Leiden am Osten

von Esther Slevogt

Neuhardenberg, 16. Mai 2010. Pünktlich zum Beginn der Passionsfestspiele hatte die Stiftung Neuhardenberg in ihre Residenz ins ehemalige Hardenbergschloß im ehemaligen Marxwalde im Märkischen Oderland geladen, das nun schon längst wieder heißt wie vor seiner Entfeudalisierung im Jahr 1949, die ja, wie wir wissen, ein Etikettenschwindel war. Weil die neuen Feudalherren dann die Parteifunktionäre waren. Nicht weit übrigens das Örtchen Buckow am Schermützelsee, wo Bert Brecht vor den Zumutungen des Sozialismus und der Theaterarbeit Erholung suchte und in Helene Weigels eiserner Villa noch immer der Wagen aus der legendären Mutter-Courage-Inszenierung ihres Berliner Ensembles steht, die sozusagen am Beginn des Theaterelends steht, das an diesem Sonntag in Neuhardenberg und seinen wiederhergestellten feudalen Kulissen verhandelt wurde. Eine epochale Aufführung, entstanden 1948, als nicht wenige die Hoffnung hegten, das östliche Deutschland könne zu einer Gelehrten- und Künstlerrepublik, ja gar einer Theaterrepublik werden – eine vergebliche Hoffnung, von der dieser Staat nichtsdestotrotz bis zu seinem Ende zehren sollte. Und mit diesem Ende fängt das Elend an, das in Neuhardenberg verhandelt worden ist.

Patent aufs Erdulden

"Was heißt und zu welchem Ende erdulden wir ein Regisseurstheater?" fragte nämlich Gerhard Stadelmaier, Chefkritiker der Frankfurter Allgemeinen in einem Vortrag, der in der Halbzeit des Berliner Theatertreffens angesetzt war, von Titel und Habitus aber eher zum Beginn der Passionsfestspiele in Oberammergau gepasst hätte. Erdulden! Später sollten noch Ulrich Khuon, Lars-Ole Walburg, Peter Kümmel und Joachim Kaiser mit einem ununterbrochen Goethe zitierenden Manfred Osten über das Regietheater und die Lage des deutschen Theaters an sich diskutieren. Wobei Stadelmaier über Regisseurstheater, nicht Regietheater sprach und auch ein Patent auf das Wort anmeldete, mit dem er höchst verächtlich und vernichtend über bestimmte Formen des Gegenwartstheaters sich erhob. Ohne allerdings dass man das Gefühl hatte, er wisse wirklich, wovon er spricht.

Aber von vorn: Da erhebt sich in Stadelmaiers Ausführungen aus dem Nebel des Feudalismus und der allgemeinen Unmündigkeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst einmal der Theaterkritiker als Repräsentant, ja Inkarnation des reflektierenden bürgerlichen Subjekts. Es gibt ihn, den Kritiker, zu Stadelmaiers allergrößter Befriedigung nämlich lange vor dem Regisseur, der erst mit einem veritablen Duodezfürsten, dem Herzog von Meiningen, so um die Gründerzeit herum die Bühne der Theatergeschichte betritt, weshalb, so die These, das Duodezfürstentum im subventionierten Teilbereich Theater bis heute überlebt und in der Figur des Regisseurs sein Unwesen treibt.

Ästhetische Mafia von Einmannstammtischlern
Über Ausflüge nach Weimar zu den Helden des deutsche Bildungsbürgertums, also Goethe und Schiller, war die Beweisaufnahme bald abgeschlossen. Dabei ignorierte Stadelmaier alles, was irgendwie die Beweisführung stören könnte, dass heutiges Theater zumeist nichts taugt, der Mehltau einer ästhetischen Mafia jede Theaterfreude erstickt, das Theater von Einmannstammtischlern, also Regisseuren und ihren alles nivellierenden, jedes erhabene Gefühl kleinmachenden Regiedampfwalzen beherrscht werde.

Kein Wort über die Fehlleistungen des Bildungsbürgertums und seines Theaters, die ja nicht unschuldig an den Verheerungen des 20. Jahrhunderts gewesen sind und beispielsweise jemanden wie Brecht zu einer Revision des bürgerlichen Theaterbegriffs bewegten. Nichts über den Zusammenhang von neuen Medien und veränderten Wahrnehmungsformen. Stattdessen ließ Gerhard Stadelmaier nach etwa 20 Minuten die Katze aus dem Sack.

Selbstdemontage eines Kritikers
Was nämlich ist schuld am Verfall, am katastrophalen Zustand des Gegenwartstheaters? Die Wiedervereinigung! Seit mit dem Mauerfall jener Regiestil von Ost nach West geschwappt sei, den für den Schwaben Stadelmaier Frank Castorf und seine egoistischen Ungezogenheiten repräsentieren. Castorf, der seitdem lauter Castorf-Klone hervorgebracht habe, die nun das Theater allenthalben beherrschten und dort "Papis Theater", also Castorfs Theater machten. Regisseure, die in kindischer folterhafter Freude jedes erhabene Gefühl kleinmachen. Schauspieler, die auf der Bühne kacken, brüllen, pissen, dies zumeist auch noch nackt.

Und während Stadelmaier, ein gutes Jahr älter als der 1951 geborene Castorf, sich immer wortreicher über die "alten Säcke" und ihr Revoluzzertum mit Pensionsanspruch ereiferte, sah man fassungslos der Selbstdemontage eines großen Kritikers zu, der hier, gottseidank unter neuhardenbergscher Quarantäne, über Theaterformen und -formate sprach, von denen er sichtlich nicht das Geringste verstand. Und der offenbar schon vor zwanzig Jahren aufgehört hat, über das Theater nachzudenken. Der permanent Frank Castorf, Themen und Thesen nach Athen trug, die längst von heutigen ästhetischen Debatten und Positionen überholt worden sind. Der schließlich soweit ging, all den "szenischen Schaumschlägern" und den geschmähten Theaterformen das Recht auf Subventionen abzusprechen. Stadelmaier, dem man hier immer mal wieder mit Johannes hätte zurufen wollen: Selig sind die, die nicht sehen, und doch an das Theater glauben! Und nicht nur an das, was sie dafür halten

PS: Nach seinem Vortrag wurde dem Publikum dann mitgeteilt, Herr Stadelmaier habe alles gesagt, was er zu sagen habe und stehe für Fragen nicht zur Verfügung. Auf dem Podium später saßen dann andere. Aber das hat auch nichts Wesentliches zur Wahrheitsfindung mehr beigetragen können.

 

Hier gibt es einige Originaltöne aus einem Deutschlandfunk-Beitrag von Karin Fischer.

 

Kritikenrundschau

In der taz (18.5.2010) schreibt Theatertreffen-Jurorin Eva Behrendt: Unerwartet sei es gewesen, wie differenziert Stadelmaier seine "Zeitreise ins Jahr 1800, wo bereits Goethe und Schiller um die Aufführungspraxis eigener Texte stritten", angelegt habe. "Überraschend" sein Lob einzelner Regie-Autokraten (darunter Marthaler und Robert Lepage) und ihrer Arbeiten. "Doch dann brach die Wende in den Vortrag ein - und das 'Erbe der DDR' musste 'theatrale Rache' am historischen Sieger BRD üben." Frank Castorf und das "egoistische, ungezogene, text- und menschenverachtende Regisseurstheater", in dem ein "Ein-Mann-Stammtisch" auf die Bühne bringe, "was ihm gerade durch die Rübe rauscht", habe schreckliche Schule gemacht. Am Ende habe "Stadelmaiers ästhetisches Programm" äußerst allgemein gewirkt: "Menschendarstellung statt Darstellermaschinen", Theater als "Zauber und Fest, Spiel und Verdichtung". Wer, fragt Behrendt, wollte da widersprechen?

In der Süddeutschen Zeitung (18.5.2010) fragt sich Tobias Lehmkuhl: "Ob man die "ganze alte Geschichte" noch "einmal wiedergeben sollte?" Tut es dann aber vorsorglich eine Spalte lang. Im "Widerstreit" zwischen "Texttreue und unverblümtem Eingriff in die dramatische Vorlage", diesem "Glaubenskrieg abendländischer Theaterkunst", habe Stadelmaier "signalisiert", dass er gegen ein 'Regietheater' eigentlich gar nichts einzuwenden habe. Ihn erbose vielmehr das "Regisseurtheater", das als ein Erbe der DDR "seine Brutstätte" in der Ostberliner Volksbühne habe. Für dieses Regisseurstheater sei einzig, was den "selbstherrlichen Regisseuren durch die Birne rausche" das Drama. An seiner Existenz allerdings sei auch ein Publikum schuld, das die "Brutalo-Hostie", die ihm von der Bühne gereicht werde, schlucke. Wunderbar anzuhören sei diese "wohlformulierte Wut" gewesen, so Lehmkuhl, die Stadelmaier "gekonnt" mit einer "Liebeserklärung" konrastiert habe, an jenes Theater, dass sich seiner Meinung nach nicht in 'Schaumschlägerei, Text- und Menschenverachtung' übe, sondern in "Demut der Poesie und dem Irrsinn großer dramatischer Kunst huldige".

Dirk Pilz berichtet in der Berliner Zeitung, von einem "erheiternden" und "schönen Lehrstück für die Wetterfestigkeit von Ressentiments". So habe Stadelmaier modernen Regisseuren den "Triumph des Willens" nachgesagt, und damit die "kecke" These gewagt, Regisseure heute gehorchten "einer protofaschistischen Gesinnung". Das "Regisseurstheater" sei der "dämonischen Versuchung" erlegen, den Regisseur "in den Sonnenstand zu erheben". Und schuld daran sei "der Osten", genauer: Frank Castorf, dessen "Ein-Mann-Stammtisch-Theater" zu DDR-Zeiten vielleicht eine Funktion gehabt habe, heute indes nichts als "Text- und Menschenverachtung" produziere. Heute seien die "die Verhältnisse" diffuser und einer wie Castorf habe den Mund zu halten, schreibt Pilz, habe Stadelmaier ausgesprochen oder unausgesprochen gesagt. Und weil das Publikum "dumm" sei, weil es solcherlei "Regisseurstheater" goutiere, habe es sich die Konjunktur dieses Theaters selbst zuzuschreiben. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion sei "größtenteils" so "weltfremd" über das Theater gelallt worden, dass man meinen konnte in der "Spät-DDR" stecken geblieben zu sein.

 

Kommentare  
Stadelmaiers Vortrag: ab nach Oberammergau
Schade, dass ich das verpasst habe. Hat Herr Stadelmaier da jetzt bei Frau Breth abgeguckt? Die hat ja auch schon über Mini-Castorfs gezetert. Und dann wieder die alte Leier vom bösen Ost-Theater, da kriege ich ja einen Lachkrampf. Das muss ein echtes Trauma von Herrn Stadelmaier sein. Er wird wohl immer noch im Traum von Thomas Lawinky verfolgt. Wenn er von Fürsten der Regie faselt, vergisst er wohl, dass er sich selbst als der Größte unter den Kritikerfürsten fühlt. Aber wirklich, ab nach Oberammergau, aber nicht als Jesus sondern als Pontius Pilatus. Ein Statthalter des spätrömischen Theaters.
Wasche Deine Hände in Unschuld, und weiche von uns … !
Stadelmaiers Vortrag: Lieber Risiko als Vom-Blatt-Spiel
Nimmt denn irgendjemand Herrn Stadelmaier noch ernst? Und könnte dieser jemand mir bitte erklären, warum? Vielen Dank!

