Schlusssequenz in Das letzte Feuer sagen, wenn alle noch mal zusammenkommen und erzählen was aus ihnen geworden ist.
Mit dem Begriff des "Umsturzes" wollte ich bloß suggerieren, dass der marxistische Revolutionsbegriff erstens sehr abstrakt ist und zudem das Ziel des Kommunismus immer nur in der Zukunft liegt. Ausserdem setzt diese Ideologie meines Erachtens ein mechanistisches Menschen- und Weltbild voraus. Aber der Mensch und die Verhältnisse sind nicht so, wie sie in der Theorie beschrieben werden. Letzte Frage dazu: Was nützt der Kampf, wenn es gar keine Werte gibt, für die man kämpfen will? Durch Zerstörung allein verändert sich nichts. Also doch Solidarität und Liebe? Alles paradox, oder?
Aufrichtig: Ich hoffe, die Schwalben werden wieder kommen: das
hat nämlich mit meiner Liebe zu schaffen ! Und der Schnee,
die Lebensalter und Jahreszeiten. Das alles irgendwie an der
politischen Sphäre festmachen zu wollen, zu müssen, es immerzu nur so zu versuchen im Grunde, ich habe wirklich
den Eindruck: auch daher kommt das "allgemeine Elend".
Müssen nicht geschlossen werden zB. die Theater, kann man
die nicht auch irgendwie lieben ??, um mich zu wecken, damit ich mich demnächst bei der darauffolgenden Schließungs-
androhung "aktiv" verhalte: Liebe liebt das Wandern, so
steht das in der Winterreise, oder "Love knows no time, no
reason and no rhyme" (oder ähnlich ...), oder gar Joh. 13.1. .
Liebe und Zufriedenheit eines Menschen können unglaublich
mitreißend sein, und ein alter Mensch, der die Summe seines Lebens gewissermaßen wie Gift und Galle in die Welt ver-
strömt, wie Sarah Kane das in etwa sagte, der beste "Mitstreiter" des Teufels. Es gibt viele Menschen, die lieben
und sich einsetzen: ein Blick zB. auf NABU-Aktivisten, ich treffe
solche ja desöfteren, wenn ich Vögel beobachten gehe, zeigt
das (man muß nur nicht immer gleich bei der großen Ebene
der gesellschaftlichen Veränderung ansetzen, als hätte man
ein vergleichbares Ziel (wie LSDU das für den Marxismus
beschreibt) wie "ideologische Endzeitler".
Gut, gibt nicht nur Vögel und "Vogelsachen", aber einerseits wird "man" dem Leben (wie es wirklich ist) wohl kaum gerecht,
indem man alle vergleichbaren Aktivitäten auf unauffälligerer
Ebene einfach einkassiert, andererseits droht "man" doch damit, gerade einer totalen Politisierung aller Lebensbereiche
das Wort zu reden: gerade gegen eine solche revoltiert aber
doch, Jeanne !, der Camus-Mensch: Denken Sie das so mittelmeerisch wie nur irgendwie möglich ist: und dann die
Schiffe, Italien, das Elend !!
Ob das Leid an der Liebe, die Liebe am Leiden hängt, oder ob die Zeiten einfach ziemlich konstant so waren, daß die nie wirklich sehr rein getrennt voneinander vorkamen, conditio
humana !, ist dabei meineserachtens zweitrangig: Handeln wird
jemand nur, der hinreichend Leid und Liebe empfinden kann;
etwas tun werden allerdings auch all diejenigen, die in irgendeiner Form in die Enge getrieben sich sehen und/oder
tatsächlich worden sind (und ich gebe zu, das ich hier not-
wendig holzschnittartig verfahre, denn Handlungstheorie ist
allenthalben komplexer und schwerlich etwas für diese Stränge,
schwerlich heißt nicht "unmöglich").
Das ist ja auch schon im Trust-Thread angeklungen, und LSDU
hat recht häufig auf Falk Richter hingewiesen, auf ein Zitat, das
schon zuspitzt: Der jetzt immer gängiger werdende und kriegsbereite und -führende Utilitarismus oder ... etwas Anderes
und durchaus Radikales hin und wieder, und die Besinnung
auf den GG-Paragraphen zu Sozialverpflichtung des Eigentums
birgt meineserachtens dergleichen, damit dem "epistemischen Weltverlust" des Descartes (Traumargument / "Genius malignus"-Verschärfung) nicht der "ökonomistische" (siehe
in etwa Sebatian Kirschs Sätze zu "Orten" in der laufenden
Nr. von TdZ) folgt, ... wenn das nicht schon lange "einfach nur
so abschnurrt"; es ist ja schon den Alltagsmenschen gelegentlich anzumerken, daß Sie Probleme damit haben, anderen einen Platz/Weg einzuräumen bzw. selbst einen,
umgebungsaufmerksam, einzunehmen.
Der "Geradeausgehcoach" ist als Berufsstand nur eine Frage der Zeit, zumal der Fußgänger selbst oft als Antagonismus
behandelt wird irgendwie: Ampelzeiten, Gehwegbeschneidungen, Schikanen: könnte ich ne Arbeit
drüber verfassen: "Fußgänger bilden keine Klasse. Radfahrer,
Autofahrer schon. Und der heutige Klassenkampfbegriff:
"Alles, was eine Klasse bildet, bilden kann, zu einer Klasse
gebildet ist, kämpft auch."" (ein Satz, der in der Luft liegt,
vielleicht für das dritte Jelinekstück ...)
