Presseschau vom 20. Mai 2010 – Nina May beschreibt in der Zeit, wie Leipzig um Hartmanns Bühnenästhetik ringt

Für letzte Worte sind andere zuständig

Für letzte Worte sind andere zuständig

"Propagierte Öffnung nach außen, Druck nach innen, so janusköpfig stellt sich das Centraltheater dar", so Nina May (Die Zeit, 20.5.2010) in einem Text der genauer auf die "Paris, Texas"-Inszenierung eingeht, aber auch auf dem Kampf um die Wirkungsästhetik. "Hartmann vereint die beiden Gesichter des Hauses in seiner Person", er sei der  Mann, der mit den Zuschauern vorm Theater Fußball spiele und zugleich der Mann, dem Mitarbeiter Machotum vorwerfen und der beim Publikumsgespräch auf eine kritische Frage mit einem heftigen Gegenangriff reagiere.

"Auch seine Anhänger haben die aggressive Verteidigungsrolle noch nicht abgelegt, wie das Internet-Gästebuch dokumentiert." Gerade seinen junge Leipziger Künstler dabei, aus Protest gegen Hartmann ein "Neues Schauspiel Leipzig" zu gründen. Andererseits verzeichnet das Haus jetzt gegenüber dem Vorjahr ein Zuschauerwachstum von elf Prozent, und der Hausphilosoph Guillaume Paoli wird zitiert, dass sich dem Publikum der Eindruck böte, hier wird "wirklich gerungen, statt nur gespielt". So changiere Hartmann zwischen großer Geste und Leipzig-Bezug, seine Vision umfasse jedoch mehr als den Premierenplan: "Theater soll zur Kirche der Stadt werden, zum Anlaufpunkt, zur Denkzentrale." So erkläre sich auch die Umbenennung der Hauptspielstätte von Schauspielhaus in Centraltheater, die zu Beginn der Intendanz für Protest im Stadtrat sorgte - obwohl das Leipziger Theater zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon einmal diesen Namen trug.

In der Nebenspielstätte Skala musste man bereits in den ersten zwei Jahren der Realität beugen. "Die Hoffnung, dass die Menschen ohne Ankündigung einfach mal vorbeischauten, erfüllte sich nicht." Die ersten Vorstellungen blieben leer. Am ehesten, so das Fazit, treffe die hauseigene philosophische Loseblattsammlung das Selbstbild der Hartmannschen Denkcentrale: "Wir liefern lose Gedanken, Visionen. Für letzte Worte sind andere zuständig."

 

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