Aber im ernst: Schon wer mit Begriffen wie "Regietheater" hantiert, betreibt eine Pauschalisierung, die der Vielfalt der Sichtweisen, Konzepte, Regiestile, Auffassungen von Theater, die sich dahinter verbergen, nicht gerecht wird. Ich muss ja nicht alles mögen und vermutlich gibt es deutlich mehr Spreu als Weizen, aber gerade wer beispielsweise das angelsächsische Theater kennt, sollte die Vielfalt, die Lebendigkeit, auch die Kontroverse, hierzulande als belebend empfinden. Mir zumindest ist ein Theater, das auch mal ein Risiko eingeht, dass sich Stücke neu erarbeitet, das diese auch der realistät gegenüberstellt, und damit natürlich auch hin und wieder scheitert, lieber als ein sauberes Vom-Blatt-Spielen. Ich jedenfalls ziehe einen lebhaften Streit jederzeit der gähnenden Langeweile vor.
Stadelmaiers Vortrag: wider das Kritikertheater
Ist es denn nicht vermehrt so, dass Kritiker eines bestimmten Ranges den Blick dafür verlieren, dass sie FÜR das Theater schreiben sollten, egal wie schlimm der Verriss auch sein mag? Stattdessen mehren sich die Generalabrechnungen oder die gefälligen Schönschreibungen (siehe Peter Michalzik in der FR über eine eigentlich doch ziemlich biedere und risikofreie erste Spielzeit am Schauspiel Frankfurt). Mein Eindruck ist (und Frau Slevogts Kurzbericht aus Neuhardenberg scheint das zu belegen): Die Zeit, in der die Kritiker darunter litten, dass sie nicht selber als Künstler wahrgenommen wurden, ist vorbei. Jetzt wollen die Damen und Herren Kritiker vielerorts lieber Politiker sein! Wollen Personalfragen bezweifeln, stellen Besucherzahlen über künstlerischen Ertrag, befinden über Stadttheater, obwohl sie weder die Stadt noch das dazugehörige Theater über lange Zeiträume kennen, wollen sich als Alte Hasen von Theaterneulingen nichts vormachen (sprich: vorspielen) lassen. Regie- oder Regisseurtheater, wer allen Ernstes mit solchen Begriffen hantiert, unterliegt einem Missverständnis. Was es zu verhindern gilt: Kritikertheater! Sie können noch so große Reden schwingen, noch so gebildet formulieren. Am Ende aller Redaktionsschlüsse steht für viele von ihnen die bange Frage: Und was hab ich eigentlich FÜR das Theater getan?
Stadelmaiers Vortrag: junge Menschen könnten Schaden nehmen
Sehr geehrte Frau Slevogt,
hätten Sie nicht einem mildtätigen Engel gleich, gemalt von Botticellis eigener Hand oder wie eine liebende Mutter, die ihre Hände schützend vor die Augen ihrer Kinder hält, auf das sie das Schreckliche nicht sehen müssen uns vor diesem Erlebnis des Grauens bewahren können? Ihr Bericht aus Neuhardenberg sollte nur nach einer Altersprüfung zu lesen sein. Junge Menschen könnten Schaden nehmen. Bleibt zu hoffen, daß das der letzte Stoßseufzer dieses Menschen war, bevor er sich in die Toskana oder sonst wohin zurück zieht. Auch hoffe ich, daß jetzt nicht wieder ein Kritiker-Bashing-Thread entsteht - das raubt soviel Kraft für intelligentere, energievollere, spaßhaftere Diskussionen, hier und anderswo.
Stadelmaiers Vortrag: Apocalypse Now
Das Grauen, das Grauen. Apokalypse Now. Die Haltung von Herrn Stadelmaier demonstriert beinahe unfreiwillig komisch eine Art intellektueller Stagnation bzw. die totale Ignoranz gegenüber der notwendigen prozessualen (und nicht personalen) Weiterentwicklung des Theaters.
Gegenüber Schillers Entwurf einer teleologisch ausgerichteten Universal- bzw. Makrogeschichte, an welcher sich das Theater zu orientieren bzw. zu reiben habe, verhält es sich heute umgekehrt. Es sind die Mikro-Geschichten, über welche die Konstruktion von (Theater-)Geschichte in der historisch-kontextuellen Differenz wieder-holt wird. Das heisst, jede neue Generation muss sich (Theater-)Geschichte, welche sich in (Stück-)Texten ablagert, neu aneignen und eine eigene Lesart bzw. Form dafür finden. Ansonsten käme das Theater eher einem das Vergangene verherrlichenden Mausoleum als einem Ort der lebendigen Auseinandersetzung im öffentlichen Spiel-Zeit-Raum gleich.
So sehr ich die unterschiedliche Prägung der Generationen durch den historischen Kontext und damit durch bestimmte Theaterformen nachvollziehen kann, empfinde ich den Scheuklappenblick von Herrn Stadelmaier als unproduktiv für eine fruchtbare Diskussion und tatsächliche Auseinandersetzung mit der Vielfalt an aktuellen Theaterformen und -ästhetiken der Gegenwart.
Stadelmaiers Vortrag: selig sind die geistig Armen
Nicht überraschend, die Reaktionen in diesem, ach!, so eindimensionalen Forum. Über die hanebüchenen Unsinnigkeiten (Pleonasmus?) der Rezensentin E.S. verliert keiner ein Sterbenswörtchen. Naturgemäß.
Oder als was sollte man bitteschön Sätze wie "...die Fehlleistungen des Bildungsbürgertums und seines Theaters, die ja nicht unschuldig an den Verheerungen des 20. Jahrhunderts gewesen sind", sonst bezeichnen.
Kocht nur Euer mediokres Einheitsstadttheatersüppchen schön weiter hier bei "Nachtkritik". Selig sind die geistig Armen, denn sie werden zum Theatertreffen eingeladen.
@Stadelmeier: weiter so!
Stadelmaiers Vortrag: ein Satyr-Spiel
Der große S oder von Pontius zu Pilatus
Ein kleines Satyr-Spiel für Oberammergau

Personen:
Der große S, ein Schauspieler
Der Regisseur
Die Assistentin
Die Souffleuse
Die Kritikerin
L, ein Jesusdarsteller
Statisten

Ort der Handlung:
Festspielhaus Oberammergau
und das Kinocafé von Oberammergau

1. AKT
Generalprobe für die Passionsspiele.
Es wird die Pessachfestszene vor dem Palast des Pilatus geprobt.
S (spielt den Pilatus): Sehet was ein Elch... äh...lass diesen Kelch... verflixt.
Regisseur: Jetzt hoat der scho wieda sei Text voargessen. I gloabs net.
Souffleuse: Ich weiß nicht wo der ist, das steht hier alles nicht.
Regisseur: A Mönsch, a Mönsch, Himmi sacra. Woa isch denn doar Jesus hi?
Assistentin: Der L hat sich im Kinocafè besoffen. Den kriegen wir nicht wach.
Regisseur: Mei, Andrearl, dann hol hoilt oan andren Deppen, dös kriegt doch a jeder hi.
S: So kann ich nicht arbeiten, wen soll ich denn jetzt ans Kreuz nageln?
Regisseur: Du learn arscht amoi dei Text, zefix no amoi.
S: Was man sich hier so sagen lassen muss, ich spiele ja sonst nur beim Stein.
Auftritt des Volkes mit Castorfmasken: Greizischt ihn, Greizischt ihn.
Regisseur: Woas hoabn di gsagt, i hab nix verstande.
Assistentin: Die haben uns versehentlich die Statisten vom neuen Schlingensief aus Sachsen geschickt.
Regisseur: Na pfüat di, dös übarleb i net. Andrearl moach Du dös weida. I broach a Weißbier uand a Brezn.
Geht ab.

2. AKT
Nach der Premiere im Kinocafé.
Am Tresen sitzen der Regisseur und die Assistentin. Der große S trinkt mit einer bekannten Kritikerin am Tisch Wein. Der L liegt unterm Tresen und schnarcht.
Regisseur (stark betrunken): I bin aus, Andrearl, di solln do heuer no amoi mitm Schlingesief waida moachn. Host mi?
Assistentin: Das war aber auch eine starke Szene. Wie einst beim Schleef, wie die da immer wieder gerufen haben. Mir läuft es immer noch wie ein Schauer über den Rücken.
Kritikerin: Herr S, das war so bildgewaltig, wie Sie diesen ungewaschenen langhaarigen L da dominiert haben.
S: Ja, wie in alten Zeiten, beim Stein. Nach Moskau, nach Moskau. In diesem Bauernregietheater kann man ja kaum noch zeigen was man so wirklich drauf hat.
Im Oktober muss ich dann leider nach Leipzig. König Lear beim Hartmann.
Kritikerin: Sie Ärmster. Das wird ja sicher fürchterlich, für Sie.
S: Genau, ich habe mir die ganzen alten Videos von der Schaubühne eingepackt. Das kriegen diese Ossis mit ihrem regievolkseigenem Leipziger Allerlei nie hin.
L, unterm Tresen, lallt im Schlaf: Ick werd Dir wat S, son Scheiß, ma sehn wat die da morjen widda jeschrieben hat.
Vorhang
ENDE
Stadelmaiers Vortrag: keine Einheitssuppe
ach lieber guter alter Faßbender, wieso denn eindimensional? Guck mal, du darfst hier sogar deine meinung ins forum schreiben. du hast hier eine öffentlichkeit. in der faz dürftest du das nicht, denn da darf in sachen theater nur stehen, was dem herrn g.st. auf die linie passt. siehste, mein guter, das ist er unterschied: hier ist gerade keine einheitssuppe. aber, lieber faßbender, dafür muss man dann halt schon mal lesen und schauen und nicht nur das sehen wollen, was man sehen will. sonst ist man nämlich ein ganz kleines armes stadelmaierlein. und das willst du doch nicht sein, oder? du denkst doch bestimmt besser von dir, nicht wahr?
Stadelmaiers Vortrag: eine Frage der Menschenwürde
ein kritiker, der eine bürgermeisterin anruft, weil man ihm seinen arbeitsblock entwendet hat, ein mensch also, der die berufliche vernichtung eines schauspielers betreibt, sollte an keinem theater der republik mehr einlaß bekommen. das ist eine frage der menschenwürde.
Stadelmaiers Vortrag: der genialste Kritiker
Hoh lebe der beste,ganialste deutschsprachige Theaterkritiker.
Herr Stadelmaier - D A N K E!
Stadelmaier-Vortrag: eine Entgegnung
@9
Nein, nein, diesen Herrn kann man überall reinlassen. Der ist doch in der Tat nicht mehr das Problem. Das mit der beruflichen Vernichtung von Herrn Lawinky hat ja auch nicht funktioniert. Und wer bitte soll denn noch Weiteres von ihm Ernst nehmen können?

