Rekonstruktion in der Seitenstraße

Berlin, 24. Februar 2010. Mit einem Vorschlag hat der Architekt David Chipperfield den Streit neu entfacht, in dem es um die Zukunft des Berliner Kudamm-Karrees und der beiden Theater im Erdgeschoss geht. Chipperfield schlägt vor, eine zehn Meter breite, offene Passage vom Kurfürstendamm bis zum Hochhaus im Gebäudeinneren zu ziehen. Vor dem Hochhaus soll sich ein neuer Platz zur Uhlandstraße öffnen, der Max-Reinhardt-Platz, an dem die Theater einen neuen Standort finden. Am Kudamm soll lediglich eine kleine Studiobühne entstehen.

Der Vorschlag fand am Montag im Stadtplanungsausschuss von Charlottenburg-Wilmersdorf breite Zustimmung, gleichwohl sehen die Parteien noch Diskussionsbedarf. Nur die Linke lehne den Vorschlag gänzlich ab. Scharfe Kritik kam auch von der Initiative "Rettet die Kudamm-Bühnen".

in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau kritisiert auch der Dramatiker Rolf Hochhuth diesen Vorschlag ausdrücklich: "Bisher war immer davon die Rede gewesen, wenigstens eines der zwei Theater bleibe am Ku'damm erhalten, obgleich der kanadische Immobilien-Hai schon vor einem Jahr durch seinen Sprecher andeutete - 'Ja, doch natürlich nicht im Parterre!' Jetzt also ist die schauerliche Wahrheit heraus: Beide Theater sollen überhaupt vom Ku'damm verschwinden, wo sie seit 92 Jahren dank Max Reinhardt und Oscar Kaufmann ihren Sitz hatten."

Weiter fragt Hochhuth: "Kennt jemand noch eine Gemeinde irgendwo auf der Welt, wo der Haushalt dadurch ausgeglichen ausgeglichen worden wäre, dass man Theater vernichtet? Hat jemals in Ost- und Westzone seit 1945 eine Gemeinde Theater abgerissen? Hat das jemals Hitler getan? Das Schlimmste, was einer deutschen Stadt zustoßen kann: Dass die SPD dort darüber entscheidet, was an Kunst zugelassen - und was vernichtet wird! Sind doch diese 1921 errichteten Art-Deco-Theater die einzige Kunst am Ku'damm, die den Krieg überlebt hat. Und die einzigen Oskar-Kaufmann-Bauten, die Berlin bewusst aus Geldgier nicht unter Denkmalschutz gestellt hat."

Die Empörung war bereits Ende 2006 groß. Den beiden Boulevard-Bühnen Komödie und Theater am Kufürstendamm drohte zu dem Zeitpunkt das Aus, weil der Besitzer, die DB Real Estate, eine Tochter der Deutschen Bank, die Mietverträge aufkündigen und die theatergeschichtlich bedeutenden Gebäude abreißen lassen wollte, das nicht unter Denkmalschutz steht. Pikant auch, dass der Berliner Senat bereits Ende der 90er Jahre alle Sonderrechte, die die Theaterbauten schützen sollten, gegen Bezahlung eines Millionenbetrages löschen ließ (nachzulesen hier ). Mitterweile ist das Ensemble an einen Investor verkauft, der den Abriss und Neubaufbau des Kudamm-Carrées plant. Bisher hieß es, dass zumindest eines der beiden Theater am ursprünglichen Standort erhalten bleibe.

(Frankfurter Rundschau/sik)

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