Romeo und Julia - Sebastian Hartmann entlarvt im Wiener Burgtheater die klassische Liebestragödie
Dem schönen Schein den Schleier herunterreißen!
von Dirk Pilz
Wien, 20. September 2007. Der Anfang zum Beispiel. Rechts eine Schar hübsch berockter Männer um ein Lagerfeuer, links eine Burgruine im Nebel. Nachtblau der Hintergrund, erdbedeckt der Boden. Und aus dem Himmel fällt ein sanftes Licht. Caspar David Friedrich hätte es schöner nicht malen können. Das Herz wird einem warm und schwer, dann schreien sie auf der Bühne. Hüpfen und hampeln, zücken die Degen und schwingen zwei Riesenschwerter bis die Funken schlagen. Und aus den Boxen filmmusikreifes Gesäusel.
Oder diese Szene: Romeo und Julia stehen splitterfasernackt unter einem riesigen Holzportal, herzen und küssen sich, kosen und scherzen, während über diesem neidenswerten Glücke ein friedlicher Sternenhimmel samt Sternschnuppe blinkt. Und er trägt sie auf seinen starken Armen ins Dunkle, wie man die Geliebte in Hollywood über die Leinwand trägt. Das Herz wird einem sehnsuchtsprall, bis das junge Paar händchenhaltend an der Rampe steht, heult und sich verbeugt, das Publikum beklatscht und auch verhöhnt, auf dass man sich seiner seichten Sehnsucht überführt fühle. Aus den Boxen seufzende Geigen.
Kämpfer wider den schönen Schein
Oder auch: Blutige Rümpfe fallen aus dem Schnürboden, wenn es für Julia in die Todesgruft geht, aus der sie nicht wieder erstehen wird. Aus dem Boden steigen nackte, dürre Leiber empor, verkrampfen sich im schrillen Schrei und waten über Leichen und stummes Leid, auf dass man glaube, Goya habe dies Schreckensgemälde entworfen. Danach aber ersteht ein Engel aus dem Untergrund, seine Riesenflügel dienen als Projektionsfläche für einen Film, der Passanten zeigt, in deren Gewusel Romeo und Julia verschwinden, wenn sie schon tot, aber noch zusammen sind. Und aus den Boxen leise Abschiedsklänge.
Sebastian Hartmann hat am Wiener Burgtheater mit Shakespeares "Romeo und Julia" ein Bilderbuch der Liebesvorstellungen entworfen. Binnen dreier Stunden wird hier die Geschichte der nicht erfüllten Liebe nur deshalb erzählt, um derlei Gefühlswallungen als verkitschte und verlogene Konstrukte auszustellen. Liebes-, Sehnsuchts- und Glücksszenen sind folglich so arrangiert, dass sie besonders effektvoll zerbröselt werden können. Denn Hartmann will dem schönen Schein den Schleier herunterreißen; er will uns lehren: Liebe, Sehnsucht, Glück etc. gibt es nicht – es gibt nur kulturell hergestellte und also auch immer nur bedingt haltbare Liebes-, Sehnsuchts- und Glückskonstrukte. Nichts ist echt, alles ist gemacht. Bei Goya wie in Hollywood.
Poltern im quasiphilosophischen Überbau
Abgesehen davon, dass diese vermeintliche Einsicht in den Konstruktionscharakter auch der Gefühle und ureigensten Gedanken an diesem Abend wie eine Lektion in Sachen postmodernem Konstruktivismus auf Volkshochschulniveau ausschaut, hat sie die Darsteller zum Chargentum verurteilt: Man sieht keine Schauspieler, sondern ein polterndes Personal, das an der kurzen Leine eines dürren Regiekonzepts gehalten wird. Lauter blutleere Hampelmenschen, die nie glaubwürdig sind, weil sie gemäß des quasiphilosophischen Überbaus nicht glaubwürdig sein sollen, die aber auch keine Ahnung zu haben scheinen, was sie sonst sein, also darzustellen haben. Will sagen: ein derart hilfloses Ensemble ist selten zu bedauern. Sven Dolinski als Romeo muss zum Oberhampelmeister werden, Julia Hartmann ihrer Julia ein naives Engelsstimmchen verleihen; Martin Schwab als Papi Capulet ist eine unfreiwillige Dauerwitzfigur, Kirsten Dene als Amme gern burschikos. Müde, blasse Konzeptherunterspieler.
Geheimnisumwittertes Schreiten
Dabei wusste Hartmann zunächst durchaus zu überraschen: Er hat das Geschehen ins 13. Jahrhundert, also zurück ins Zeitalter des historischen Stoffes verlagert – mit dem einzigen Effekt allerdings, dass man an diesem Abend den Reichtum des Fundus bestaunen darf. Und er führt als Zusatzfigur einen Geist ein, der Doppelgänger, Erzähler und Kommentator ist, mit Julia genauso gut wie mit Romeo im Chor spricht, sich zwischen die beiden schiebt, sie beäugt und belauert, schreit und gern geheimnisumwittert schreitet, was er nicht bräuchte, weil sein Regieauftrag überdeutlich ist: Er, der Geist, soll uns die Figuren als wandelnde Zitate zeigen, die für uns – glaubt man dem Regisseur – längst nicht mehr einfach nur Liebende, sondern eben zu Kitsch- und Stereotypenfiguren geworden sind. Nichts scheint Hartmann mehr zu befürchten als den Vorwurf, er reproduziere die gängigen Vorstellungen. Seltsam nur: Er flüchtet das Klischee und wird von ihm dauernd eingeholt.