"Herr" Faßbender, wollen Sie wirklich leugnen, daß gerade das europäische (Bildungs-) Bürgertum im letzten Jahrhundert grauenvolle katastrophale Entwicklungen hat geschehen lassen, teilweise sogar aktiv daran mitwirkte? Und das nur um Besitzstände zu wahren oder was auch immer. Oh ja natürlich, sie sind mit bekümmerten Minen durch die Ausstellung "Entartete Kunst" gegangen, oh ja natürlich, es ist schlimm, daß jeder geächtet und gar rechtlich belangt wird, wenn er über die Verbrechen Francos berichten will. Ach und ja "Der Pate I-III" war wirklich große Filmkunst, sonst nichts. Antisemitismus in den höchsten militärischen Kreisen Frankreichs - naja: eine historische Fußnote und McCarthy ist auch schon lange tot. Ja, und das wir alle unseren schönen Kolonien verloren haben - also ich weiß nicht - wer trägt jetzt meinen Sonnenschirm und wer striegelt meine Araber-Hengste? Naja, Gottseidank konnten wir uns noch ein paar hübsche Bauernhäuschen in der Toskana ergattern - war wirklich n' Schnäppchen und endlich haben diese Italiener ne Ahnung von ars vivendi. Wie geht es eigentlich Herrn D.D. aus M. auf Kreta?

Meine Verbeugung vor allen, die es geschafft haben, sich nicht korrumpieren zu lassen, ihren Mund oder was auch immer nicht gehalten haben, die ihr Leben gegeben haben, die nicht geduldet oder „mitgemacht“ haben.

Wer, wenn nicht gebildete freie Bürger, die, weil sie Wissen heranbilden konnten, könnte denn sonst neue Welten entstehen lassen, in denen man gleich, frei, brüderlich (solidarisch) leben könnte. Jede der vorangegangen Revolutionen hat bisher immer nur wieder eine Restauration der vorhergehenden Verhältnisse gebracht. Die Kurve ist vielleicht etwas scharf gefahren, aber Herr Stadelmaier verhält sich in diesem Sinne absolut restaurativ und revanchistisch, wenn er die Entwicklungen im Theater (und der Kunst im Allgemeinen) auf so feige Art und Weise (er ließ vermelden, er stünde für Fragen/ ein Gespräch nicht zur Verfügung)versucht nieder zu machen. Und das Perfide daran ist, daß er sich gerade in einem Moment zur "Sache" äußert, da das Theater dabei ist, sich neu zu suchen - also am Empfindlichsten ist.

Und dicht am Rande zu geistiger Umnachtung wäre es doch, wenn Herr G. St. wirklich von sich selbst überzeugt ist, daß die Entwicklung des Theaters der letzten zwanzig Jahre einzig ein Ergebnis des aus dem Osten „herübergekrochenen“ (meine, nicht G. St.s Formulierung) egomanischen Regisseurs Frank Castorf wäre. Wo blieben dann Thomas Ostermeier aus Bayern, Christoph Marthaler aus der Schweiz, William Forsythe und Robert Wilson aus den USA, Bieito Calixto aus Spanien, Alvis Hermannis aus Lettland, Andrea Breth aus dem Allgäu, Karin Beier, Tillmann Köhler, Amelie Niermeyer, Hasko Weber, Barbara Frey, Nicolas Stehmann, Jan Bosse,… Jossi Wieler oder Andreas Kriegenburg mit Herrn C. in einen Topf zu werfen, also ich weiß nicht … Und dann all die Regisseure und Regisseurinnen deren Namen dieser Mann noch nie gelesen oder gehört hat, geschweige denn, daß er über sie geschrieben hätte, die fernab jedes medialen Interesses tatsächlich DAS STADTTHEATER ausmachen gerade auch im Osten, haben zum größten Teil überhaupt nichts mit Castorf am Hut, egal ob das nun gut ist oder nicht (Und da sind, zumindest handwerklich, eine ganze Reihe begabter am Werk).

Castorf steht (künstlerische Krise hin oder her) auf einer Stufe mit Reinhardt, Brecht, Besson, Stein, Bondy, Zadek, Grüber, … Alle hatten/ haben Epigonen, na und?
Friedrich Dieckmann sprach im Übrigen von Einar Schleef auf einem Podiumsgespräch vor zwei Jahren von einem Original-Genie, das Nachahmer, aber keine Epigonen gefunden hat!!

Frau Slevogt hat sicher keine Unsinnigkeiten geschrieben. Und die Emotionalität ihres Berichtes läßt mich vermuten, daß sie sich nicht gefreut hat, einen Berufskollegen derartig abstürzen zu sehen.
Stadelmaier-Vortrag: andere wesentliche Inszenierungen
Was für 'n Quatsch „Herr“ Faßbender! Ich hoffe, Sie wollten nur ein bißchen provozieren. Sie haben es geschafft!
Sind jetzt Alain Platel, Sasha Waltz, Ariane Mnouchkine, Rosamund Gillmore wenn sie Bach, Shakespeare, Tschaikowski, Puschkin, Moliere interpretieren medioker. Das ist ja wohl Schwachsinn, mit Verlaub. Von den Vorgenannten sind immer wieder auch Arbeiten in Deutschland zu sehen und deren Einfluß auf Jüngere, sich Ausprobierende scheint mir genauso erheblich, wie es der von Castorf war. Luc Bondy, Andrea Breth, selbst Stein und Langhoff sind immer noch auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs, bitte, warum auch nicht?!
Bis eben auch noch Pina Bausch und Peter Zadek!!!
Apropos: Alain Platels "Pitié" war eines der bemerkenswertesten und erschütterndsten Theaterereignisse gerade letztes Jahr in Leipzig während der "euroszene" und das basiert auf der "Matthäuspassion"!! Es war musikalisch und vor allem inhaltlich kongenial, absolut modern, im höchsten Maße theatral, zutiefst menschlich und eine immense emotionale und intellektuelle Herausforderung für Tänzer und Sänger und Publikum. Die Tränen, die da flossen, waren keine des Kitsches, sonder der Wahrhaftigkeit.
Wenn Herr Stadelmaier nicht mehr hinschauen will, dann ist das sein Problem. Es sollte uns aber nicht davon abbringen Hinzuschauen und Auszuprobieren. Und wenn bei Goschs "Macbeth" nackte Männer blutüberströmt versuchen Shakespeare zu kapieren, dann ist das genauso wesentlich wie vor noch nicht all zu langer Zeit Grübers "Iphigenie" an der Schaubühne, mit Frau Winkler in der Titelrolle oder Bessons "Drache" vor vierzig Jahren am Deutschen Theater mit Rolf Ludwig in der Titelrole und Eberhart Esche als Lanzelot. Castorfs große Romanadaptionen gehören zu den bemerkenswertesten Unternehmungen der letzten fünfzehn Jahre. Vergessen Sie Perceval und Thalheimer mit den unnachgiebig, nicht kalt!, sezierten Texten nicht!
Und bitte sehr: welche Feude hat uns Petras mit "Heaven" und letztlich mit "we are blood" bereitet?!!
Ich weiß nicht, was G.St. will (bei dradio ist übrigens o-ton von diesem "Vortrag" zu hören) und ich verstehe nicht, warum Sie "Herr" Faßbender ihm das Wort reden.
By the way, weil Sie das TT erwähnten: Ich finde Jelineks/ Stehmanns "Kontrakte des Kaufmanns" wesentlich, ebenso, wie Stehmanns Interpretation von Brechts "Heilige Johanna der Schlachthöfe" am DT und vor ein paar Jahren (auch die zum TT eingeladene Inszenierung) "Ulrike Maria Stuart". Er schafft das, worum sich Herr Lösch bemüht: Politisch relevant sein!
In diesem Sinne: Bitte Hinschauen!!

