Helden sterben – aber nicht aus

von Heidemarie Klabacher

Salzburg, 15. März 2010. "Es können nur Männer verstehen, was uns Männer vereint." Dazu ein schicksalschwangeres Cello-Solo. Heiterer Rock'n Roll untermalt dagegen die Erkenntnis: "Männer sind wie Marzipan." Der angeschossene Held preist mit letztem Odem einmal noch das Leben: "Bye-bye Lebenslust, mein Gott das war ein Frust" – und irgendwie geht sich das tatsächlich aus mit der verqueren Textvariante und der unsterblichen Melodie der Everly Brothers.

Niki List ist seinerzeit nicht zimperlich gewesen auf seinem Zitaten-Ritt quer durch die Filmgeschichte vom Film Noir bis zur Soap-Opera. Sam Spade und Miles Archer dienen gar als Decknamen beim Bar-Besuch unter Feinden: Dashiell Hammett ist nur einer der Väter von Max Müller und dessen Assistenten Larry (Stephan Derrick und Harry Klein lassen natürlich auch grüßen). Und so cool wie weiland Mike Hammer küsst ein Max Müller allemal.

Kein Fall für die Polizeigewerkschaft

"Müllers Büro" – ein Stück österreichische Identität? Im Gegensatz zum beamteten Ermittler Major Adolf Kottan (Helmut Zenker/Peter Patzak) haben die Umtriebe des schäbigen Privatschnüfflers Max Müller jedenfalls nie die österreichische Polizeigewerkschaft auf den Plan gerufen. Detektiv Max Müller – der Spiegel der österreichischen Männer-Seele? Helden sterben, aber Helden sterben nicht aus. Auch Max Müller stirbt wieder, ein stolzes Lied auf den erkaltenden Lippen: Humphrey Bogart, Marlon Brando und Superman in einer Person eben.

Der Film "Müllers Büro" wurde 1986 bei der Berlinale uraufgeführt, lief danach als Dauerbrenner in den österreichischen Kinos und erhielt im selben Jahr den Österreichischen Filmpreis. Zwanzig Jahre später hat Niki List den längst zum Kultfilm avancierten Streifen selber in eine – inhaltlich gestraffte – Musical-Fassung gegossen. Mit der Musik von Freddy Gigeles, Peter Jandas und Lothar Scherpes wurde sie 2006 in Villach uraufgeführt und anschließend im Wiener Metropol gespielt. Regie führte der 2009 verstorbene Autor und Regisseur Niki List.

Verfremdet werden muss das nicht

In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters hat der Schweizer Musicaldarsteller, Choreograph und Regisseur Kurt Schrepfer inszeniert. Er bringt das krude Treiben rund um die geheimnisvolle Blondine, die ihren Lover vermisst, Max Müller mit der Wiederbeschaffung beauftragt und damit in einen Bandenkrieg ungeahnten Ausmaßes hineinhetzt, mit Schwung und präzisem Timing auf die winzige Bühne. Verfremdet werden muss die bizarre Geschichte nicht, ein wenig mehr Schwärze und Bösartigkeit wären dennoch vorstellbar.

Kurt Schrepfer lässt alle Beteiligten ihre Klischees mit dem Ernst von Leinwandgrößen der Fünfzigerjahre deklamieren. Was auch seinen Witz hat.  Salzburg ist ja nun wirklich keine Musicalstadt. Umso erstaunlicher, was Schweizer Präzisions-Choreographie aus Salzburger Schauspielern herauszukitzeln vermag. Sascha Oskar Weis war der Mephistopheles der Faust-Produktion, mit der Carl Philip von Maldeghem im Herbst 2009 seinen Einstand als Intendant des Salzburger Landestheaters feierte. Da waren schon alle Sympathien auf Seiten des wendigen Geists, der stets verneint. Auch als Max Müller ist es an ihm, Ein- und Zweideutigkeiten sowie cinemascope-taugliche Großschnäuzigkeiten zu posaunen und mit körperlicher Wendigkeit und Eleganz den Raum (es ist wie gesagt nicht viel) zu füllen. Und singen kann Sascha Oskar Weis auch.

Rührende Vasallentreue zum Chef

Singen können erstaunlicherweise alle – auch Maria Gruber, die man als Mitglied des Ballett-Ensembles in Salzburg kennt: Sie gibt die ebenso feurige wie elegante Nutte Maria. Nicht ganz so intonationssicher ist Tim Oberließen als Assistent Larry. Dafür ist er besonders rührend in seiner Vasallentreue zum Chef und in seinem Hang zum ewig Weiblichen. Dieses behandelt ihn – trotz Supermann-Unterhose – recht schnöde. Erst Christina Einbock als junge Kollegin Marias verliebt sich in Larry und verlangt ihm immer neue Nummern ab. Auch dies’ hübsch im Rhythmus.

Die Rolle des Fräulein Schick, der Sekretärin und Anbeterin Max Müllers, gibt Anja Clementi, Caroline Richards die geheimnisvolle Bettina Kant, alias Ingrid Bergman. Selbst der Salzburger Volksschauspieler vom Dienst, Werner Friedl, fügt sich als Kellner Jeff bzw. Obergauner Kant beinah nahtlos in die jugendliche Truppe. Südliches (Mafia-)Flair und tenoralen Schmelz verbreitet Juan Carlos Navarro als Ganove Henry, Britta Bayer ist seine ungetreue Geliebte. Weitere Gauner (sowie Prügelpolizisten – typisch österreichisch?) sind Gerhard Peilstein, Sebastian Fischer und Matthias Hungerbühler.

Musikalisch begleitet werden sie alle von der Einmann-Band Johannes Pillinger, der auch den "Soundtrack" mitliefert, vor allem die vielen Pistolenschüsse und Maschinengewehr-Salven. Ein gelungener Klamauk, nicht unwürdig der legendären Vorlage.

 

Müllers Büro
Musical von Niki List
Musik von Freddy Gigeles, Peter Jandas und Lothar Scherpes
Regie und Choreographie: Kurt Schrepfer, musikalische Leitung und Einstudierung: Johannes Pillinger, Bühne und Kostüme: Manuela Weilguni, Dramaturgie: Bettina Oberender.
Mit: Sascha Oskar Weis, Tim Oberließen, Anja Clementi, Caroline Richards, Christina Einbock, Juan Carlos Navarro, Werner Friedl, Gerhard Peilstein, Maria Gruber, Britta Bayer, Sebastian Fischer, Matthias Hungerbühler.

www.salzburger-landestheater.at

 

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