Das Anfangsbild aber ist wirklich schön.
P.S.
Thomas Lawinky ist übrigens auch dabei, als Bruder Lorenzo mit heiserer Stimme. Es ist das erste Mal, dass er wieder mit Hartmann gearbeitet hat, nachdem Lawinky einem Frankfurter Kritiker den Spiralblock entrissen hatte. Jetzt scheint ihn Hartmann einzig aus Gründen der Solidarität engagiert zu haben. Ach, und Julia Hartmann ist die Halbschwester des Regisseurs. Nur zur Information.
Romeo und Julia
von William Shakespeare
Regie: Sebastian Hartmann, Bühne: Jürgen Bäckmann, Kostüme: Moritz Müller.
Mit: Mareike Sedl, Sven Dolinski, Julia Hartmann, Thomas Lawinky, Markus Meyer, David Oberkogler, Patrick O. Beck, Martin Schwab, Myriam Schröder, Roland Kenda, Johannes Terne, Kirsten Dene, Karim Chéríf, Gerrit Jansen, Charles Maxwell.
www.burgtheater.at
Kritikenrundschau
"Unter allen gegenwärtigen Theaterträumern ist Hartmann vielleicht der grobschlächtigste Abrissunternehmer, schreibt Ronald Pohl im österreichischen Standard (22./23.9.2007). Im Umfeld einer "herbeischwadronierten Früh-Renaissance" habe er die Liebestragödie endzeitlich ver"nuschelt". Jeder kommentiere hier jeden, und alles "lügt und schreit und rennt hier blindlings durcheinander". "Hier münden die Ausläufer der geläufigsten Kapitalismuskritik in ein Destillierbad der ranzigsten Bilderfindung."
Auch Norbert Mayer in der Presse (22.9.2007) schüttelt den Kopf: "Hartmanns Interpretation war der bisherige Tiefpunkt des Shakespeare-Zyklus im Burgtheater." Dabei habe er – was strafverschärfend hinzukommt – "doch so viel gewollt!" Indes, wo "der Respekt vor dem Text" fehle, fehlt es bald an allem. Die Inszenierung "wird zum Ego-Trip eines Interpreten, der sich mit der Keule durch die Kulturgeschichte schlägt." Julia Hartmann sei "überfordert", und auch renommierte Darsteller würden "zwei Etagen unter Niveau" spielen. Bleibt nur die Diskussion der Nackten: "Burgtheater-Durchschnitt, fast schon Josefstadt, konnte man in der Pause Größenvergleiche aufschnappen."
In der deutschen Welt (22.9.2007) urteilt Ulrich Weinzierl in vergleichbarer Weise über die "Schrecken" der Inszenierung des "Castorf-Schülers" Hartmann. Der hinzu erfundene "Geist der Geschichte" sei "ergreifend überflüssig". Gespielt werde "meist miserabel". "Die einzigen, die diese Produktion unbeschadet überstehen, sind Markus Meyers Mercutio und die königliche Amme der Kirsten Dene. Sie allein, Zauber der Sprachkunst, wird übrigens der ausgezeichneten Übersetzung von Thomas Brasch gerecht." Der Rest ungefähr siehe oben, nicht ganz so zornig vielleicht.
Aus Zürich und von der NZZ (22.9.2007) ist Barbara Villiger Heilig nach Wien gereist und musste feststellen: "Schauspielerisch herrscht der spastisch-hysterische Ausdruck vor: Geschrei und Gerenne." Anders als beim "Massakerspiel" in Frankfurt/Main (Die Spiralblock-Affäre!), würde allerdings weder mit Vögeln noch mit Sonstigem geworfen: "Nein, die Interaktion mit den Theatergästen bleibt diesmal aus, es sei denn, man interpretiere deren Gähnen als solche. Oder die lauten Buhrufe am Schluss." Die Inszenierung im Ganzen: "Abstrusitäten eines regieführenden Wirrkopfs."
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Und noch eine Frage an Frau Kohse / die Redaktion: Forendemokratie hin oder her, aber wäre es angesichts einer Rückkehr zur sachlichen, auch emotionalen Auseinandersetzung mit Theater und -rezension nicht überlegenswert, die Beiträge von Herrn Wahl unveröffentlicht zu lassen? Sie haben weder mit nachtkritik.de noch mit Theater, noch mit dieser Welt zu tun, sondern stammen aus einer bislang unentdeckten Galaxie, die eher ermüdet - mich zumindest. Auch wer den Namen von Herrn Hartmann ge- oder missbrauchen muss, weil er keinen eigenen Standpunkt vertreten kann, erweist Ihrem Forum einen Bärendienst. Viele Grüße. Gute Nacht, Frau Breth (gibt es eine Quellenangabe zu ihrem Regietheaterausspruch?). Leben Sie wohl, Herr Wahl.