(Danke für den Hinweis, Original-Ton link ist eingefügt - d.Red.)
Stadelmaiers Vortrag: Nochmal, wie war das mit dem Bildungsbürgertum?
Der Kommentar von „Faßbender“ ist nicht weiter ernst zu nehmen, aber mit der Kritik an Slevogts Bemerkung über die „Fehlleistungen des Bildungsbürgertums und seines Theaters“ hat er durchaus Recht.
Von welchen Verheerungen ist eigentlich die Rede? Von kulturellen oder politischen? Diese Formulierung ist so schwammig, dass sich darüber gar nichts aussagen lässt.
Warum ist eigentlich das Bildungsbürgertum schuld und andere Gesellschaftsschichten nicht?
Ich beispielsweise bin nicht dem Bildungsbürgertum entsprungen – was für ein Glück für mich, bin ich doch jetzt von den ganzen Fehlleistungen des letzten Jahrhunderts freigesprochen. Andere Schichten übrigens auch: Besitzbürgertum, politische Klasse, Arbeiterklasse, nichtintellektuelle Akademiker (z.B. Zahnärzte, Chemiker, Bauingenieure) usw.
Bislang wusste ich nicht, dass der Einfluss des Theaters im 20.Jahrhundert so gewaltig war und Modifikationen umwälzenden Charakters in Gang setzte, nun hat mich aber Frau Slevogt darüber informiert. Wer einmal genauer hinschaut, wird allerdings schnell merken, dass die Macht des Bildungsbürgertums seit seinem Auftauchen in der Geschichte eine Ohnmacht war. Noch nie hat sich die gesellschaftliche Elite darum gekümmert, worüber in intellektuellen Zirkeln oder an öffentlichen Plätzen und Versammlungsorten gerade diskutiert wurde. Fangen Sie jetzt bloß nicht damit an, die Krisen und Selbstfindungsprozesse von Intellektuellen für politische Krisen verantwortlich zu machen.
Es ist schon ein wenig putzig, was S.K. da alles auf seiner Liste aufzählt. Die Ausstellung „Entartete Kunst“ ist auch dabei, das Bildungsbürgertum war ebenfalls anwesend, und zwar mit „bekümmerten Minen“. Hatten sie denn Sprengstoff dabei?
Wie gesagt, die Bildungsbürger hätten es schließlich besser wissen müssen, denn sie hatten ja Bildung und die anderen nicht. Und wegen dieser Fehlleistungen musste Brecht sogar seinen bürgerlichen Theaterbegriff ändern, lang Zeit bevor er in eine Situation geriet, bei der er sich intervallartig von den Zumutungen des Sozialismus erholen musste, in seiner sozialistischen Datsche mit großbürgerlicher Noblesse, nachdem er zuvor die Annehmlichkeiten seiner Stellung im Sozialismus genossen hatte.
Ach ja Großkritiker Stadelmaier, der sich eigentlich zum Aristokrat großen Stils berufen fühlt, dem es aber leider an Ingenium und Haltung gebricht. Schade nur, wenn er spielerisch über Jahrzehnte hinwegblickt, dabei aber die Froschperspektive einnimmt und einem fatalen Anachronismus anhängt. Vielleicht haben wir bald - es wurde ja schon angesprochen – eine Krise der Theaterkritik.
Stadelmaiers Vortrag: was zu beweisen war
Genosse Koch, warum denn so pikiert? Passt Dir das Internetz nicht? Sind doch alle auf Linie hier. Lustig, wie die ingroup zickig wird, wenn mal eine abweichende Meinung kommt. Beweis genug, wie Stadelmeier ins Schwarze trifft.
Stadelmaiers Vortrag: alles wandelt sich
...es gibt auch intellektuelle zahnärzte, chemiker, bauingenieure...auch das ist ein vorurteil, daß diese menschen im theater nur bildungsbürgerliche mainstream oper-wirspielensvomblatt-suppe wollen....da gibt es auch ganze theatermenschen, die so denken.und absolut ungebildete ärzte, die ein sehr modernes gefühl für die dinge auf der bühne besitzen..es liegt im charakter des einzelnen, menschen, die das trauma der veränderung (bei stadelmaier anscheinend der mauerfall) bis heute nicht verarbeitet, wahrgenommen,verinnerlichert haben...die nicht verstehen, daß das wesen der kunst, der dinge, des LEBENS, die stetige veränderung der situationen sind..nichts läßt sich festhalten..und schon gar nicht kunst, mode, geschmack, musik...alles ist neu zu denken und wahrzunehmen, zu überdenken. ja, dss ist anstrengend. zuuuu sogar anstrengend für manche intellektuelle, weil es etwas anderes kostet: den blick von außen auf sich selbst. die möglichkeit, daß die bisherigen überzeugungen veraltet oder sogar falsch sind. wer diesen mut nicht tagtäglich von neuem aufbrignt, der stirbt...aber zum glück lebt das theater...ungeachtet,der leichen und halbtoten , die da am rande immer noch und immer wieder rumschwirren...
Stadelmaiers Vortrag: was ist heute ein Bildungsbürger?
Also ich möchte mich auch mal gegen diesen doch etwas komisch antiquierten Begriff des Bildungsbürgertums wehren. Ich gehöre ja zu der von Flohbär aufgemachten z.B.-Klammer-Gruppe, leider bin ich kein Zahnarzt und muss deshalb ziemlich viel vor dieser dämlichen Glotze rumhängen, um mein spärliches Gehalt zu verdienen. Aber was ist denn der Bildungsbürger heute tatsächlich? Ein bisschen Bildung haben wir uns ja alle irgendwo zusammengeklaubt. Die Bildungsbürger des 20sten Jahrhunderts, wenn wir sie mal an den Universitäten und anderen Bildungs- und Wissenschaftsinstituten suchen wollen, hecheln doch eigentlich immer nur irgendwelchen von ihnen erkannten Trends in der Gesellschaft hinter her und versuchen die irgendwie einzuordnen und gelegentlich weiter zu spinnen. Die jungen Intellektuellen rennen denen dann auch noch eine Weile nach, bis sie sich entweder in diesen Institutionen warm gesessen oder aufgegeben haben. Welcher Intellektuelle ist denn tatsächlich noch relevant für diese Gesellschaft? In die Politik geht doch von denen sowieso keiner mehr. Arbeiten die alle als Redenschreiber für Merkel und Co.? Davon kann man eigentlich nicht wirklich etwas merken. Die heutige Philosophen- und Soziologenkaste ist doch so abgehoben, das die überhaupt keiner mehr versteht. Von einem Einfluss auf irgendwen, kann da doch keine Rede mehr sein, oder irre ich mich da? Bitte um Korrektur.
Stadelmaiers Vortrag: also sprach Adorno
@Flohbär
Als Antwort:
"Adorno wurde nicht müde, die Ranküne des ungebildeten Kleinbürgers mit der Häme des Intellektuellen zu überschütten. Doch die schlimmsten Blutbäder wurden nicht von Spießbürgern angerichtet, sondern, von Intellektuellen, die die Menschheit mit Guillotine und Gaskammer zu veredeln suchten. Hitlers wirksamste Handlanger waren Akademiker, die Hölderlin lasen, sich an Wagner berauschten und Heideggersche Seinsmystik an die Stelle des gesunden Menschenverstands setzten, der beim Spießer meistens noch funktioniert. Deshalb ist intellektueller Hochmut fehl am Platze. Im Gegenteil, wer als Angehöriger des Kulturbetriebes direkt oder indirekt vom Geld der Allgemeinheit lebt, sollte es als seine erste Pflicht empfinden, sich der Allgemeinheit verständlich zu machen. Dies gilt in besonderem Maße für die Geisteswissenschaftler, die mit öffentlichen Mitteln einer Beschäftigung nachgehen, die andere gern als Hobby betreiben würden, wenn sie die Muße dazu hätten."
Soll ich weitermachen?
Stadelmaiers Vortrag: also sprach Grillparzer
zu Heribert Faßbender: Die Zeiten ändern sich! Es dauert noch ein bisschen. Doch dann - um in die Schlussworte von Grillparzers Libussa einzustimmen: „Dann kommt die Zeit, die jetzt vorübergeht, / Die Zeit der Seher wieder und Begabten . . . / Bis dahin möcht ich leben, gute Schwestern, / Jahrhunderte verschlafen bis dahin.“ Anstelle der Seher genügten uns Inspirierte und Phantasten, Träumer und Entdecker. Und die Begabten sollten nicht bloß Hysteriker oder kalte Könner sein. Aber muss es wirklich so lange dauern?
Stadelmaiers Votrag: unglaublich
Das ist ja unglaublich, der Herr Stadelmaier hat ja ein Presseecho, das stellt alles andere, wie Heidelberg zum Beispiel, voll in den Schatten. Ihr habt übrigens noch Euren Kollegen Dirk Pilz in der Berliner Zeitung vergessen. Das reizt mich ja fast noch zu einem 3. AKT Oberammergau. Na mal sehen, ob ich noch Zeit finde, diesen ganzen Unsinn zu verdauen.

(Werte/r Stefan, die Presserundschau wurde einstweilen erweitert. Herzlich, die Red.)
Stadelmaiers Vortrag: Dialektik der Aufklärung
"Kein Wort über die Fehlleistungen des Bildungsbürgertums und seines Theaters, die ja nicht unschuldig an den Verheerungen des 20. Jahrhunderts gewesen sind und beispielsweise jemanden wie Brecht zu einer Revision des bürgerlichen Theaterbegriffs bewegten."
Diesen Satz von Esther Slevogt verstehe ich auch nicht ganz. Vor allem den ersten Teil nicht. Was genau ist damit gemeint? Schwingt da eine Kritik am deutschen Idealismus, am Projekt der Aufklärung mit? In seiner "Dialektik der Aufklärung" von 1947 (also nach den verheerenden Erfahrungen des Faschismus) kritisierte Adorno ja die Wandlung der Vernunft zur instrumentellen Unvernunft, die zur "Selbstzerstörung der Aufklärung" geführt habe. Das heisst, sobald sich die aufgeklärte Vernunft selbst absolut setzt (siehe zum Beispiel Goethes Faust-Motiv), verliert sie dadurch ihre kritische Kraft bzw. ihr Vermögen zur Selbstkritik.
In Bezug auf die (Theater-)Ästhetik bedeutete das in der Folge tatsächlich die Abkehr vom Abbildrealismus des Illusionstheaters und die Zuwendung hin zu neuen Formen, wie zum Beispiel der des epischen Theaters nach Brecht. Gegenüber der Form eines synthetisch begreifenden Denkens der Re-Präsentation (bürgerlicher) Identität, ging es Brecht vielmehr um die Befragung dieser Identität in Wechselwirkung mit den politisch-ökonomischen Verhältnissen.
Stadelmaiers Vortrag: eine Bitte
zu Stefan: unbedingt weiterschreiben! Wir brauchen den 3. AKT Oberammergau.
Stadelmaiers Vortrag: der arme deutsche Spießer
@s.k.:
Wahrscheinlich ist das "Bildungsbürgertum" als gesellschaftliche Gruppe so stark, dass sie ganze Fußballstadien füllen kann und die Hooligans vor ihr zittern...
Und wahrscheinlich starben im 3.Reich Bataillone von blutrünstigen Hölderlin-Lesern und heideggerscher Seinsmetaphysiker im Feld. Oder sie blieben daheim und halfen der deutschen Schwerindustrie. Oder sie lieferten dem System die nötigen philosophischen Parolen für die Selbsterhaltung. Und der arme deutsche Spießer mit dem noch funktionierenden Verstand musste vor dieser Spezies beschützt werden...
S.K., informieren Sie sich mal bitte über die Abwanderung der deutschen Intelligenz ab 33.
Stadelmaiers Vortrag: nationalliberale Verhinderung
also die fehlleistung des deutschen bildungsbürgertums beginnt doch spätestens 1848 mit der nationalliberalen verhinderung einer parlamentarischen demokratisierung deutschlands in der professoralen nationalversammlung zu frankfurt. das ist doch derart topisch, das muss esther slevogt doch nicht mehr eigens ausführen. und dass es von dort aus eine obrigkeitsstaatliche hemmung von parlamentarismus, pragmatismus, pluralität und methodologischem individualismus in deutschland gab, die erst mit den 1960er jahren abgelegt wurde, will doch wohl ernstlich niemand bestreiten.
dass stadelmaiers konservativismus an diesen dimensionen deutscher kultur und geschichte komplett vorbeigeht, halte ich tatsächlich auch für bemerkenswert, ja für erschütternd.
ansonsten, werter heribert fassbender, "Hoh lebe der beste,ganialste deutschsprachige Theaterkritiker". heißt das: hoch lebe er, oder hohl lebe er, oder doch: wie heidi hoh lebe er?
Stadelmaiers Vortrag: widerliche Ignoranz
Zudem ist es widerlich, wie hier ignoriert wird, dass ein großer Künstler wie Castorf von einem Kritiker nieder gemacht wird.
Stadelmaiers Vortrag: 3. Akt folgt
@ Botho Strauß
Jawoll, großer Meister! Ich sitze dran. Ein eingeschobener 3. Akt und ein Epilog, kann aber noch etwas dauern. Nur so viel, der L kommt jetzt doch etwas besser weg und die Kritikerin wird eine Schlüsselrolle spielen. Es wird Bayreuth vorkommen und es wird ein böses Erwachen geben. Wenn sich die Redaktion nicht totlacht oder der Zensor zuschlägt, bald mehr.
Stadelmaiers Vortrag: Bericht aus einer Art Krankenzimmer
@ 11 et al.

"Und das Perfide daran, ist, daß er sich gerade ..."

