Stellungsnahme zum offenen Brief der Palästina-Initiative

von Jan Linders und Peter Spuhler

Es gibt seit Zustandekommen unserer von der Bundeskulturstiftung und weiteren Institutionen wie dem Goethe Institut Tel Aviv und dem Land Baden-Württemberg geförderten zweijährigen Theaterpartnerschaft mit dem Teatron Beit Lessin Protest der Palästina-/Nahost-Initiative in Heidelberg. Diese Gruppe hat Jan Linders im Sommer 2009 zu einem etwa zweistündigen offenen Gespräch getroffen. Beim Gastspiel des palästinensischen Freedom Theatre, Jenin, im Oktober 2009 mit dem Stück FRAGMENTS OF PALESTINE und der Filmvorführung ARNA'S CHILDREN haben wir der Gruppe gerne einen Infostand im Foyer des zwinger eingeräumt; sie war auch an der langen Diskussion beteiligt.

Seitdem protestiert die Initiative mit Flyern vor Veranstaltungen unserer Partnerschaft, etwa der Inszenierung THEY CALL ME JECKISCH über Israelis der ersten bis dritten Generation mit deutschen Wurzeln. Die Gruppe hat auch für die Eröffnung des HEIDELBERGER STÜCKEMARKTS eine Mahnwache veranstaltet und einen offenen Brief veröffentlicht.

Israel-Palästina Konflikt künstlerisch thematisiert

Der Vorwurf der Gruppe, wir würden mit einem einseitigen Programm den Israel-Palästina Konflikt ignorieren, ist nicht zutreffend. Sowohl in der Eröffnungspremiere DIE BANALITÄT DER LIEBE wie auch THEY CALL ME JECKISCH, den Lesungen BERG und IMMOBILIEN sowie den Gastspielen ZWÖLF UHR MITTAGS und DIE STADT DER KLEINEN MENSCHEN wird der Konflikt künstlerisch und kritisch thematisiert. Darüber hinaus geht es uns in der Partnerschaft und im Festival aber auch darum, jenseits dieses in allen Medien ständig präsenten Konflikts andere, unbekannte, aber wissenswerte Geschichten aus dem Israel von heute zu erzählen.

Weiter schlägt die Gruppe vor, ein kombiniertes Israel-Palästina-Festival zu veranstalten. Dies zeugt nicht nur unseres Erachtens von einer Unkenntnis der aktuellen politischen und kulturellen Situation. Seit Beginn der zweiten Intifada im Herbst 2000 sind die allermeisten Künstler aus der West Bank und dem Gazastreifen nicht zu Auftritten zusammen mit Israelis bereit, auch und gerade nicht im Ausland. Gemeinsame Auftritte würden eine leichte Versöhnbarkeit der Gegensätze suggerieren, die politisch so nicht gegeben ist. Die israelischen Kontrollbestimmungen machen zudem einen direkten Kontakt von Künstlern in der Region unmöglich. Daher gibt es zurzeit keine Israel-Palästina-Festivals und, bis auf das 1999 gegründete Orchester Daniel Barenboims, den West-Östlichen Diwan, so gut wie keine gemeinsamen Kunstprojekte von Israelis und Palästinensern aus Gaza oder der West Bank.

Wir planen unabhängig vom Festival aber, eine Produktion der Theaterpartnerschaft des Schauspiels Leipzig mit dem Freedom Theatre Jenin einzuladen, so wie wir, siehe oben, das Theater aus Jenin in der West Bank schon zu Gast hatten.

Regierungskritische Künstler

Drittens behauptet die Gruppe, unsere Aktivitäten seien Mittel einer israelischen Propaganda-offensive. Das Gegenteil ist der Fall. Sowohl Stückemarkt als auch Theaterpartnerschaft sind seit Herbst 2008 in Planung, also vor dem Gaza-Krieg, und erst seit neuestem von der israelischen Botschaft gefördert. Ferner gehören die meisten eingeladenen Künstler dem regierungskritischen Spektrum an - und stehen jeweils im Anschluss an die Aufführungen bzw. Lesungen zu Gesprächen zur Verfügung.

Zum Abschluss: Wir vom Theater Heidelberg bemühen uns, durch Theaterpartnerschaft, HEIDELBERGER STÜCKEMARKT-Gastland, Einladungen von Gastspielen zum Thema Shoah und Israel und Eigenproduktionen wie ALLES IST ERLEUCHTET und DIE DEMJANJUK-PROZESSE ein extrem differenziertes Bild zum Themenkomplex zu zeichnen, der in der deutschen Theaterlandschaft zur Zeit seinesgleichen sucht und aufgrund seiner Inhaltlichkeit und Ernsthaftigkeit vom Publikum und von der regionalen und überregionalen Kritik mit großem Interesse aufgenommen wird.

Jan Linders Peter Spuhler
Schauspieldirektor & Intendant
Leiter HEIDELBERGER STÜCKEMARKT THEATER & ORCHESTER HEIDELBERG

 

Zum Hintergrund: Den Offenen Brief der Palästina/ Nahostinititative Heidelberg lesen Sie hier.

Eine Meldung zur Kritik am Israel-Schwerpunkt von Christine Dössel, eine der Jurorinnen des diesjährigen Heidelberger Stückemarktes, lesen Sie hier.

 

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