Steinigt mich!, eine Lesung (Theater Tonne Reutlingen 27. Okt.) von mir wurde abgesagt,
wegen meiner meiner Meinung zur Gesellschaft, Theater und
Kunst. Komisch, ich besitze gar keine Meinung.
Ich bin ein Huhn, steige in Stanley Kubricks Raumschiff, der Film hieß Odyssee im Weltraum. Ich bin so absurd und bizarr. Der Astronautenaufzug ist so eng, ich schwitze. Neben der Ratte im Käfig, sitze ich Huhn. Kikerki. Warum wollt ihr mich ignorieren und
bestrafen? I'm pro Hartmann. Ich kann Romeo und
Julia nicht verstehen. Meine Variante? Löscht sie.
Sucht die eigene Variante.
Uli Wahl New Orleans 24. Okt. 2007
War kurz weg zum Seven Eleven, der Roomservice im Hotel ist etwas teuer. Mein Bourbon war leer. Auf dem Bildschirm des TV-Geräts nur Flirren.
Sorry hab nur etwas zu viel gekifft, will immer mehr sein als ich bin. Hal, mein Computer, redet jetzt mit mir. Hal hilft mir in meiner Einsamkeit. Er sagt mir, was ich tun soll, um meine Neurose zu analysieren. Ich suche mich als den rationalen vernünftigen perfekten Menschen, das gelingt, falls ich meine Neurose in den Griff bekomme. Ich suche nur nach Anweisungen, wie ich mich verhalten soll. Ich dachte, Hartmann und ihr würdet mich verstehen. Mein Raumschiff fliegt weiter, in diffuse Galaxien. Wann verstehe ich die Welt, Shakespeare, das Stück Romeo und Julia? Warum benehme ich mich so seltsam und bizarr? Warum will ich keine Freunde haben? Bin ich nun in einem Raumschiff (Odyssee im Weltraum) oder bin ich in einem Hotelzimmer? Vermutlich will ich, dass mich gar niemand versteht, oder?
Uli Wahl
Auf meinem Twin Bed liegen so viele Bücher.
Man kann verschiedene Aspekte diskutieren. Theater als Event. Als Unterhaltung. Oder Rückkehr zum politischen Theater. Hartmann ist halt schwer einzuteilen, das ehrt ihn. Es scheint, als würden die zeitgenössischen Dramatiker das Rennen verlieren. Regisseure sind mehr in.
Vielleicht ist das Theater auch überholt, warum immer und ewig Shakespeare und Goethe?
Trashtheater ist auch nur ein Versuch, die Formen zu zertrümmern. Vom Theater Antworten zu erwarten, ist vermutlich blöde. Oft hab ich den Eindruck wir reden in eine Art Altgriechisch. Und das ganze ist etwas absurd und undifferentziert und ohne Logik. Vielleicht möchte ich unlogisch sein, vielleicht ist das die Lösung.
Es gibt halt die Bewahrer und Zerstörer, eine Schwanken zwischen Realität und Illusion. Ein einziger Widerspruch. Auch Hartmann. Andreas Baader lebte nur in der Illusion. Er wollte nichts anerkennen, weder Justiz, Staat, Richter, nothing.
Ich saufe vielleicht zu viel, bin deswegen unlogisch.
Ich frage mich, während ich auf dem Bett liege, wann ist die ganze Scheisse vorbei.
Uli Wahl
Was ist Zweck dieses Forums?
Der Austausch, vielmehr die Auf- und Ausstellung von Gedanken im virtuell-öffentlichen Raum? Würden Deine Zensurforderungen nicht das Forum unterminieren?
Und Wahl: Ein revolutionärer Moment besteht erst dann, wenn "alles, was die Wirklichkeit präsentiert", seine unmittelbare Repräsentation fände. In der übrigen Zeit arbeitet die hierarchisierte Macht, von ihrer magischen und mystischen Pracht immer weiter entfernt, daran, vergessen zu lassen, daß die Totalität - die nichts anderes war als die Wirklichkeit! - sie als Betrügerin entlarvt.
Bis dahin sind die poetischen Ausflüchte Wahls nur Annäherungen an eine spektakuläre Realität. Die noch interessanter ist als ihre Annäherung, weil sie sich selbst doppelt.
Immerhin er versuchts und hat den Kulissenschieber hinter sich gelassen.
Zur Modernität: Die moderne Inszenierung findet hier statt, jeder ist Regisseur, jeder Schauspieler.
Zur Revolution: Müsste man erstmal Verbündete finden, möglich,dass das Netz der Ausgangspunkt zur nächsten Revolution ist. Vielleicht ist so ein Forum ein Ansatz. Ein Weg.
Philosophie: Lasst uns mal mit Schlichtheit versuchen, dem Gegenentwurf.Zerstört erstmal, um neu aufzubauen.
Entwürfe: Politische Ideen scheitern daran, weil der Mensch nicht über den eigenen Egoismus hinauskommt.
Mensch: Der Mensch bleibt Mensch, bewegt sich oft im Irrtum. Frage über Verrat: Warum erschoss Paul Garett Billy the Kid. Paul Garett war sein
bester Freund. Wollte Paul Garett das Kopfgeld kassieren, das auf Billy the Kid ausgesetzt war?
Variante des Verrats: Warum verriet Joschka Fischer die grüne Idee?