Da sehen Sie einmal, wie unterschiedlich "man" so Dinge lesen kann!
Ich las da so einen Begriff wie "Quarantäne" im Zusammenhang mit dem, was Sie jetzt als besondere "Perfidie" bezeichnen !
Nun mag "Quarantäne" einer gewissen Erregung bei der Verfassung des Textes von Frau Slevogt geschuldet sein, aber daß das wirklich eine
solche war, die jetzt am schwer faßbaren "Sturz" eines (werten) Kollegen zu knabbern hatte: also, auch das lese ich anders !!
"Tapferkeit vor dem Freunde", eine Formulierung von Ingeborg Bachmann, die mir spontan zu den (ziemlich hingewischten !!) Zeilen
Frau Slevogts einfällt: "Flohbär" , $ 13, hat hier die wesentliche Fragestellung aufgeworfen; ich brauche Sie nicht zu wiederholen.
Meine Hoffnung war, eine Stellungnahme von Frau Slevogt genau zu diesem einen Threadparagraphen zu vernehmen, bevor IS und Stefan
hier dafür sorgen, daß "man" sich allzusehr mit Fragen auf dem Niveau etwa von Formfehlern etcpp. beschäftigt oder gar mit dem
Ammer-Ober-Gau III - Stoff: Ab zum Stückl-Markt damit und gut ist..
Das ist nun wirklich ärgerlich: Da ist Theatertreffen in Berlin,
eine -von der Provinz her gesehen- Fülle von Möglichkeiten, in Stücke zu gehen, von Stücken zu berichten, Stücke von Jungdramatikern zu lesen, mit ihnen vielleicht sogar bekannt zu
werden, und dann geht es wirklich perfide zu fast: Frau Slevogt berichtet aus einer Art "Krankenzimmer" (7, wer weiß), bricht "quasiärztliches" Schweigen, enthüllt "Da waren Kranke, auf die die Wirkung der Vorträge, die allesamt fürn Arsch waren und nichts
brachten, zum Glück beschränkt bleibt (sic !, Perfidie, ich lache),
alles in einem feudalen Krankensaal (eigentlich pfui ??) vor sich
gehend, hochdotierte Vortragende (was das kostet ? , ja, was die Anzeige zur Veranstaltung auf nachtkritik de. wohl kostete ??)
noch dazu: der reinste Mummenschanz, ach: ... Oberammergau grüßt."
Und dann dieser Gemeinplatz, daß Menschen aus allen Bevölkerungsschichten immer wieder zu den allerverheerendsten, wohl
auch Schuld auf sich ladend, Entwicklungen beigetragen haben, beitragen, vermutlich beitragen werden.
Schriftgelehrte wohlgar, die sächselnd "Greizischt ihn !" skandieren in Panzerknackeruniformen.
Sind andere "Schriftgelehrte" auch ins GULAG und vergleichbare
"Quarantänegefängnisse" geschickt worden: nehmen wir einen Lev Platonovic Karsavin oder einen Paul Ludwig Landsberg !!
Macht Euch die Mühe, diese Namen nachzuschlagen, Bücher dieser Männer zu lesen, geht an die Berliner Luft und zum Theatertreffen, schreibt hier bitte nicht weiter, wartet auf Frau Slevogts Antwort
oder Vergleichbares, lernt gerade die jungen Dramatiker kennen jetzt in Berlin oder so einen hoffnungsvollen tt-Blogger wie Kai Krösche !!!
Stadelmaier: die genauso blinden Pilzens und Slevogts
Herr Stadelmeier ist natürlich nicht ernst zu nehmen, aber nach der Hälfte des Theatertreffens, ich habe alles gesehen, finde ich, daß auch das Theater nicht mehr ernst zu nehmen ist, wie immer man es nennen mag. Die Pilzens Slevogts und wie sie heißen sind auf ihre Art genauso blind wie Stadelmeier, wenn ihnen dieser Theaterquark, der einem da in den letzten Tagen aufs Auge geschmiert wurde für weniger lächerlich halten als den Stadelmeier.
Stadelmaier: Auftritt des Volkes mit Castorfmasken
Pilatus oder manchmal kömmt es anders als Mann denkt.
Ein kleines Satyr-Spiel für Oberammergau in 3 Akten und einem Epilog.
1. geänderte Fassung

Personen:
Der große S, ein Schauspieler
Der Regisseur
Die Assistentin
Die Souffleuse
Die Kritikerin
L, ein Jesusdarsteller
Der Wirt
Ein Zeitungsjunge
Statisten

Ort der Handlung:
Festspielhaus Oberammergau
und das Kinocafé von Oberammergau

1. AKT
Generalprobe für die Passionsspiele.
Es wird die Pessachfestszene vor dem Palast des Pilatus geprobt.
S (spielt den Pilatus): Sehet was ein Elch... äh...lass diesen Kelch... verflixt.
Regisseur: Jetzt hoat der scho wieda sei Tekscht voargessen. I fasset net. Mariiiaa!
Souffleuse: Ich weiß nicht wo der ist, das steht hier alles nicht.
Regisseur: A Mönsch, a Mönsch, Himmi sacra. Woa isch denn doar Jesus hi?
Assistentin: Der L hat sich im Kinocafè besoffen. Den kriegen wir nicht wach.
Regisseur: Mei, Andrearl, dann hol hoilt oan andren Deppen, dös kriegt doch a jeder hi.
S: So kann ich nicht arbeiten, wen soll ich denn jetzt ans Kreuz nageln?
Regisseur: Du learn arscht amoi dei Tekscht, zefix no amoi.
S: Was man sich hier so sagen lassen muss, ich spiele ja sonst nur beim Stein.
Auftritt des Volkes mit Castorfmasken: Greizischt ihn, Greizischt ihn.
Regisseur: Wos hoabn di gsagt, Maria?
Die Souffleuse blättert aufgeregt im Textbuch und zuckt hilflos mit den Schultern.
Assistentin: Die haben uns versehentlich die Statisten vom neuen Schlingensief aus Sachsen geschickt.
Regisseur: Na pfüat di, dös übarleb i net. Andrearl moach Du dös weida. I broach a Weißbier uand a Brezn.
Geht ab.
Vorhang

2. AKT
Im Kinocafé. Der L, auf den Knien, wischt den Boden. Der Wirt steht daneben. Auftritt des Regisseurs.
Regisseur: A Bier uand a Brezn, abar fix, i kriag a Krisen. Woas mochst Dua do L?
L schaut nicht hoch und wischt weiter.
Wirt: Der koa net zahln.
Regisseur: Mei, schreibs hoalt bam Schlingesief oa. Der kimmt eh bald uand uabernimmt dös hia.
Wirt ab. Die Assistentin kommt aufgeregt ins Cafè.
Assistentin: Der S hat sich vor den Castorfmasken so erschrocken, das er in Ohnmacht gefallen ist und hat dann ständig fantasiert, das ihm der L seine Spiralnägel geklaut hat. Jetzt will er nicht mehr sprechen.
Regisseur: Woas hoat der? I wir narrisch. Spinnst ihr aolle? Da soll hoalt die Maria den Tekscht aufsagn uand er wackelt mit da Pappen.
Sieht den L strafend an.
L: Ick hab nüscht jemacht. Weß ick doch nich, wat dem so durch de Birne rauscht. Ick hab och keen Bock mehr. Der spuckt ma dauernd an bein Dekla...kla..., wat weß ick wie dit heßt.
Regisseur: Jetzt schloagts 13. Dua moachst hia waos i soag. Uand geh di duschn vor da Masken.
L: Duschen, dit ham wa bein Petras nie machn müssn. Dit nennt man denne S-o-z-i-a-l-i-s-t-i-s-c-h-e-n N-a-t-u-r-a-l-i-s-m-u-s.
Regisseur: Schmarrn. Mia san hia in Obaammagau, da kimm de Leit gwaschn ans Kreiz.
L maulend ab: Son Scheiß, menno.
Regisseur: Andrearl, woaßt, so werd dös nix mit uans zwoa uand Bayreuth. Host me?
Die Assistentin nickt traurig, beide ab.
Vorhang
Fortsetzung folgt
Stadelmaier: letzter Akt mit Epilog & Widmung
3. AKT
Nach der Premiere im Kinocafé.
Am Tresen sitzen der Regisseur und die Assistentin. Der große S trinkt mit einer bekannten Kritikerin am Tisch Wein. L liegt unterm Tresen und schnarcht. Die Uhr über dem Tresen zeigt 2:00 Uhr morgens. Der Wirt stellt 2 Kästen Bier auf den Tresen und 4 Flaschen Rotwein dazu und verabschiedet sich ins Bett.
Regisseur (stark betrunken): I bin aus, Andrearl, di solln do heuer no amoi mitm Schlingesief waida moachn. Host mi? Bayreuth, Bayreuth, wia kimmi.
Assistentin: Das war aber auch eine starke Szene. Wie einst beim Schleef, wie die da immer wieder gerufen haben. Mir läuft es immer noch wie ein Schauer über den Rücken.
Kritikerin: Herr S, das war so bildgewaltig, wie Sie diesen ungewaschenen langhaarigen L da dominiert haben.
S: Ja, wie in alten Zeiten, beim Stein. Nach Moskau, nach Moskau. In diesem Bauernregietheater kann man ja kaum noch zeigen, was man so wirklich drauf hat.
Im Oktober muss ich dann leider nach Leipzig. König Lear beim Hartmann.
Kritikerin: Sie Ärmster. Das wird ja sicher fürchterlich für Sie.
S: Genau, ich habe mir die ganzen alten Videos von der Schaubühne eingepackt. Das kriegen diese Ossis mit ihrem regievolkseigenem Leipziger Allerlei nie hin.
L, unterm Tresen, ist erwacht und lallt: Ick werd Dir wat S, son Scheiß, ma sehn wat die da morjen widda jeschrieben hat. Is noch Bier da?
Greift sich eine Flasche und trinkt auf ex.
Vorhang

EPILOG
Nächster Tag im Kinocafé. Es ist 12:00 Uhr. Alle bis auf L sitzen mit Gepäck am Tisch. Die Kritikerin ist weg. Es werden Aspirin verteilt. L sitzt in den selben Klamotten wie gestern nacht da, ein Basecap tief ins Gesicht gezogen. Er bestellt: N Bier und n Kurzn.
Ein Zeitungsjunge kommt rein.
Zeitungsjunge, ruft: Extrobload, Extrobload, Umfoi in Obarammargau!
Regisseur: Wos hoast gsagt? Geh her da. Is da scho a Kritik drin?
Reißt dem Jungen eine Zeitung aus der Hand. Er fängt leise an zu lesen und wird immer röter im Gesicht, bläst die Backen auf und lässt die Zeitung fallen.
Regisseur: Die Kuah, die ranzige. Andrearl, aus is mit Bayreuth.
Er schlägt den Kopf auf den Tisch.
Die Assistentin nimmt die Zeitung und liest flüchtig vor: ...postschleefsches Regietheater... aberwitzige Schaumschlägerei...die Fortsetzung des Programmhefts mit anderen Mitteln.
Ihr huscht ein leichtes Lächeln über das Gesicht.
S: Weiter, weiter, was steht da über mich?
Die Assistentin liest weiter: ...dekonstruierte Demonstrationsmaschine...merkwürdig sprachlos... castorfscher Brutalo. Will er so den Lear in Leipzig vorwegnehmen?
S sinkt zusammen: Ich bin blamiert, dieser unfähige Stammtischregisseur.
Er stürzt sich auf den Regisseur. Sie rollen über den Boden.
L bestellt sich grinsend noch ein Bier und einen Kurzen.
Die Assistentin liest weiter: Weiterhin konnten wir aber die Auferstehung eines Totgesagten in der Rolle des Jesus erleben. L überstrahlte alle, fernab jedweder Text- und Menschenverachtung reicht er uns eine Hostie der Verzückung.
L grinst noch breiter und nimmt das Basecap ab. Er streicht sich durch das fettige Haar. Auf seiner Stirn steht groß mit Edding eine Telefonnummer geschrieben. Die Vorwahl ist leicht verwischt.
Vorhang
Jubel, Beifall, Bravorufe und vereinzelte Buhs vom Band.
ENDE