Der Verweis auf Tschechow ist interessant. Der Meister des beredten Stillstands beschreibt ja zum Beispiel ein langweiliges Leben seiner Protagonisten auf dem Lande mit solcher Intensität der Worte, das man stundenlang zuhören könnte ohne die Langeweile als störend zu empfinden. Und dennoch verkörpert jede Person ihr Leid und trägt es sichtbar vor. In unserer heutigen schnellerer Welt muss Dea Loher durch das epische Erzählen in ihren Stücken und durch die künstliche Sprache ihrer Figuren erst eine Entschleunigung erzeugen, um auf die einzelnen Probleme fokussieren zu können. Kriegenburg hat über seine gesamte Zeit als Regisseur immer wieder beide Autoren inszeniert und hat dabei ein komplett anderes Herangehen an Tschechow oder an Loher. Während seine Tschechowfiguren melancholische Clowns sind, die ihre Seele sichtbar nach außen tragen, lässt er Dea Lohers Figuren merkwürdig blass und leblos, um den Text wirken zu lassen und beschleunigt zum Beispiel nur durch ein sich drehendes Bühnenbild, um die Dramatik nicht vollkommen zum Erliegen zu bringen. Ich denke das ist jedes Mal eine Gradwanderung für ihn und in Diebe funktioniert es zum erstenmal nicht, weil Dea Loher von ihrer üblichen Erzählweise abgewichen ist und nun alles komisch überdreht wirkt.
@ Jeanne d'Arc
Ich denke das genügend Utopien in Dea Lohers Stücken vorhanden sind, nur nicht in so radikaler Weise, wie Sie das sehen wollen. Letztendlich geht es ihr ja schon um ein Miteinander der Figuren, schon weil ja alle meist zusammen auf der Bühne sind. In Das letzte Feuer ist es jedenfalls so. Diebe wirkt dagegen so episoden-, schicksalhaft. Immer ist einer wieder mit jemanden anderem verbandelt. Das erzeugt natürlich dramatisch eine Bewegung, aber es zerfällt eben trotzdem alles in langweilige Einzelschicksale. Am Ende dann alle nur auf die Bühne zu stellen, ist dann doch eher eine Idee von Kriegenburg, um dieses Miteinander wieder künstlich herzustellen.
@ Pfingstochse
"Handeln wird jemand nur, der hinreichend Leid und Liebe empfinden kann." Da haben Sie etwas sehr Wahres geschrieben und das schließt ja auch alle irgendwie ein. Ich denke so eine Utopie schwebt Dea Loher vor.
"Theater heute" hat das dann ja wirklich abgedruckt,
ob da nun Willis sitzen oder nicht: Wissen Sie "zufällig", ab wann es frühestens feststeht, was da so gedruckt wird ? Wußten Sie das wirklich oder vermuteten Sie ??
Jedenfalls liegt das Stück bei mir schon ne ganze Weile rum, und ich habe es bisher verabsäumt, es zu lesen; dabei sehe ich jetzt gerade wieder einmal, daß gerade die Einzelkritik auch der Schwächen (siehe "123" oder Stefan) sehr produktiv sein kann, was ich bei Ihnen, Herr Lektor, geradezu exemplarisch, dann vermißte !
@ 13
Abwarten: Die Hertha könnte heute/morgen bei einem
Heimsieg über den VFB Stuttgart sogar den Relegationsplatz erreichen: Alles offen ! "Alles offen" heißt ua. auch ein Abend, der zu den Autorentheatertagen eingeladen ist (Volkstheater Rostock !), Dea Loher gibt es da quasi im "Schwerpunkt" und zB. Martin Heckmanns, dessen Bürgerbühnenarbeit ein kleines Meisterstück sein soll, wie "man" gerade nicht in die
"Authentizitätsfalle" (Zurechtstutzung auf Alltagsabbreviaturen, "Ausstellung" unter stigmatisierend-vernutzender Linienführung (siehe
Wahl-Thread)) gerät (Staatsschauspiel Dresden).
Also: Auch das DT ist mitnichten abgestiegen !
@ Stefan und LSDU
Ja, Stefan, ging mir bei "Unschuld", sah ich übrigens auch auf den Thalia-Autorentheatertagen 2006, ähnlich, wie Sie es für "Das letzte Feuer" schildern, und der Hinweis, LSDU, auf Aki Kaurismäki erscheint mir an dieser Stelle äußerst angebracht: Ja: Würde - ich glaube, ich wäre Stammkunde im Restaurant "Tiö" (Arbeit).
Auch hier übrigens lohnt der Blick auf Heckmanns,
zB. auf "Wörter und Körper": Würde !!
"Wolken ziehen vorüber" und "Unschuld" sehe ich im
übrigen auch von der Ästhetik her sehr nah beeinander, es sind tatsächlich auch dezidiert schlichtweg schöne Sachen: Wolken, jetzt aktuell in Kiel, kaum, Schwalben, sehe ich noch nicht am Himmel: aber eine befreundete Lyrikerin hat mich seinerzeit verwandt fasziniert, sie schrieb "einfach":... atmen zum Licht der
Sonne. Ich glaube, daß das zumindestens die Signatur dieses Tages (für mich) zu sein scheint, und wenig ist so ein Tag wahrlich nicht. lg und vielen Dank nach Berlin