Wegen dem eigenen Egoismus? Hat er sich zu sehr angepasst?
Bachmann Preis:Ich ritze mir nicht die Stirn auf, blutig. Was soll der Bachmann Preis, wo andere sich am Scheitern seines Nächsten aufgeilt?
Frage: Kommt der Mensch über das eigene Denken hinaus? Geht es nun um eine Art Metaphysik?
Moderinität: Ist nicht alles die Kopie der Kopie, die Endloschleife?
Revolution: Ginge es nicht um eine Revolution ohne Blut?
Schlichtheit: Vergesse das Gelernte, kehre zu dir selbst zurück.
Ratschlag: Betreue alte Menschen, erkenne dich selbst.
Uli Wahl
könnt Ihr, können Sie bitte ein wenig von sich selbst absehen; so sehr wir Ihre Selbststilisierungen und Selbstenthüllungen schätzen - es wäre schön und hilfreich, wenn Sie gelegentlich in allgemein verständlicher Form zur Sache sprächen.
Herzlich
nikolaus merck
natürlich geht man nicht ins Theater, um sich dort seine fertige Antwort abzuholen. Ganz bestimmt nicht! Die Frage nach der Modernität ging an "Hartmann" (und alle anderen), weil dieser - bei dem man nun mal stark davon ausgehen kann, dass er gerade nicht der Regisseur ist - eben die Modernität von "Romeo und Julia" behauptet hat. Warum geht uns denn diese Geschichte immer wieder so an? Was macht die Inszenierung daraus? Was z.B. ist ihre Frage? Was treibt sie um? (Ich habe die Aufführung leider nicht gesehen und kann deshalb nur Fragen stellen.)
Uli Wahl
hier wurden ganz gewiss keine Beiträge unterdrückt, die sich mit der Inszenierung auseinandersetzen. Ich kann mir Ihren diesbezüglichen Vorwurf nicht erklären. Außer persönlichen Beleidigungen darf hier jeder alles äußern.
Viele Grüße
von Petra Kohse
vielen Dank für Ihre Antwort. Ich will auch technisches Unvermögen von meiner Seite aus gar nicht ganz ausschliessen. Allein Ihr Festhalten an den Veröffentlichungen und gleichsam Verwässerungen dieses Forums durch Herrn Wahl bleibt mir ein Rätsel. Ansonsten: Weiter so! Ihre Mag. Gabriele Sojansky
Ich äußere mich gerne zur Sache:
Bei mir gehts auch um Hartmann, die Inszenierung und Theater an sich, bin genauso hungrig auf Theater wie andere. Ich hab halt einen bizarren Humor.Für die Baader Group stellt sich die Frage, ob sie einige Theater besetzen soll, oder nicht? Es ginge um ein Art Happeningtheater, vermutlich.
Die andere Frage ist- an die Forumdebattierer-, ob man nicht selbst eingreift und auf die Bühne
steigt, oder nur konsumiert, oder nur anonymes Publikum bleibt. Wollt ihr selbst gestalten oder euch nur ablenken lassen?
Gut, ich versuche aus meinem Raumschiff auszusteigen, aus meiner Galaxie.
Alles ist natürlich Inszenierung und Stlisierung. Es ist die Frage, ob man sich ganz entblößt, oder nicht. Übergieße ich mich mit Stierblut, oder nicht? Wird man aktiv, oder nicht.Mache ich eine Performance oder nicht? Was wird man mir dann wiedervorwerfen?
Ohnehin, was ist das Netz? Ist es manipulativ, oder ein Schritt zur vollkommenen Demokratie?
Vielleicht wollte ich mich nur aufspielen, um zu einem Art alternden Mick Jagger des Kulturbetriebs zu werden. Ich schreibe an einem Film, den
es gar nicht geben kann. Ich bin ganz unentschlossen
und zögernd, was ja oft bei Shakespeare Figuren der Fall ist. Sie greifen an und ziehen sich zurück.
Ich frage mich, ob ich Mundartdichter, Dramatiker, Prosaschiftsteller, oder Gonzojournalist werden soll. Rosen-oder Bienenzüchter. Diese Zersplitterung, das ist schon auch Shakespeare.
Sorry guys, vermutliche bastle ich an so einem virtuellen Traumbuch, oder Scratchbook, oder ist es ein verwirrtes Tagebuch? Eine Art Poesiealbum. Ich erwarte nicht, dass ihr mich versteht. Kleist war auch ein schwieriger Typ. Ich kann nichts dafür,
wegen meinen Halluzinationen, plötzlich stand Billy the Kid in meinem Zimmer und sagte: Uli, du musst dich entscheiden. Zieh deinen Revolver. Ich schrie: Ich hasse Gewalt und Entscheidungen.Zünd mir noch ne Mentholzigarette an. Trink einen Merlot von Woodbridge,lese Comicheftchen. Auf dem Tisch eine Plastikschale mit Hamburgerresten,verschimmeltes
Fleisch, mein Gebiss liegt im Wasserglas, muss noch ein paar Spritzer Odol dazugeben. Werde so vergesslich.
Ich werde euch entgegenkommen. Irgendwann. Um euer Anführer zu werden,wenn der Entschluss gereift ist, ob ich Opfer oder Täter sein will, oder beides.