Ich widme dieses kleine Stück Herbert Achternbusch. Den Regisseur muss der Sepp Bierbichler spielen, der kriegt das auch mit dem Bayrisch besser hin.
Stadelmaier: gehen Sie doch besser in Castorfs "Ozean"
@démystificateur:
Aha, es gab 1848 eine nationalliberale Verhinderung des Parlamentarismus.
Das Honoratiorenparlament in Frankfurt hatte aber im März 49 eine Reichsverfassung ausgearbeitet und verkündet, übrigens mit etlichen Grundrechten. In der Verfassung waren monarchistische und demokratische Elemente enthalten, aber für die damalige Zeit war das doch sehr liberal und fortschrittlich. Die Verfassung scheiterte schließlich an der Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. Dann verließen die konservativen Anhänger die Verfassung und die Linken rebellierten. Der Rest, Revolution usw., ist bekannt. Insgesamt gab es also eine Menge linker „Bildungsbürger“, deren Rebellion aber blutig niedergeschlagen wurde.
Diese Fehlleistungen, deren Auswirkungen angeblich bis 1960 andauerten, sind wohl dermaßen klar, dass sie gar nicht mehr erwähnt zu werden brauchen. Vermutlich weiß sie jedes Kind.
Démystificateur, gehen Sie doch besser in Castorfs „Ozean“, auch wenn Sie genug von den Barrikadenkämpfen gehört haben. Stadelmaiers Invektiven gegen Castorf halte ich für geschmacklos.
Stadelmaier: für einen Kritiker offen und ehrlich
ich habe kürzlich einen vortrag von herrn pilz an der uni hildesheim über religiöse und ästhetische erfahrung gehört, und das war sehr interssant. denn er hat da mal zu erklären versucht, was die unterschiede sind. ich fand das sehr anregend, zum beispiel den gedanken, dass jeder mensch eine religiöse erfahrung hat, auch wenn man die nicht so nennt. und er hat da gesagt, dass man nie wissen kann, was gute oder schlechte kunst ist, man kann auch nicht wissen, was kunst ist oder nicht, das weiß man nur durch ästhetische erfahrungen. er hat da noch viel gesagt, was ich nicht mehr genau weiß, aber och fand das einen sehr offenen, ehrlichen gedanken, gerade für einen kritiker.
Stadelmaier: Lob für Stefan
zu Stefan - "Oberammergau"
einfach herrlich. Ganz großen Dank. (Ich kann nur hoffen, dass Sie am Theater arbeiten!)
Herzlichst B.S.
Stadelmaier: die durchsichtigste Weise des Seins
...dass man nie wissen kann, was gute oder schlechte kunst ist, man kann auch nicht wissen, was kunst ist. . .
kunst ist die durchsichtigste weise des seins
da steht es jetzt (gute oder schlechte kunst als durchsichtigste weise des seins?)
jedenfalls wissen wir jetzt was kunst ist
oder wissen wir es immer noch nicht?
Stadelmaier: im Abstellraum des Gastvortrags
@hildesheimerin
die äußerung eines offenen gedankens seitens eines kritikers ist bestimmt sehr löblich. er ist aber die ausnahme! und wenn er geäußert wird, dann, wie sie treffend beschreiben, im abstellraum eines gastvortrags! da ist er gut verstaut. meines wissens haben sich auch für stadelmaiers vortrag vor ort in neuhardenberg nur wenige interessiert. zu einer debatte hochgeschrieben wird der herr (und sein vortrag) erst durch: die kritiker, ob sie nun für oder gegen dessen inhalt sind. was aber dem herrn stadelmaier und den kritikern (im übrigen auch vielen theatermachenden) völlig fehlt, ist ein gesundes verhältnis zur eigenen meinung. wer stellt schon seiner kritik einfachste sprachliche richtungsweiser voran, die klarstellen, dass jede äußerung nur für die sichtweise des äußernden spricht, sprechen kann. wer stellt seinen kritiken mal den einfachen satz voran: "also ich habe das so gesehen..."? wenn herr stadelmaier sich als nachlassverwalter des botho strauß´schen nationaltheatergedankens aufplustert, der per geburt auf der richtigen seite des gedankengangs steht, dann ist das völlig in ordnung, wenn er sich auch als nachlassverwalter zu erkennen gibt. wenn herr stadelmaier sich damit gleichzeitig als quasi letzter kritikerfreund des theaters wichtig tut, dann möchte man die kritikerfeinde des theaters nicht kennenlernen. dabei gibt es sie zuhauf! peinlich sind sie letztlich alle.
Stadelmaier: interessiert nicht mehr, wenn Stefan dichtet
sie sind ja ein richtiger theater-dichter, stefan, mein kompliment
sehr lebendig. ich musste lachen und hatte alles lebhaft vor augen
schreiben sie auch sonst solche sachen, und auch anderes?
ich bin wirklich neugierig
dao haot der stefan do wirkli wos hinkriagt, wos ma a versteh kao,
sehr wirklich-keitz-naoh, muaß i schoh sogn
ausgschprochn dalen-tiert!
Stadelmaier: selbstverständlich kenne ich Kai Krösche längst
@ Graf Oderland
Ich habe längst auf Kai Krösche im tt-blog reagiert, bevor Sie hier darauf aufmerksam gemacht haben. Die Seite ist ja verlinkt. Ein sehr intelligenter junger Mann, der sich ernsthafte Gedanken macht und diese ohne Scheu niederschreibt. Wie man lesen konnte, habe ich mich auch mit allen anderen, von Ihnen angesprochenen Themen, bereits beschäftigt. Ich kann halt auf solche Äußerungen, wie von Herrn S. oder auch die Kampagne in Heidelberg, nur mit Ironie und Satire reagieren, weil ich mich nicht genau so unmäßig aufregen will, wie dort geschehen. Etwas mehr Humor tut einer sachlichen Debatte auch keinen Abbruch.
@ 123
Ich halte die Ausführungen von Herrn S. über Frank Castorf für geschmacklos und widerlich, das versteht sich doch von selbst. Ich habe Castorf in anderen Threads auch trotz einiger berechtigter Kritik immer verteidigt.

In diesem Sinne, Ihr Stefan
Stadelmaier: interessiert nicht mehr, wenn Stefan dichtet
nachtrag:
ich kann mich nur herrn B.S. anschließen
ein ausgezeichnet für die arbeit von stefan!
Stadelmaier: eine Vermutung
potr nikolajewitsch sorin: ohne t h e a t e r geht es nicht!
(später zu konstantin trepljow)
ach weißt du, ich liebe die schriftsteller.
früher einmal habe ich zwei dinge ersehnt: ich wollte heiraten,
und ich wollte schriftstellet werden, aber weder das eine noch das
andere ist mir gelungen. Ja. Und auch ein kleiner Schriftsteller
zu sein, wäre ganz schön, summa sumarum.

(es könnte aber doch sein, dass stefan ein gar nicht so kleiner
schriftsteller ist . . .)
Stadelmaier: hinaus an die frische Luft
"Ich habe längst... bevor Sie..." "Ein sehr intelligenter junger Mann, der sich ernsthafte Gedanken macht und diese ohne Scheu niederschreibt." Mann, wo leben sie eigentlich? Und für wen halten Sie sich? (...) Gehn Sie mal an die Luft.

Schön übrigens, dass Sie Castorf "immer verteidigt" haben. Da wird er sich freuen, grade jetzt, wo es ihm so schlecht geht, nach der harten Kritik von Stadelmaier.

In diesem Sinne, Ihr Lehrer Lämpel
Stadelmaier: unzweifelhafte Abgrenzungskriterien
@ hildeheimerin: "man kann auch nicht wissen, was kunst ist oder nicht, das weiß man nur durch ästhetische erfahrungen". Oh Gott. Wenn Dirk Pilz das tatsächlich so gesagt hat, dann hat er Pilze konsumiert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Kunstbegriff von Herrn Pilz so aufgeweicht ist.
In meiner Wahrnehmung gibt es da unzweifelhaft zu formulierende Abgrenzungskritierien. Und das hat etwas mit den Begriffen Rahmung und Autorisierung zu tun. Carl Hegemann hat das folgendermaßen auf den Begriff gebracht: "Praktiken der Kunst im außerästhetischen Bereich zu etablieren aber ist - wie Schiller sagt - keine Kunst, sondern 'Betrug'." Das heisst, manche Ereignisse sind eben kein Fall mehr für den Theaterkritiker, sondern vielmehr ein Fall für das Strafgesetzbuch. Also: "Constabler, gehen Sie nicht, hier liegt ein Verbrechen vor!"
Stadelmaier: ein Sturm im Wasserglas
@ Stefan

Das mit Frank Castorf halte ich ebenfalls für geschmacklos, ein ähnliches Motiv kommt ja in Ihrem Ammer-Ober-GAU auch tatsächlich
vor: "Totgesagte leben länger !"
In diesem Fall wurde der Spieß -geschmacklos !- wohl umzudrehen
versucht: "Hiermit erkläre ich Herrn Castorf für höchstlebendig;
ja: er ist sogar ein "Chor" mittlerweile !!"
Und wie reagiert Frau S. darauf: "Ich erkläre Herrn Stadelmeier
für "selbstdemontiert" und seine Zuhörer für todgeweiht(-er als
andere)."
Er hat sich "selbstdemontiert", sagt sie: wenn das keine Gelegenheit gewesen wäre, es damit bewenden zu lassen, auch seinen Humor für bessere Gelegenheiten aufsparend, sich "interpassiv" zu
verhalten: Was soll ich jemandem, der sich selbst demontiert, noch dabei helfen! Auch das zeugt nicht von Geschmack meines erachtens;
und wenn "wir" der Prämisse folgen, daß Totgesagte länger leben,
dann hat Frau Slevogt doch hier erst recht einen Bärendienst vollzogen.
Und, wenn wir uns auf die spannenden Entwicklungen beziehen, die S.K. so vermeint ausmachen zu können, ich will ihm/ihr da garnicht vollends widersprechen, die jetzt angeblich der Perfidie eines Herrn Stadelmeier zum Opfer fallen könnten (??), dann ließe sich das erst recht anders lesen (zumal "man" diesen Entwicklungen dann
auch mehr zutrauen sollte, als sich durch die Sommerstoffe des vergangenen Jahres, verwirrt von der kalten Sophie wohl und der Sorge, ob dieses Jahr ein Sommer kommt, abbringen zu lassen ...).
Zum Beispiel als ein Symptom, daß sich wirklich etwas tut in der Plattentektonik der deutschen Theaterlandschaft: Aber dann, gerade dann wäre eine erhöhte Aktivität auch bei denen, die "Gegenpositionen" vertreten, alles andere als primär perfide, sie wäre schlichtweg zu erwarten, und Stadelmeiers Positionen sind hinreichend bekannt; sein Manöver ist durchsichtig: Wenn "man" übersieht, was so dahintersteht, dann wäre ja gerade eine "deutsche Einigung" über den Gegenstand "Leipzig" fast schon wieder herstellbar: Welch ein verblüffender Chor: Ja, der Hartmann, dieser Castorf-Epigone: da haben Sie, Stefan, schon den ganzen Jesusdarsteller.
"Man bringe mir den Kopf des Täufers !": Ja, Stadelmeier in dieser Rolle, I S würde quasi entzückt sein: Und der Täufer, das ist dann halt Castorf.
Aber Frau Slevogt hat ja in Richtung "Bewertungskompetenzgold"
jetzt noch einen Gang zugelegt und zu einer Abrechnung mit dem, was sie so als "Bildungsbürgertum" vermeint bezeichnen zu müssen,
geblasen, in einem Thread, in dem es um die Selbstdemontage eines Kritikers ging und auch ein Forum danach, da saßen nicht irgendwelche Hanseln !!, das offenbar nicht viel zu sagen hatte,
was auch aufhorchen lassen könnte, ja: könnte ..
Dabei ist das ein von vornherein unglückliches Verfahren: Wenn ich das Urteil "Selbstdemontage" schon spreche, so kann alles Weitere hierauf fast nur noch der Erbauung dienen, auch der Erbauung des Kritikers G. St.; wenn ich dann noch eine Lunte lege, jetzt auch gleich noch en passant aus den Stoffen der Bewertungskompetenz-
grauammer "Bildungsbürgertum" nun mindestens die Stoffe der Bewertungskompetenzgoldammer und dann zu purem Gold weiterzuspinnen, muß "man" sich über erstaunte, verärgerte Reaktionen nicht wundern: sieht dann ja fast aus, wie ein Testballon, was Leser da schon so schlucken, oder der Versuch, eine Fähre ins Bewußtsein auszusenden.
Ich gebe zu: Der Oberammergaustoff ist eine Weise, sich diese
Pantoffeln nicht überzustreifen: für alternativlos halte ich "Ironie" und "Satitre", "Humor" hier nicht.
Möge aus dem Thread das werden, was er im Grunde verdient zu sein:
Ein Sturm im Wasserglas, von mir aus eine Einigung darauf, daß Herr Stadelmaier sich hier geschmacklos verhalten hat und Frau
Slevogt nicht sonderlich glücklich.
Sollten die zT. hier zum Verständnis des Bildungsbürgertums vor-
getragenen Gedanken, die ich durchaus für interessant halte, ich wollte ja vor allem jetzt, wo da etwas anhob, Mäuschen spielen, lauschen, lernen ... , fortgeführt werden, dann wäre ein eigener Thread dafür wahrlich eine salomonische Entscheidung meineserachtens; ich fände schade, wenn das jetzt alles "Zu Stadelmeier" liefe - darum geht es mir !!
Ach so, Stefan, daß sie Kai Krösche gelesen haben, weiß ich übrigens: habe auch den Heidelbergthread samt Vorgänger verfolgt.
Weiterhin ein lohnendes Theatertreffen !! Ihr Oderland
Stadelmaier: eine Widmung
An Gerhard:

"Es gab eine Zeit, da war ich bereit
mich nach dir zu sehnen
und mich an deine Schulter zu lehnen.
Es gab eine Zeit, da war ich bereit
dir zu vertrauen und an dich
und deine schönen Worte zu glauben.
Es gab eine Zeit, da war ich bereit
für dich alles zu geben und fast nichts zu nehmen.
Es gab eine Zeit, da war ich bereit
für dich da zu sein,
egal ob Regen oder Sonnenschein.
Es gab eine Zeit ,in der ich dich bat
mir zu vergeben und mich wieder
an die Hand der Freundschaft zu nehmen.
Es gab eine Zeit ,
da hätte ich deine Freundschaft so gebraucht ,
lange gewartet ...... doch nun ist alles verraucht .
Es gab eine Zeit an dem vieles in mir zerbrach,
ein Spielzeug für dich ich immer nur war,
es tat weh ,dies alles zu verstehn
und zurück in mein altes Leben zu gehn.
Es wird eine Zeit geben,
in der werde ich lernen,
alles zu vergessen und ohne dich zu leben."

An schöne und leere Worte
werde ich nie mehr glauben,
können mir so,
weder Kraft noch Stolz mehr rauben."

(August Wilhelm Iffland)
Stadelmaiers Vortrag: tot gegen lebendig I
Man muss doch mal nur diese beiden Schauspielerpreise, die ja Schauspielerinnenpreise sind, vergleichen - an Margit Bendokat und Jutta Lampe - um das Dilemma zu erkennen, das in diesem behaupteten Kampf von Ost- gegen Westtheater frappant wird: lebendes Theater gegen totes. Am Menschen interessiertes, ganzheitlich denkendes, das mit dem Schauspieler auf augenhöhe arbeitet, selbst wenn das Ergebnis brüchiger, poröser, fragmentierter aber auch offener ist. Stadelmaier nennt das verächtlich Regisseurstheater. Dagegen setzt er das vorgeblich am Menschen interessierte, aber wie das zustande kommt, sah man dann bei der Preisvergabe an Jutta Lampe: ein autoritäres herrenmenschliches Theater, das sein behauptetes hehres Menschenbild auf dem Weg der Verachtung produziert. Wie Stein da stand und über Jutta Lampe sprach: "Du bist niemand. Sonst wärest du keine so große Schauspielerin geworden." Das ist doch furchtbar. Dieses Theater ist gottseidank tot. Da können Stadelmaier, Strauß und Stein es beschwören, solange sie wollen. Tatsache ist, dass sie selbst nur noch Gespenster von gestern sind.
Stadelmaiers Vortrag: tot gegen lebendig II
Hier geht es noch weiter. Dagegen Margit Bendokat, an der man gerade das Gegenteil lobt. Stemann (übrigens ein Westregisseur), der über sie sagte: "Wenn sie in einer Inszenierung, in einem Bühnenbild, in einem Stück, auf einer Bühne steht - dann steht da nicht einfach eine Schauspielerin, die sich als weitere Figur in diese ganzen Elemente einfügt, nein, dann steht da eine Wirklichkeit, etwas, das von jenseits des Theaters zu kommen scheint, von jenseits des Stückes, von jenseits der Inszenierung. Etwas, das es aus irgendeinem Grund geschafft hat, diese hermetischen Kunst- und Theatermauern zu durchbrechen, und das durch sein bloßes Auftreten alles in Frage stellt, was bisher dort stattgefunden hat." Das ist genau das Gegenteil von Steins "Du bist niemand!" und darin erkennt man die Differenz, die Stadelmaier fälschlicherweise (und reaktionär) als Ost-West-Differenz beschreibt.
Stadelmaiers Vortrag: lieber Lampe
Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich mag Jutta Lampe lieber.
Stadelmaiers Vortrag: Auf der Bühne bist Du alles
Ja, Herr Boehlendorff: "Du bist niemand!" Aber auf der Bühne bist du alles!
Herr Strauß weiß zum Beispiel auch, dass er im Leben "niemand" ist.
Was sollen diese permanenten Ost-West-Vergleiche? Das ist ja schauderhaft.
Stadelmaiers Vortrag: des Stadelmaiers Fass
Das ist doch Tautologie für Doofe. Was soll den dieses "alles" auf der Bühne sein? Und vor allem: was ist die Bühne? Die ist doch auch nichts. Und was hat man davon, da dann als dressierte Innerlichkeitsmarionette zu stehen und Erfüllungsgehilfin diktatorischer Machos mit musealem Werkbegriff zu sein? Der Ostwestvergleich, das Fass hat Stadelmaier höchstpersönlich in seinem Vortrag wieder aufgemacht und nun müssen Sie sich über den Muff nicht wundern.
Stadelmaier: noch mehr diktatorische Machos
@CUB:dann lieber dressierte äußerlichkeitsmarionette und erfüllungsgehilfin diktatorischer machos wie pollesch, perceval, kriegenburg, hartmann, nicht wahr ?
Stadelmaier: herrisch-selbstverliebte Lobpreisung
Es ist doch kaum zu glauben! Stand die Regisseurs- und Autorengeneration von Peter Stein und Botho Strauß nicht mal als Vorbild des kollektiven Aufbruchs da? Auch und gerade des Aufbruchs zwischen den Geschlechtern? Des Bruchs mit einem in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts pervertierten Frauenbild, welches die Frau in den Binnenraum von Heim und Herd verdammte und den Mann in die Welt hinaus ziehen und Geschichte schreiben ließ?
Und wie verträgt sich das jetzt eigentlich mit dieser herrisch-selbstverliebten Lobpreisung von Stein und Strauß auf eine tatsächlich tolle Schauspielerin wie Jutta Lampe (ich habe sie noch in Percevals "Andromache" live auf er Bühne erleben dürfen)? Nein, da steckt ein bedauernswerter Selbstwiderspruch drin, in diesen großen alten Männern. Da wird Schauspielerinnen zunächst versichert, dass sie eigentlich ein "Nichts" seien, um erst über den vereinnahmenden und instrumentalisierenden Blick großer Männer zu "Etwas" zu werden? Nein, nein und nochmals nein.
Liebe "Alt-68er", machen auch Sie bitte wieder Ihre Augen auf und schauen Sie sich an, wie junge Männer von heute Frauen inszenieren (Stemann und Bendokat sind dafür ein ganz wunderbares Beispiel). Das sind Ihre Nachgeborenen! Haben Sie selbst denn völlig vergessen, was John Lennon und Yoko Ono einmal gemeinsam sangen?: "Woman is the nigger of the world". Wo ist bloß Ihr Geschichtsbewusstsein hin? Also bitte!
Stadelmaiers Vortrag: "nichts" ist Freiheit
@IS: schwachsinn. wo hat denn stemann bendokat inszeniert? diese frau lässt sich nicht inszenieren. sie ist genauso ein nichts wie jutta lampe, genauso ein nichts wie gert voss, wie wildgruber, wie matthes, wie stötzner. sie verstehen doch überhaupt nicht, von was hier die rede ist. es gibt kein größeres kompliment für einen schauspieler, eine schauspielerin als nichts zu sein. das ist freiheit. das passt nur nicht in ihre bieder-kleingeistige welt.
Stadelmaier: Dankesworte?
@ Therese Giehse: Huch. Das hat Stemann meines Erachtens aber anders formuliert. Er musste Margit Bendokat gar nicht mehr inszenieren, weil diese Frau einfach schon durch ihre Präsenz auf der Bühne einen Geschichtsraum eröffnet. Margit Bendokat hat mit Sicherheit eine (politische) Haltung. Das hat man an ihrer Dankesrede erkennen können. Was waren eigentlich Jutta Lampes Dankesworte?
Danke für Ihr abschließendes Kompliment in Bezug auf meine "bieder-kleingeistige Welt". Zum Ende noch 2 Zitate:
1) "Lieben ist eine bestimmte Art von Angewiesensein, mein sonderbarer Herr." (aus: "Über Tiere" von Elfriede Jelinek)
2) In Bezug auf das Wörtchen "Freiheit": "Es geht um keinen Schleier, der weggerissen werden müsste! Das da ist keine Parallelwelt des Spiels als einem Schatten DAS DA... des ernsten Lebens. Es geht nicht um einen Schleier, der weggerissen werden müsste vor der Wahrheit, SONDERN, dass da, wo nur noch Wahrheit ist, man die zusätzliche Präsenz des Schleiers erkennen müsste." (aus: "Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszummenhang!" von René Pollesch)
Stadelmaier: diesesen Nichtsen Leben einhauchen
aus welcher provinzposse kommen sie denn, frau giehse? "es gibt kein größeres kompliment..." Na, hören sie mal! so stellt sich lieschen müller die zunft der gaugler vor: die sind alle nichts, was ja im klartext heißt: verfügen nicht über charakter, persönlichkeit, etc. (klar ist das freiheit, freiheit der doofen nämlich) und da muss also erst so'n regiegott daherkommen, der diesen nichtssen dann leben, sprich: bühnengröße einhaucht, auf dass sie von aller (zuschauer-)welt bewundert werden können. das die lampe sich so einen ausrutscher nicht verbeten hat, wundert mich. aber die ist jetzt halt auch abhängig davon, dass sich überhaupt noch wer erinnert...
Stadelmaiers Vortrag: Rausschmiss
Ich wurde aus "Transformers 3" rausgeschmissen. Bin ich jetzt auch ein Nichts??!
Stadelmaier: Feuerwehrmännchen-Pamphlet
täuscht der eindruck eigentlich, oder hat sich selbst die faz bisher nicht dazu durchgerungen, stadelmaiers feuerwehrmännchenpamphlet aufgrund der lächerlichkeit seiner thesen abzudrucken? wo kriegt man den senf denn mal zu lesen? was heißt und zu welchem ende erdulden wir stadelmaier und seine messdiener? das wäre mal interessant zu wissen! ich weiß es nämlich nicht.
Stadelmaier: Unter Naturschutz?
Liebe Nachtkritik,
wieso gibt es keinen Thread zu Stadelmaier ("Verseucht"): Ausblick auf die Spielpläne.
Steht Stadelmaier mittlerweile unter Naturschutz?
Ich habe hier einen Kommentar, obwohl es, wie ich nach dem Schreiben festgestellt habe, keine Rubrik dafür gibt. Falls sich kein Platz für meinen Text findet, schmeißen Sie ihn eben weg. Macht auch nichts.