Fragt sich, ob Hartmann nicht nur ein Egomane ist? Wie ich?
Gut, um vorwärts zu kommen, muss man wissen, was man will.Macht und produziert eure eigene Village Voice.
Werdet Underground, oder passt euch an. Werdet ordinary people.
Werdet Subkultur, um die Blumen zu gießen. Wacht über euer Pflänzchen.Ich liebe euch. Try to make your way to work.Good Bye.
Ich schweige, für heute.
Für die Musikliebhaber, zu empfehlende CD: Neil Young Chrome dreams 2
Buchempfehlung: Für ein armes Theater, Jerzy Grotowski
Bis dann.
uli wahl
Ich bin gegen Kulturspießer! Vielleicht bin ich selber einen! Gut, ich werd jetzt mal ganz erwachsen: Ich bin gewohnt, dass mich Deutschlehrerinnen angreifen, ich war schon in der Schule renitent. Ein Lehrer sagte, Hölderlin sei verrückt geworden damals. Ich fragte nur, woher wissen sie, dass der verrückt war? Es stehe in den Büchern, sagte der Lehrer. Ich erwiderte, ich vertraue Büchern nur bis zu einem bestimmten Punkt.
Ich musste danach als Aufgabe anfertigen: Ich bin ein Idiot. Hundertmal den selben Satz in ein Heft hinein, mit Pelikantintenfüller. Ich bekam eine geknallt, weil ich links schrieb usw. Deswegen bin ich bei Lehrern besonders skeptisch.
(Über Schulen so viel gesagt: laut der Pisastudie wird an deutschen Schulen immer noch sehr selektiv verfahren und Arbeiterkinder tun sich immer noch schwer. So viel zu Lehrern und Schule.)
Auch um das geht es bei Shakespeare, um die Struktur von Hiercharchie. Macht.Aktion.Verbündete. Ausgrenzung. Tat und Täter usw. Noch ne Frage: Ist das Burgtheater noch zeitgemäß? Dieses Kuscheltheater und Entertainment?
Dieses Selectionsgehabe hier im Forum ist ziemlich deutsch. Es ist klar, ich mache mich ein wenig zum Clown. Aber für viele Dinge gibt es Fäden, die sich von Sache zu Sache ziehen, dafür ist hier aber kein Platz. Diese Anpassung an Hartmann und Theaterkonventionen ist furchtbar, diese Freundlichkeiten; Äh, wir verstehen uns ja alle so gut. Wir sind ja so aufgeklärt und demokratisch, so fortschrittlich. Wir haben mit Herrn Hartmann gesprochen. Und? Hartmann bekommt für seine Inszenierung ein gutes Salär, während Autoren oft leer ausgehen. Stromberg in Hamburg fuhr z.B. einen Jaguar als Dienstwagen. Die
Inszenierung von Hartmann ist vielseitig. Man kann nicht so einfach sagen, dass die gut oder schlecht ist.
Mir ist klar, dass gewisse Leute auch in Deutschland ausgegrenzt werden, weil sie unbequem sind. Aufgrund dessen wird sich eine Subkultur bilden, ein Versuch den Kulturbetrieb zu erneuern. Ausgrenzung wird oft auf menschliche Aspekte geschoben, oder Ästhetische. Kleist hat sich auch mit Goethe zerstritten, Goethe hätte was für Kleist tun können.
Kleist war unbequem, oder Lenz, ein weiterer Dichter. Viele Dichter und Menschen sind schwierig, die gehören nunmal zum Theater. Das zeigt auch Shakespeare.
Hartmann ist nun so ein Art Popstar, er scheint wichtiger als Shakespeare zu sein. Zumindest hat man den Eindruck in der Debatte. Hartmanns Inszenierung nur als einfältig zu bezeichen, ist idiotisch. Wichtig ist nicht Hartmann, sondern das Geniale von Shakespeare. Da kommt keiner von uns ran und das ist das eigentliche, was uns zu schaffen macht.
Es muss extreme Standpunkte geben, solange keine Bomben fallen, dürften die nicht undemokratisch behandelt werden, sondern es fragt sich, wer nun hier wirklich reaktionär ist. Und was ist der Vorwurf an mich? Die extreme Position? Zweitens gebe ich nur Hinweise. Wie z.B. an das Buch von J. Grotowski über ein armes Theater.
Uli Wahl
Das steht Hartmann, die Deutschlehrerin, alle diese Über-Ichs. Ich brauche vermutlich fachliche Hilfe, deswegen lese ich ein Buch von Barrault Hinweise für Morgen. Ich nehm ein warmes Bad, nehme meine Psychopharmaka ein. Ich begebe mich in die Gummizelle. Ich frage mich, ob ich mich beim Bachmannpreis anmelde, oder das Angebot von Nachtkritik für eine Kolumne annehme, oder lieber die Zeit? Passe ich zu Herrn Joffe? Oder waren wir gerade bei Shakespeare? Bin ich nur eine Figur, eine Variable? Wann besetzt Hartmann mich für seinen nächsten Romeo und Julia? Oder besser King Lear?
Uli Wahl
1."uli wahl" = Troll (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Troll_%28Netzkultur%29)
2. nettes Forum, aber könnte eine ignore Funktion gebrauchen; ähnlich wie bei youtube etc.; da kann man diese ganzen Spam und trollpostings einfach wegklicken.ciao.