Im „romangeilen Haus“ Gorki ist die Angst vor dem Drama offensichtlich besonders groß. Denn in einem Drama ist man, so Stadelmaier, „immer in Gesellschaft“, dazu noch mit „fremden Leuten“. Dank Stadelmaiers Ingenium weiß ich jetzt auch, dass ich im Drama „immer in einer anderen Welt“ bin. Das passiert mir im Roman angeblich nicht, denn während der Lektüre wird das Geschehen in mein privates Leben reingezogen, es wird quasi privatisiert.
Selbst wenn der Roman, vom Dramaturgen umgeschrieben, auf die Bühne transportiert wird, ist er anscheinend immer noch höchst privat, obwohl auf der Bühne eine andere Welt inszeniert wird. Auf der theatralen Plattform bekommen wir demnach nur eine entschärfte, mit Gemütsschutz versehene Romanadaption, die im Vergleich zum ursprünglichen Drama künstlerisch zweitrangig ist.
Stadelmaier möchte in seiner altbacken-verschrobenen Diktion eigentlich nur sagen, dass er den Roman auf der Bühne nicht allzu sehr schätzt. Nur kann er keine stichhaltigen Argumente dafür ins Feld führen. Er vermisst den Wagemut der Häuser, die mit Roman-Inszenierungen, also Altbewährtem nur auf Nummer sicher gehen, ohne sich an neuem, womöglich heißem Material die Finger verbrennen zu wollen. Dabei scheint Stadelmaier wie kaum ein anderer Kritiker der Tradition verpflichtet zu sein und die innovativen Potentiale als ungestüme Sturm-und-Drang-Eruptionen abzutun.
Ein Haus, das sich verstärkt an Romanen „vergreift“, läuft auch Gefahr, die Inszenierungen in den Sand zu setzen, zumal viele Zuschauer den Stoff schon kennen und mit einer gewissen Erwartungshaltung an die präparierte Version herangehen. Und die Erwartung kann sehr schnell enttäuscht werden, insofern ist die Inszenierung eines umgeschriebenen Romans auch ein Risiko. Auf der Bühne ist der Roman doch längst seiner epischen Strukturen entkleidet. Angesichts dieser trotzig konstatierten epischen Verseuchung, der Stadelmaier in der kommenden Spielzeit schutzlos preisgegeben ist, muss man sich ernsthaft um sein Gemüt Sorgen machen. Hoffentlich knallt er nicht mitten im Stück seinen Block hin und steht auf, um hinter sich eine Staubwolke aufwirbeln zu lassen.
Blog zu Stadelmaier: die krampfhafte Suche nach einem Aufhänger
Das der Roman und der Film seit langem ins Theater Einzug gehalten haben, ist nicht neu und so ist auch Gerhard Stadelmaiers recht uninspiriert geschriebener Artikel eigentlich nicht mal eine Randspalte wert. Man spürt förmlich, wenn man seine sonstigen Texte kennt, das krampfhafte Suchen nach einem Aufhänger, mal wieder ordentlich Gift verspritzen zu können. Leider gelingt es ihm nicht und so wendet er sich auch schnell vom Romanthema ab und den Gegenwartsautoren zu. Aber auch dort wird er nicht fündig, der Text bleibt blass und man liest Sachen, die man schon lange weiß oder die nur wieder seinen alt bekannten Geschmack unterstreichen. Leider kein Botho Strauß nirgends, wie langweilig wird diese Theatersaison werden. Das in diesem Jahr außer einigen Romanen, die mittlerweile selbst Bühnenklassiker geworden sind, vor allem viele Uraufführungen von jungen Dramatikern die Bühnen stürmen, wird ihn wahrscheinlich eher beunruhigen, als die x-te Variation von Der Besuch der alten Dame oder Homo Faber. Die kennt er, da weiß er sich zu verhalten. Zur Gegenwart hat er längst den Bezug verloren und so wird sich seine bildgewaltige Veriss-Maschinerie schwerer anwerfen lassen bei einem eher sparsamen Text Stockmanns oder einem fabulierenden Schimmelpfennig, obwohl der ja nun fast schon in den Fußstapfen von Botho Strauß steht. Das sich z.B. Nicolas Stemann mit Goethes ganzem Faust beschäftig, Armin Petras nicht nur Romane adaptiert, sondern auch die Hermannsschlacht von Kleist mit der von Grabbe vergleicht, Michael Thalheimer sich Die Weber von Hauptmann vornimmt und Andreas Kriegenburg sich an Shakespeares Sommernachtstraum versucht, scheint ihn nicht zu interessieren. Das sind Leute, die in seinen Vorstellungen von Theater nicht vorkommen und so muss man sich auch keine Sorgen um Herrn Stadelmaier machen, er ist aus dem heutigen Theater schon lange verschwunden und das ganz ohne Staubwolke.

Genauso langweilig ist das Interview in der FAS mit Luc Bondy. Vertikales und horizontales Denken oder das Bondy an Schlaflosigkeit leidet, weil ihm erst nachts immer so zum Nachdenken ist und ob Liebe, Sex oder Schlaftabletten helfen, bitte wen interessiert das?
Bondy ist Hedonist und zugleich Masochist, sagt er, essen und trinken sind seine Leidenschaft. Na wenn es für ihn sonst nichts mehr gibt, als ständig über den Tod nach zu denken. Krebs oder eine jede andere schwere Krankheit werfen einen zweifelsohne aus der Bahn, aber vielleicht sollte er sich ein Beispiel an Christof Schlingensief nehmen und sich und uns nicht mit vergeblichen Psychoanalysen quälen. Wenn Bondy sich jetzt in der Oper wieder gefunden hat, ist das doch wunderbar, scheint bei Schlingensief ja ähnlich zu sein. Warum dann aber wieder der übliche Schlag nach den jungen Regisseuren? Danach ist er doch gar nicht gefragt worden. Er erfindet ein Bild der heutigen Theaterlandschaft als vergängliches Naturphänomen wie den isländischen Vulkanausbruch, toll. Bin ich da froh, das Vulkane nur schlummern und immer mal wieder ausbrechen können, ganz unabhängig vom Wetter. Zumindest hat sich dann mal was bewegt und die Leute kommen vielleicht zum Nachdenken. Aber ihm ist wahrscheinlich der Mensch zum Denken eh zu träge und daher kommt dann dieser Schmerz an der Welt und die Einsamkeit. Auf seine Schreibversuche kann man also sehr gespannt sein und in Vorzimmern von irgendwelchen Intendanten muss er damit ganz bestimmt nicht „antichambrieren“.
Blog zu Stadelmaier: Schreiben für die Nachwelt
Stadelmaier hat die Existenz und die hektische Betriebsamkeit von Stockmann zumindest zur Kenntnis genommen – man kann nicht sagen, dass er die neuen Impulse im Theater überhaupt nicht mehr registriert.
Alles, was in den Bereich einer Art Gemütserregungskunst fällt, scheint er innerlich nicht mehr an sich heranzulassen. Ich kann mich noch gut an seine Rezension der „Möwe“ vom Deutschen Theater erinnern. Das permanente Weinen von Kathleen Morgeneyer war ihm schlichtweg unerträglich. Vielleicht braucht er derartige Erlebnisse tatsächlich nur noch, um sich innerlich aufregen zu können. Ansonsten hat er ein Lebensstadium erreicht, in dem er Altbewährtes nur noch in neuer Verpackung goutiert.
Vielleicht haben Sie recht, Stefan. Womöglich hat Stadelmaier innerlich schon abgeschlossen und er schreibt nur noch für die Nachwelt. Irgendwann werden posthum seine gesammelten Kritiken erscheinen und einem milden Glanz auf seine vermuteten Kritiker-Adjutanten und Peripatetiker werfen.
Im Gegensatz dazu fand ich Bondys Äußerungen recht interessant, hauptsächlich deshalb, weil er sich mit Problemen herumschlägt, die mir fremd sind. Insofern konnte ich einen Blick in eine fremde Seele werfen und feststellen, dass ich mit zu viel Leichtigkeit durchs Leben wandle.
Wenn es stimmt, dass die Liebe dumm macht, sollte ich es vielleicht doch noch einmal mit ihr versuchen – um mich von unnötigen Tiefenreflexionen zu befreien. Ich habe das Glück, dass mir keine Frau im Genick sitzt, aber möglicherweise kann das auch von Vorteil sein.
Ähnlich wie Marlene Streeruwitz scheint sich Bondy allmählich vom Theater abwenden zu wollen. Frau Streeruwitz hat ja das Theater nur noch für einen ästhetischen Genussbetrieb gehalten, dem es an wahren Inhalten oder zumindest verschlüsselten Botschaften gebricht. Bondys Zweifel an der Qualität der Arbeiten junger Dramatiker halte ich für legitim, egal ob er danach gefragt wurde oder nicht. Bei den Produktionen junger Nachwuchskräfte bin ich zunächst einmal auch skeptisch, da ich etliche Negativ-Erlebnisse im Off-Bereich hinter mir habe und mir einen Abend nicht versauen möchte.
Immerhin scheint Bondy noch relativ viele Anhänger in Berlin zu haben, denn in der Volkbühne war es nicht einfach, einen halbwegs akzeptablen Platz für „Die Zofen“ zu bekommen, und das war, wie ich hörte, an mehreren Abenden so. Alles in allem fand ich das Bondy-Interview ungewöhnlich erfrischend.
Blog zu Stadelmaier: Sommer(loch)
@ Flohbär
Vielleicht ist ja schon alles halbwegs erheiternd, was einem auch nur irgendwie bei dieser Hitze die schlaffen Mundwinkel hochzieht. Ein Sieg Deutschlands gegen Maradona und Messi, Stadelmaiers Vorabrechnung mit der kommenden Theatersaison und ein über Liebe, Naturphänomene und schlechte Jung-Regisseure schwafelnder Luc Bondy. Nur deswegen führt man doch kein Interview, da langweilt man die, Sonntags an irgendeinem See ölenden, intellektuell schon fast am Tiefpunkt angekommenen, oder bereits in den Ferien weilenden Menschen doch nur noch zusätzlich. Was war das eigentliche Thema des Interviews, eine Fortsetzung der Straußschen Laudatio auf Jutta Lampe, die allgemeine Wetterlage in Island, die Bestätigung Gerhard Stadelmaiers schlimmster Befürchtungen? Bondy verteilt Schlaftabletten und wir werden in diesem Sommer(loch) noch einige davon verabreicht bekommen. Der nächste ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Peter Stein, der auf seinem italienischen Landgut bei einer guten Flasche Wein über Brandauer und ödipale Komplexe philosophieren wird. Das Ergebnis gibt es dann Ende August im Berliner Ensemble zu bestaunen. Ob da Herr Stadelmaier schon aus dem Urlaub zurück ist?
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