Hinweis zur Regiesituation in Deutschland.
dieser notgeile kerl mit seinen perversen vorlieben macht mich fertig. wenn ich den job hier nicht bräuchte, hätt ich schon längst hingeschmissen. selten hat ein mensch seine machtposition so schamlos ausgenutzt. die letzten male hab ichs dann einfach nur noch über mich ergehen lassen.
was bin ich froh, wenn die spielzeit zu ende ist und ich die ganzen idioten hier nicht mehr sehen muss. du kannst dir ja nicht vorstellen, wieviel überwindung die arbeit hier in der provinz kostet. ich zähle die tage bis juli und dann werd ich dieses verdammte freiburg mit seinem hässlichen theater mit genuss hinter mir lassen!!!
mal zu was erfreulichem: was macht berlin? und vor allem der park? die letzten sommertage waren dafür sicher ideal. ich beneide dich so...
-----------------------
Uli Wahl
PS: Soll aber nicht auf Hartmann bezogen sein, eher Bezug auf Romeo und Julie, die Situation der Frau, über diverse Ansätze des Regietheaters. Ohnehin ich steh auf dem Gare du Nord und warte auf den Anruf der Gysi.
Troll: jemanden, der im Internet in Diskussionsforen, per E-Mail oder ähnlichem andere Personen oder Gruppen gezielt provoziert, siehe Troll (Netzkultur)
ich habe gesucht. Der Andrea Breth Gedanke wurde von mir sehr frei wiedergegeben. Sorry. In einem Interview zwischen Breth und Peter Michalzik zur Werktreue-Debatte heißt es in der Frankfurter Rundschau vom 4. Mai 2005, in Bezug auf ihren „Don Karlos“ von der Regisseurin: „Man macht Fassungen. Die Frage ist, wie weit man dabei geht. Wir haben ja keine der Aufführungen gemacht, die ich bekanntermaßen verwerflich finde: Textbruchstücke, angereichert mit eigenen Tagebuchnotizen, ein wenig Polemik, ein bißchen von der Lieblings-CD.“ „Ein bisschen von der Lieblings-CD“; darin höre ich diese ärgerliche Abneigung gegen (populäre) Musik in Teilen des Gegenwartsschauspiels.
haben Sie vielen Dank für Ihre Mühen! Aus der von Ihnen genannten wie auch aus anderen Quellen darf man die ärgerliche, vor allem aber hochnäsige Abneigung einer Frau Breth durchaus herauslesen. Das tue ich auch - und ärgere mich meinerseits über die Alleinvertretungsrechte, die diverse Regisseure sich mit Blick auf Goethe, Schiller, Shakespeare leichten Mutes einräumen. Da würde ich mir gerade von Regisseuren wie Herrn Sebastian Hartmann, Pollesch, Kriegenburg u.a. eine viel deutlichere Gegenposition wünschen! Noch Castorfs jüngstes Interview in der FR (?) ist ein einziges Ärgernis, Armutszeignis und Offenbarungseid. Seit Jahren wird ein mittlerweile millionenschwerer Intendant nicht müde zu betonen, wie großartig sein Gewerke-Chor an der Volksbühne doch sei, und dies auch noch als wahnsinnig konkreten Kommentar zur neuen Verklassung der Gesellschaft zu verkaufen. Was Selbstgerechtigkeit und -liebe an deutschsprachigen Theatern angeht (man denke nur an Matthias Hartmann in Zürich, der mittlerweile im Feuilleton kaum noch vorkommt und wegen seiner ästhetischen Harmlosigkeit allein noch von Herrn Stadelmaier protegiert wird), geben sich Werktreue (s.o.) und alternde Berserker (Castorf) die Klinke und die Verträge in die Hand. Da gibt es eine ganz ausgeprägte Bunkermentalität. Sebastian Hartmann ist mir einer von ganz wenigen, von denen ich wenigstens zwischenzeitlich höre, daß er auch gegen den Theaterapparat selbst Theater macht. Und das ist unterstützenswert, ob mit oder ohne die eigene Lieblings-CD.
P.S. Das erwähnte Interview mit Frank Castorf ist in der Berliner Zeitung vom 27. Oktober 2007 erschienen. Die Redaktion
Bis dann.
Uli Wahl
PS Später mehr!
auch auf die Gefahr hin, dass die Diskussion um Herrn Hartmanns Shakespeare-Inszenierung am Burgtheater mittlerweile abgeebbt oder in Richtung Goerden und Ostermeier abgewandert ist, möchte ich doch noch auf eine Stellungnahme des echten Sebastian Hartmann hinweisen, die großartig ist, was sein Selbstbild und auch sein Bild vom Selbstverständnis der Theaterkritiker betrifft. Ich habe es unter "Gegenkritik" in der November-Ausgabe von "Theater Heute" gelesen und finde das sehr lesenswert und überlegenswert. Dankbarer Weise bietet "Theater Heute" es online an, unter http://www.theaterheute.de/gegen-fr.html. Mich würden weitere Meinungen dazu interessieren! Sie müssen nicht notgedrungen von Herrn Wahl stammen. Robert Koschwitz
komisch ist doch aber, dass Herr Hartmann in Theater heute, der der Hartmann hier im Forum nicht sein will, etwas vermisst, was ja gerade hier möglich ist: die Kritiker zu kritisieren. Sie sind gar nicht die letzte Instanz, wie er behauptet. Alles, was er fordert, findet doch genau hier statt - oder könnte zumindest.
Und: Wie sollen die Rezensenten eine schlechte Inszenierung denn besprechen? Eine Kritik ist ja ein "inhaltliches Einschalten", auch wenn sie negativ ist!
Im Zentrum steht, und das habe ich gemeint: Den Theatermachern gefällt nicht, was die Kritiker schreiben. Das ist natürlich, weil die Kritiker meistens schreiben, dass die Aufführungen schlecht sind. Was, Hand aufs Herz, auch meistens stimmt. Natürlich gibt es auch die schlechten Kritiker, die nur verbrannte Erde hinterlassen wollen, aber der gute Kritiker, der das Theater liebt, schreibt nur, dass es schlecht ist, weil er es verändern will, sich das gute Theater wünscht (das wünsche ich mir übrigens auch in Hartmanns Inszenierungen!) Und das kann dem Regisseur natürlich nicht gefallen. Daran würde die Ich-Form oder der Dialog auch nichts ändern. Theaterleute und Theaterkritiker sind eben Gegner. Und ich finde, das liegt in der Natur der Sache.
Deswegen finde ich die Debatte irgendwie lächerlich, vor allem, weil sie immer nur von Regisseuren angezettelt wird, die verrissen werden, und einen anderen Grund dafür suchen als die Qualität ihrer Inszenierungen.
Ich finde das zentrale Kriterium für die Qualität einer Kritik ist nicht die Bewertung, sondern die Beschreibung! Dass ein Kritiker eine Aufführung auch mal scharfzüngig, pointiert und polemisch bewertet, stört mich jedenfalls nicht. Wenn jemand brillante Verisse schreibt (siehe Kortner, Jhering, B. Henrichs) macht es mir Spaß, diese zu lesen!
Viel tragischer finde ich es, dass es nur noch wenige Kritiker gibt, die einen Theaterabend beschreiben können, so dass ich mir auch ein Bild machen kann, wenn ich ihn nicht gesehen habe. Darüber sollte man diskutieren, und nicht über die Larmoyanz eines mittelmäßigen Regisseurs!!!
Ich war unterwegs. Mein mexikanischer Kaffee, organisch, schmeckt gut. Am Waldrand Rehe und Hirsche. Jeder versucht sich interessant zu machen. Das ist das Spiel heutzutage. Trage deshalb Nikeschuhe und heraushängende Hemden, um meinen Bauch zu bedecken.
Sonst bin ich aber recht cool. Stehe neuerdings auf Ray Davies Working Man Cafe, aber der ist auch steinalt. War mal der, der You really got me gesungen hat. Dark side of the moon abgelegt ins Archiv.
Ansonsten ist doch alles nur Theorie. Who cares? Hartmann hin oder her. Ohnehin ist jeder ein Künstler.
Heute gibts Wolfsbarsch mit Mango Tomaten Salsa.
Der Wolfsbarsch ist aus chilenischen Gewässern.
Nur auf der Haut braten. Mango Tomaten Salsa: Gewürfeltes Mangofleisch. Tomatenwürfel, ohne Haut und Samen. Koriandergrün gehackt, rote Zwiebel, gewürfelt, etwas Limonensaft. Mit Kartoffelbrei servieren, mit Buttermilch zubereiten, etwas Knoblauch
im Ofen gebacken, zerdrücken,zugeben. Suche ne kalifornische Gemüsezüchterin, bist du das? Nähe Nappa Valley, Meerblick. Pazifik. Wir unter uns. Gedankenströme.
Korinandergrün. Leider gilt man in der deutschen Literatur nur was als "Verrückter": siehe Kleist oder
Hölderlin, oder Lenz (ausgewiesen aus der Goethestadt Weimar, unter Kanonendonner!)
Gibt nen coolen Film jetzt über Bob Dylan I'm not there,
Cate Blanchett spielt Dylan in ner Hosenrolle.
Liebe koche mir was Gutes als in verstaubte Theater zu gehen. Und ziehe mir Bunel. Ingmar Bergmann und Fassbinder DVDS rein.
All the best.
uli wahl
Und Leipzig war sehr wohl heiß begehrt (u.a. Karin Henkel, Elisabeth Schweeger und Michael Thalheimer im Gespräch). So - genug aus dem Nähkästchen geplaudert...
"Abseits vom Markte und Ruhme begibt sich alles Große; abseits vom Markte und Ruhme wohnten von je die Erfinder neuer Werte." (Wolfgang Bosbach)
In der alten Engel-Intendanz war man sogar ein wenig entsetzt, als man von der Nominierung Hartmanns erfuhr.
Nicht nur Engel war schwer entsetzt, sondern eigentlich alle, die in Deutschland am Theater arbeiten und noch alle Tassen im Schrank haben.
Wie heißt es so schön bei Tocotronic: "Das dunkle Königreich wird nicht mehr aufzuhalten sein - das Schlechte in der Welt bricht nunmehr über uns hinein."
...erstmal jedenfalls ...
(schade, daß es bei Nachtkritik keine Smilies gibt)
Ich glaube es gab in Leipzig mehr Seufzer der Erleichterung als Entsetzensschreie. Endlich Standpunkte! (Egal ob man sie als Zuschauer vertritt oder nicht...)
Engels "Egal-Hauptsache es sieht schön aus" - Theater hatte mit mir nichts zu tun!
Veränderung tut gut.
Natürlich ist es richtig, daß Engel gegangen ist. Aber welche Standpunkte meinst du jetzt konkret: Engel u.ä. ist doof? Seid nett zur Provinz? Der Kapitalismus ist schlecht für die Menschheitsentwicklung? Religion ist irgendwie ganz schön verwirrend, hat aber was?
Oder gibts gibts noch andere?
Hilf mir!!!!!!!
@alle
Stimmt es eigentlich, daß Romeo & Julia in Wien mittlerweile "Jugendkult" ist (gruseliger Ausdruck!), wie der leipziger Kulturbeigeordnete Giradet das heute in der Leipziger Volkszeitung behauptet hat?
Kann nämlich nicht hinfahren.
Also: in Leipzig hatten wir ja den glorreichen Theaterkritiker Baschleben selig, der konnte und wusste was, war natürlich aber immer stets unterbeschäftigt im Betrieb (und darob belächelt von seinen Kollegen), weil so oft gab's nichts zu erzählen über's Theater. Dann hatten sie in der LVZ (wir fachlich Angehauchten sagen immer noch "LeiVoZ", weil das war zu Ostzeiten das Telex-Kürzel, noch vor Faxzeiten, und es hört sich auch total toll an, gerade die letzte Silbe, haha...) den Otten, der war super, aber den konnte wohl keiner leiden, deswegen isser beizeiten raus. Und nu? Nu wollte es keiner machen. Der Korfmacher ist der Ressortleiter von der Kultur, kommt aber von der Musik. Davon nun hat er mehr Ahnung, Geisteshaltung, Anstand und Esprit als jeder andere in diesem Lande. Der Mann ist ein gottverdammtes Geschenk für Leipzig, für dieses Blatt, und das seit Jahren, und das meine ich vollkommen ernst! Unbedingt! Aber Theater, außer Musiktheater, also Oper, war nie seins. Und nun, nach Baschleben und Otten, haben sie in der LVZ zunächst den Praktikantenpfuhl auf Tauglichkeit in puncto Theater-Rezis getestet - "Negative, Sir!"; und deswegen muss seit einiger Zeit Frau Hoyer ran. Die kommt aber eher eigentlich von der Literatur; niemand schreibt in diesem Blatt so dezidiert, profund und liebevoll über SchriftstellerInnen und deren Werke, ich würde gern mal einen Blick auf ihr Bücherregal werfen! Aber Theater? TheaterKRITIK? Man hat ihr diesen journalistischen Aufgabenbereich als Bärendienst les- und spürbar aufgedrückt! Die Frau kommt aus Berlin, hatte ganz offensichtlich ein Anrecht am DT und liebt z. B. Dieter Mann. Aber wenn der dann wegen der Buchmesse nach Leipzig kommt, redet sie mit ihm über Tschechow-Teile aus den 70ern am DT und grandiose DEFA-Filme mit Mann ("Das Versteck" - wundervoll!). Aber so richtig wusste sie (auch zuletzt mit und unter Engel) mit Theater nichts anzufangen. Als Kritikerin, wohlgemerkt, privatim wohl schon. Vielleicht bedeutet ihr Theater auch soviel, dass sie ihre geheimsten Freuden nicht öffentlich machen mag. Das aber nun ist alles andere als pressetauglich. Und so liest sich das eben leider auch. Es ähnelt immer mehr einer hypo-reflektierten Abschreibe des Ges(ch)ehenen. Aber dafür hat nun wirklich jedeR im Publikum das Programmheft/-zettel zur Hand.
Also: Baschleben selig, Otten Ex, Korfmacher kann nicht, Hoyer muss, will aber nicht immer, ergo: am Ende dringt die Ungestalt- und Unformuliertheit des Rathauses selbst in den Drucktext, dabei dachten wir immer, geile Journalisten könnten uns vor diesen Unbilden bewahren. Weil: gut schwätzen können die im Rathaus immer noch nicht, dafür werden die auch nicht bezahlt. Das ist die einzige und ehrliche Erklärung dafür, dass es so ein Scheusal wie "Jugendkult" in die gestrige LeiVoZ geschafft hat. Eben nicht gefiltert von der sog. "Vierten Instanz" aka Journalismus (nach Legislative, Judikative und Exekutive), sondern der traurige O-Ton vom Girardet. Huaaahh...
Und das, lieber "act up!", ist nicht nur gruselig, das ist so schäbig, es lässt einen nachgerade an der eigenen Menschwerdung zweifeln!
Und, nu sach ma, das IST doch nun wirklich Shakespeare, oder? Mehr noch als in Wien oder überhaupt und irgendwo, oder? Nicht?
Hach, ich schreib' einfach zu gerne lange Einträge mit "Sendungsbewusstsein"; es geht, es will einfach nicht anders und/oder kürzer. Seid's gnädig mitanand und: danke!